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"Gesetze der Wirtschaft" ist nicht einfach nur ein Lehrbuch – es ist Saifedean Ammous' umfassende, fesselnde und leicht verständliche Einführung in die Welt der Wirtschaft, die Studenten, Laien und Wirtschaftsexperten gleichermaßen wertvolle Einsichten bietet. Nach dem internationalen Bestseller "Der Bitcoin-Standard" und dessen Nachfolger "Der Fiat-Standard" etabliert sich Ammous mit diesem Werk als einer der weltweit führenden Vermittler ökonomischer Ideen. Dieses Buch, das Ergebnis von vier Jahren intensiver Arbeit und zwei Jahrzehnten Lehrtätigkeit, leuchtet mit der selten gewürdigten Perspektive der Österreichischen Schule der Ökonomie die Prinzipien, Methoden und Konzepte der Wirtschaft in einer klaren, fesselnden und informativen Weise aus. Anstatt sich auf mathematische Analysen und abstrakte Modelle zu stützen, illustriert Ammous zentrale wirtschaftliche Konzepte mit klarem Wort und lebensnahen Beispielen. Entdecke, wie wir mit Knappheit umgehen, wie Handel, Geld und Markt wirklich funktionieren und warum ein respektvoller Umgang mit Eigentumsrechten die Basis unserer Zivilisation ist.
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Seitenzahl: 610
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Menschliches Handeln undgesellschaftlicher Wohlstand
Gesetze der Wirtschaft – Menschliches Handeln und gesellschaftlicher Wohlstand
Offizielle Übersetzung des englischen Originaltitels:
Principles of Economics
Erstveröffentlichung durch: The Saif House
Copyright © 2023 by Saifedean Ammous
Copyright © 2024 by Aprycot Media (deutsche Ausgabe)
Alle Rechte vorbehalten. Diese Übersetzung wurde von Aprycot Media – Held & Tröndle GbR unter Lizenz von Saifedean Ammous veröffentlicht.
Kein Teil dieses Buches darf in irgendeiner Form oder mit irgendwelchen elektronischen oder mechanischen Mitteln, einschließlich Informationsspeicher- und Informationsabfragesystemen, ohne schriftliche Genehmigung des Autors/Herausgebers reproduziert werden, mit Ausnahme der Verwendung von kurzen Zitaten in einer Buchrezension.
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ISBN 978-3-949098-14-7 (Print)
ISBN 978-3-949098-15-4 (ePub)
Übersetzung: Daniel Deckner
Lektorat: Der Kosmotoriker
Layout & Satz: Michi Nussbaumer
Umschlag- und Innengestaltung: Michi Nussbaumer
Druck und Bindung: CPI books GmbH, Leck
Verlag: Aprycot Media, Rheinfelden
1. Auflage 2024
Aprycot Media – Der Bitcoin Verlag – www.aprycot.media
Twitter & Instagram: @aprycotmedia
https://aprycot.media/
Meinem Vater, der mir, bevor ich lesen konnte, die wichtigste Lektion dieses Buches erteilte, und meinem Sohn, auf dass auch er lernen möge.
Über den Autor
Einleitung
Teil I: Grundlagen
Kapitel 1: Menschliches Handeln
Handlung, Zweck und Rationalität
Ökonomische Analysen
Quantitative Analysen
Kontrastierende Ansätze
Kapitel 2: Wert
Nutzen und Wert
Wertungen: Ordinal und Kardinal
Wert und Preis
Der freie Austausch
Determinanten des Wertes
Der Marginalismus
Grenznutzen
Das Gesetz vom abnehmenden Grenznutzen
Die Wertung anhand des wertlosesten Nutzens
Das Wasser-Diamanten-Paradoxon
Kapitel 3: Zeit
Die ultimative Ressource
Opportunitätskosten
Materieller Überfluss
Die Simon-Ehrlich-Wette
Zeitpräferenz
Mit Zeit wirtschaften
Mit Handlungen wirtschaften
Teil II: Wirtschaft
Kapitel 4: Arbeit
Arbeit und Freizeit
Produktion
Arbeitsproduktivität
Arbeitslosigkeit
Wird das Arbeiten jemals aufhören?
Ist Arbeit Ausbeutung?
Kapitel 5: Eigentum
Knappheit und Eigentum
Eigentumsarten
Selbsteigentum
Die Bedeutung von Eigentumsrechten
Kapitel 6: Kapital
Die Verlängerung der Produktionsumwege
Das Sparen
Produktivitätssteigerung
Kapitalkosten
Kapital und Zeitpräferenz
Sparirrtümer
Kapitalgrenzen
Kapitel 7: Technologie
Technologie und Arbeit
Technologie und Produktivität
Technologische Innovation und Unternehmertum
Software
Eigentum an Ideen
Kapitel 8: Energie und Leistung
Energie im Laufe der Menschheitsgeschichte
Energieüberfluss
Energieknappheit
Die Leistungen der Kohlenwasserstoffalternativen
Energie und Freiheit
Teil III: Die Marktordnung
Kapitel 9: Handel
Subjektive Wertungen
Der absolute Vorteil
Der komparative Vorteil
Spezialisierung und Arbeitsteilung
Die Marktausdehnung
Kapitel 10: Geld
Das durch Geld gelöste Problem
Verkäuflichkeit
Zeitliche Verkäuflichkeit
Warum nur ein Geld?
Geld und Staat
Der Wert des Geldes
Die Einzigartigkeit des Geldes
Wie viel Geld sollte es geben?
Kapitel 11: Märkte
Konsumgütermärkte
Gleichgewicht
Produktionsgutmärkte
Das Wirtschaften in einer Marktordnung
Verbrauchersouveränität
Kontrastierende Ansätze
Kapitel 12: Kapitalismus
Kapitalmärkte
Kapitalismus ist unternehmerisch, nicht buchhalterisch
Gewinn und Verlust
Das Problem der sozialistischen Wirtschaftsrechnung
Wirtschaftliche Berechnung in den modernen Wirtschaftswissenschaften
Die Auswirkungen unternehmerischer Investitionen
Teil IV: Die Ökonomik des Geldes
Kapitel 13: Zeitpräferenz
Zeitpräferenz und Geld
Die Zeitpräferenz und das Sparen
Zeitpräferenz und Zivilisation
Zeitpräferenz und Bitcoin
Kapitel 14: Kredit und Bankwesen
Das Bankwesen
Kredit
Sachkredite
Zinssätze
Ließen sich Zinsen abschaffen?
Kapitel 15: Monetäre Expansion
Zirkulationskredit
Mises’ Geldtypologie
Konjunkturzyklen
Eine grafische Darstellung des Konjunkturzyklus
Die Zentralplanung des Kapitalmarktes
Teil V: Zivilisation
Kapitel 16: Gewalt
Das Nichtaggressionsprinzip
Staatlicher Zwang
Begründungen staatlicher Gewaltanwendung
Rationalität in den Wirtschaftswissenschaften
Kapitel 17: Verteidigung
Der Verteidigungsmarkt
Der Rechtsmarkt
Das staatliche Verteidigungs- und Rechtsmonopol
Die Fehlermöglichkeiten staatlicher Monopole
Ein freier Verteidigungsmarkt
Kapitel 18: Zivilisation
Der Preis der Zivilisation
Zivilisatorische Segen
Fiat-Sklaverei als Alternative zur Zivilisation
Der Triumph menschlicher Vernunft
Appendix 1
Saifedean Ammous ist Ökonom und Autor einiger internationaler Bestseller. 2018 verfasste er Der Bitcoin-Standard: Die dezentrale Alternative zum Zentralbankensystem, das meistverkaufte Bitcoin-Buch, das in 36 Sprachen veröffentlicht wurde. 2021 folgte Der Fiat-Standard: Das Schuldknechtschaftssystem als Alternative zur menschlichen Zivilisation, das in 12 Sprachen verfügbar ist. Saifedean gibt auf seiner Lernplattform saifedean.com Kurse zu den ökonomischen Aspekten von Bitcoin und der Österreichische Schule der Nationalökonomie. Zudem ist er Gastgeber des The Bitcoin Standard Podcast.
Saifedean war von 2009 bis 2019 Professor für Wirtschaftswissenschaften an der Libanesisch-Amerikanischen Universität. Er erlangte an der Columbia University seinen Doktortitel in Nachhaltiger Entwicklung, machte seinen Master in Entwicklungsmanagement an der London School of Economics und seinen Bachelor in Maschinenbau an der American University of Beirut.
Die überwältigende Mehrheit der heutzutage in Universitäten verwendeten Ökonomiktextbücher gehört der etablierten Keynesianisch-Samuelssonschen Hauptströmung der wirtschaftswissenschaftlichen Tradition an, die Studenten eher irreführt als informiert. Ich habe jahrelang mit diesen Universitätstextbüchern unterrichtet und Scharen intelligenter Studenten den Unterrichtsraum mit mehr Fragen als bei ihrem Betreten desselben verlassen sehen, während sie versuchten, die Bedeutung der obskuren Gleichungen dieser Textbücher zu verstehen oder überzeugende Gründe dafür zu finden, ihren Resultaten Glauben zu schenken. Über die Jahre habe ich mit Dutzenden von hochintelligenten Studenten und Absolventen gesprochen, die mir von ähnlichen Erfahrungen berichteten: Sie taten, was sie tun mussten, um die von ihnen gewünschte Note zu bekommen, doch das Unterrichtsmaterial erschien ihnen sinnlos. Ungläubig versuchten sie, sich zu den frappierenden Logiksprüngen hin zu bewegen, die notwendig wären, um die irrelevanten Gleichungen zu verstehen, die sie zum Bestehen ihrer Tests benötigen – nur um die im Seminar vermittelten Ideen dann niemals wieder in Erwägung zu ziehen. Blicken Studenten in etablierte Textbücher, so lernen sie, theoretische Modelle fraglichen Realitätsbezugs nachzuvollziehen. Erfolg in entsprechenden Seminaren besteht nicht darin, die Realität, sondern die präsentierten Modelle zu begreifen.
Im Zuge meiner Lehrtätigkeit schloss ich Einsichten der Österreichischen Schule der Nationalökonomie in meine Seminare mit ein. Studenten betrachteten diese Inhalte durchweg als die praktischsten und intellektuell anregendsten Aspekte meiner Seminare und als jene, die ihnen über das Erreichen ihres Abschlusses hinaus etwas dauerhaft Wertvolles vermittelten. Die Ideen der Österreichischen Schule werden heutzutage von den meisten Universitäten fast vollständig ignoriert. Moderne Textbücher erwähnen die Österreichische Schule kaum – von einer Behandlung ihrer Ideen ganz zu schweigen. So war ich ständig dazu gezwungen, zusätzliches Lesematerial heranzuziehen. Die bekanntesten Österreichischen Textbücher und Abhandlungen, wie Mises' Nationalökonomie, Theorie des Handelns und Wirtschaftens und Rothbards Mensch, Wirtschaft und Staat sind für die meisten zeitgenössischen Leser schwer zugänglich und verschwenden leider viel zu viel Zeit darauf, gegen die hergebrachte Denkart zu argumentieren, was die Darstellung der Österreichischen Perspektive verunklart.
Ich wünschte mir schon immer eine klare, kompakte und verständliche Abhandlung der wichtigsten ökonomischen Ideen der Österreichischen Tradition, die in einem Verständnis der zivilisatorischen Relevanz von Geldmärkten kulminieren sollte. Ich begann also damit, den Umriss eines solchen Textbuches für die weiterführenden Seminare, die ich an der Libanesisch-Amerikanischen Universität unterrichtete, zu entwerfen. Nachdem Der Bitcoin Standard veröffentlicht wurde und ich durch ihn eine aufmerksame, meine ökonomischen Schriften schätzende Leserschaft fand, entschied ich mich dazu, meine Energien ganz der Verfassung des Textbuches zu widmen, mit dem ich selbst schon immer unterrichten wollte. 2019 verließ ich meine Universitätslehrstelle und begann selbstständig auf meiner Webseite saifedean.com zu lehren und zu publizieren. Von 2019 bis 2020 entwickelte ich zwei Seminare zu den Gesetzen der Wirtschaft, ECO11 und ECO12, in welchen ich die Ideen, aus denen schließlich dieses Buch hervorging, weiterentwickelte.
Da ich inzwischen mit hunderten von mir unterrichteten Studenten aus aller Welt interagierte und dadurch von den Veröffentlichungsmühlen der zunehmend obskuren und esoterischen Journale und Herausgeber befreit war, konnte ich mich darauf konzentrieren, für den Leser anstatt für akademische Gutachtergremien zu schreiben. Nach zwei Jahrzehnten des universitären Studierens und Lernens der Wirtschaftswissenschaften gibt das vorliegende Werk jenes ökonomische Wissen wieder, das ich mir mit 17 gewünscht hätte. Ich hoffe, dass meine Kinder es lesen werden, sobald sie ihre Neugierde für dieses Feld entdecken.
Dieses Buch ist eine Einführung in ökonomische Gesetze und ökonomisches Denken an sich – zwei für jeden nützliche, mentale Planungswerkzeuge. An einer Universität würde ich dieses Buch über einen Zeitraum von zwei Semestern unterrichten, um Studenten einen breiten Überblick über ökonomische Themen und ökonomisches Denken zu verschaffen. Darüber hinaus ist dieses Buch jedoch für alle geschrieben, die sich für ökonomische Ideen interessieren. Selbst wer nicht an einer Universität Wirtschaftswissenschaften studiert, trifft zwangsläufig jeden Tag wirtschaftliche Entscheidungen. Ich hoffe, dass dieses Buch solchen Lesern eine kompakte und praktische Zusammenfassung der nützlichsten Einsichten ökonomischen Denkens bietet, welche sowohl bei Entscheidungen im privaten als auch im professionellen Rahmen hilfreich sein sollte.
Dieses Buch nimmt einen unverblümt Österreichischen Zugang. Es erklärt in einfacher Sprache, welche Methoden sich im Lauf der Geschichte vielen Ökonomen als die zum Verständnis wirtschaftlicher Phänomene effektivsten erwiesen haben. Auf den Arbeiten der Österreichischen Schule aufbauend erklärt es die wichtigsten ökonomischen Konzepte und Thematiken aus der Perspektive menschlichen Handelns. Zentrale ökonomische Konzepte und Fragestellungen werden getrennt voneinander, aber in logischer Reihenfolge behandelt. Ziel ist es, dem Leser ein ökonomisches Verständnis zu vermitteln, das von der individuellen bis zur gesellschaftlichen Ebene fortschreitet und die weitreichenden Implikationen dieses Forschungsbereiches deutlich macht. Der erste Teil führt in die grundlegenden Konzepte der Ökonomik und in die Österreichische Methodik des Buches ein. Der zweite Teil, Wirtschaft, dreht sich um die Handlungen, mit denen Individuen wirtschaften. Teil III, Die Marktordnung, dreht sich ums Wirtschaften im sozialen Kontext, die Gründe für die Entstehung einer kapitalistischen Wirtschaftsordnung, und die Rolle des Geldes. Teil IV, Die Ökonomik des Geldes, setzt sich mit Zeit, Zinsen und monetären bzw. finanziellen wirtschaftlichen Fragestellungen auseinander. Teil V, Zivilisation, beschreibt die Ökonomik von Gewalt und Sicherheit sowie ihre Implikation für die Möglichkeiten zivilisatorischen Fortschritts.
Jedes Kapitel dieses Buches erläutert ein wichtiges ökonomisches Konzept und kann als in sich geschlossene Abhandlung zum jeweiligen Thema gelesen werden. Zugleich folgt das Buch jedoch auch einer narrativen Struktur, in deren Rahmen diese Konzepte logisch aneinandergereiht werden. Das erste Kapitel stellt den methodologischen Zugang zur Ökonomik vor, der von der Österreichischen Schule entwickelt wurde, erläutert diesen anhand eines Beispiels, und vergleicht ihn mit den methodologischen Zugängen der Naturwissenschaften. Ausgehend von Carl Menger, dem Vater der Österreichischen Schule, führt Kapitel 2 das grundlegende Konzept des Wertes ein, erläutert dessen subjektiven Charakter und beschreibt das Konzept der Grenz- bzw. Marginalanalyse. Kapitel 3 klärt die ökonomische Bedeutung von Zeit sowie des sich Zeit Sparens auf, und inwiefern alles Wirtschaften als ein Versuch verstanden werden kann, die Menge und den subjektiven Wert unserer Zeit auf dieser Welt zu erhöhen. Darüber hinaus stellt dieses Kapitel die zentralen Konzepte der Opportunitätskosten und der Zeitpräferenz vor.
Der zweite Teil des Buches stellt die wichtigsten Handlungen vor, mit deren Hilfe Menschen auf individueller Ebene wirtschaften. In jedem Kapitel dieses Teiles wird ein Schlüsselkonzept eingeführt und vor dem Hintergrund, warum Menschen von ihm Gebrauch machen, welche Probleme es löst, und wie es ihnen dabei hilft, Quantität und Qualität ihrer Zeit zu maximieren, analysiert. Das erste und grundlegendste Konzept ist das der Arbeit, das in Kapitel 4 behandelt wird. Kapitel 5 beschreibt die ökonomischen Aspekte von Eigentum, warum sich dieses Konzept herausbildete, welches Problem es löst, und erläutert zudem das Konzept des Selbsteigentums. Kapitel 6 führt einen besonderen Typ des Eigentums ein: Kapital, welches aus Gütern besteht, die zur Produktion anderer Güter eingesetzt werden. Es erläutert Kapitalkosten und -produktivität sowie die Beziehung zwischen Kapital und Zeitpräferenz.
Kapitel 7 behandelt Technologie als ökonomisches Konzept, erklärt, warum sie die Produktivität von Arbeitskräften steigert, und beschreibt ihren einzigartigen Status als nicht-materielles wirtschaftliches Gut, das keiner Knappheit unterliegt. Das Kapitel schließt mit einer Erörterung geistigen Eigentums und inwiefern dessen nicht durch Knappheit beschränkte Natur es von anderen produktiven Gütern unterscheidet.
Energie, das Thema des 8. Kapitels, ist kein übliches Thema der meisten wirtschaftswissenschaftlichen Textbücher. Ich jedoch bin der Ansicht, dass ein Verständnis von Energie für ein Verständnis ökonomischer Belange unerlässlich ist, besonders im Kontext moderner kapitalintensiver und technologisch fortschrittlicher Marktwirtschaften, die ohne einen erheblichen Ausbau des menschlichen Zugangs zu Energie und der Fähigkeit, große Mengen davon innerhalb kurzer Zeiträume einsetzen zu können, unmöglich wären. Davon abgesehen ist der wirtschaftswissenschaftliche Zugang der Österreichischen Schule unter Zuhilfenahme von Grenz- bzw. Marginalanalysen unabdingbar für ein Verständnis der aktuellen Realitäten im Bereich der Energieproduktion.
Während der zweite Teil dieses Buches individuelle wirtschaftliche Handlungen untersucht, widmet sich sein dritter Teil wirtschaftlichen Handlungen im sozialen Kontext, wobei zusätzliche Akteure in die Analyse mit einfließen und die Implikationen dessen geklärt werden. Sobald eine weitere Person gegenwärtig ist, wird Handel möglich, zu welchem beide Seiten Anreize haben, da sie beide von ihm profitieren können. Kapitel 9 erörtert die Logik des Handels, seine Vorteile, sowie die Implikationen von Marktwachstum durch Arbeitsteilung.
Kapitel 10 führt das Konzept des Geldes ein, erläutert, welche Probleme es löst, wie diese seine wünschenswerten Eigenschaften bestimmen, und auf welche Weise Geld den Menschen dabei hilft, zu wirtschaften und sowohl Wert als auch Produktivität ihrer Zeit zu steigern. Das Kapitel erklärt, inwiefern auch Geld ein Produkt des Marktes, und nicht – wie üblicher- aber fälschlicherweise in wirtschaftswissenschaftlichen Textbüchern behauptet – des Staates ist. Obwohl dieses Kapitel das Thema Geld einführt, wird die umfassendere Erörterung geldökonomischer Fragen erst in Teil IV unternommen, wodurch sie an die Beschreibung von Geldmärkten, einem zentralen Thema der Geldwirtschaft, anschließen kann.
Die Gesellschaftsordnung, innerhalb derer Individuen auf friedliche Weise die oben genannten wirtschaftlichen Handlungen ausführen, wird als Marktordnung bezeichnet. Kapitel 11 untersucht, wie individuelle Präferenzen und wirtschaftliches Handeln zur Herausbildung von Preisen führen, und erklärt deren zentrale Bedeutung für alle Marktprozesse. Kapitel 12 klärt den Begriff Kapitalismus im Rahmen der Mises'schen Tradition, wodurch er als Bezeichnung eines unternehmerischen Systems mit untrennbarer Verbindung zu Privateigentum und wirtschaftlichen Berechnungen verständlich gemacht wird. Wir betrachten Mises' Lackmustest zur Bestimmung des Vorhandenseins oder der Abwesenheit einer Marktwirtschaft innerhalb einer Gesellschaft, und wie er uns dabei helfen kann, die Wirtschaftsgeschichte zu verstehen.
Teil IV, Die Ökonomik des Geldes, beleuchtet das Thema Geld aus Österreichischer Perspektive, weshalb Zeitpräferenz und ihre Beziehung zum Sparen, Geld und zur Kapitalakkumulation den Anfang des 13. Kapitels bilden. Diese Zusammenhänge sind die Grundlagen für das Verständnis von Kredit- und Bankwesen, welche die Themen des 14. Kapitels darstellen, in welchem darüber hinaus Zinssätze und die Möglichkeit bzw. Unmöglichkeit ihrer Abschaffung besprochen werden. Kapitel 15 legt das Österreichische Verständnis von Konjunkturzyklen dar, indem deren Ursache – Geldmengenausweitung durch Kreditexpansion – erläutert wird.
Nachdem die vorangegangenen Teile Form und Funktion kapitalistischer Marktwirtschaften illustrierten, und warum diese nur innerhalb eines Systems, welches Privateigentum respektiert, funktionieren können, setzt der fünfte und letzte Teil dieses Buches – Zivilisation – sich mit der kapitalistischen Zivilisation und ihrer Überlebensfähigkeit im Angesicht gewalttätiger Aggression auseinander. Kapitel 16 dreht sich um die Ökonomie der Gewalt in sowohl privater als auch staatlicher Form, wonach Kapitel 17 die Ökonomie der Verteidigung behandelt und zeigt, inwiefern es sich bei dieser um nichts anderes als ein weiteres Gut handelt, das heutzutage größtenteils durch den Markt bereitgestellt wird.
Das letzte Kapitel dieses Buches beleuchtet das Konzept Zivilisation aus ökonomischer Perspektive. Zivilisation wird als eine Ordnung begriffen, die entsteht, wenn eine Gesellschaft so friedlich, produktiv, kooperativ, innovativ bleiben und sich eine derart niedrige Zeitpräferenz bewahren kann, dass generationsübergreifende Verbesserungen der Lebensstandards aufrechterhalten werden. Die Kosten dieses monumentalen Unterfangens werden ergründet, wie auch die Chancen seines Weiterbestehens angesichts der erheblichen Bedrohungen, denen es sich gegenübersieht.
Dieses Buch wird durch seine Webseite, saifedean.com/poe, ergänzt, auf der vollständige Literaturverweise und Links zu den in diesem Buch aufgeführten Texten zu finden sind. Da das Internet heutzutage etwas Alltägliches ist, hielt ich es für sinnvoll, die Leseerfahrung der Papierversion dieses Buches durch die Entfernung von Internetadressen aus den Literaturverweisen zu optimieren und diese stattdessen auf saifedean.com/poe verfügbar zu machen. Nach Abschluss dieses Buches werde ich einen weiteren Online-Kurs auf saifedean.com anbieten, um tiefer in das entsprechende Material eintauchen zu können.
Dieses Buch wurde enorm durch Rückmeldungen von Ross Stevens, Jeff Deist, Per Bylund, Conza, Allen Farrington, Jonathan Newman, Peter Young und Thomas Semaan verbessert. Letztere beiden halfen mir mit außerordentlich hilfreichen Recherchearbeiten beim Verfassen dieses Buches. Außerdem möchte ich meinen hervorragenden Lektoren Alex McShane, Steve Robinson, Chay Allen, Renata Sielecki, Magda Wojcik, Evan Manning und Elizabeth Newton herzlichst danken. Ihre gründlichen und sorgfältigen Bearbeitungen trugen erheblich zur Qualität dieses Manuskriptes bei. Des Weiteren danke ich Tamara Mikler für die Erstellung der Schaubilder und Max DeMarco für die Produktion des Hörbuches. Außerdem gilt dem aus Pavao Pahljina, Marko Pahljina, Dorian Antešić, Flora Fontes und Valentino Cnappi bestehenden saifedean.com-Team mein aufrichtiger Dank für all die Mühen, die sie in den Betrieb der Webseite und die Organisation der Veröffentlichung dieses Buches investierten.
Dieses Buch wäre ohne die Unterstützung, Ermutigungen und Rückmeldungen der Mitglieder meiner Onlineplattform saifedean.comnicht möglich gewesen. Ich bin ihnen über alle Maßen dankbar dafür, es mir zu ermöglichen, an der Realisierung meiner Vorhaben zu arbeiten. Mein besonderer Dank gilt jenen Lesern, welche die Veröffentlichung dieses Buches durch die Vorbestellung signierter Exemplare unterstützten. Ich danke A Patel, Aaron Macy, Abdulla Al Abbas, Abdullah Almoaiqel, Ágúst ragnar Pétursson, Aidan Campbell, AJ Garnerin, Alex, Alex Bowe, Alex Voss, Alistair Milne, Amit Barkan, Anderson Thees, Andrea Bortolameazzi, Andrew Brasuell, Andrew Rosener, Andrew Stange, Anthony Clavero, Antonio Caccese, Ashok Atluri, ben johnson, Bertrand Marlier, BitcoinTina, Blake Canfield, BowserKingKoopa, brian daucher, Brian Kim, Brian Lockhart, Bronson Moyen, Browning Hi-Power 9mm, Bryan Matthieu, Bryan Wilson, Burcu Kocak, Carlo Barbara, Carlos Chida, Caspar Veltheim, Cedric Youngelman, Chase Oleson, Chen YH, Chris Cowlbeck, Christian Amadasun, Christof Mathys, Christopher Lamia, Christopher P Valle, Christopher Pogorzelski, Christopher To, Cletus Reynolds, Dale Williams, Dan Skeen, Dane Bunch, Daniel Ostermayer, Daniel Smith, Dave Hudson, David Heller, David Lawant, Dirk Seeber, Domingo Ochotorena, Dylan Parker, Ed Becker, Eduardo Lima, Edward Cosgrove, Ernest Huttel, Fabian von Schilcher, Federico Quintela, Francisco Reyes, Frank Acklin, Gary Lau, Gary Speed, Gen Shin, Glenn Thomas, Greg Doyle, Haris M, Harlan Robinson, Hayden Houser, hugh starr, Hunter Hastings, Jaap Willems, Jackson Forelli, Jaeger Hamilton, James Seibel, James Weaver, Jason DiLuzio, Jawad Barlas, Jerrold Randall, Jesse Powell, Jim Patterson, Joachim Boudet, John A. Krpan, John Brier, John Dixon, Jon E, Jonas Karlberg, Jonas Konstandin, Jonathan Camphin, Jonathas Carrijo, Jordan Wilby, Jose Areitio Arberas, José Niño, Jules, Julio Neira, Justin Schwartz, Keith G, Kelly Lannan, Kenneth Gestal, Kevin Coffin, Kim Butler, Lachie McWilliam, Larry Salibra, Leo Smith, Luis Alonso, Maksymilian Korzuchowski, Manuel Tomasi, Marco Daescher, Marcus Dent, Marius Kjærstad, Marius Reeder, Martin Brochhaus, Matija Grlj, Matt, Matthew Robin, Matthew Sellitto, Max Cash, Maximiliano Guimarães, Michael Atwood, Michael Culhane, Mike Clear, Mitch Soboleski, Mitchell Vanya, Nate Kershner, Nathan Smith, Neal Nagely, Nelson, Nicholas Sheahan, Nick Giambruno, Niko Laamanen, The Noded Podcast with Pierre Rochard and Michael Goldstein, Odi Kosmatos, Oleg Mikhalsky, Paweł Sławniak, Petar, Petr Zalud, Prince Filip Karađorđević, Raycheslav Karagyozov, Rene Bos, Richard Duke, Robert Koonce, Robin Dea, Ronald Zandstra, Rosie Featherby, Ross Stevens, Rowais Hanna, Ryan Nadeau, Ryan Sandford, Saagar Singh Sachdev, Sam Dib, Sam Shams, Samuel Douglass, Scott Manhart, Scott Schneider, Scott Shell, Seb Walker, Shakti Chauhan, Shaun McFarlane, Simonna Pencev, Stefano D’Amiano, Stephen Labb, Subhan Tariq, Tanner Dowdy, Thierry Thierry, Thomas Jenichen, Tom Karadza, Travis Tripodi, Trevor Smith, vik, Wendy Hiam, Wilfred Tannr Allard, Will Phillips, William Green, William Johnston, Wityanant Thongsawai, Yani Eberding, Yoism, Zachary Hollinshead, Zarak Ortega, Zsuzsanna Glasz
„Die Nationalökonomie behandelt keine Dinge oder greifbaren materiellen Objekte, sondern Menschen, ihre Absichten und Handlungen. Waren, Güter, Vermögen und alle weiteren Vorstellungen des Verhaltens sind keine Naturelemente, sondern solche menschlicher Zwecke und menschlichen Verhaltens. Wer sich mit ihnen zu beschäftigen trachtet, darf nicht in die äußere Welt hinausblicken, sondern muss in den Absichten handelnder Menschen nach ihnen suchen.“1
– Ludwig von Mises
Ludwig von Mises’ Hauptwerk, Human Action (die englischsprachige Überarbeitung des Vorläufers Nationalökonomie: Theorie des Handelns und Wirtschaftens – Anm. d. Übers.), nahm eine explizite Neudefinition der Wirtschaftswissenschaften als eine Lehre vom menschlichen Handeln und menschlicher Wahl unter der Bedingung von Knappheit vor. Mises war der Ansicht, dass angemessenes ökonomisches Denken und die Untersuchung ökonomischer Phänomene auf einer Analyse des menschlichen Handelns, nicht materieller Objekte und ihrer Eigenschaften oder abstrakter und aggregierter Einheiten, aufbauen muss. Obgleich Mises’ Zugang anfangs pedantisch und unproduktiv erscheinen mag, wird dieses Kapitel deutlich machen, warum er ein außerordentlich nützliches Werkzeug zum Verständnis wirtschaftlicher Realitäten darstellt.
Mises konstatiert, dass Philosophen lange versuchten, Evolution und Schicksal der Menschheit auf der Grundlage dessen zu analysieren, was Geschichte, Gott oder Natur für sie vorsahen. Derartige Analysen betrachteten die Menschheit als Ganzes oder untersuchten kollektivistische Ideen wie ‚Nation‘, ‚Rasse‘ oder ‚Kirche‘, und schickten sich an, Gesetzmäßigkeiten zur Beschreibung des Verhaltens und der Auswirkungen derartiger Entitäten zu formulieren, als ob Geschichte einer chemischen Reaktion gleichend in Stein gemeißelten und von uns aufzudeckenden Naturgesetzen folgte.
Mit seinem 1871 erschienenen Werk Grundsätze der Volkswirtschaftslehre begründete Carl Menger die Grenzanalyse ökonomischer Fragestellungen. Diese „Marginalistische Revolution“ machte eine von früheren Methoden grundverschiedene Art und Weise, Menschen zu analysieren, verfügbar. Statt die Geschichte auf der Grundlage göttlicher oder natürlicher Vorsehung, Nation, Rasse oder der Kirche zu untersuchen, zeigte die Grenz- bzw. Marginalanalyse, dass menschliche Gesellschaften sich besser vor dem Hintergrund ihrer fundamentalsten Antriebsfedern – individuellen Entscheidungen und Handlungen – verstehen lassen. Die Österreichische Schule der Nationalökonomie bildete sich um Menger in Wien. Einige Jahre nach ihm entwickelte Léon Walras mit dem Allgemeinen Gleichgewichtsmodell sein eigenes Konzept des Marginalismus. Das Walrassche Allgemeine Gleichgewicht sollte mit seiner Mathematisierung und dem Rückgriff auf Verhältnisse zwischen Aggregaten zur dominanten Tradition der modernen Wirtschaftswissenschaften werden.
Mises definiert menschliches Handeln als „bewusstes Verhalten“, womit er es von instinktiven, impulsiven oder emotionalen Verhaltensweisen abgrenzt. „Handeln ist Wollen, das sich in Tat und Wirken umsetzt und damit verwirklicht, ist ziel- und zweckbewusstes Sichbenehmen, ist sinnhafte Antwort des Subjekts — der menschlichen Persönlichkeit — auf die Gegebenheit der Welt und des Lebens.“2
Mises’ Student Murray Rothbard definiert menschliches Handeln als „bewusstes, auf das Erreichen bestimmter Ziele zu einem zukünftigen Zeitpunkt ausgerichtetes Verhalten, das die Befriedigung von Bedürfnissen involviert, welche ansonsten unbefriedigt bleiben würden.“3 Mises postuliert als Voraussetzungen bewussten Handelns einen momentanen Zustand, die Vorstellung eines befriedigenderen Zustandes sowie die Erwartung, dass bewusstes Handeln Unbehagen zu lindern vermag.4
Rationales Handeln ist eine wesentlich menschliche Fähigkeit, die Menschen von anderen Tieren unterscheidet. Menschen handeln bewusst, weil sie über Rationalität verfügen und in der Lage sind, diese auf das Erreichen ihrer Ziele auszurichten. Menschen können kausale Beziehungen in ihrer Umwelt erkennen und dieses Wissen dazu nutzen, für sie günstigere Zustände herbeizuführen. Wir sind ebenfalls in der Lage zu verstehen, dass andere rational sind und ihrem eigenen Interesse gemäß handeln können. Mises formuliert dies folgendermaßen:
„Der Mensch ist keine Kreatur, die nicht anders kann, als den Impulsen ihrer dringendsten Bedürfnisse zu folgen. Der Mensch kann seine Instinkte, Emotionen und Impulse unterdrücken und sein Verhalten rationalisieren. Der Mensch entsagt der Genugtuung eines brennenden Impulses, um sich andere Wünsche zu erfüllen. Er ist kein Sklave seiner Verlangen. Ein Mann fällt nicht über jedes Weibchen her, das seine Sinne rührt, verschlingt nicht jeden ihn lockenden Happen Nahrung, greift nicht jeden Mitmenschen an, den er zu töten wünscht. Er reiht seine Wünsche und Verlangen entlang einer Skala auf; er wählt; kurzum: er handelt. Was den Menschen von Tieren unterscheidet, ist gerade seine Fähigkeit, sein Verhalten bewusst auszurichten. Der Mensch ist die Kreatur, die Hemmungen hat, ihre Impulse und Verlangen kontrollieren kann und über die Fähigkeit verfügt, ihre instinktiven Wünsche und Impulse zu unterdrücken.“5
Um sich die Vorrangstellung menschlichen Handelns zu versinnbildlichen, kann man sich unsere physische Umwelt als passive Knetmasse vorstellen, die wir mit unseren Händen und unserer Vernunft und Vorstellung gemäß in verschiedene Formen zu bringen vermögen. Leblose Objekte sind schlichte Materie, und es sind durch menschliche Rationalität bestimmte menschliche Handlungen, die diese Materie neu anordnen und ihr Wert, Bedeutung und Sinn verleihen. Die physische Welt lässt sich viel besser verstehen, wenn wir sie als das Resultat menschlicher Vernunft und menschlichen Verhaltens betrachten. Versuche, soziale Phänomene unter Bezugnahme auf physische Objekte, abstrakte Begriffe oder kollektivistische Entitäten zu erklären, sind letztendlich zum Scheitern verurteilt und einer Erklärung auf der Grundlage menschlicher Entscheidungen und Handlungen völlig unterlegen. Es sind weder die Sterne noch abstrakte Begriffe oder Entitäten, die handeln, sondern Individuen. Wer die Bedingungen der realen Welt verstehen möchte, sollte die Handlungen der Menschen, durch welche sie geformt wird, untersuchen.
Die Mises’sche und Österreichische Tradition definiert und versteht menschliches Handeln als rational. Der Begriff ‚rational’ impliziert in diesem Kontext weder die an bestimmten objektiven Kriterien bemessene Korrektheit einer Handlung noch die Angemessenheit einer Handlung zur Erreichung der Ziele des Handelnden oder aber ein moralisches Urteil. Stattdessen wird ‚rational‘ als aus bewussten Überlegungen resultierend definiert. Wann immer der Mensch überlegt und handelt, handelt er rational. Ob eine solche Handlung ihn seinen Zielen näherbringt oder die Zustimmung Dritter findet, ist für ‚Rationalität‘, wie Mises sie definiert und versteht, irrelevant. Eine Person mag eine Handlung bereuen und einsehen, dass sie den eigenen Interessen zuwiderlief, doch insofern sie das Resultat bewusster Überlegungen war – mögen diese korrekt oder falsch gewesen sein –, ändert das nichts an ihrer Rationalität. Andere Individuen mögen die Handlungen dieses Individuums als noch so negativ beurteilen – auch das änderte ihre rationale Natur nicht. Das Österreichische Konzept von Rationalität wird anhand Mises’ folgender Beschreibung deutlich: „Das Gegenteil des Handelns ist nicht irrationales Verhalten, sondern die reflexhafte Reaktion auf Stimuli seitens körperlicher Organe und Instinkte, die nicht dem persönlichen Willen unterworfen sind.“ Und weiter: „Eine zur Erreichung des Ziels ungeeignete Handlung enttäuscht Erwartungen. Sie ist kontraproduktiv, doch sie ist rational, d.h. das Produkt einer sinnvollen – doch falschen – Überlegung und eines Versuchs – obgleich es sich um einen untauglichen gehandelt haben mag –, ein Ziel zu erreichen.“6
Die Wirtschaftswissenschaften als Wissenschaften menschlichen Handelns unter der Bedingung von Knappheit zu verstehen, erlaubt es uns, die wichtigsten ökonomischen Begriffe im Hinblick darauf zu definieren, in welcher Beziehung zu menschlichen Bedürfnissen sie stehen, und wie sie von der menschlichen Vernunft wahrgenommen und durch Menschen geformt werden. Sie vor dem Hintergrund menschlichen Handelns zu erklären, zu definieren und zu begreifen, macht ökonomische Terminologie verständlicher und ökonomische Analysen fruchtbarer.
Hans-Hermann Hoppe erklärt hierzu:
„Alle wahren ökonomischen Theoreme bestehen aus (a) einem Verständnis der Bedeutung von Handlungen, (b) einer Situation oder Situationsänderung – die vorgefunden oder als gegeben angenommen und anhand von Handlungskategorien beschrieben wird – und (c) einer – wieder anhand solcher Kategorien vorgenommenen – logischen Ableitung der Konsequenzen, die dem Handelnden aus dieser Situation oder Situationsänderung entstehen.“7
Kern der Österreichischen Herangehensweise ist das Ziel, die kausalen Prozesse wirtschaftlicher Aktivität und ihre Konsequenzen zu verstehen. Logische Deduktionen, Gedankenexperimente und die Vertrautheit des gesunden Menschenverstandes mit der Realität werden dazu verwendet, die Implikationen wirtschaftlicher Prozesse zu verstehen. Zu Beginn mag dieser Ansatz im Vergleich mit den vorherrschenden wirtschaftswissenschaftlichen Paradigmen, die auf mathematischen Analysen beruhen, banal und unergiebig erscheinen, doch letztere erweisen sich bei näherer Betrachtung als ungeeignet für die Ableitung einer sinnvollen ökonomischen Theorie. Wir werden sehen, warum quantitative Analysen ohne logische Deduktionen und Konklusionen, die ihnen eine Daseinsberechtigung verleihen und ihre Ergebnisse erst verständlich machen, bedeutungs- und sinnlos sind. In bester Österreichischer Tradition wird die Kritik quantitativer Methodik und die Darstellung wirtschaftlicher Handlungen in diesem Buch in einfacher Sprache statt mit mathematischen Gleichungen erfolgen. Menschliches Handeln wird nicht durch mathematische Gleichungen und quantitative Analysen, sondern im Zuge logischer Schlussfolgerungen und stringenter Gedankenexperimente verstanden werden.
Die Kritik der Österreicher an quantitativen Analysen wird von Mises (in seiner Kritik ihrer Anwendung zur Analyse ökonomischer Probleme) in Human Action auf den Punkt gebracht:
„Der jedem quantitativen Zugang zu ökonomischen Problemen innewohnende Mangel besteht in der Missachtung der Tatsache, dass es zwischen den sogenannten ökonomischen Dimensionen keine konstanten Beziehungen gibt. Den Wertungen, die zu Preisverhältnissen zwischen verschiedenen Gütern führen, sind weder Beständigkeit noch Kontinuität zu eigen. Jeder neue Datenpunkt ordnet die gesamte Preisstruktur neu. Der Versuch, dies zu verstehen, indem man sich anschickt, zu begreifen, was in den Köpfen der entsprechenden Menschen vorgeht, lässt eine Annäherung an das Problem der Vorhersage zukünftiger Zustände zu. Wir mögen derartige Methoden unbefriedigend finden, und sie mögen die Verachtung der Positivisten auf sich ziehen, doch derart arbiträre Urteile können und dürfen die Tatsache nicht verschleiern, dass nur Verständnis einen angemessenen Umgang mit der Unbestimmtheit zukünftiger Sachverhalte erlaubt.“8
Dies ist eine profunde Kritik moderner wirtschaftswissenschaftlicher Methoden. Wie ausführlicher in Anhang 1 besprochen wird, gibt es keine Standardeinheit, anhand derer ökonomische Werte erfasst oder verglichen werden können. Wert ist, wie in Kapitel 2 gezeigt wird, subjektiv. Der Nutzen, den Individuen aus Gütern ziehen, ist ebenfalls subjektiv und in Abhängigkeit des Individuums, dem Zeitpunkt der Wertbestimmung und der relativen Verfügbarkeit des Gutes unablässigen Schwankungen unterworfen. Ein aggregierter intersubjektiver Nutzenvergleich ist unmöglich, weshalb die Mathematisierung des Nutzens stets hypothetisch, theoretisch, unpräzise und nicht replizierbar bleiben wird.
Ohne eine gemeinsame Maßeinheit, anhand derer Nutzen gemessen und verglichen werden kann, ist es unmöglich, quantitative Gesetze etwa des Effektes von Preisänderungen auf Angebot und Nachfrage zu formulieren, denen zufolge beispielsweise eine Erhöhung des Preises um 1 % mit einer bestimmten Abnahme der nachgefragten Menge einherginge. Die Auswirkung einer bestimmten Preisänderung auf die Nachfrage eines Individuums nach einem Gut erfolgt über einen kausalen Mechanismus individuell bestimmten Nutzens. Dieser Faktor ist weder mess- noch quantifizierbar.
Replizierbare Experimente zur Beantwortung wirtschaftswissenschaftlicher Fragen sind ebenfalls unmöglich. Gegenstand der Naturwissenschaften sind Beschaffenheit und Verhalten der physischen Welt. Die grundlegende Annahme ist, dass diese regelmäßig sind, dass ihre Eigenschaften in wiederholbaren Experimenten isoliert und beobachtet werden können, und dass es möglich ist, sie vollständig und auf angemessene Weise mathematisch zu beschreiben. Der gesamte und alleinige Zweck dieser Methodologie besteht darin, Kausalität exakt zu bestimmen. Das ist der Kern des gesamten intellektuellen Vorhabens. Was verursacht in der physischen Welt was? Warum passieren die Dinge genau so, wie sie passieren? Doch die Objekte der Sozialwissenschaften sind die Vorstellungen und Handlungen von Menschen, die weder mess- noch quantifizierbar sind. Experimente mit schlecht definierten Messeinheiten für unregelmäßige Phänomene können keine vergleichbaren und reproduzierbaren Resultate erzielen, weshalb aus ihnen keine quantitativen Gesetze hervorgehen können, weil es keine Maßeinheiten gibt, unter Zuhilfenahme derer diese allgemeingültigen Regeln formuliert werden könnten. Ohne exakte Messungen und replizierbare Experimente ist es unmöglich, Regelmäßigkeiten zu finden, Konstanten zu bestimmen oder mathematische Verhältnisse zu formalisieren und wissenschaftliche Gesetze abzuleiten. Akkurate wirtschaftswissenschaftliche Experimente können auch aus dem Grund unmöglich Gegenstand der Wirtschaftswissenschaften sein, da menschliche Handlungen und deren Konsequenzen innerhalb der echten Welt nicht in Laboren nachgestellt werden können. Die echte Welt ist das einzige Labor, innerhalb dessen man sich den tatsächlichen Bedingungen, durch welche ökonomische Entscheidungen bestimmt werden, annähern kann. In der echten Welt aber kann man umso weniger auf Grundlage jener wissenschaftlichen Methodiken experimentieren, die von den Naturwissenschaften präzise eingesetzt werden.
Neben solchen der Messbarkeit und Replizierbarkeit leiden quantitative Ansätze unter einem noch fundamentaleren logischen Problem, indem sie messbare Faktoren mit ursächlichen, unsere Umwelt prägenden vermischen. Quantitative Methoden, die Beziehungen zwischen aggregierten Messungen herausstellen wollen, sehen diese Ergebnisse aus keinem triftigen und kohärenteren Grund als ursächliche Kausalfaktoren an, als dass sie eben gemessen werden können. Während die Naturwissenschaften Regelmäßigkeiten und Konstanten durch wiederholbare Experimente entdecken, nehmen empirische Wirtschaftswissenschaftler einfach an, dass ihre Daten regelhaft sind und leiten auf der Grundlage dieser Annahme Gesetze aus ihnen ab. Die Naturwissenschaften sind beispielsweise dazu in der Lage, die Komplexität jener Atome, welche ein Gas bilden, auf schlichte Angaben wie Druck, Temperatur und Volumen zu reduzieren, ohne dabei ihre analytische Exaktheit zu opfern. Diese Atome haben keinen eigenen Willen, kein Bewusstsein und sind nicht dazu in der Lage, zu erwägen oder in Antwort auf äußere Umstände zu handeln, wie es Menschen können. Da sie keinen Verstand haben, können physische Objekte untersucht und ihr Verhalten genau vorhergesagt werden.
Bei der Untersuchung ökonomischer Fragestellungen sehen wir uns jedoch mit der Realität konfrontiert, dass Menschen und ihre von subjektiven Erwägungen und persönlichen Vorlieben geprägten Handlungen die ursächlichen, wirtschaftliche Umstände formende Faktoren sind. In eklatantem Kontrast zu unbelebten, mathematisch vorhersehbar reagierenden Objekten reagieren Menschen auf nicht reduzierbar komplexe Arten und Weisen. Der Versuch, diese Komplexität zu kaschieren, indem man sich auf die Analyse oberflächlicher Kennzahlen bestimmter ökonomischer Phänomene beschränkt, ist der zentrale Irrtum gescheiterter moderner Pseudowissenschaften wie der Makroökonomik oder Epidemiologie. Diese Felder ignorieren die tatsächlichen Kausalfaktoren der von ihnen untersuchten Phänomene und leiten stattdessen stupid Hypothesen von entsprechenden Aggregaten ab, welche sich eben zur Messung eignen. Hayek bemerkt hierzu Folgendes:
„Anders als im Falle der physikalischen Wissenschaften sind jene Aspekte der zu untersuchenden Ereignisse, für die wir quantitative Daten heranziehen können, in den Wirtschaftswissenschaften und anderen Disziplinen, die sich mit essenziell komplexen Phänomenen auseinandersetzen, zwangsläufig beschränkt und schließen die wichtigen möglicherweise nicht ein. Während man in den physikalischen Wissenschaften aus wahrscheinlich guten Gründen annimmt, dass alle wichtigen, die beobachteten Phänomene bestimmenden Faktoren ihrerseits direkt beobachtbar und messbar sind, werden all jene Gegebenheiten, die das Resultat eines Prozesses determinieren, aus Gründen, die ich später darlegen werde, im Falle komplexer Phänomene wie dem des Marktes, das von den Handlungen vieler Individuen abhängt, kaum jemals vollständig bekannt oder messbar sein. Und während der naturwissenschaftliche Forscher in der Lage sein wird, das, was er auf der Grundlage einer Prima-facie-Theorie als wichtig erachtet, zu messen, wird in den Sozialwissenschaften oft als wichtig behandelt, was sich zufälligerweise messen lässt. Dies wird mitunter so weit getrieben, dass man verlangt, unsere Theorien mögen so formuliert werden, dass sie sich ausschließlich auf messbare Größen beziehen.“9
Dass wir dazu imstande sind, Messergebnisse für Arbeitslosigkeit, Bruttoinlandsprodukt, Konsum, Investitionen und andere ökonomische Quantitäten zu generieren, bedeutet nicht, dass diese Faktoren in wissenschaftlich vorherbestimmten kausalen Beziehungen zueinander stehen, die auf mess- und testbaren Größen beruhen. Tatsächlich besteht angesichts des Umstandes, dass die wirklichen Ursachen dieser Quantitäten individuelle Handlungen sind, Grund zur Annahme, dass es sich bei solchen Messergebnissen um nichts weiter als oberflächliche Epiphänomene handelt, die in keiner Beziehung zu den kausalen Mechanismen der untersuchten Zusammenhänge stehen.
Der Versuch, Bedeutung aus den Verhältnissen zwischen verschiedenen Kennzahlen abzuleiten, kommt dem Bestreben des Naturwissenschaftlers gleich, bei der Analyse von Gasen Gesetze auf der Grundlage von Farbe, Anzahl oder den Herstellern verschiedener Behälter, des ersten Buchstabens des Namens des Versuchsleiters oder sonstiger nicht-kausaler Epiphänomene zu formulieren. Ein Wissenschaftler kann natürlich Beziehungen zwischen diesen (irrelevanten) Parametern herstellen, doch diese werden sich bei wiederholter Überprüfung durch Unabhängige nicht replizieren lassen, da sie in keinem kausalen Zusammenhang zu den untersuchten Prozessen stehen. Dasselbe, durch einen Versuchsleiter anderen Namens oder mit andersfarbigen Behältern durchgeführte, Experiment wird dieselben Resultate produzieren und die Hypothesen des ursprünglichen Versuchsleiters als sinnlos entblößen. Die leblosen Gaspartikel sind es, deren Temperatur, Druck und Volumen die Determinanten des untersuchten Systems darstellen; die Farbe des benutzten Behältnisses oder der Name des Versuchsleiters sind irrelevant. Ebenso sind es menschliche Handlungen, nicht von staatlichen Statistikbüros konstruierte Kennzahlen, die ökonomische Ergebnisse herbeiführen.
Damit soll nicht gesagt sein, dass alle statistischen Messgrößen wertloses Rauschen sind, da man subjektiv Wertvolles entdecken kann, wenn man diese Aggregate als Annäherungen an ökonomische Phänomene betrachtet. Der Österreichische Einwand gilt nicht ökonomischen Statistiken an sich, sondern dem Versuch, scheinwissenschaftliche Theorien aus statistischen Aggregaten zu konstruieren. Die eklatantesten und schädlichsten Nachäffungsversuche dieser Art finden in der Makroökonomik statt. Der regelrechte Physikneid der Makroökonomik treibt seit einem Jahrhundert die Suche nach einem System von Gleichungen voran, welche die Dynamiken einer Wirtschaft ebenso erklären und vorhersagen sollen, wie sie es im Falle der Bewegung von Objekten können. Friedrich von Hayek nennt das ‚Szientismus‘: die sklavische Imitation wissenschaftlicher Sprache und Methodik in unangemessenen Kontexten.10 Die Hoffnung dabei ist, dass ein auf einem akkuraten wissenschaftlichen System von Gleichungen fußendes Verständnis einer Wirtschaft die Kontrolle wirtschaftlicher Aktivität zur Erreichung bestimmter Ziele erlaubte. Wie die Gleichungen des Chemikers dem Ingenieur dabei halfen, die Funktionsweise von Pumpen und Motoren zu perfektionieren, sucht der Szientismus nach ökonomischen Formeln, die es dem Ökonomen erlauben würden, den Zustand „einer Wirtschaft“ zu verbessern.
In der Makroökonomik werden Kennzahlen aus nationalen Erhebungen generiert und mathematische Verhältnisse zwischen diesen gesucht. Derartige Zusammenhänge werden auf Basis von unbewiesenen Theorien und der bloßen Autorität des Wirtschaftswissenschaftlers verkünden zu dürfen, wie die Kausalmechanismen funktionieren, etabliert, aber eben nicht durch Experimente. Das makroökonomische System des englischen Ökonomen John Maynard Keynes ist das namhafteste Beispiel. Über Jahrzehnte hinweg haben Wirtschaftswissenschaftler monströse Formeln auf Grundlage Keynes’ theoretischer Hypothesen formuliert, der Zustand einer Wirtschaft hänge vor allem von der Höhe der Ausgaben ab. Sind die Ausgaben im Vergleich zur Produktion zu hoch, resultieren Inflation und Wachstum. Fallen die Ausgaben jedoch vergleichsweise zu gering aus, ergibt das Keynes zufolge Arbeitslosigkeit und eine Rezession. Sollte wiederum die Arbeitslosigkeit zu hoch sein, schlagen moderne makroökonomische Gleichungen ein Gegensteuern in Form gesteigerter gesamtwirtschaftlicher Ausgaben durch eine Erhöhung von Regierungsausgaben sowie eine expansive Kreditpolitik vor. Hohe Inflation hingegen ließe sich durch reduzierte Gesamtausgaben – erzielbar über steigende Steuersätze oder eine kontraktive Kreditpolitik – beheben.
Buchhalterische Entitäten bilden aber nicht die Kausalität der echten Welt ab. Es gibt in der Makroökonomik keine Möglichkeit wie in den Naturwissenschaften, um experimentell eine Kausalbeziehung nachzuweisen. Keynes’ Gleichungen zur Vorhersage der Auswirkungen einer Kennzahlsmetrik auf eine andere stehen in keiner Beziehung zu realen Ursachen und Wirkungen, weil es keinerlei Testverfahren gibt, irgendetwas an ihnen zu überprüfen und zu verifizieren.
Keine wie auch immer gearteten Studien ermöglichen eine Bestätigung von Keynes’ Hypothese, da man mit ganzen Wirtschaften, die aus Millionen Menschen mit individuellen Lebensentwürfen bestehen, nicht zu experimentieren vermag. Noch kann man Kontrollstudien an denselben Menschen unter geänderten Ausgangsbedingungen vornehmen. Doch selbst eine Analyse von Regierungsstatistiken, welche von Anhängern der Theorie zusammengestellt werden, macht deutlich, dass Praxiserfahrungen diese Theorie seit Jahrzehnten widerlegen. Das keynesianische System impliziert zwangsläufig einen Kompromiss zwischen Arbeitslosigkeit und Inflation, eine als Phillips-Kurve bekanntgewordene Beziehung, bei der es sich um eine fallende, den Kompromiss veranschaulichende Kurve handeln soll. Die Praxiserfahrung jedoch sagt etwas anderes; Schaubild 1 mit Regierungsdaten aus einem Zeitraum von 60 Jahren gibt keinen derartigen Konflikt wieder.
Abbildung 1.Arbeitslosigkeit und Inflation11
Doch trotz über Jahrzehnte hinweg angehäufter Belege dafür, dass die Welt anders funktioniert, dauert diese Theorie bis heute fort. In den 1970er Jahren, als sowohl Inflation als auch Arbeitslosigkeit simultan anstiegen, wurde der keynesianische Kompromiss rest- und fraglos widerlegt. Der Vorteil des Fehlens einer systematischen und replizierbaren Testmethode besteht jedoch darin, dass Theorien nach ihrem Scheitern stets angepasst werden können, um widerspenstige Beobachtungen rechtfertigen zu können. Das ist das Wesen aller Pseudowissenschaften.
Keynesianer überarbeiteten ihre Theorie auf lachhafte Weise, indem sie den neuen Begriff des „Angebotsschocks“ einführten. Dabei handelt es sich um ein inkohärentes Konzept, das im Nachhinein als Rechtfertigung dafür erfunden wurde, dass Arbeitslosigkeit und Inflation gleichzeitig steigen können. Seitdem wurden Wirtschaftswissenschaftler Zeugen jeder vorstellbaren Kombination aus Inflations- und Arbeitslosigkeitszahlen – und die Keynesianer haben erfolgreich darauf beharrt, dass ein Konflikt zwischen beiden besteht. Jede Abweichung von diesem Verhältnis kann durch den Verweis auf Angebotsschocks oder beliebige andere erdachte Substitute erklärt werden, weshalb keine Beobachtung diese Gedankengänge je zu widerlegen vermag. Es erklärt alles und daher gar nichts. Die Illusion der Ökonomik als eine präzise, quantitative und empirische Wissenschaft wird nur durch eine Abschirmung ihrer Theorien von tatsächlichen Beobachtungen aufrechterhalten.
Nach einem Jahrhundert der Physiknachäffung und der Abkehr von klassischen methodologischen Grundlagen gelang es den Wirtschaftswissenschaften nicht, ein einziges quantitatives Gesetz zu formulieren, das unabhängig repliziert und getestet werden kann. Makroökonomische Gleichungen kommen und gehen mit den Moden moderner Denkschulen, doch keine von ihnen wurde auf eine Weise objektiv gemessen und wiederholbar angewendet, die sie als wissenschaftliches Gesetz ausweisen würde. Allein, dass die Makroökonomik Zentralregierungen ermächtigt und Akademiker bereichert, vermag zu erklären, warum sie fortbesteht.
Zur Veranschaulichung des handlungsorientierten Zuganges zu ökonomischen Fragen, und um ihn mit dem modernen quantitativen zu vergleichen, können wir das Beispiel staatlich vorgeschriebener Mindestlöhne heranziehen. Da es sich bei diesen um einen weltweit populären politischen Eingriff handelt, können uns die einander diametral gegenüberstehenden Perspektiven auf sie als Paradebeispiel für die zwei Schemata ökonomischen Denkens – menschliche Handlungen und ökonomische Kennzahlen – dienen.
Stellen wir uns eine Politikerin vor, die eine Wahl in einem Land ohne Mindestlöhne gewinnen will. Zu allen Zeiten und an allen Orten der Menschheitsgeschichte gab es natürliche Lohnunterschiede. Die Politikerin fokussiert ihre Kampagne auf die Verbesserung der Lebensstandards der ärmsten Gesellschaftsmitglieder, indem sie einen Mindestlohn vorschreibt, der seinen Empfängern ihrer Vorstellung nach einen guten Lebensstandard garantiert. Von ihrem an Kennzahlen orientierten makroökonomischen Verständnis ausgehend entscheidet sie sich für eine Untergrenze von 10 € pro Stunde. Der Wirtschaftswissenschaftler weiß, dass 20 % aller Arbeiter, die wiederum 35 % der Gesamtbevölkerung ernähren, aktuell weniger als 10 € pro Stunde verdienen. Der Aggregatseffekt des neuen Mindestlohns würde demnach in einem summativen Anstieg der Löhne um 10 Milliarden € pro Jahr bestehen. Mit Hilfe ausgeklügelter historischer und theoretischer Modelle schätzt der Fiat-Ökonom des Weiteren ab, dass ein Anstieg der Löhne um 10 Milliarden € zu einer Erhöhung der Konsumausgaben von 8 Milliarden € und seinen Modellen zufolge einer Schaffung von 40.000 neuen Stellen, einem 12-prozentigen Anstieg der industriellen Produktion, um 4 % gesteigerten Exporten und zu 16 Milliarden € zusätzlichem Bruttoinlandsprodukt führen wird.
Diesem kollektivistischen Ansatz wirtschaftswissenschaftlicher Analysen zufolge sind Aggregate die Triebfeder hinter ökonomischen Phänomenen. Sie verhalten sich theoretischen Beziehungen gemäß, welche von Fiat-Ökonomen in Anlehnung an die wissenschaftlichen Regelwerke der Physik und Chemie formuliert werden. Die so erreichten Schlussfolgerungen wurden mit Hilfe scheinwissenschaftlicher Gleichungen gewonnen, die sich wenig von denen unterscheiden, die man zur Beschreibung idealer Gase verwendet. Durch das Prisma der wirtschaftswissenschaftlichen Aggregatanalyse betrachtet, erscheint das neue Mindestlohngesetz als ein großer gesellschaftlicher Segen. Der Lebensstandard der ärmsten Arbeitskräfte würde bedeutend steigen, einige Arbeitslose würden aufgrund der zusätzlichen Ausgaben Arbeit finden, und die gesamte Nation würde produktiver. Zudem würden die zusätzlichen Exporte Devisen einspülen.
Dass das zu schön klingt, um wahr zu sein, liegt daran, dass es nicht wahr ist. Dem durch Mises geklärten Blick eines wahren Ökonomen stellen sich die Dinge anders dar. Da er menschliche Handlungen als die wahren Ursachen wirtschaftlicher Prozesse erkannt hat, analysiert er die Welt nicht mittels aggregierter Mengen. Stattdessen analysiert er die Auswirkungen dieser neuen politischen Vorschrift auf die Entscheidungen echter Menschen. Ein Arbeitsverhältnis ist eine Vereinbarung zwischen zwei Individuen: dem Arbeitgeber und dem Arbeitnehmer. Der wahre Ökonom versteht, dass Anstellungsentscheidungen auf einer einfachen Rechnung beruhen: Man stellt unter der Bedingung an, dass der Umsatzbeitrag des Angestellten seinen Lohn übersteigt. Wenn der Mindestlohn den Grenzertrag, den ein Arbeiter einbringt, übersteigt, kostet seine Anstellung das Unternehmen Geld und käme einer Spende des Unternehmers an den Arbeitnehmer gleich. Arbeitgeber sind sich darüber im Klaren, dass eine solche Anstellung ein teurer Fehler wäre, und solche, die es nicht sind, werden ihre Unternehmen durch die Auszahlung von Löhnen, die sie sich nicht leisten können, bald in den Ruin treiben. Nur Arbeitgeber, die diese ökonomische Realität begreifen, werden Arbeitgeber bleiben. Wer es nicht begreift, wird sein Unternehmen verlieren. Emotionale Erpressung durch Politiker kann an diesen Umständen nicht das Geringste ändern.
Löhne sind, wie alle Preise auf einem Markt, keine willkürlichen, von gierigen Arbeitgebern erträumte Zahlen. Sie reflektieren die Grenznutzen von Arbeitskräften. Da das Gesetz nun aber festlegt, dass jedem Arbeiter mindestens 10 € pro Stunde bezahlt werden muss, sehen sich Arbeitgeber dazu gezwungen, die Anstellung eines solchen Arbeiters zu überdenken. Wenn die Regierung einen Mindestlohn vorschreibt, ändert das nicht magischerweise das Kalkül des Arbeitsgebers oder die Produktivität des Arbeiters. Der Arbeitgeber wird nach wie vor nur Arbeiter anstellen, deren Produktivität ihren Lohn übersteigt. Im Endeffekt macht das Mindestlohngesetz es illegal für Arbeitgeber, Menschen anzuheuern, deren Grenzproduktivität unter 10 € pro Stunde liegt. Solche Arbeiter werden von nun an zur Bürde aller sie anstellenden Unternehmen. Entweder man entlässt sie, oder die sie entlohnenden Unternehmen gehen pleite. In jedem Fall werden diese Stellen eliminiert und alle, deren Grenzproduktivität unter 10 € liegt, per Gesetz unanstellbar; entweder arbeitslos oder nur illegal zu beschäftigen.
Aus der Sicht menschlichen Handelns machen Mindestlöhne es für Arbeitnehmer geringer Produktivität illegal, offiziell Anstellung zu finden, und viele von ihnen werden deshalb ihre Arbeit verlieren. Des Weiteren macht ein solcher Blickwinkel deutlich, dass es sich bei den Betroffenen um die unproduktivsten Mitglieder einer Gesellschaft, also zumeist die Ärmsten, Jüngsten und Unerfahrensten handeln wird. Ihnen das Arbeiten gesetzlich zu untersagen, verbietet ihnen im Endeffekt, ihre Produktivität durch Arbeitserfahrung zu erhöhen. Mindestlohnstandards schaden also besonders denjenigen, die Arbeit am dringendsten nötig haben, und sind eine Ursache für das Aufkommen von Massenarbeitslosigkeit. Eine weitere Auswirkung besteht darin, dass einige Unternehmen, vor allem auf Niedriglohnarbeiter angewiesene, ihre Löhne und gleichzeitig die Preise ihrer Produkte anheben müssen. Konsumenten werden so die Kosten höherer Preise und eines schrumpfenden Angebots zu tragen haben. In diesem Szenario werden alle potenziellen Einkommenserhöhungen von Arbeitskräften durch die entsprechenden Preisanstiege der von ihnen konsumierten Güter wieder aufgehoben.
All diese auf Mindestlohngesetze zurückzuführenden Konsequenzen können von einem anständigen Ökonomen dadurch abgeleitet werden, dass er die Anreize, die solche Gesetze rational handelnden Individuen schaffen, analysiert. Dies stellt sich dabei als eine weitaus nützlichere und akkurate Einschätzung der Situation dar, als sie sich aus mathematischen Metriken hervorzaubern ließe. Preise spiegeln die verborgenen, durch die Handlungen von Menschen geschaffenen Realitäten des Marktes wider. Diese Realitäten durch die Manipulation ihrer Reflektionen verändern zu wollen, ist unmöglich. Aus diesem Grund gingen Preiskontrollversuche stets nach hinten los – derartige zentralplanerische Eingriffe ignorieren die Rolle menschlichen Handelns. Preiskontrollen behandeln eine Wirtschaft, als bestünde sie aus leblosen Objekten, und nicht aus menschlichen Handlungen. Schuettinger und Butler trugen in Forty Centuries of Price Controls [z. Dt. Vierzig Jahrhunderte der Preiskontrollen – Anm. d. Übers.] eine tragikomische Geschichte von Preiskontrollen zusammen, die zeigt, wie exakt diese Dynamik sich die Geschichte hindurch in verschiedenen Kulturen und Nationen abspielte.12 Könige, Kaiser, Politiker und Bürokraten sehen die Welt ökonomischer Transaktionen als mechanische Prozesse an, die sie an ihre Bedürfnisse anpassen können. Sie legen fest, dass die beobachtbaren Epiphänomene des Marktes innerhalb zu akzeptierender Vorgaben ablaufen mögen. Sie gehen davon aus, dass Menschen ihr Verhalten einfach auf eine die Vorschriften respektierende Weise ändern werden. In Wirklichkeit jedoch handeln Menschen zur Maximierung ihres eigenen Wohlergehens, nicht dem von Bürokraten. Ein Händler wird eher gar nichts verkaufen, als Verlust zu machen. Man wird entweder die Preise eines freien Marktes, oder gar keine Preise haben. In letzterem Falle werden die wahren Preise am ehesten in Schwarzmärkten auftauchen.
Wahre Ökonomen sehen ein, dass beobachtbare ökonomische Epiphänomene und Metriken lediglich Manifestationen der ihnen zugrundeliegenden menschlichen Handlungen sind. Menschen versuchen unentwegt, ihre eigene Lebenssituation zu verbessern, und es wäre vergebens, ihnen ein ihren eigenen Interessen zuwiderlaufendes Verhalten vorschreiben zu wollen. Gesetze gegen das natürliche Eigeninteresse der Menschen zu erlassen, ändert nichts an der menschlichen Natur; es verringert die Anreize dazu, sich gesetzeskonform zu verhalten und zerstört den Respekt, den eine Gesellschaft dem Gesetz entgegenbringt. Diese essenzielle Einsicht macht den wahren Ökonomen der individuellen ökonomischen Freiheit zum Freund und stößt ihn von Regierungsvorschriften ab. Der menschliche Geist lässt sich nicht knechten und wird sich selbst nicht zuwiderhandeln.
Der genuine Ökonom versteht, dass Menschen mit ihren Handlungen die Optimierung der eigenen Umstände verfolgen. Eine von ihnen gewählte, friedfertige wirtschaftliche Aktivität mit Strafen zu belegen, kann zu keiner Verbesserung ihrer Umstände führen, da hierdurch lediglich die Bandbreite der ihnen offenstehenden Handlungen eingeschränkt wird. Analysen anhand von Kennzahlen machen den Fiat-Ökonomen für die Implikationen solcher die Freiheit der Menschen einschränkenden Gesetze blind. Nach der mathematischen Beschreibung gesellschaftlicher Phänomene nimmt der kollektivistische Ökonom einfach an, dass seine mathematischen Messgrößen die das Leben der Menschen regelnden, ursächlichen Faktoren darstellen.
Es gibt bereits viel zu viele in der pseudowissenschaftlichen quantitativen Tradition stehende Textbücher der Wirtschaftswissenschaften. Ihr Haufen soll durch dieses Buch bestimmt nicht noch weiter vergrößert werden. Es wird sich nicht anschicken, Ökonomik in der Sprache der Naturwissenschaften zu erklären, und es wird auch keine ausgeklügelten Aggregatsgleichungen enthalten. Solcherlei Ansätze verheißen viel, tragen aber wenig verlässliche, nützliche oder praktische Einsichten bei.
1Mises, Ludwig von. Human Action: The Scholar’s Edition. Ludwig von Mises Institute, 1998, S. 92. (eig. Übers. nach Begrifflichkeiten von Nationalökonomie: Theorie des Handelns – Anm. d. Hrsg.)
2Mises von, Ludwig. Nationalökonomie: Theorie des Handelns und Wirtschaftens. Genf, 1940, S. 11. (Englische Passage durch analoge Passage des deutschen Originals ersetzt. – Anm. d. Hrsg.)
3Rothbard, Murray. Man, Economy, and State, with Power and Market. Scholar’s ed., 2nd ed., Ludwig von Mises Institute, 2009, S. 7
4Mises, Ludwig von. Human Action: The Scholar’s Edition. Ludwig von Mises Institute, 1998, S. 13f.
5Ebd. S. 16. (eig. Übers. – Anm. d. Hrsg.)
6Mises, Ludwig von. Human Action: The Scholar’s Edition. Ludwig von Mises Institute, 1998, S. 20. (eig. Übers. – Anm. d. Hrsg.)
7Hoppe, Hans-Hermann. Economic Science and the Austrian Method. Ludwig von Mises Institute, 2007, S. 63. (eig. Übers. – Anm. d. Hrsg.)
8Mises, Ludwig von. Human Action: The Scholar’s Edition. Ludwig von Mises Institute, 1998, S. 118 (eig. Übers. – Anm. d. Hrsg.)
9Hayek, Friedrich von. „The Pretence of Knowledge.“ The Swedish Journal of Economics, Bd. 77, Nr. 4, Dez. 1975, S. 433-42. (eig. Übers. – Anm. d. Hrsg.)
10Hayek, Friedrich von. „Scientism and the study of society [Part 1].“ Economica, Bd. 9, Nr. 35, 1942, S. 267-91.
11Quelle: FRED, Federal Reserve Bank of St. Louis.
12Schuettinger, Robert, and Eamonn Butler. Forty Centuries of Wage and Price Controls: How Not to Fight Inflation. Heritage Foundation, 1978.
Der Werth ist demnach nichts den Gütern Anhaftendes, keine Eigenschaft derselben, eben so wenig aber auch ein selbstständiges, für sich bestehendes Ding. Derselbe ist ein Urtheil, welches die wirthschaftenden Menschen über die Bedeutung der in ihrer Verfügung befindlichen Güter für die Aufrechthaltung ihres Lebens und ihrer Wohlfahrt fällen, und demnach ausserhalb des Bewusstseins derselben nicht vorhanden.13
– Carl Menger
Das erste Kapitel war eine methodologische Einführung in die Ökonomik und Illustration des Österreichischen, aufs menschliche Handeln fokussierten Zugangs zu ihr. In diesem Kapitel wenden wir uns der Substanz – den wichtigsten Konzepten und Fragen – dieses Forschungsfeldes zu.
Die Grundlagen der modernen Ökonomik wurden im späten 19. Jahrhundert von dem österreichischen Wirtschaftswissenschaftler Carl Menger gelegt. Obgleich sie als Feld bereits zu Aristoteles’ Zeiten existierte, wurde sie durch Mengers Nachweis der Subjektivität allen Wertes und aller wirtschaftlichen Entscheidungen sowie seine Einführung der Grenzanalyse revolutioniert und mit einem soliden theoretischen und methodologischen Fundament versehen, das ihr eine systematische Analyse menschlichen Wirtschaftens und Handelns erlaubt. Mengers bahnbrechendes Werk eröffnete uns ein tieferes Verständnis der Konsequenzen wirtschaftlicher Aktivitäten. Mengers 1871 erschienenes Grundsätze der Volkswirthschaftslehre stellt das vielleicht älteste nach wie vor relevante und lesbare Ökonomietextbuch dar. Dieses Kapitel beginnt mit einer Zusammenfassung der wichtigsten von Menger vorgestellten Konzepte, wobei seine Definitionen die Grundlage der in späteren Kapiteln folgenden Analysen bilden. Abschließend setzt es sich mit den fundamentalen Mengerschen Konzepten, auf denen alle ökonomische Analyse aufbaut, auseinander: subjektivem Wert und der Marginal- bzw. Grenzanalyse.
Menger definiert Güter als etwas Nützliches, das wir zur Befriedigung menschlicher Bedürfnisse einsetzen können. Um etwas zu einem Gut werden zu lassen, muss erstens ein menschlicher Bedarf existieren, müssen die Eigenschaften des Dinges sich zweitens zur Stillung dieses Bedürfnisses eignen, und die Menschen drittens von diesem Kausalzusammenhang wissen. Letztlich muss man durch den Besitz des Dinges in die Lage versetzt werden, es zur Befriedigung des Bedürfnisses heranziehen zu können.
Sein Nutzen ist die Fähigkeit eines Gutes, menschliche Bedürfnisse zu befriedigen. Er hängt von unserer Kenntnis der Beziehung zwischen einem Gut und dem durch es zu stillenden Bedürfnis ab. Nutzen ist eine notwendige Bedingung für den Gut-Charakter einer Sache. Nur wenn sie einen Nutzen hat, kann sie von Menschen als Gut betrachtet werden.
Güter können in zwei Kategorien eingeteilt werden: wirtschaftliche und freie Güter. Was beide unterscheidet, ist deren unterschiedliches Ausmaß an Knappheit: Die Nachfrage nach wirtschaftlichen Gütern ist immer größer als ihr Angebot, wohingegen die verfügbare Menge freier Güter die Nachfrage übersteigt.
Ein freies Gut ist im Überfluss vorhanden, weshalb darob keine Rivalitäten und Konflikte entstehen können. Das beste Beispiel hierfür ist Luft, die für Menschen lebenswichtig, aber überall dort, wo Menschen leben, überreichlich vorhanden ist.14 Luft ist daher kein wirtschaftliches Gut.
Im Falle eines wirtschaftlichen Gutes übersteigt die Nachfrage das Angebot, was zu einem Konkurrenzkampf darum führt und die Menschen dazu zwingt, sich zwischen ihm und anderen Gütern zu entscheiden. Zu „wirtschaften“ bezieht sich laut Menger auf den menschlichen Hang, sich größtmögliche Mengen Bedürfnisse befriedigender Güter zu sichern, deren Funktion sicherzustellen, den dringendsten Bedürfnissen gegenüber weniger dringenden den Vorrang zu geben, und sich mit Hilfe einer gegebenen Menge an Gütern die größtmögliche Bedürfnisbefriedigung zu verschaffen.
Die Ökonomik ist die Lehre menschlicher Entscheidungen unter der Bedingung von Knappheit. Sie untersucht, wie Menschen mit der Disparität zwischen von ihnen Besessenem und von ihnen Begehrtem sowie den Konsequenzen ihrer Entscheidungen umgehen.
Da Knappheit ein permanenter Zustand unserer Existenz ist, treffen Menschen unablässig Entscheidungen zwischen verschiedenen Vorgehensweisen, verschiedenen Gütern und unterschiedlichen zu befriedigenden Bedürfnissen. Die Notwendigkeit solchen Wählens zwingt uns dazu, die Nutzen, die wir aus verschiedenen Gütern ziehen, gegeneinander abzuwägen, um vernünftige Entscheidungen treffen zu können.
Wert ist unsere subjektive Einschätzung der Bedürfnisbefriedigung, die wir von Gütern erhalten oder zu erhalten erwarten, und erlaubt es uns, wirtschaftliche Entscheidungen zu treffen. Menger definiert Wert als „die Bedeutung, welche concrete Güter oder Güterquantitäten für uns dadurch erlangen, dass wir in der Befriedigung unserer Bedürfnisse von der Verfügung über dieselben abhängig zu sein uns bewusst sind.“15 Laut Menger ist Wert darüber hinaus „die Bedeutung … welche die Verfügung über jede concrete Theilquantität der uns verfügbaren Gütermenge für unser Leben, beziehungsweise für unsere Wohlfahrt hat …“.16
Die Grundlage ökonomischer Analysen – und eine von Mengers bahnbrechenden Einsichten – besteht darin, dass Wert subjektiv ist. Er existiert ausschließlich im Kopf der wertenden Person. Wie Menger es formuliert: „Der Werth ist demnach nichts den Gütern Anhaftendes, keine Eigenschaft derselben, eben so wenig aber auch ein selbstständiges, für sich bestehendes Ding. Derselbe ist ein Urtheil, welches die wirthschaftenden Menschen über die Bedeutung der in ihrer Verfügung befindlichen Güter für die Aufrechthaltung ihres Lebens und ihrer Wohlfahrt fällen…“.17
Es ist keine den Gütern inhärente Natur, die sie für uns wertvoll macht, sondern ausschließlich unsere Einschätzung ihrer Angemessenheit für unsere Bedürfnisbefriedigung. Wenn ihre Fähigkeit, unsere Bedürfnisse zu befriedigen, sich ändert, geschieht dasselbe mit ihrem Wert für uns. Wert ist also keine physische oder chemische Eigenschaft wirtschaftlicher Güter; er ist eine psychische Eigenschaft, die sie nur erlangen, wenn sie von Menschen gewertet werden; Wert ist, in Mengers berühmten Worten, „ausserhalb des Bewusstseins derselben nicht vorhanden.“18
Mein Lieblingsbeispiel zur Veranschaulichung der Subjektivität allen Wertes ist Öl. Bis ins 19. Jahrhundert hinein minderte das Vorhandensein von Öl auf einem Stück Land dessen Wert, da seine kostspielige Entfernung notwendig war, bevor letzteres für landwirtschaftliche, kommerzielle oder Wohnzwecke genutzt werden konnte. Solange der menschliche Geist Öl als ein schmutziges Ärgernis betrachtete, besaß es einen negativen wirtschaftlichen Wert. Als man jedoch begriff, dass raffiniertes Öl in Motoren verbrannt und so zum Antrieb von Maschinen verwendet werden kann, um Bedürfnisse des Transports, der Elektrizität und der Wärmeerzeugung zu befriedigen, verwandelte es sich vom schmutzigen Ärgernis zu einem überaus wertvollen und essenziellen Rohstoff, ohne den kein Bewohner der modernen Welt zu leben vermag. Öl des Jahres 2020 unterscheidet sich chemisch und physisch nicht von Öl des Jahres 1620, und dennoch schlug sein Wert vom Negativen ins Positive um. Die bewusste Einschätzung unserer Bedürfnisse kann zwar nicht die physikalischen und chemischen Eigenschaften von Öl, wohl aber seinen wirtschaftlichen Wert beeinflussen. Der wirtschaftliche Wert des Öls schlug von negativ in positiv um, als der menschliche Geist es als nützlich erkannte. Menger stellte entsprechend Folgendes fest: „Der Güterwerth ist in der Beziehung der Güter zu unseren Bedürfnissen begründet, nicht in den Gütern selbst. Mit dem Wechsel dieses Verhältnisses muss auch der Werth entstehen oder vergehen.“19
Eine weitere Veranschaulichung dieses Punktes: Zum Zeitpunkt der Niederschrift dieses Buch im Jahr 2020 ist ein beträchtlicher Teil der Weltbevölkerung Regierungen ausgesetzt, die erhebliche Einschränkungen der Bewegungsfreiheit und wirtschaftlichen Produktion über sie verhängen. Öl wird lediglich für den unmittelbaren Verbrauch gefördert; freie Kapazitäten für seine Lagerung sind relativ zu den enormen Mengen, in denen es konsumiert wird, kaum vorhanden. Durch die praktische Stilllegung von Industrie und Transport kam es zur Überproduktion von Öl, wodurch dessen Preis für ein paar Tage bis in negative Bereiche fiel. Angesichts des Ungleichgewichtes von Angebot und Nachfrage sowie dem Mangel an Lagerkapazität wurde der Besitz von Öl – wie im vorindustriellen Zeitalter – wieder zu einer Belastung, und seine Inhaber mussten erneut dafür zahlen, es loszuwerden. Bald jedoch erholte sich der Ölpreis. Keine der Eigenschaften des Öls änderte sich, als sein Preis von negativ zu positiv zu negativ und wieder zu positiv fluktuierte; die Umstände der es wertenden Menschen änderten sich, und im gleichen Zuge änderten sich ihre subjektiven Wertungen.
Wie das Beispiel des Öls zeigt, kann Wert nicht außerhalb menschlicher Wertungen und Entscheidungen, die ihre Präferenzen widerspiegeln, existieren. Wert kann keine konstante Objekteigenschaft sein; er ist ein geistiges Phänomen. Das bedeutet nicht, dass Wert irreal ist. Wert ist real und bedeutsam und bestimmt unsere Handlungen und Entscheidungen, durch welche Produktion, Konsum sowie der Gebrauch realer Materialien gelenkt werden. Mengers Erkenntnis der subjektiven Natur allen Wertes war ein äußerst wichtiger Wendepunkt wirtschaftswissenschaftlichen Denkens. Frühere Ökonomen hatten Schwierigkeiten damit, zu erklären, wie Güter gewertet werden und warum einige wertvoller als andere sind. Alle derartigen Mysterien und Paradoxe wurden erst durch die Mengersche Einsicht der Subjektivität des Wertes sowie seiner Grenzanalyse aus der Welt geschafft.
Die erste wichtige Implikation der Subjektivität allen Wertes ist, dass er sich weder objektiv messen noch ausdrücken lässt. Wertungen stehen in subjektiver Beziehung zum Wertenden und schwanken daher in Abhängigkeit unserer sich ständig ändernden Bedürfnisse und unseres sich stets entwickelnden Verständnisses der Fähigkeiten von Gütern, diese zu befriedigen, nicht nur von Individuum zu Individuum, sondern mit Veränderungen individueller Situationen. Um irgendein Maß objektiv ausdrücken zu können, ist eine wissenschaftliche Maßeinheit als Standard notwendig, anhand dessen verschiedene Objekte evaluiert werden können, wie in Anhang 1 besprochen wird. Gewicht, Länge, Temperatur und andere wissenschaftliche Maße werden in objektiv definierbaren Einheiten ausgedrückt, die einen präzisen Vergleich verschiedener Objekte ermöglichen. Für menschliche Wertungen kann jedoch keine derartige Einheit existieren, da der Wert eines Gutes keine diesem innewohnende, objektive Eigenschaft ist, sondern eine subjektive psychische, die von der wertenden Person und sich ständig wandelnden, seine Bedürfnisbefriedigungskapazität bestimmenden Faktoren abhängt. Es gibt keinen objektiven Standard zum Vergleich menschlicher Bedürfnisbefriedigung, da die jeweiligen Individuen selbst über ihre Werte urteilen. Es ist, mit anderen Worten, unmöglich, die Bedürfnisbefriedigung, die eine Person durch ein Gut erlangt, anhand der Bedürfnisbefriedigung, die irgendeine andere Person durch dasselbe Gut erlangt, objektiv zu bestimmen.
Ohne eine objektive Standardeinheit kann nicht gemessen und Wert daher nicht in objektiver, kardinaler Zahlenform ausgedrückt werden, was eine mathematisch präzise Erfassung wirtschaftlichen Werts ausschließt. Ohne eine konstante, für jeden gültige Referenzeinheit des Wertes ist es unmöglich, die wirtschaftlichen Werte verschiedener Güter in Beziehung zueinander zu setzen. Es ist möglich, die Länge verschiedener Objekte zu messen, da sie an den konstanten Maßeinheiten des Zolls, Fußes, Meters oder der Meile abgeglichen werden können. Ein Individuum, das einen Kühlschrank in seiner Küche installieren möchte, kann den verfügbaren Platz in Zentimetern ermitteln und mit den Abmessungen des Kühlschranks vergleichen, um zu sehen, ob er passt. Derartige Maße sind sinnvoll und nützlich, weil sowohl Käufer als auch Hersteller eine sehr genaue und akkurate Definition des Zentimeters teilen. Ohne eine Einigung auf eine solche gemeinsame und konstante Einheit müsste man den Kühlschrank einzubauen versuchen, um zu sehen, ob er passt oder nicht.
Mises formuliert dies folgendermaßen: