Gesetz über Hilfen und Schutzmaßnahmen bei psychischen Krankheiten (Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetz – PsychKHG) Baden-Württemberg - Walter Zimmermann - E-Book

Gesetz über Hilfen und Schutzmaßnahmen bei psychischen Krankheiten (Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetz – PsychKHG) Baden-Württemberg E-Book

Walter Zimmermann

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Beschreibung

Aktuelle Gesetzeslage Das seit 1.1.2015 geltende Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetz Baden-Württemberg (PsychKHG BW) regelt – anders als das frühere Unterbringungsgesetz Baden-Württemberg (UBG BW) – drei Komplexe: • die Hilfen für psychisch kranke Menschen, • die geschlossene Unterbringung von psychisch kranken Menschen nach dem Landesrecht von Baden-Württemberg sowie • den Maßregelvollzug bei Personen, die strafrechtlich belangt wurden. Arten der Unterbringung Es gibt mehrere Arten der Unterbringung, am wichtigsten ist die Unterbringung durch Betreuer, Betreuungsrichter sowie nach dem PsychKHG BW. Die Unterbringung nach dem PsychKHG BW ist teilweise im PsychKHG BW selbst, teilweise im FamFG und in sonstigen Gesetzen geregelt. Die Rechtslage ist deshalb kompliziert und auch für Juristen nicht ohne Weiteres verständlich. Prägnante Darstellung In Teil A des Buches ist vorrangig die Unterbringung nach dem PsychKHG BW, aber auch die Unterbringung durch den Betreuer, den Bevollmächtigten, den Betreuungsrichter sowie nach dem Freiheitsentziehungsrecht jeweils grundrissartig dargestellt. Umfassende Kommentierung In Teil B ist das PsychKHG BW, also die Hilfen, die Unterbringung und der Maßregelvollzug, im Einzelnen kommentiert. Besonders empfehlenswert Das Buch wendet sich an alle, die sich über das Unterbringungsverfahren und das PsychKHG BW rechtlich informieren wollen, insbesondere an • Gerichte, • psychiatrische Kliniken, • Einrichtungen des Maßregelvollzugs, • Verwaltungen, • Sachverständige, • Gesundheitsämter, • sozialpsychiatrische Dienste, • Beschwerdestellen, • Betreuungsbehörden, • Betreuungsvereine, • Ärzte, • Pflegerinnen und Pfleger sowie • Polizeidienststellen.

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Gesetz über Hilfen und Schutzmaßnahmen bei psychischen Krankheiten (Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetz – PsychKHG) Baden-Württemberg

Praxiskommentar

Dr. Dr. h. c. Walter Zimmermann

Vizepräsident des Landgerichts a. D. Honorarprofessor an der Universität Regensburg

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek | Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über www.dnb.de abrufbar.

Print ISBN 978-3-415-06137-8 E-ISBN 978-3-415-06139-2

© 2018 Richard Boorberg Verlag

E-Book-Umsetzung: Datagroup int. SRL, Timisoara

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlages. Dies gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

Titelfoto: © JEGAS RA – stock.adobe.com

Richard Boorberg Verlag GmbH & Co KG | Scharrstraße 2 | 70563 Stuttgart Stuttgart | München | Hannover | Berlin | Weimar | Dresdenwww.boorberg.de

Vorwort

Da ich 2003 das frühere Unterbringungsgesetz (UBG BW) von Baden-Württemberg erläutert hatte, das seit 1.1.2015 durch das neue PsychKHG BW abgelöst ist, lag es nahe, auch das neue Gesetz zu kommentieren.

Das PsychKHG von Baden-Württemberg regelt (anders als das UBG BW) drei Komplexe:

Hilfen für psychisch Kranke,

die geschlossene Unterbringung von psychisch Kranken nach dem Landesrecht von Baden-Württemberg sowie

den Maßregelvollzug bei Personen, die strafgerichtlich belangt wurden.

Es gibt mehrere Arten der Unterbringung, am wichtigsten sind die Unterbringung durch Betreuer, Betreuungsrichter sowie nach dem PsychKHG BW. Die Unterbringung nach dem PsychKHG BW ist teilweise im PsychKHG BW, teilweise im FamFG und sonstigen Gesetzen geregelt. Die Rechtslage ist deshalb kompliziert und auch für Juristen nicht ohne weiteres verständlich.

Im Teil A des Buches sind hauptsächlich die Unterbringung nach dem PsychKHG BW, aber auch die Unterbringung durch den Betreuer, durch den Bevollmächtigten, durch den Betreuungsrichter und nach dem Freiheitsentziehungsrecht jeweils grundrissartig dargestellt, und dabei wird wegen der im PsychKHG BW geregelten Komplexe auf dieses Gesetz verwiesen.

Im Teil B ist das PsychKHG BW, also die Hilfen, die Unterbringung und der Maßregelvollzug im Einzelnen kommentiert.

Das Buch wendet sich an alle, die sich über das Unterbringungsverfahren und das PsychKHG BW rechtlich informieren wollen, insbesondere an Gerichte, psychiatrische Kliniken, Einrichtungen des Maßregelzugs, Verwaltungen, Sachverständige, Gesundheitsämter, sozialpsychiatrische Dienste, Beschwerdestellen, Betreuungsbehörden, Betreuungsvereine, Ärzte, Pflegerinnen und Pfleger und Polizeidienststellen.

Geschlechtsbezeichnungen sind neutral gemeint; es ist unübersichtlich und mühsam, immer „Richterinnen und Richter“ usw. zu lesen. Wegen der unterschiedlichen Rechtsprechung übernehme ich natürlich keine Haftung für meine Rechtsmeinung.

Passau, im September 2017

Walter Zimmermann

Inhalt

Abkürzungen

Literaturverzeichnis

Teil A. Unterbringung und Unterbringungsverfahren

I. Die Unterbringung nach dem PsychKHG Baden-Württemberg

A. Materiellrechtliche Voraussetzungen der Unterbringung

1. Voraussetzungen

2. Aufgaben der Ordnungsbehörde

3. Übersicht

B. Behördliche Unterbringungsmaßnahmen

1. Vorermittlungen der Behörde

2. Vorführung zur Untersuchung auf Veranlassung des Gesundheitsamts

3. Zurückhalten des Betroffenen durch das Krankenhaus

4. Rechtsmittel

C. Das gerichtliche Unterbringungsverfahren

1. Antrag

2. Zuständigkeit des Gerichts

3. Verfahrensfähigkeit des Betroffenen

4. Bestellung eines Verfahrenspflegers

5. Die Anhörung des Betroffenen

6. Beteiligte des Verfahrens; Anhörung weiterer Personen und Stellen

7. Ermittlungen

8. Sachverständigengutachten

9. Die Entscheidung des Betreuungsgerichts

10. Bekanntgabe der Entscheidung

D. Einstweilige Unterbringung durch das Betreuungsgericht

1. Übersicht

2. Gewöhnliche einstweilige Anordnung

3. Eilige einstweilige Anordnung

4. Weitere Verfahrensfragen

E. Vollstreckung und Vollzug der Unterbringung

1. Einlieferung in die Einrichtung

2. Behandlung in der Klinik („Einrichtung“)

3. Rechtsschutz im Vollzug

4. Patientenbeschwerdestelle

5. Patientenfürsprecher

6. Andere Beschwerdemöglichkeiten

F. Dauer der Unterbringung

1. Allgemeines

2. Erste Verlängerung

3. Vierjährige Unterbringung

G. Aussetzung des Vollzugs, Urlaub

1. Ausgang, Ausführung, Beurlaubung

2. Aussetzung des Vollzugs

H. Entlassung

1. Entlassungsfälle

2. Aufhebungsverfahren

3. Unberechtigte Unterbringung

I. Beschwerde und Beschwerdeverfahren

1. Beschwerde

2. Beschränkbarkeit der Beschwerde

3. Beschwerdeberechtigung

4. Beschwerdeverfahren

5. Die Entscheidung des Landgerichts

6. Rechtsbeschwerde

J. Kosten

1. Gerichtskosten

2. Anwaltsgebühren

3. Vergütung und Ersatz der Auslagen des Verfahrenspflegers

4. Kosten der Hilfe und der Behandlung des Betroffenen

5. Unterbringungskosten

II. Die Unterbringung durch den Betreuer

A. Allgemeines, Voraussetzungen

1. Rechtsgrundlage: § 1906 BGB

2. Abgrenzung: Unterbringung nach § 1906 BGB – nach § 13 PsychKHG BW

3. Ärztliche Behandlung des nach § 1906 BGB untergebrachten Betreuten

4. Zwangsbehandlung des stationär untergebrachten Betreuten

5. Verhältnis der Genehmigung nach § 1904 BGB zur Unterbringungsgenehmigung nach § 1906 BGB

6. Voraussetzungen der Unterbringung durch den Betreuer im Einzelnen

B. Genehmigungsverfahren des Gerichts

1. Antrag

2. Zuständigkeit des Gerichts

3. Verfahrensfähigkeit

4. Verfahrenspfleger

5. Anhörung des Betroffenen

6. Beteiligte, Anhörung weiterer Personen und Stellen

7. Ermittlungen

8. Sachverständigengutachten

9. Entscheidung des Betreuungsgerichts

10. Bekanntgabe der Entscheidung

C. Einstweilige Anordnungen bei Unterbringung durch den Betreuer

1. Einstweilige Anordnung im gewöhnlichen Verfahren

2. Einstweilige Anordnung bei gesteigerter Dringlichkeit

3. Weitere Verfahrensfragen

D. Vollzug der zivilrechtlichen Unterbringung

1. Einlieferung in die Einrichtung

2. Zwang

3. Behandlung in der Einrichtung

4. Rechtsschutz im Vollzug

E. Fortdauer der Unterbringung

F. Aussetzung des Vollzugs und Entlassung

1. Aussetzung des Vollzugs

2. Ausgang, Urlaub

3. Entlassung

G. Beschwerde und Beschwerdeverfahren

1. Beschwerde

2. Beschwerdeverfahren

3. Die Entscheidung des Beschwerdegerichts

4. Rechtsbeschwerde

H. Kosten

III. Unterbringungsähnliche Maßnahmen bei Betreuten

A. Allgemeines

B. Voraussetzungen im Einzelnen

1. Anwendungsbereich

2. Betreuter als Betroffener

3. Krankenhaus, Heim oder sonstige Einrichtung

4. Bereits untergebrachte Betreute

5. Zeitliches Kriterium

6. Arten von Maßnahmen

7. Einwilligung des Betreuten

8. Wohl des Betreuten

9. Erforderlichkeit

10. Verhältnismäßigkeit

C. Genehmigungsverfahren des Gerichts

1. Allgemeines

2. Ärztliches Zeugnis

3. Inhalt der Entscheidung des Betreuungsgerichts

4. Vollzug

IV. Unterbringung durch Bevollmächtigte

A. Voraussetzungen

B. Genehmigung des Betreuungsgerichts

V. Genehmigung unterbringungsähnlicher Maßnahmen durch Bevollmächtigte

VI. Die Unterbringung durch den Betreuungsrichter (§ 1846 BGB)

A. Eilmaßnahmen im Überblick

1. Zivilrechtliche Unterbringung

2. Öffentlich-rechtliche Unterbringung

3. Übersicht

B. Unterbringung nach § 1846 BGB

1. Wesen

2. Anwendungsbereich des § 1846 BGB

3. Voraussetzungen

4. Weitere Verfahrensfragen

5. Vollzug

VII. Die Unterbringung nach dem Freiheitsentziehungsverfahrensrecht

A. Materiellrechtliche Regelungen

B. Verfahrensrecht

VIII. Die strafrechtliche Unterbringung (Maßregelvollzug)

A. Rechtsgrundlagen

B. Übersicht

C. Konkurrenz: strafrechtliche Unterbringung – PsychKHG BW-Unterbringung

IX. Unterbringung nach dem StrUBG Baden-Württemberg

A. Rechtsgrundlagen

B. Übersicht

X. Polizeigewahrsam nach § 28 Polizeigesetz Baden-Württemberg

A. Konkurrenz mit dem PsychKHG BW

B. Rechtsschutz

C. Entlassung vor Entscheidung

Teil B. Kommentierung des PsychKHG Baden-Württemberg

Teil 1 Allgemeines

§ 1 Anwendungsbereich

§ 2 Grundsatz

Teil 2 Hilfen

§ 3 Allgemeines

§ 4 Leistungen nach anderen Rechtsvorschriften

§ 5 Begriff und Ziel der Hilfen

§ 6 Sozialpsychiatrischer Dienst

§ 7 Gemeindepsychiatrische Verbünde

§ 8 Koordination der Hilfeangebote

§ 9 Patientenfürsprecherinnen und -fürsprecher sowie Informations-, Beratungs- und Beschwerdestellen

§ 10 Ombudsstelle auf Landesebene, Melderegister

§ 11 Landesarbeitskreis Psychiatrie

§ 12 Rahmenplanung, Landespsychiatrieplan

Teil 3 Unterbringung

Abschnitt 1 Allgemeines

§ 13 Voraussetzungen der Unterbringung

§ 14 Anerkannte Einrichtungen

Abschnitt 2 Unterbringungsverfahren

§ 15 Unterbringungsantrag

§ 16 Fürsorgliche Aufnahme und Zurückhaltung

§ 17 Ärztliche Untersuchung durch das Gesundheitsamt

Abschnitt 3 Die Unterbringung und ihre Durchführung

§ 18 Zuständigkeit und Ausführung der Unterbringung

§ 19 Unterbringung und fachliche Betreuung

§ 20 Behandlung

§ 21 Persönliches Eigentum, Besuchsrecht, Telefonverkehr

§ 22 Schrift- und Paketverkehr

§ 23 Belastungserprobung

§ 24 Religionsausübung

§ 25 Besondere Sicherungsmaßnahmen

§ 26 Unmittelbarer Zwang

§ 27 Besuchskommissionen

§ 28 Entlassung

§ 29 Fortdauer der Unterbringung

§ 30 Kosten

Abschnitt 4 Datenschutz

§ 31 Datenschutz

Teil 4 Maßregelvollzug

Abschnitt 1 Ziele, Grundlagen und Organisation

§ 32 Geltungsbereich

§ 33 Ziele des Maßregelvollzugs

§ 34 Maßregelvollzugseinrichtungen, jugendliche Untergebrachte

§ 35 Aufsicht

§ 36 Qualitätssicherung, Wissenschaft und Forschung

Abschnitt 2 Planung und Gestaltung des Maßregelvollzugs, Recht der untergebrachten Personen

§ 37 Durchführung des Maßregelvollzugs

§ 38 Behandlung und Behandlungsplanung

§ 39 Beschäftigung und Freizeit

§ 40 Besuchsrecht

§ 41 Persönliches Eigentum, Telefon-, Schrift- und Paketverkehr, Fernsehen

§ 42 Hausordnung

Abschnitt 3 Finanzielle Regelungen

§ 43 Unterbringungs- und Nebenkosten

§ 44 Anspruch auf medizinische Leistungen

§ 45 Zuwendungen und Beihilfen

§ 46 Arbeitsentgelt, Sozialversicherungsbeiträge

§ 47 Verfügung über Geld, Barbetrag, Eigengeld, Überbrückungsgeld

§ 48 Kostenbeitrag für die Unterbringung

Abschnitt 4 Sicherungs- und Zwangsmaßnahmen

§ 49 Besondere Sicherungsmaßnahmen und unmittelbarer Zwang

§ 50 Durchsuchungen und Videoüberwachung

Abschnitt 5 Vollzugslockerungen und Entlassungsvorbereitungen

§ 51 Beurlaubung und Vollzugslockerungen

Abschnitt 6 Forensische Nachsorge

§ 52 Nachsorgende Hilfen, forensische Ambulanzen

Abschnitt 7 Datenschutz

§ 53 Personenbezogene Daten

Abschnitt 8 Beschwerdemöglichkeiten

§ 54 Besuchskommissionen und Beschwerdemöglichkeiten

Teil 5 Schlussbestimmungen, Grundrechte

§ 55 Verwaltungsvorschriften

§ 56 Einschränkung von Grundrechten

§ 57 Übergangsvorschrift

§ 58 Inkrafttreten

Anhang Text der §§ 26, 34, 38, 39, 40, 41, 58, 63, 70, 151, 167, 168, 276, 283, 284, 312 bis 339 FamFG

Sachregister

Abkürzungen

a. A.

anderer Ansicht

a. F.

alte Fassung

a. a. O.

am angegebenen Ort

AG

Amtsgericht

Anm.

Anmerkung

Art.

Artikel

BayObLG

Bayerisches Oberstes Landesgericht

BayVBl

Bayerische Verwaltungsblätter

BDSG

Bundesdatenschutzgesetz

BGB

Bürgerliches Gesetzbuch

BGH

Bundesgerichtshof

BT-Drucks

Bundestagsdrucksache

BtPrax

Betreuungsrechtliche Praxis (Zeitschrift)

BVerfG

Bundesverfassungsgericht

bzw.

beziehungsweise

EZPsychG

G. zur Errichtung der Zentren für Psychiatrie

FamFG

G. über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der Freiwilligen Gerichtsbarkeit

FamRZ

Zeitschrift für das gesamte Familienrecht

FEVG

Freiheitsentziehungsverfahrensgesetz

FuR

Familie und Recht (Zeitschrift)

GG

Grundgesetz

GNotKG

Gerichts- und Notarkostengesetz

GPV

Gemeindepsychiatrische Verbünde

h. M.

herrschende Meinung

IBB

Informations-, Beratungs- und Beschwerdestelle

i. V. m.

in Verbindung mit

JVEG

Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz

JVollzGB I

Justizvollzugsgesetzbuch BW Buch 1

JVollzGB III

Justizvollzugsgesetzbuch BW Buch 3

JurBüro

Juristisches Büro (Zeitschrift)

Justiz

Die Justiz (Zeitschrift)

LFGG

Landesgesetz (BW) über die freiwillige Gerichtsbarkeit

LG

Landgericht

LKHG

Landeskrankenhausgesetz

LT-Drucks.

Landtagsdrucksache Baden-Württemberg

LVwVfG

Landes-Verwaltungsverfahrengesetz BW

MDR

Monatsschrift für Deutsches Recht (Zeitschrift)

MedR

Medizinrecht (Zeitschrift)

MRV

Maßregelvollzug

m. w. N.

mit weiteren Nachweisen

NJW

Neue Juristische Wochenschrift

NJW-FER

NJW-Entscheidungsreport Familien- und Erbrecht

NJW-RR

Rechtsprechungsreport der NJW (Zeitschrift)

OLG

Oberlandesgericht

ö.-r.

öffentlich-rechtlich

PF

Patientenfürsprecher

PKH

Prozesskostenhilfe

PolG

Polizeigesetz von Baden-Württemberg

PsychKG

Gesetz über psychisch Kranke (versch. Länder)

Rn., Rz.

Randnummer; Randziffer

Rpfleger

Der Deutsche Rechtspfleger (Zeitschrift)

R & P

Recht und Psychiatrie (Zeitschrift)

RVG

Rechtsanwaltsvergütungsgesetz

StGB

Strafgesetzbuch

StPO

Strafprozessordnung

StVollzG

Strafvollzugsgesetz

UnterbrG

Unterbringungsgesetz (versch. Länder)

usw.

und so weiter

VBVG

Vormünder- und Betreuervergütungsgesetz

vgl.

vergleiche

VKH

Verfahrenskostenhilfe

VwVfG

Verwaltungsverfahrensgesetz Baden-Württemberg

VwVG

Verwaltungsvollstreckungsgesetz Baden-Württemberg

z. B.

zum Beispiel

ZfP

Zentrum für Psychiatrie

ZPO

Zivilprozessordnung

Literaturverzeichnis

Arloth, Strafvollzugsgesetze Bund und Länder, 4. Aufl. 2017

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Bergener, Die zwangsweise Unterbringung psychisch Kranker, 1986

Bergener/Heiliger/Holzscheider, Problematik des Freiheitsentzugs bei psychisch Kranken, 1988

Bienwald/Sonnenfeld/Harm, Betreuungsrecht (Kommentar), 6. Aufl. 2016

Bohnert, Unterbringungsrecht, 2000

Calliess/Müller-Dietz, Strafvollzugsgesetz, 2008

Coeppicus, Sachfragen des Betreuungs- und Unterbringungsrechts, 2000

Damrau/Zimmermann, Betreuungsrecht (Kommentar), 4. Aufl. 2011

Deinert/Jegust, Das Recht der psychisch Kranken (Vorschriftensammlung), 2006

Dettmers/Weis, Betreuungsrecht für die Praxis, 2017

Dodegge/Roth, Betreuungsrecht (Kommentar), 2014

Dodegge/Zimmermann, PsychKG Nordrhein-Westfalen (Kommentar), 3. Aufl. 2011

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Henking/Vollmann (Hg), Zwangsbehandlung psychisch kranker Menschen, 2015

Huber, Rechtsstellung und Rechtswirklichkeit der nach baden-württembergischem Unterbringungsgesetz Untergebrachten, 1990

Juchart/Warmbrunn, Unterbringungsgesetz Baden-Württemberg, 1992

Keidel/Bearbeiter, Freiwillige Gerichtsbarkeit, 19. Aufl. 2017

Klie/Lörcher, Gefährdete Freiheit, 1994

Koch, Der klinische Anhörungstermin im Unterbringungsverfahren, 1995

Konrad, Die zivilrechtliche Unterbringung Volljähriger im Vergleich zur öffentlich-rechtlichen Unterbringung, 1999

Knittel, Betreuungsgesetz (Loseblattkommentar), 1992 ff.

Kuban, Das Recht der Verwahrung und Unterbringung … zwischen 1794 und 1945, 1997

Kullmann, Entziehung der Freiheit von Geisteskranken und Suchtkranken (Hessisches FreiheitsentziehungsG v. 1952), 1971

Lauter/Schreiber, Rechtsprobleme in der Psychiatrie, 2. Aufl. 1981

Less, Die Unterbringung von Geisteskranken, 1989

Marschner, Psychische Krankheit und Freiheitsentziehung, 1985

Marschner/Volckart, Freiheitsentziehung und Unterbringung, 2001

Marschner/Volckart/Lesting, Freiheitsentziehung und Unterbringung, 5. Aufl. 2010

Meyder/Wiedwald/Stolz/Warmbrunn/Juchart, PsychKHG Baden-Württemberg, 2016

Müller-Isberner/Eucker, Therapie im Maßregelvollzug, 2009

Münchener Kommentar zum BGB (§§ 1773–1919) 7. Aufl. 2017

Münchener Kommentar zum FamFG, 2. Aufl. 2013

Palandt/Bearbeiter, BGB-Kommentar, 76. Aufl. 2017

Parensen, Die Unterbringung Geistes- und Suchtkranker (PsychKG NRW), 1972

Pollähne/Lange-Joest (Hg), Heilung erzwingen? 2013

Richter/Hammel, Baden-Württembergisches LFGG, 4. Aufl. 1995

Saage/Göppinger, Freiheitsentziehung und Unterbringung, 2. Aufl. 1975

Schumacher, Freiheitsentziehende Maßnahmen mit mechanischen Mitteln bei der Betreuung gebrechlicher Menschen, 1997

Soergel/Bearb., BGB-Kommentar, 13. Aufl. 2000 (§§ 1773–1919 bearb. v. Zimmermann)

Starke, Die einstweilige Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach der StPO, 1991

Ukena, Die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus, 1991

Volckart, Maßregelvollzug, 2002

Wagner, Effektiver Rechtsschutz im Maßregelvollzug, 2. Aufl. 1992

Weigand, Der Maßregelvollzug in der öffentlichen Diskussion, 1999

Zimmermann, Bayerisches Unterbringungsgesetz, Kommentar, 4. Aufl. 2015

Zimmermann, Thüringer PsychKG, Kommentar, 1994

Zimmermann, Unterbringungsgesetz Baden-Württemberg, Kommentar, 2003

Zimmermann, Ratgeber Betreuungsrecht, 10. Aufl. 2014

Teil A. Unterbringung und Unterbringungsverfahren

Eine freiheitsentziehende Unterbringung, im PsychKHG BW als „Schutzmaßnahme“ bezeichnet, kann nach verschiedenen Rechtsgrundlagen erfolgen:

a) Nach Bundesrecht:

1

aa) Ein Kind kann durch seine Eltern/Vormund/Pfleger nach §§ 1631b, 1800, 1915 BGB geschlossen untergebracht werden. Für die Genehmigung einer solchen „Kindschaftssache“ ist das Familiengericht beim Amtsgericht zuständig (§ 151 Nr. 6 FamFG). Darauf ist das Verfahrensrecht nach § 312 Nr. 1 FamFG anzuwenden.

bb) Ein Volljähriger kann durch seinen Betreuer nach § 1906 BGB untergebracht werden (sog. zivilrechtliche Unterbringung). Das Verfahrensrecht hierzu findet sich in §§ 312 bis 341 FamFG. Zuständig sind die Betreuungsgerichte beim Amtsgericht. Beispiel: altersverwirrte Personen, die nicht mehr in ihre Wohnung zurückfinden. Diese Unterbringung dauert oft längere Zeit. Fast alle Verfahren werden durch eine einstweilige Anordnung eingeleitet. Vgl. Teil A Rn. 203.

cc) Ein Volljähriger kann durch einen Bevollmächtigten untergebracht werden (§ 1906 Abs. 5 BGB); vgl. Teil A Rn. 323.

dd) Jeder kann auf Grund materiellrechtlicher Bestimmungen in bestimmten Gesetzen, wie im Aufenthaltsgesetz (Abschiebungshaft) und im Infektionsschutzgesetz untergebracht werden. Das Verfahren richtet sich nach §§ 415 bis 432 FamFG; das frühere Gesetz über das gerichtliche Verfahren bei Freiheitsentziehungen wurde aufgehoben. Vgl. Teil A Rn. 343.

2

ee) Unterbringung nach § 1846 BGB durch den Richter (Teil A Rn. 328). Beispiel: der Verwirrte hat noch keinen Betreuer, muss aber sofort untergebracht werden, weil er/sie ziellos umherirrt und sich gefährdet.

ff) Unterbringung nach Strafrecht (zu unterscheiden von Strafhaft, wofür das StVollzG gilt), §§ 63, 64 StGB; §§ 453c, 463 StPO. Der Maßregelvollzug ist in §§ 32 ff. PsychKHG BW geregelt. Diese Unterbringung dauert oft mehrere Jahre. Die vorläufige Unterbringung erfolgt nach §§ 81, 126a StPO. Bei Jugendlichen und Heranwachsenden (14 bis 21 Jahre) sind §§ 7, 73 JGG einschlägig. Vgl. Teil B.

gg) Zivilrechtliche Haft zur Erzwingung von Handlungen bzw. Unterlassungen nach der ZPO (§§ 888, 890, 891, 918, 933, 936 ZPO; §§ 95 ff. FamFG). Ordnungshaft gegen Zeugen (§§ 380, 390 ZPO; §§ 51, 70 StPO), Ordnungshaft nach §§ 177, 178 GVG. Sie hat mit dem Geisteszustand des Betroffenen nichts zu tun.

b) Nach Landesrecht:

3

aa) Jedes Bundesland hat ein Landesgesetz über die sog. öffentlich-rechtliche Unterbringung psychisch Kranker, es gibt also 16 verschiedene Gesetze. Das beruht auf der Kompetenzverteilung des Grundgesetzes, hat aber keinen Sinn. Denn weshalb sollte jemand in Hamburg unter anderen Voraussetzungen „eingesperrt“ werden können als in Stuttgart? In Baden-Württemberg gilt seit 1.1.2015 das PsychKHG BW vom 25.11.2014, geändert durch Gesetz vom 1.12.2015 (GBl. 2014, 534; GBl. 2015, 1047). Es regelt die Hilfen für psychisch Kranke, die materiellen Voraussetzungen der Freiheitsentziehung sowie den Maßregelvollzug und gilt für Voll- und Minderjährige. Das Verfahren ist in §§ 312 bis 341 FamFG geregelt, also ebenso wie bei der zivilrechtlichen Unterbringung (mit geringen Abweichungen; Teil A Rn. 204). Nach dem PsychKHG BW untergebracht werden meist Akutfälle, Personen mit plötzlich auftretender Gefährdungshaltung (Selbsttötungsversuch, Aggressivität). Die Unterbringung dauert meist nur einige Tage bzw. Wochen: nach Untersuchungen wird die Hälfte innerhalb von fünf Tagen aufgehoben, 75 % innerhalb von drei Wochen. Fast alle Verfahren beginnen mit der Notfalleinweisung durch die Polizei oder Angehörige, der fürsorglichen Zurückhaltung des psychisch Kranken durch die Klinik (§ 16 PsychKHG BW) oder der Unterbringung aufgrund einstweiliger Anordnung des Betreuungsgerichts (bei Minderjährigen: des Familiengerichts). Das Landes-Unterbringungsrecht war nach alter Auffassung spezielles Polizeirecht, heute wird es dem Gesundheits-/Sozialrecht zugeordnet.

4

bb) Jedes Bundesland hat subsidiäre polizeirechtliche Vorschriften über die Unterbringung; in Baden-Württemberg gilt § 28 PolG BW, sog. Polizeigewahrsam. Vgl. Teil A Rn. 352.

c) Übersicht:

5

Geschlossene Unterbringung

durch Betreuer, § 1906 Abs. 1–4 BGB

durch Bevollmächtigten, § 1906 Abs. 5 BGB

durch Betreuungsgericht, § 1846 BGB

durch Betreuungsgericht nach PsychKHG BW

durch Klinik bis 2 Tage nach § 16 PsychKHG BW

Genehmigung des Betreuungsgerichts erforderlich

Anordnung des Betreuungsgerichts erforderlich

Ohne Genehmigung des Gerichts

„Antrag“ des Betreuers

„Antrag“ des Bevollmächtigten

Antrag der Ordnungsbehörde erforderlich

I. Die Unterbringung nach dem PsychKHG Baden-Württemberg

A. Materiellrechtliche Voraussetzungen der Unterbringung

1. Voraussetzungen

Die Voraussetzungen ergeben sich aus § 1 PsychKHG BW, der allerdings nur besagt, dass das Gesetz die Unterbringung von Personen regelt, die aufgrund einer psychischen Störung krank oder behindert sind; was eine psychische Störung ist wird nicht geregelt.

a) Krankhafter psychischer Zustand

6

Irgendeine Art geistiger Abnormität (von nicht nur geringerer Schwere, BVerfG NJW 1984, 1806; BayObLG FamRZ 2002, 909) muss beim Betroffenen vorliegen. Der Begriff der psychischen Störung ist an die entsprechende Bezeichnung der Klassifikation nach ICD (International Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems) und ICF (International Classification Functioning, Disability and Health) der Weltgesundheitsorganisation angelehnt (LT-Drucks. 15/5521 S. 46).

ICD 10 nennt z. B. folgende Störungen: Organische, einschließlich symptomatischer psychischer Störungen; Psychische und Verhaltensstörungen durch psychotrope Substanzen; Schizophrenie, schizotype und wahnhafte Störungen; affektive Störungen; Neurotische, Belastungs- und somatoforme Störungen; Verhaltensauffälligkeiten mit körperlichen Störungen und Faktoren; Persönlichkeits- und Verhaltensstörungen; Intelligenzstörung; Entwicklungsstörungen; Verhaltens- und emotionale Störungen mit Beginn in der Kindheit und Jugend; nicht näher bezeichnete psychische Störungen.

Die Einordenbarkeit unter eine ICD-Ziffer besagt aber noch nicht, dass ein Unterbringungsgrund im Sinne des § 1 PsychKHG BW vorliegt. Krankheit ist für die Unterbringung nach dem PsychKHG BW ein juristischer Begriff, kein medizinischer.

Dieser psychische Zustand kann auch für eine zivilrechtliche Unterbringung nach § 1906 BGB oder für eine strafrechtliche Unterbringung nach § 63 StGB genügen.

b) Gefahr

7

Eigengefährdung: Der Betroffene muss sich selbst (Leben, Gesundheit) erheblich gefährden; in diesen Fällen scheidet § 63 StGB aus, dagegen kommt auch § 1906 BGB in Frage. Gefährdung eigener Sachen (eigenes Vermögen) genügt nicht.

Fremdgefährdung: Der Betroffene muss bedeutende Rechtsgüter anderer (d. h. andere Personen, fremde Sachen) erheblich gefährden, für sie eine Gefahr sein. Vgl. Teil B § 13. Das kann auch eine Rückfallgefahr sein, wenn bei Sexualstraftätern nach Verbüßung langjähriger Haft solches zu befürchten ist (Beispiel: BayObLG NJW 2000, 881; LG München I NJW 2000, 883; andererseits BayObLG FGPrax 2002, 91). In solchen Fällen kann es (nach einer rechtswidrigen Tat und Defekten in der Schuldfähigkeit) auch zur Unterbringung nach § 63 StGB kommen; dagegen schützt § 1906 BGB nur das Wohl des Betreuten, nicht unmittelbar fremde Sachen, fremde Personen.

Folgenlose geistige Behinderung erlaubt keine Maßnahmen nach dem PsychKHG BW.

8

c)Ursachenzusammenhang zwischen der Krankheit und der Gefährdung, was aus dem Wort „aufgrund“ folgt (BayObLG FGPrax 2002, 91 zum BayUnterbrG; Alperstedt BtPrax 2000, 149).

9

d) Die Gefahr muss gegenwärtig sein (§ 13 Abs. 3 PsychKHG BW), also jederzeit bevorstehen (akute Gefahr), soweit Rechtsgüter anderer betroffen sind. Eine „Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung“ ist nicht erforderlich. § 1906 BGB dagegen verlangt keine akute Gefahr (BGH NJW-RR 2010, 1370).

10

e)Fehlendes Einverständnis des Betroffenen mit seiner Unterbringung (§ 13 Abs. 1 PsychKHG BW: „gegen ihren Willen“). Dabei kommt es nur auf die natürliche Einsichtsfähigkeit an; die Geschäftsfähigkeit spielt keine Rolle. Denkbar ist, dass sich ein Einverständnis des Betroffenen aus einer Patientenverfügung ergibt.

Bei dem, der willenlos ist, z. B. bewusstlos, volltrunken, liegt ebenfalls kein Einverständnis vor. Hier kann nach § 16 PsychKHG BW vorgegangen werden und innerhalb der Zweitagesfrist geklärt werden, ob der Betroffene einwilligt oder nicht.

Solange sich ein Betroffener freiwillig in einer psychiatrischen Einrichtung befindet, kann keine zwangsweise Unterbringung nach dem PsychKHG BW erfolgen; anders ist es, wenn er z. B. die Klinik verlassen will und die Voraussetzungen einer fürsorglichen Zurückhaltung nach § 16 PsychKHG BW vorliegen; wenn der Betroffene also außerhalb der Unterbringung eine unmittelbar drohende Gefahr für andere oder sich selbst darstellt (OLG Hamburg NJW-RR 1992, 57 zum PsychKG Hbg).

11

f)Erforderlichkeit der Unterbringung, d. h. die Gefahr kann nicht anders abgewendet werden (§ 13 Abs. 3 PsychKHG BW). Das setzt auch die Unterbringung nach § 1906 BGB voraus.

12

g)Verhältnismäßigkeit. Die vom Betroffenen ausgehenden Gefahren müssen zur Schwere des Eingriffs in die Freiheitsrechte ins Verhältnis gesetzt werden (BVerfG NJW 1986, 767; BayObLG NJW 2000, 881; FGPrax 2002, 91). Geringe Gefahren rechtfertigen keine Unterbringung.

13

h) Subsidiarität. Die Unterbringung nach dem PsychKHG BW ist grundsätzlich subsidiär gegenüber allen anderen Unterbringungsformen (vgl. BVerfG NJW 1982, 693/694: „jedenfalls als subsidiärer Behelf ist neben der zivilrechtlichen Unterbringung deshalb stets die öffentliche Unterbringung nach Landesrecht getreten“). Das ergibt sich aus § 13 Abs. 2 Satz 3 PsychKHG BW. Maßnahmen nach dem PsychKHG BW sind deshalb inder Regel nicht möglich bei Personen, die sich

in Strafhaft befinden (dafür gilt das StrafvollzugsG), oder

vom Betreuer nach § 1906 BGB untergebracht sind;

vgl.

Teil A Rn. 204. Bei Personen, die sonst unter Betreuung stehen (z. B. Aufgabenkreis Vermögenssorge), ist eine Anwendung des PsychKHG BW möglich.

Nach a. A. (Meyder/Wiedwald/Stolz/Warmbrunn/Juchart § 13 Rn. 5) besteht Gleichrangigkeit zwischen öffentlich-rechtlicher und zivilrechtlicher Unterbringung; die Streitfrage ist aber ohne nennenswerte praktische Auswirkungen.

Der Maßregelvollzug wird nach §§ 32 ff. PsychKHG BW vollzogen.

2. Aufgaben der Ordnungsbehörde

14

Liegen die oben genannten Voraussetzungen (§ 13 PsychKHG BW) nach Auffassung der unteren Verwaltungsbehörde (Ordnungsbehörde) vor, kann sie

beim Amtsgericht (Abt. Betreuungsgericht; bei Minderjährigen: Familiengericht) einen Antrag auf Anordnung der „endgültigen“ Unterbringung im regulären Verfahren stellen (das ist der seltene Ausnahmefall, weil das reguläre Verfahren Monate dauert); § 13 PsychKHG BW; §§ 312 ff. FamFG. Ist der Betroffene schon in der Klinik, kann in Baden-Württemberg auch die Klinik beim Amtsgericht den Unterbringungsantrag stellen (§ 15 Abs. 1 Satz 2 PsychKHG BW).

beim Amtsgericht (Abt. Betreuungsgericht) einen Antrag auf einstweilige Anordnung stellen, gerichtet auf vorläufige Unterbringung (Teil A Rn. 92); § 15 Abs. 1 PsychKHG BW; §§ 331, 332 FamFG. Fast immer liegt Eilbedürftigkeit vor, so dass eine einstweilige Anordnung in Frage kommt. Ist der Betroffene schon in der Klinik, kann in Baden-Württemberg auch die Klinik beim Amtsgericht den Antrag auf einstweilige Anordnung stellen (§ 15 Abs. 1 Satz 2 PsychKHG BW).

Notfalleinlieferung, Zurückhaltung. In Baden-Württemberg kann ferner der Betroffene, wenn er sich schon in der Klinik befindet, von der Klinik für maximal zwei Tage zurückgehalten (d. h. festgehalten) werden, § 16 PsychKHG BW. Anschließend wird er/sie entweder entlassen oder die Klinik beantragt beim Amtsgericht die Anordnung der Unterbringung. Ins Krankenhaus gelangt der Betroffene entweder zunächst freiwillig oder er wird von Dritten dorthin geschafft, z. B. von der Polizei, nachdem diese ihn in Gewahrsam genommen hatte (§ 28 PolG BW).

3. Übersicht

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Vorführung beim Gesundheitsamt zwecks Untersuchung

veranlasst durch Ordnungsbehörde

§ 17 PsychKHG BW

Festhalten bis zu zwei Tagen

angeordnet durch Klinik

§ 16 PsychKHG BW

Vorführung beim Sachverständigen zwecks Untersuchung

angeordnet durch Betreuungsrichter

§ 13 PsychKHG BW; §§ 322, 283 FamFG

Unterbringung zwecks Beobachtung für ein Gutachten

angeordnet durch Betreuungsrichter

§ 13 PsychKHG BW; §§ 322, 284 FamFG

einstweilige Unterbringung (bis 6 Wochen)

angeordnet durch Betreuungsrichter

§ 13 PsychKHG BW; §§ 331, 333 FamFG

längerfristige Unterbringung (bis 1–2 Jahren)

angeordnet durch Betreuungsrichter

§ 13 PsychKHG BW; §§ 323, 329 FamFG

kurzfristige Unterbringung

angeordnet durch Betreuungsrichter

§ 1846 BGB; § 334 FamFG

Bei Minderjährigen ist anstelle des Betreuungsgerichts das Familiengericht zuständig, § 151 Nr. 7 FamFG.

B. Behördliche Unterbringungsmaßnahmen

1. Vorermittlungen der Behörde

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Hierfür gilt das Verwaltungsverfahrensrecht. Zuständig ist die untere Verwaltungsbehörde (Ordnungsamt der kreisfreien Stadt bzw. des Landkreises); die örtliche Zuständigkeit richtet sich nach § 3 VwVfG. Wenn die Ordnungsbehörde auf irgendeine Weise (z. B. Anzeigen der Polizei, Dritter, des Sozialamts, des Gesundheitsamts, der Staatsanwaltschaft) von einem Sachverhalt Kenntnis erlangt, demzufolge jemand (In- oder Ausländer; Voll- oder Minderjährige) möglicherweise untergebracht werden müsste, ermittelt sie den Sachverhalt von Amts wegen (§ 24 VwVfG); der Betroffene ist grundsätzlich anzuhören, er kann zur Vorklärung von der unteren Verwaltungsbehörde angeschrieben, vorgeladen oder von Mitarbeitern zu Hause aufgesucht werden; Angehörige und Nachbarn können befragt werden; auch Beiziehung von Akten (frühere Unterbringungen usw.) kommt in Frage (Sozialleistungsakten dürfen u. U. nicht verwertet werden, § 35 SGB I, §§ 67 ff. SGB X). Der Betroffene kann einen Anwalt beiziehen (§ 14 VwVfG). Er hat ein Recht auf Akteneinsicht (§ 29 VwVfG). Gegen nicht belastende Akte der Vorermittlungen hat der Betroffene kein Rechtsmittel; er kann sich aber an die IBB-Stelle (Informations-, Beratungs- und Beschwerdestelle) nach § 9 Abs. 3 PsychKHG BW wenden, ferner Dienstaufsichtsbeschwerde einlegen.

Die Ordnungsbehörde veranlasst ferner, wenn ausreichende Anhaltspunkte dafür vorliegen, eine sofortige Untersuchung des Betroffenen durch das Gesundheitsamt, § 17 PsychKHG BW (Teil A Rn. 18). Gerichtliche Kontrolle: Amtsgericht (§ 327 FamFG).

Wird später vom Gericht der Unterbringungsantrag zurückgewiesen und waren die Vorermittlungen dürftig, sind die Kosten des Betroffenen der Körperschaft, der die Behörde angehört, aufzuerlegen (§ 337 Abs. 2 FamFG), also nicht der „Staatskasse“.

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a)Ergibt sich keine Unterbringungsbedürftigkeit, hat die Behörde dies dem Betroffenen mitzuteilen, wenn er von der Einleitung des Verfahrens in Kenntnis gesetzt wurde oder jedenfalls ein Gutachten über ihn angefertigt wurde. Das ergibt sich aus allgemeinen rechtsstaatlichen Erwägungen.

b)Besteht nach Auffassung der Behörde eine Unterbringungsnotwendigkeit, hat die örtlich zuständige Ordnungsbehörde beim zuständigen Amtsgericht die Unterbringung des Betroffenen zu beantragen (§§ 13, 15 PsychKHG BW): entweder durch ein reguläres Verfahren (es dauert Monate und kommt daher selten vor) oder durch Antrag auf einstweilige Anordnung (über 99% der Fälle), wobei gleichzeitig die „endgültige“ Unterbringung im regulären Verfahren zu beantragen ist.

c) Meist liegen akute Fälle vor, in denen sofort gehandelt werden muss (beim Versuch des Suizids kann man nicht noch einige Tage mit der Unterbringung warten), so dass auch die einstweilige Anordnung nicht mehr abgewartet werden kann. In diesen Fällen kann die Polizei tätig werden und den Kranken in ein Krankenhaus bringen, in dem er festgehalten wird (§ 16 PsychKHG BW). Wenn die Polizei Erkenntnisse über Alkoholmissbrauch eines Kraftfahrers, die ihr anlässlich der vorläufigen Unterbringung des Betroffenen in eine Nervenklinik bekannt geworden sind, an die Straßenverkehrsbehörde weitergibt (Führerschein!), verstößt das nicht gegen Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG (BVerwG NJW 1988, 1863).

2. Vorführung zur Untersuchung auf Veranlassung des Gesundheitsamts

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Sind gewichtige Anhaltspunkte dafür vorhanden, dass beim Betroffenen wegen seiner psychischen Krankheit eine Eigen- oder Fremdgefährdung droht, kann er von der unteren Verwaltungsbehörde aufgefordert werden, sich vom Gesundheitsamt untersuchen zu lassen (§ 17 PsychKHG BW). Die Anordnung kann beim Amtsgericht angefochten werden (§ 17 Satz 2 PsychKHG BW; § 327 FamFG). Kommt der Betroffene (Patient) nicht zur Untersuchung und ist der Hausbesuch bei ihm unergiebig, wird die Aufforderung unter Androhung der Vorführung wiederholt, falls dies ratsam erscheint. Bleibt auch das ohne Erfolg, wird der Betroffene auf Veranlassung des Gesundheitsamts durch die örtliche Ordnungsbehörde zur Sprechstunde vorgeführt (vgl. § 18 Abs. 3 PsychKHG BW), die Behörde kann die Polizei um Vollzugshilfe bitten (§ 60 PolG BW). Der bzw. die Betroffene wird dann ärztlich untersucht. Liegt ein akuter Fall vor, kann er im äußersten Fall von der Polizei in Gewahrsam genommen und in ein Krankenhaus gebracht werden, in dem er nach § 16 PsychKHG BW festgehalten werden darf.

3. Zurückhalten des Betroffenen durch das Krankenhaus

19

Sind dringende Gründe für die Annahme vorhanden, dass die Voraussetzungen für eine Unterbringung vorliegen, und erscheint eine sofortige Unterbringung erforderlich, so kann die Klinik eine Person, die sich bereits in der Klinik befindet, zurückhalten, bevor die Unterbringung beantragt oder angeordnet ist; § 16 PsychKHG BW. Hier hat das Krankenhaus die Stellung einer Gesundheitsbehörde; es ordnet die Verwaltungsunterbringung an und vollzieht sie auch sogleich; eine Vollstreckung entfällt, weil der Betroffene bereits im Krankenhaus ist.

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Vor Ablauf des zweiten Tages wird der Betroffene entweder

vom Krankenhaus entlassen, oder

er bleibt freiwillig oder

das Krankenhaus beantragt beim Amtsgericht die Anordnung der Unterbringung.

4. Rechtsmittel

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a) Den Rechtsschutz gegen Maßnahmen im Rahmen der Vorermittlungen regelt das PsychKHG BW nicht. Für die gerichtliche Kontrolle von Handlungen der Verwaltungsbehörde ist grundsätzlich der Verwaltungsrechtsweg gegeben (§ 40 VwGO, Generalklausel). Ausnahme: die Aufforderung der unteren Verwaltungsbehörde, sich vom Gesundheitsamt untersuchen zu lassen, kann beim Amtsgericht angefochten werden (§ 17 Satz 2 PsychKHG BW; § 327 FamFG). Gegen die bloße Aufforderung, zur Sprechstunde zu erscheinen oder gegen die Ankündigung des Hausbesuchs ist der Antrag auf gerichtliche Entscheidung des Betreuungsgerichts (§ 327 FamFG) jedoch schon deswegen unzulässig, weil hierin noch keine Rechtsverletzung im Sinne von § 327 Abs. 2 FamFG liegt.

b) Hält die Klinik den Betroffenen fest, erfolgt die Klärung der Rechtmäßigkeit im anschließenden Unterbringungsverfahren. Wird der Betroffene von der Klinik einfach formlos entlassen, ist ihm das Verfahren nach § 62 FamFG verschlossen. Es bleibt allenfalls eine Klage auf Schadensersatz wegen Freiheitsentziehung, § 823 BGB. Vgl. Teil A Rn. 154.

C. Das gerichtliche Unterbringungsverfahren

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Für das gerichtliche Verfahren gilt das FamFG; dies ergibt sich für Volljährige aus § 312 Nr. 3 FamFG und für Minderjährige aus § 151 Nr. 7 in Verb. mit §§ 167, 312 Nr. 3 FamFG.

1. Antrag

a) Antrag der Ordnungsbehörde

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Das Verfahren beginnt mit dem Eingang des schriftlichen Unterbringungsantrags der örtlich zuständigen Ordnungsbehörde beim Gericht. Schriftlich heißt: Fax oder Brief, aber keine E-Mail; der Absender muss namentlich genannt sein. Vertretungsberechtigt ist der Behördenleiter sowie diejenigen Personen, denen nach den entsprechenden Dienstanweisungen bzw. Geschäftsverteilungen das Antragsrecht übertragen wurde. Der Antrag ist zwingende Verfahrensvoraussetzung, § 15 Abs. 1 PsychKHG BW. Die Ordnungsbehörde kann nicht nur die vorläufige Unterbringung durch einstweilige Anordnung beantragen, sondern muss stets zugleich die „endgültige“ Unterbringung beantragen (Teil B § 15). Welche Ordnungsbehörde örtlich zuständig ist, regelt das PsychKHG BW nicht, sondern das LVwVfG BW; zuständig ist diejenige Behörde, in deren Bezirk der Betroffene seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat oder zuletzt hatte bzw. bei Gefahr im Verzug die Behörde, in deren Bezirk das Bedürfnis für die Unterbringung hervortritt (§ 3 Abs. 1 Nr. 3a und Abs. 4 LVwVfG BW).

Der Antrag ist mit einer konkreten Sachverhaltsschilderung zu begründen (§ 15 Abs. 2 PsychKHG BW), die sich mit den Unterbringungsvoraussetzungen befasst.

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Ferner ist dem Antrag ein ärztliches Zeugnis beizufügen (§ 15 Abs. 2 PsychKHG BW) sowie ggf weitere Ermittlungsunterlagen (Polizeiberichte usw.). Dieses Zeugnis muss von einem Gesundheitsamt stammen oder vom Facharzt einer Einrichtung (§ 14 PsychKHG BW), z. B. eines Zentrums für Psychatrie, „unterschrieben“ sein; der Arzt muss Facharzt für Psychiatrie/Psychotherapie sein. Soll ein Minderjähriger untergebracht werden (§ 151 Nr. 7 FamFG), muss der Unterzeichner des ärztlichen Zeugnisses Facharzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie sein (§ 12 Abs. 2 Satz 2 PsychKHG BW; im späteren gerichtlichen Verfahren soll er diese Qualifikation nur haben, § 167 Abs. 6 FamFG).

Über das Alter des Zeugnisses und ob es auf einer persönlichen Untersuchung beruhen muss und wie lange diese zeitlich zurückliegen darf, ist nicht geregelt.

Das PsychKHG BW unterscheidet:

Untersuchungsergebnis eines Gesundheitsamts (§ 17 Satz 1 PsychKHG BW);

Ärztliches Zeugnis eines Gesundheitsamtes (§ 15 Abs. 2 Satz 1 PsychKHG BW);

Zeugnis eines Facharztes für Psychiatrie/Psychotherapie einer „Einrichtung“ (§ 15 Abs. 2 PsychKHG BW);

Untersuchungsergebnis eines „Arztes“ einer „Einrichtung“ (ohne weitere Qualifikation?), § 16 Abs. 3 PsychKHG BW.

Zeugnis eines Arztes beliebiger Qualifikation, auch Allgemeinarzt (§ 16 Abs. 2 PsychKHG BW).

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Die örtliche Ordnungsbehörde muss den Antrag bei sich dokumentieren, also eine Akte mit Abschriften des Antrags und des Zeugnisses anlegen.

b) Antrag der „Einrichtung“ (Klinik)

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Befindet sich der Betroffene bereits in der Klinik, so ist (neben der Verwaltungsbehörde) auch die Klinik antragsberechtigt (§ 15 Abs. 2 Satz 2 PsychKHG BW). Die Klinik hat den Antrag auf Anordnung der Unterbringung unverzüglich, spätestens aber bis zum Ablauf des zweiten Tages nach der Zurückhaltung, an das Gericht abzusenden (§ 16 Abs. 4 PsychKHG BW). Erforderlich ist auch hier eine Sachverhaltsschilderung und ein ärztliches Zeugnis (§ 16 Abs. 2 PsychKHG BW) sowie ggf. weitere Ermittlungsunterlagen. Das Zeugnis muss von einem Facharzt der Einrichtung stammen.

2. Zuständigkeit des Gerichts

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a)International sind die deutschen Gerichte für die öffentlich-rechtliche Unterbringung auch von Ausländern zuständig, wenn sie örtlich zuständig sind, was sich bei Volljährigen aus § 313 Abs. 3 FamFG ergibt, bei Minderjährigen aus § 152 Abs. 2 FamFG (§ 105 FamFG); § 104 Abs. 1 und 2 FamFG sind für die öffentlich-rechtliche Unterbringung nicht anwendbar (§ 104 Abs. 3 FamFG). Für die zivilrechtliche Unterbringung (§ 1906 BGB) findet sich in § 104 FamFG eine entsprechende Regelung.

28

b)Sachlich sind für Unterbringungsmaßnahmen die Betreuungsgerichte zuständig; bei Minderjährigen die Familiengerichte (§ 23a Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 1 GVG). Das sind Abteilungen der Amtsgerichte. Die früher zuständigen Vormundschaftsgerichte wurden zum 1.9.2009 durch das FGG-ReformG abgeschafft.

Baden-Württemberg hat ein badisches und ein württembergisches Rechtsgebiet (§ 1 Abs. 4 LFGG); für Unterbringungsentscheidungen ist in beiden Rechtsgebieten das Amtsgericht (und nicht das Notariat) zuständig (§ 37 Abs. 1 Nr. 1 LFGG BW).

29

c)Örtliche Zuständigkeit: für die öffentlich-rechtliche Unterbringung eines Volljährigen ist örtlich zuständig das Amtsgericht, in dessen Bezirk das Bedürfnis für die Unterbringung hervortritt (§ 313 Abs. 3 Satz 1 PsychKHG BW), wo also der Betroffene auffällig, gefährlich geworden ist (BayObLG FamRZ 1992, 722/723), nicht zwingend, wo er sich aufhält/wohnt.

Bei Minderjährigen kommt es auf den gewöhnlichen Aufenthalt an (§ 152 Abs. 2 FamFG).

Befindet sich der Betroffene (voll- oder minderjährig) bereits in einer „Einrichtung“ (§ 14 PsychKHG BW), ist das Gericht ausschließlich zuständig, in dessen Bezirk die Einrichtung liegt (vgl. OLG Schleswig BeckRS 2012, 21749). Damit soll erreicht werden, dass an Wochenenden notwendige Eilmaßnahmen durch das für die Klinik zuständige Gericht getroffen werden können (BT-Drucks. 13/7158 S. 39). Fehlt eine solche schon vorhandene Klinik-Unterbringung, ist das Gericht zuständig, in dessen Bezirk der volljährige Betroffene auffällig wird (§ 313 Abs. 3 FamFG) bzw. wo der gewöhnliche Aufenthalt des Minderjährigen ist.

30

Konzentration auf einzelne Amtsgerichte: § 23d GVG.

Abgabe: „Das Gericht kann die Unterbringungssache abgeben, wenn der Betroffene sich im Bezirk des anderen Gerichts aufhält und die Unterbringungsmaßnahme dort vollzogen werden soll, sofern sich dieses zur Übernahme des Verfahrens bereit erklärt hat.“ (§ 314 FamFG). Notwendig ist allerdings ein „wichtiger Grund“ vgl. § 4 FamFG (OLG Karlsruhe BeckRS 2014, 17735). Diese Regelung gilt auch für die öffentlich-rechtliche Unterbringung (Keidel/Budde § 314 Rn. 2). Zuständigkeitsstreit: Können sich die Gerichte nicht einigen: § 5 Nr. 5 FamFG (das Obergericht entscheidet).

31

d)Funktionell ist nur der Richter zuständig (vgl. Art. 104 Abs. 2 GG), nicht der Bezirksnotar (Wegfall, ab 1.1.2018); auf den Rechtspfleger wurden keine Unterbringungsangelegenheiten übertragen (§§ 3, 4 Abs. 2 Nr. 2 RPflG). Der Amtsrichter muss in der Psychiatrie nicht „erfahren“ sein, ebenso wenig wie er als Familienrichter geschieden oder als Insolvenzrichter zahlungsunfähig sein muss. Allerdings darf ein Richter im ersten Jahr nach seiner Ernennung Geschäfte eines Betreuungsrichters nicht wahrnehmen (§ 23e Abs. 2 Satz 2 GVG).

3. Verfahrensfähigkeit des Betroffenen

32

Der Betroffene ist voll verfahrensfähig, wenn er das 14. Lebensjahr vollendet hat, auch wenn er geschäftsunfähig ist, §§ 151 Nr. 7, 167 Abs. 3, 9 Abs. 1 Nr. 3, 316 FamFG. Er kann also Anträge stellen, Zustellungen entgegennehmen (BayObLG NJW-RR 2001, 724), Rechtsmittel einlegen, Verfahrensvollmacht erteilen und wirksam einen honorarpflichtigen Anwaltsvertrag schließen (BGH FamRZ 2014, 110; OLG Koblenz NJW 2014, 1251), auch wenn ein „natürlicher Wille“ fehlt; er kann alle Angriffs- und Verteidigungsmittel selbst vorbringen, Richter und Sachverständige ablehnen, Verfassungsbeschwerde einlegen, auch wenn ihm ein Betreuer für diese Aufgabenkreise beigeordnet ist (BayVerfGH BtPrax 1995, 179). Verfahrensfähig sein heißt ferner, auch Handlungen wirksam vornehmen zu können, die nachteilig sein können. Darunter fallen z. B. nach Meinung des BGH die Rücknahme einer Beschwerde sowie der Verzicht auf Rechtsmittel (BGH FamRZ 2014, 110; Keidel/Budde § 275 Rn. 4). Diese Ausdehnung ist m. E. bedenklich, weil sie dem Schutzgedanken widerspricht (zust. Bassenge/Roth § 275 Rn. 3); der Rechtsmittelverzicht des völlig Verwirrten, der nicht einmal ahnen kann, was er tut, kann schwerlich wirksam sein (vgl. OLG Hamm Rpfleger 1990, 510 zur alten Rechtslage).

An der eigenen Verfahrensfähigkeit ändert sich nichts, wenn dem Betroffenen ein Verfahrenspfleger bestellt wird; es liegen dann ggf. konkurrierende Erklärungen vor, keine ist vorrangig. Das Rechtsmittel des Betroffenen kann der Verfahrenspfleger daher ohne Zustimmung des Betroffenen nicht zurücknehmen.

4. Bestellung eines Verfahrenspflegers

a) Zuständigkeit

33

Das Gericht (d. h. in Unterbringungssachen der Richter) muss dem Betroffenen einen Verfahrenspfleger bestellen, „soweit dies zur Wahrnehmung der Interessen des Betroffenen erforderlich ist“, § 317 FamFG. Beim Landgericht, d. h. im Beschwerdeverfahren, muss die Bestellung durch die Kammer erfolgen, nicht nur durch den Vorsitzenden oder Berichterstatter (BayObLG FamRZ 1999, 874 Nr. 580); anders ist es bei Übertragung auf den Einzelrichter (§ 68 Abs. 4 FamFG, § 526 ZPO). Bei Unterbringung eines Kindes, wofür das Familiengericht zuständig ist, ist dem Kind gegebenenfalls ein Verfahrensbeistand zu bestellen (§§ 151 Nr. 7, 167 Abs. 1 Satz 2, 168 FamFG).

b) Voraussetzungen

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Ein Verfahrenspfleger muss demnach bestellt werden (ohne Ermessen des Gerichts):

aa) Wenn von der persönlichen Anhörung des Betroffenen (wegen Verständigungsunfähigkeit oder Gesundheitsgefährdung) abgesehen werden soll, §§ 317 Abs. 1 Satz 2, 319 Abs. 3, 34 Abs. 2 FamFG. Der Verfahrenspfleger scheint zwar überflüssig zu sein, weil aufgrund des Gutachtens und der richterlichen Anhörung der Sachverhalt meist klar liegt; wegen Art. 103 Abs. 1 GG hat aber der Betroffene einen Anspruch auf rechtliches Gehör; die (alleinige) Wahrnehmung des Rechts durch eine dazu unfähige Person würde keine ordnungsmäßige Rechtsausübung darstellen.

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bb) Wenn die geistigen Fähigkeiten des Betroffenen derart gemindert sind, dass er seine Interessen selbst nicht mehr ausreichend wahrnehmen kann (KG BtPrax 2008, 42; LG Kleve NJW-RR 2014, 1032; OLG Schleswig FamRZ 1994, 781: bei PsychKG-Unterbringung ist ein Verfahrenspfleger in der Regel erforderlich).

c) Kein Verfahrenspfleger notwendig

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Die Bestellung soll unterbleiben oder aufgehoben werden, wenn der Betroffene von einem Rechtsanwalt oder einem anderen geeigneten Verfahrensbevollmächtigten (z. B. einem sachkundigen Verwandten) vertreten wird, § 317 Abs. 4 FamFG. Die Nichtbestellung ist im Beschluss zu begründen (§ 317 Abs. 2 FamFG).

d) Ende der Verfahrenspflegschaft

37

Die Verfahrenspflegschaft endet, wenn sie durch das Betreuungsgericht aufgehoben wird, im Übrigen mit formeller Rechtskraft der verfahrensabschließenden Entscheidung (§ 317 Abs. 5 FamFG), weshalb der Verfahrenspfleger für die Beschwerdeinstanz nicht erneut zu bestellen ist. Sie endet ferner mit dem sonstigen Abschluss des Verfahrens (§ 317 Abs. 5 FamFG), z. B. Rücknahme des Antrages, Entlassung oder Tod des Betroffenen. Der vom Betreuungsgericht bestellte Unterbringungs-Verfahrenspfleger kann deshalb nicht nur gegen den Unterbringungsbeschluss Beschwerde einlegen, sondern auch noch durch einen BGH-Anwalt Rechtsbeschwerde zum BGH gegen den Beschwerdebeschluss des Landgerichts (§§ 317, 10 Abs. 4 FamFG).

e) Stellung des Verfahrenspflegers

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§ 315 Abs. 2 FamFG bezeichnet den Verfahrenspfleger als „Beteiligten“ des Verfahrens. Der Verfahrenspfleger ist ein Pfleger eigener Art. Der Betroffene soll bei den besonders schwerwiegenden Eingriffen in das Grundrecht der Freiheit der Person nicht alleine stehen, sondern fachkundig beraten und vertreten werden (BGH NJW 2016, 3596). Zur Anhörung des Betroffenen und des Sachverständigen ist er zu laden. Eine Anhörung des Betroffenen im Unterbringungsverfahren, die stattgefunden hat, ohne dass der Verfahrenspfleger Gelegenheit hatte, an ihr teilzunehmen, ist verfahrensfehlerhaft (BGH NJW 2016, 3596; BGH NJW 2012, 1582). Wird der Verfahrenspfleger erst am Tag der Anhörung geladen und wendet er wegen der Kurzfristigkeit Verhinderung ein, muss der Termin verlegt werden (vgl. OLG Naumburg FamRZ 2002, 986; BayObLG FamRZ 2002, 629). Der Verfahrenspfleger erhält vollständige Einsicht in die Gerichtsakte (§ 13 FamFG), eine Abschrift des Sachverständigengutachtens und der sonstigen Anhörungen und Ermittlungen; ihm ist rechtliches Gehör zu gewähren, am Verfahren ist er wie ein Anwalt des Betroffenen zu beteiligen. Widersprechende Verfahrenshandlungen des Betroffenen und des Verfahrenspflegers sind daher denkbar.

Andererseits ist der Verfahrenspfleger kein gesetzlicher Vertreter des Betroffenen; er darf keine Aufträge oder Kostenzusagen im Namen des Betroffenen geben, zu einer eigenständigen umfassenden Ermittlungstätigkeit ist er nicht befugt; die Ärzte, die den Betroffenen vor der Unterbringung behandelt haben, müssen ihm keine Auskunft geben, wenn der Betroffene sie nicht wirksam von der Schweigepflicht entbunden hat; auch sonstige Personen (wie etwa Angehörige, Banken) haben keine Auskunftspflicht gegenüber dem Verfahrenspfleger.

Wenn der Verfahrenspfleger erfolglos in Sachen des Betroffenen Beschwerde eingelegt hat, dürfen ihm persönlich keine Kosten auferlegt werden (§ 317 Abs. 7 FamFG, entgegen § 84 FamFG).

f) Person des Verfahrenspflegers

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Bestellt werden kann jede geeignete Person, z. B. Rechtsanwälte, sachkundige Sozialarbeiter. Es muss immer oder jedenfalls „in der Regel“ (KG BtPrax 2008, 42; OLG Celle BtPrax 1994, 175; LG Kleve NJW-RR 2014, 1032; LG Oldenburg FamRZ 1993, 460; Keidel/Budde § 317 Rn. 6; a. A. LG Braunschweig FamRZ 1994, 524: Nichtjurist genüge) ein Rechtsanwalt bestellt werden; denn Verteidigung gegen Freiheitsentziehungen ist eine ureigene Aufgabe eines Anwalts. Ob die Bestellung einer Betreuungsbehörde zulässig ist, ist streitig (dagegen LG Stuttgart BWNotZ 1996, 14); dies ist aber jedenfalls wegen der Funktionsvermengung unzweckmäßig, genauso wie die Bestellung eines Betreuungsvereins. Der Verfahrenspfleger erhält keine Bestallungsurkunde, keinen „Ausweis“; gegenüber dem Krankenhaus usw. weist er sich durch den gerichtlichen Bestellungsbeschluss aus.

g) Anfechtung

40

Die Bestellung bzw. die Ablehnung der Bestellung eines Verfahrenspflegers ist nach § 317 Abs. 6 FamFG für den Betroffenen unanfechtbar, obwohl der Betroffene, falls vermögend, den Verfahrenspfleger selbst zahlen muss; eventuell kann der Betroffene einen Rechtsanwalt beauftragen, sodass kein Verfahrenspfleger mehr nötig ist. Auch die Feststellung des Betreuungsgerichts im Bestellungsbeschluss, die Verfahrenspflegschaft erfordere anwaltsspezifische Tätigkeiten, ist nicht mit Beschwerde anfechtbar (BGH NJW 2013, 3040). Die ausgewählte Person ist zur Übernahme nicht verpflichtet, eine dem § 1898 BGB entsprechende Vorschrift fehlt, §§ 1786, 1915 BGB sind nicht anwendbar (a. A. Pohl BtPrax 1991, 57), weil der Verfahrenspfleger kein Pfleger im Sinne von § 1915 BGB ist.

h) Vergütung

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Zur Vergütung des Verfahrenspflegers vgl. Teil A Rn. 196 ff. Es gibt ehrenamtliche und berufsmäßige Verfahrenspfleger. Die Berufsmäßigkeit muss im Bestellungsbeschluss ausdrücklich festgestellt werden (§ 1 Abs. 2 VBVG), sonst erhält er später keine Vergütung, sondern nur Ersatz seiner Auslagen (z. B. Fahrtkosten).

i) Beiordnung eines Rechtsanwalts

42

Die zwingende Beiordnung eines Rechtsanwalts ist im PsychKHG BW nicht vorgesehen. Wird anwaltliches Wissen benötigt, ist als Verfahrenspfleger ein Anwalt zu bestellen. Das Betreuungsgericht kann bei der Bestellung ferner feststellen, dass anwaltsspezifische Tätigkeit erforderlich sein wird; das ist für das Vergütungsfestsetzungsverfahren bindend (BGH NJW 2013, 3040; BGH NJW 2011, 453). Ein Anwalt könnte aber bei Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für den Betroffenen beigeordnet werden, §§ 76, 78 Abs. 2 FamFG i. V. m. §§ 114 ff. ZPO; dann wäre die Bestellung eines Verfahrenspflegers überflüssig (§ 317 Abs. 4 FamFG); vgl. LG Berlin BtPrax 2002, 175; a. A. LG Hannover FamRZ 1993, 461: eine solche Beiordnung sei nicht möglich. Das Problem ist die unterschiedliche Vergütung.

5. Die Anhörung des Betroffenen

a) Allgemeines

43

Vor einer Unterbringungsmaßnahme hat das Gericht den Betroffenen persönlich anzuhören und sich einen unmittelbaren Eindruck von ihm zu verschaffen, § 319 Abs. 1 FamFG (entspricht § 278 FamFG). Das sind zwei verschiedene Vorgänge, die ineinander übergehen. Dadurch soll sowohl eine optimale Sachaufklärung im Rahmen des Amtsermittlungsgrundsatzes (§ 26 FamFG) erreicht werden als auch eine besonders intensive Form der Gewährung des rechtlichen Gehörs (Art. 103 GG). Die Anhörung ist das Kernstück der Amtsermittlung (BGH NJW-RR 2014, 642). Ob der Betroffene den hinter bestimmten Fragen steckenden Sinn erfassen kann ist nicht wesentlich. Einen Eindruck kann und muss sich der Richter auch dann verschaffen, wenn der Betroffene angeblich nicht artikulationsfähig ist. Eine Anhörung des Betroffenen, die stattgefunden hat, ohne dass der Verfahrenspfleger Gelegenheit hatte, an ihr teilzunehmen, ist verfahrensfehlerhaft (BGH NJW 2016, 3596).

Zur Wiederholung der Anhörung im Beschwerdeverfahrenvgl. Rn. 175. Zum Unterlassen der Anhörung vgl. Rn. 50.

Die Anhörung ist nicht öffentlich, was aus § 170 GVG folgt. Ohne Zustimmung des Betroffenen dürfen deshalb behandelnde Ärzte, Pflegepersonal, Angehörige nicht zugegen sein (ein Gespräch unter vier Augen mit dem Richter muss möglich sein); § 170 Abs. 1 Satz 2 GVG. Verfahrenspfleger, Rechtsanwälte des Betroffenen und seine Vertrauenspersonen (§ 170 Abs. 1 Satz 3 GVG) dürfen anwesend sein. Es ist nicht verboten, wenn nach der nichtöffentlichen Anhörung die Sache in Anwesenheit des Betroffenen zusammen mit den Ärzten, Angehörigen usw. erörtert wird. Zur Anhörung kann der Richter einen Sachverständigen zuziehen.

b) Anhörung durch das Rechtshilfegericht?

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Grundsätzlich muss der zuständige Richter die Anhörung durchführen. Ist der Betroffene in einer weit entfernten Einrichtung untergebracht, fragt sich, ob der erkennende Richter anreisen muss, was erheblichen Zeit- und Kostenaufwand verursacht, oder ob das Rechtshilfegericht tätig werden darf. Dazu bestimmt § 319 Abs. 4 FamFG, dass die Anhörung nicht durch einen ersuchten Richter erfolgen „soll“.

Diese Möglichkeit ist jedoch auf eng begrenzte Ausnahmefälle beschränkt. Macht das Gericht von dieser Möglichkeit Gebrauch, muss es in seiner Entscheidung die Gründe hierfür in nachprüfbarer Weise darlegen (BGH NJW 2016, 2741). Eine Anhörung des Betroffenen im Wege der Rechtshilfe ist jedenfalls dann nicht möglich, wenn sich die Klinik im Bezirk des nach § 313 Abs. 1 FamFG zuständigen Betreuungsgerichts befindet (BGH NJW 2016, 2741). Ein erheblicher Zeit- und Kostenaufwand für die Reise für das zuständige Gericht ist keine ausreichende Begründung (BGH NJW 2016, 2741); letztlich gibt es also keine Begründung. Ist die Entscheidung dringlich und daher eine Abgabe des Verfahrens nach § 314 FamFG vor der Entscheidung aus zeitlichen Gründen nicht durchführbar, ist vom Betreuungsgericht auch die Möglichkeit in Betracht zu ziehen, zunächst nur eine vorläufige Unterbringungsmaßnahme gem. § 331 Satz 1 FamFG zu genehmigen.

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Aus dem Amtsermittlungsprinzip (§ 26 FamFG) folgt, dass im Regelfall der entscheidende Richter selbst die Anhörung vornehmen muss: der erkennende Richter muss einen Eindruck vom Betroffenen haben (§ 319 Abs. 1 Satz 1 FamFG), weshalb die Anhörung durch den Rechtshilfe-Richter nur genügen könnte, wenn der Rechtshilfe-Richter die vollständigen Akten hat und auch seinen Eindruck vom Betroffenen ausreichend protokollieren kann und tatsächlich protokolliert hat.

Bei Wiederholung der Anhörung durch das Amtsgericht sowie bei Anhörung durch das Beschwerdegericht kann die Anhörung durch den ersuchten Richter eher ausreichend erscheinen, wenn sie die Eingriffsvoraussetzungen eindeutig erkennen lässt; bei Verlängerung der Unterbringung dagegen bleibt es bei § 319 Abs. 4 FamFG.

Der ersuchte Amtsrichter darf das Ersuchen nicht mit der Begründung ablehnen, ein eigener Eindruck des erkennenden Gerichts sei erforderlich (BayObLG FamRZ 1993, 450).

c) Inhalt der Anhörung

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Lit: Coeppicus BtPrax 1995, 201; Dodegge NJW 1987, 1912; Koch, Der klinische Anhörungstermin im Unterbringungsverfahren, 1995

Sie wird sich mit Folgendem befassen müssen:

aa) Augenschein am Betroffenen und, soweit erforderlich, an seiner Umgebung.

bb) Klärung der Erforderlichkeit der Unterbringungsmaßnahme. Der Richter soll sich einen Eindruck vom Betroffenen und von der Art seiner Erkrankung verschaffen, damit er ein Bild von der Persönlichkeit des Betroffenen gewinnt und dem ärztlichen Gutachten richterliche Kontrolle entgegensetzen kann (BVerfG NJW 1990, 2310). Hierzu sind die Vorgänge aufzuklären, die zum Verfahren geführt haben (Gefährdung bedeutender Rechtsgüter); inwieweit andere Hilfen bestehen (wegen § 5 Abs. 2 Nr. 3 PsychKHG BW); mit welchen Angehörigen der Betroffene noch in Verbindung steht.

cc) Welche Angehörigen wohnen beim Betroffenen (zwecks Klärung, wer nach § 320 Satz 1 FamFG anhörungsberechtigt sein wird)?

dd) Benennt der Betroffene eine Vertrauensperson?

ee) Unterrichtung über den Verfahrensverlauf, § 319 Abs. 2 FamFG. Wenn die Bestellung eines Verfahrenspflegers in Betracht kommt, ist zu klären, ob sich der Betroffene stattdessen durch einen Anwalt oder einen anderen geeigneten Verfahrensbevollmächtigten vertreten lassen will.

ff) Wird der Betroffene in der Lage sein, die spätere Unterrichtung zu verstehen, dass die Unterbringungsentscheidung anderen Behörden mitgeteilt wurde (§ 338 i. V. m. § 308 Abs. 3 FamFG)? Denn andernfalls unterbleibt später die Unterrichtung.

d) Protokollierung der Anhörung

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Es ist zweckmäßig, die Anhörung in Form eines Gesprächs zu führen und die Fragen und Antworten wörtlich zu protokollieren, wenn es hierauf ankommt. Auch der Eindruck von Betroffenen, also das Ergebnis der richterlichen Beobachtung, sollte protokolliert werden, weil dies nur dann bei einem Referatswechsel verwertet werden kann (BayObLGZ 1982, 388). Vgl. Coeppicus S. 228.

e) Ort der Anhörung

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Es steht im Ermessen des Gerichts, wo es die Anhörung des Betroffenen durchführt. „Den unmittelbaren Eindruck verschafft sich das Gericht, soweit dies erforderlich ist, in der üblichen Umgebung des Betroffenen“, besagt § 319 Abs. 1 Satz 2 FamFG. Erforderlich ist es nur (§ 26 FamFG), wenn es für die Entscheidung darauf ankommt. Das hängt vom Einzelfall ab: bei einem Alkohol- oder Drogensüchtigen hängt der Zustand der Wohnung oder des Klinikzimmers mit den Eingriffsvoraussetzungen meist nicht zusammen, hier genügt die Anhörung im Gerichtsgebäude. Anders als bei der Betreuung (§ 278 Abs. 1 Satz 3 FamFG) gibt es kein Recht des Betroffenen darauf, in der Wohnung angehört zu werden; ein Widerspruchsrecht gegen die Anhörung in der Wohnung ist nicht verankert.

f) Entbehrlichkeit der Anhörung

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Die persönliche Anhörung (aber nicht die Verschaffung eines unmittelbaren Eindrucks vom Betroffenen) kann unterbleiben, wenn der Betroffene im Wege der eiligen einstweiligen Anordnung vorläufig untergebracht wird (§ 332 FamFG). Im Übrigen, also im Regelverfahren und bei der gewöhnlichen einstweiligen Anordnung (§ 331 FamFG), kann sie nur in seltenen Fällen unterbleiben:

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aa) Wenn der Betroffene nach dem unmittelbaren Eindruck des Gerichts offensichtlich nicht in der Lage ist, seinen Willen kundzutun (§ 34 Abs. 2 FamFG); dass der, der sich nicht mehr sagen kann, nicht angehört werden kann, ist ohnehin selbstverständlich. Den unmittelbaren Eindruck muss sich das Gericht trotzdem selbst (eventuell durch den Rechtshilfe-Richter) verschaffen. § 34 Abs. 2 FamFG greift nicht schon dann ein, wenn der Betroffene nichts Sinnvolles zur Sache äußern kann, sondern erst, wenn er entweder überhaupt nichts oder jedenfalls nichts irgendwie auf die Sache Bezogenes zu äußern imstande ist (BGH NJW 2017, 77), etwa, weil er bewusstlos ist. Solange nicht ausgeschlossen ist, dass aus den Antworten und aus dem Verhalten des Betroffenen Rückschlüsse auf dessen natürlichen Willen gezogen werden können, darf das Betreuungsgericht nicht von einer persönlichen Anhörung absehen (BGH NJW 2017, 77). § 34 Abs. 3 FamFG ist bei erstmaliger Unterbringung nicht anwendbar. Oder:

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bb) Wenn von der Anhörung erhebliche Nachteile für die Gesundheit des Betroffenen zu besorgen sind (§ 34 Abs. 2 FamFG); das muss zuvor durch ein ärztliches Gutachten festgestellt werden (§ 319 Abs. 3 FamFG). Gemeint sind irreversible oder lebensgefährliche Schäden, denen auch mit Medikamenten nicht entgegengewirkt werden kann (OLG Karlsruhe FamRZ 1999, 670). Solche Fälle gibt es in Wirklichkeit nicht, es handelt sich um alte Floskeln, mit denen man sich die Anhörung früher ersparte; wieso sollte die Anhörung durch den Richter gefährlich sein können, die durch den Gutachter aber nicht? Ein ärztliches Zeugnis genügt hier nicht; andererseits ist nicht vorgeschrieben, dass der Sachverständige den Betroffenen persönlich untersuchen bzw. befragen muss. Doch darf als Gutachter u. U. nur jemand bestellt werden, der nicht in dieser Unterbringungseinrichtung tätig ist (OLG Karlsruhe FamRZ 1999, 670), weil sonst der Betroffene (der sich evtl. gerne äußern möchte) widerrechtlich abgeschottet werden könnte. Oder:

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cc) Wenn die Unterbringungsmaßnahme nicht angeordnet wird, weil z. B. der Antrag schon nach dem bisherigen Ermittlungsergebnis unbegründet ist.

g) Vorführung zwecks Anhörung

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Der Richter kann den Betroffenen vorführen lassen, wenn dieser sich weigert, zur Anhörung zu erscheinen oder anwesend zu sein (§§ 322, 283 FamFG); für die Vorführung ist nicht die Betreuungsbehörde zuständig (§ 1 Satz 2 BetreuungsbehördenG nennt nur die zivilrechtliche Unterbringung), sondern die örtliche Ordnungsbehörde, die sich der Vollzugshilfe der Polizei bedienen kann.

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Die gewaltsame Wohnungsöffnung und Durchsuchung muss vom Richter ausdrücklich angeordnet werden (§ 319 Abs. 7 FamFG), sonst ist sie unzulässig. Die Regelung in § 283 Abs. 3 Satz 2 FamFG, wonach vor Erlass des Beschlusses der Betroffene persönlich anzuhören ist, ist in § 319 FamFG nicht enthalten. Es ist zweckmäßig, wenn bei der Vorführung durch die Polizei ein Vertreter des Antragstellers (Behörde) anwesend ist, weil er den Vorgang abbrechen könnte.

6. Beteiligte des Verfahrens; Anhörung weiterer Personen und Stellen

a) Zwingend Beteiligte

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Das FamFG hat den Begriff des „Beteiligten“ ausgebaut; das sind diejenigen Personen und Stellen, denen im Unterbringungsverfahren die im FamFG genannten Mitwirkungsrechte zukommen. Wer Beteiligter ist, regeln die §§ 7, 315 FamFG:

aa) Der Betroffene (§ 315 Abs. 1 Nr. 1 FamFG); das ist selbstverständlich.

bb) Die Ordnungsbehörde bzw. die „Einrichtung“, weil sie Antragstellerin der Unterbringung nach dem PsychKHG BW ist (§ 7 Abs. 1 FamFG; § 15 PsychKHG BW); § 315 Abs. 3 FamFG, wonach die Behörde nur auf ihren Antrag (aber dann zwingend) als Beteiligte hinzuzuziehen ist, spielt deshalb für die Unterbringung nach dem PsychKHG BW keine Rolle (Keidel/Budde § 315 Rn. 6).

cc) Der Betreuer. Sein Aufgabenkreis spielt keine Rolle; auch der vorläufige Betreuer (§§ 300, 301 FamFG) ist anzuhören.

dd) Der Vorsorgebevollmächtigte (§ 315 Abs. 1 Nr. 3 FamFG), auch wenn sein Vollmachtsumfang die Unterbringung nicht betrifft (BT-Drucks. 16/6308 S. 273).

ee) Der Verfahrenspfleger (§ 315 Abs. 2 FamFG).

ff) Personen, deren Recht durch das Unterbringungsverfahren unmittelbar betroffen wird (§ 7 Abs. 2 Nr. 1 FamFG).

b) Nach Ermessen des Betreuungsrichters Beteiligte

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(bei Unterbringung eines Kindes ist das Familiengericht zuständig, §§ 151 Nr. 7, 167 FamFG)

aa) Der Ehegatte des Betroffenen, wenn die Ehegatten nicht dauernd getrennt leben (§ 315 Abs. 4 Nr. 1 FamFG). Es kommt auf den Zeitpunkt der Einleitung des Verfahrens an.

bb) Der gleichgeschlechtliche eingetragene Lebenspartner des Betroffenen (§ 315 Abs. 4 Nr. 1 FamFG); dagegen nicht der heterosexuelle Lebensgefährte (Mann/Frau).

cc) Jeder Elternteil und Kind, auch Stiefkind (LG Oldenburg FamRZ 1996, 500), auch Pflegeeltern, bei dem der Betroffene lebt oder bei Einleitung des Verfahrens gelebt hat. Elternteil ist auch der nichteheliche Vater. Wer das Sorgerecht hat, spielt keine Rolle. Kinder in diesem Sinn sind jedenfalls keine minderjährigen Kinder, weil das 16-jährige Kind beim Vater lebt und nicht der Vater „bei“ dem minderjährigen Kind. Volljährige Kinder, die zwar nicht in häuslicher Gemeinschaft mit dem Betroffenen leben, aber mit ihm in Kontakt stehen, fallen nicht unter § 315 Abs. 4 Nr. 1 FamFG; sie sind im Regelfall nach § 26 FamFG anzuhören. Bei minderjährigen Betroffenen erweitert § 167 Abs. 4 FamFG die Anhörungspflichten.

dd) Die vom Betroffenen benannte Vertrauensperson (§ 315 Abs. 4 Nr. 2 FamFG);

ee) Der Leiter der Einrichtung, in der der Betroffene bereits lebt (z. B. psychiatrisches Krankenhaus), § 315 Abs. 4 Nr. 3 FamFG; die Einrichtung, in der der Betroffene untergebracht werden soll oder schon ist, ist damit nicht gemeint (Keidel/Budde § 315 Rn. 8).

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ff)Landesrecht: es kann vorsehen, dass weitere Personen und Stellen beteiligt werden können (§ 315 Abs. 4 Satz 2 FamFG); dem Sozialpsychiatrischen Dienst ist in § 6 PsychKHG BW keine solche Stellung eingeräumt.

c) Voraussetzungen der Einräumung der Beteiligtenstellung

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Bei den unter b) genannten Personen und Stellen macht § 315 Abs. 4 FamFG schwerwiegende Einschränkungen: es liegt im Ermessen des Betreuungsrichters, ob er diese Personen beteiligt; die Beteiligung kann nur „im Interesse“ des Betroffenen erfolgen. Letzteres bedeutet, dass der Betroffene gefragt wird; seine Erklärung ist aber für das Gericht nicht bindend. Kann er sich nicht mehr artikulieren, deutet der Richter die Sache selbst. Nur wenn der Richter einen Angehörigen zum formell Beteiligten „aufwertet“, hat dieser im Übrigen ein Beschwerderecht (§ 335 Abs. 1 FamFG). Sollte ein Angehöriger nicht „beteiligt“ werden, kann er einen diesbezüglichen Antrag stellen; die Ablehnung hat durch förmlichen Beschluss zu erfolgen; dagegen ist die sofortige Beschwerde nach ZPO-Regeln statthaft, über die das LG entscheidet (§ 7 Abs. 5 Satz 2 FamFG).

d) Anhörung der Beteiligten

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Das Gericht hat die zwingend Beteiligten (Rn. 55) und hinzugezogenen Beteiligten (Rn. 56, 57) anzuhören (§ 320 Satz 1 FamFG). § 320 Satz 2 FamFG, wonach es die zuständige Behörde anhören soll, ist bei der öffentlich-rechtlichen Unterbringung gegenstandslos; als Antragstellerin muss die Behörde am weiteren Unterbringungsverfahren beteiligt werden. § 320 FamFG regelt nicht, wem rechtliches Gehör (Art. 103 GG) zu gewähren ist, sondern wer zur Sachaufklärung anzuhören ist. Er konkretisiert § 26 FamFG, mit dem er konkurriert. Zweck der Anhörungen nach § 320 FamFG ist, alle relevanten Gesichtspunkte zugunsten des Betroffenen zu ermitteln (BT-Drucks. 11/4528 S. 184 zu § 70d FGG).

Die Anhörungen sind Auskunftsmittel, keine Beweisaufnahmen; die Angehörten sind keine Zeugen, haben keine Pflicht zur Äußerung, erhalten keine Kostenerstattung. Die Äußerungen dieser Personen können aber zur Überzeugungsbildung des Gerichts im Wege des Freibeweises ausreichen, wenn es sich um unwesentliche unbezweifelte Tatsachen handelt und den zwingend Beteiligten (Betroffener nebst Verfahrenspfleger; Antragsteller) die Äußerungen zur Wahrung des rechtlichen Gehörs vorher bekannt gemacht wurden. Wegen der Schwere des Eingriffs ist allerdings bei wesentlichen Tatsachen ein Strengbeweisverfahren (§ 30 FamFG) notwendig. Die Einholung der Äußerungen gehört insoweit noch in das Stadium der Stoffsammlung.

e) Anhörung und rechtliches Gehör

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Rechtliches Gehör ist nach Art. 103 Abs. 1 GG „jedermann“ zu gewähren; in der freiwilligen Gerichtsbarkeit sind dies die Beteiligten im materiellen und formellen Sinn; also nicht nur diejenigen Personen, die das Gericht nach § 315 FamFG zugezogen hat. Ist ein Beteiligter nur Auskunftsperson und selbst verständigungsunfähig, scheidet die Bestellung eines Pflegers für ihn aus, weil der Pfleger das Wissen der Verständigungsunfähigen nicht weiterleiten kann. Wer dagegen zur Wahrnehmung seiner Rechte anzuhören ist, dem ist gegebenenfalls ein Pfleger zu bestellen (Baumann S. 352). Das sind die gesetzlichen Vertreter des Betroffenen.

f) Unterbleiben der Anhörung der sonstigen Beteiligten

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§ 320 FamFG konkretisiert § 26 FamFG und schränkt den Richter bei der Ermittlung insoweit ein, als er bestimmte Verfahrenshandlungen im Zuge der Sachaufklärung zwingend vorschreibt, auch wenn sie überflüssig sind. Eine Vorschrift, die gestattet, in bestimmten Fällen von dieser Anhörung abzusehen, fehlt. Hat sich das Gericht dafür entschieden, die volljährigen Kinder zu beteiligen, kann der Betroffene ihrer Anhörung nicht mehr widersprechen. Die Anhörung ist zwingend (BayObLG FamRZ 1994, 721). Wenn aber der Sachverhalt ausreichend aufgeklärt ist, sodass von einer an sich möglichen, aber erheblich verzögernden Anhörung nichts Zusätzliches mehr zu erwarten ist, kann das Gericht davon nach allgemeinen Verfahrensgrundsätzen absehen (a. A. Prütting/Helms/Roth § 320 Rn. 4). Hier ist an Fälle zu denken, in denen der Betroffene abwegige Vertrauenspersonen benennt („meine Vertrauenspersonen sind der Papst und die Englische Königin“ – Anhörung über internationale Rechtshilfe? Sicher nicht) oder solche, deren Anschrift erst aufwendig ermittelt werden müsste.

g) Form der Anhörungen

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Die Form der Anhörungen liegt im Ermessen des Gerichts. Im Regelfall wird schriftlich (ohne Zustellung) angehört; mitzuteilen ist der Verfahrensgegenstand. Die bisherigen Ermittlungen und das Gutachten können die Beteiligten im Rahmen von § 13 Abs. 1 FamFG einsehen. Dem Anzuhörenden ist eine angemessene Frist zur Äußerung zu geben. Die Äußerung ist dem Betroffenen bekannt zu geben, wenn das Gericht die Äußerung der Entscheidung zugrunde legen will. Eine Einschränkung zum Schutz der Auskunftsperson vor Belästigungen durch den Betroffenen ist nicht vorgesehen. Zweifelhaft ist, ob von der Bekanntgabe abgesehen werden kann, wenn sich dadurch nachteilige Folgen für die Gesundheit des Betroffenen ergeben würden. In analoger Anwendung von § 319 Abs. 3 FamFG wird das zulässig sein; die Äußerungen sind dann dem Verfahrenspfleger zwecks Gewährung des rechtlichen Gehörs zuzuleiten.

7. Ermittlungen

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Zwecks weiterer Ermittlung kommen in Frage: Zeugenvernehmung, Vernehmung von Ärzten als sachverständige Zeugen, Beiziehung von Akten der Staatsanwaltschaft, Behördenauskünfte, Urkunden, Augenschein. Die Tatsachen, die als Gefährdung bedeutender Rechtsgüter bzw. als Selbstgefährdung vom Gericht bewertet werden, müssen zur Überzeugung des Gerichts erwiesen sein. Bestreitet der Betroffene diese Tatsachen (z. B.: er habe seinen Sohn nicht mit Spiritus übergossen und angezündet; seine Frau nicht mit dem Schürhaken blutig geschlagen), muss Beweis erhoben werden (BayObLG FamRZ 1986, 603), z. B. durch Zeugenvernehmung. Besondere Regelungen darüber sind in den §§ 312 ff. FamFG nicht enthalten; es gelten die Grundsätze der §§ 26, 29, 30 FamFG.

Vorzuziehen ist der Strengbeweis (d. h. ein Beweisverfahren entsprechend der ZPO; förmliche Zeugenvernehmung; § 30 FamFG), der Freibeweis (z. B. telefonische Erkundigungen, § 29 FamFG) ist in der Regel ungenügend (Pentz NJW 1990, 2779). § 30 FamFG schreibt eine förmliche Beweisaufnahme allerdings nur für das Sachverständigengutachten vor (§§ 30 Abs. 2, 321 Abs. 1 Satz 1 FamFG) und überlässt die Entscheidung, welches Beweisverfahren er wählt, im Übrigen dem Richter (§§ 30 Abs. 1, 3 FamFG). Zeugenvernehmungen durch die Verwaltungsbehörden können demgemäß nicht einfach als Urkundsbeweis verwertet werden (vgl. BGH NJW-RR 1992, 1124); erst recht nicht der bloße Inhalt einer polizeilichen Anzeige oder der Anzeige Dritter; auch nicht der bloße Inhalt der Mitteilungen der Behörde oder des Gesundheitsamts. Bestreitet also der Betroffene die Behauptung der Behörde im obigen Unterbringungsantrag, muss der Sohn vom Gericht als Zeuge (im Wege des Strengbeweises nach den Regeln der ZPO) vernommen werden (BayObLG v. 17.10.1991 – 3 Z 166/91), wenn es darauf ankommt.

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In der Praxis wird der Sachverhalt manchmal zu wenig genau ermittelt und im Beschluss nur oberflächlich dargestellt. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit setzt den Maßstab für die Aufklärung des Sachverhalts (BayObLG NJW 2000, 881). Ungenügend sind z. B. Floskeln und Wertungen wie „der Betroffene nahm eine drohende Haltung ein“ (Welche Haltung? Wie weit stand er von der bedrohten Person entfernt?); Frau X „schreit laut aus dem Fenster“ (Tagsüber oder nachts? Wie oft? Wie lange? Was ruft sie?); Herr Y „pöbelt Passanten an“ (Wie viele Passanten? Namen? Wie oft? Was sagt er genau?); „sie ist verwahrlost“ (Details?); „er sammelt Müll an“ (welche Gegenstände, in welcher Menge?).

8. Sachverständigengutachten

64a

Vor Unterbringungsmaßnahmen nach dem PsychKHG BW im regulären Verfahren hat das Betreuungsgericht (bzw. bei Minderjährigen das Familiengericht) ein Sachverständigengutachten einzuholen, § 321 Abs. 1 FamFG; Einzelheiten vgl. Müther FamRZ 2010, 857; Petit FamRZ 2013, 593. Diese Anordnung des Gerichts ist unanfechtbar (BGH NJW-RR 2008, 727; OLG München FamRZ 2006, 557; OLG Stuttgart FGPrax 2003, 72; a. A. KG FGPrax 2002, 63), weil nur eine Zwischenentscheidung vorliegt (§ 58 Abs. 1 FamFG).

Viel häufiger ist aber die Unterbringung durch einstweilige Anordnung des Gerichts (§§ 331, 332 FamFG): hierfür genügt ein ärztliches Zeugnis (§ 331 Nr. 2 FamFG). Die Anordnung der Vorlage ist unanfechtbar. Bis zu sechs Wochen (bei Verlängerung bis drei Monate vgl. § 333 FamFG) kann also eine Unterbringung ohne Gutachten erfolgen.

a) Auswahl des Sachverständigen

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Die Auswahl steht im Ermessen des Gerichts. Nach § 321 Abs. 1 Satz 4 FamFG „soll“ der Gutachter Arzt für Psychiatrie sein; „er muss zumindest Arzt mit Erfahrung auf dem Gebiet der Psychiatrie sein“ (2. Halbsatz). Notwendig ist also eine Ausbildung oder eine dauernde Tätigkeit auf diesem Gebiet. Diese Sachkunde ergibt sich entweder aus der Fachbezeichnung des Arztes (z. B. in Bayern bei einem Landgerichtsarzt, BayObLG FamRZ 1993, 851; Nervenarzt; öffentlich bestellte Amtsärzte mit psychiatrischer Vorbildung; Klinikärzte mit dieser Ausbildung und Tätigkeit).

Andernfalls ist die Sachkunde (z. B. der Umfang der Erfahrungen: wie viele Gutachten bereits? seit wann?) vom Gericht im Beschluss darzulegen (BGH NJW-RR 2016, 1157; BGH NJW-RR 2016, 579), notwendig ist eine solche Darlegung z. B. bei einem Vertragsarzt der Bezirkskrankenhäuser (BayObLG FamRZ 1998, 1188) oder einem Arzt, der als Medizinaloberrat im Gesundheitsamt tätig ist (BayObLG FamRZ 1997, 1565) oder einem „Hausarzt“. Zwar kann der allgemein gehaltene Hinweis des Amtsrichters bzw. des Landgerichts auf den gerichtsbekannt sorgfältigen und kompetenten Sachverständigen, der ihm aus vielen Betreuungs- und Unterbringungsverfahren als sorgfältig arbeitend und fachkundig bekannt sei, den Nachweis der konkret erforderlichen Qualifikation nicht ersetzen (BGH NJW-RR 2012, 962). In einem späteren Fall hat es der BGH (NJW-RR 2016, 1157) aber genügen lassen, dass das LG feststellte, dass es sich bei dem Sachverständigen (der Facharzt für Innere Medizin war) um einen auf dem Gebiet der Psychiatrie erfahrenen Arzt handelt.

Bei Begutachtung eines Minderjährigen, der nach dem PsychKHG BW untergebracht werden soll, wofür das Familiengericht zuständig ist (§ 151 Nr. 7 FamFG), soll der Sachverständige Arzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie sein (§ 167 Abs. 6 Satz 1 FamFG).

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Bei Ärzten, die noch in der Ausbildung sind, gilt dasselbe erst recht. Auch hier ist der Umfang der bereits genossenen Ausbildung und der gemachten Praxis-Erfahrungen durch Rückfrage beim Gutachter (der ohnehin selbst seine Kompetenz zu prüfen hat, § 407a ZPO, § 30 Abs. 2 FamFG) festzustellen, und in der gerichtlichen Entscheidung ist darzulegen, weshalb dem Gericht die Qualifikation genügte. Ein Arzt im Praktikum scheidet als Sachverständiger aus (Keidel/Budde § 280 Rn. 11). Wenn Assistenzärzte u.ä. das Gutachten erstellt haben und ein im Sinne von § 321 FamFG qualifizierter Oberarzt lediglich hinzufügt: „Einverstanden“ oder ähnlich, dann genügt das nicht, weil nicht erkennbar ist, welche Tätigkeiten der Oberarzt selbst vorgenommen bzw. kontrolliert hat; auch sonstige Floskeln sind unzureichend, weil es bei schwerwiegenden Grundrechtseingriffen nicht auf die Auswahl des Stempels ankommen kann. Vgl. BayObLG FamRZ 1993, 351.

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Einen Ausnahmefall, in dem auch ein Nichtpsychiater