Gespenster-Krimi 113 - Thomas Williams - E-Book

Gespenster-Krimi 113 E-Book

Thomas Williams

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Beschreibung

Angewidert trinkt Ben den letzten Rest aus der Bierflasche. Seit Laura ihn verlassen hat, lässt er sich völlig gehen. Er kriegt einfach nicht mehr die Kurve, um sich zu irgendeiner sinnvollen Tätigkeit aufzuraffen. Auch jetzt sitzt er schon seit Stunden vor dem Fernseher. Es läuft die Wiederholung einer alten Sitcom mit Gelächter aus der Konserve.
Da erregt plötzlich etwas seine Aufmerksamkeit. Ein schwarzer Käfer, so groß wie seine Hand, hockt über dem Bildschirm an der Wand. Die langen Fühler bewegen sich, als suchten sie etwas, doch was Ben viel mehr interessiert, sind die Backenzangen, die aus dem Kopf ragen und viel zu groß für das Insekt wirken. Vermutlich sind sie lang genug, um sich um seine Handgelenke zu legen.
Ben sieht das Bier in seiner Hand an und überlegt kurz, ob er zu viel davon getrunken hat. Dann hört er ein seltsames Klacken von der Zimmerdecke - und er erstarrt ...


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Inhalt

Cover

Ein höllisches Käferproblem

Vorschau

Impressum

Ein höllisches Käferproblem

von Thomas Williams

»Oh, entschuldigen Sie bitte. Hab Sie gar nicht gesehen ...«, lallte Frederik.

Mit einer wütenden Antwort rechnend, trat er einen Schritt zurück, um zu sehen, wen er da eigentlich angerempelt hatte. Doch die andere Person sagte kein Wort. Sie war größer als er. Viel größer sogar. Inzwischen bereute Frederik es deutlich, nicht besser aufgepasst zu haben, aber der Alkohol ließ ihn alles doppelt und verschwommen sehen.

So war es also nicht nur eine riesige und unheimlich dünne Person, die sich vor ihm aufbaute, sondern zwei. Mit offenem Mund starrte er ihren hell leuchtenden Kopf an, hob eine Hand über die Augen, um sie vor dem weißen Licht zu schützen. Das musste ein Alien sein. Oder das Raumschiff eines Aliens, das dicht über ihm schwebte.

»Was zur Hölle ...«, kam es schwerfällig aus seinem Mund.

Und dann begriff er.

Was da vor ihm stand, war eine simple Straßenlaterne. Kein Monster, das ihn entführen oder wegen seines Versehens verprügeln würde.

Kichernd ließ er die Hand sinken. Wie hatte er das denn wieder geschafft? Und wo war er überhaupt? Er erinnerte sich daran, die Kneipe verlassen zu haben, mit der Absicht, nach Hause zu gehen. Aber er hatte gar nicht darüber nachgedacht, wo er entlang ging. Es kam ihm richtig vor, bis er gegen die Laterne lief und plötzlich eine vollkommen verkehrte Umgebung entdeckte.

Frederik kannte sich aus in Bielefeld. Schließlich lebte er schon fast sein ganzes Leben hier, war von Hannover hergezogen, hatte studiert, eine Anstellung gefunden und seine Pläne, wieder nach Niedersachsen zu ziehen, über den Haufen geworfen. Dafür verdiente er hier zu gut und konnte sich ein kleines Leben aufbauen. In die Innenstadt hatte es ihn damals noch selten gezogen, denn dort gab es nichts, was ihn interessierte.

Bis er seinen Job verlor und mit dem Trinken begann. In einer der Eckkneipen, nahe des Zentrums, fand er Gleichgesinnte, die wie er über Gott und die Welt schimpften. Er trank und sang mit ihnen, spielte Dart oder Tischfußball. Hin und wieder ging mal ein Glas zu Bruch, aber der Besitzer war inzwischen ein guter Freund und Frederik ließ so viel Geld in der Kneipe, dass ein kaputtes Glas nicht weiter ins Gewicht fiel.

Lachend lehnte Frederik sich mit einer Hand an die Straßenlaterne. »Entschuldigen Sie, guter Mann. Hab Se gar nüscht gesähen!«

Er lachte noch lauter, schüttelte den Kopf und versuchte ein weiteres Mal, sich zu orientieren. Irgendwie war es ihm gelungen, einen Halbkreis zu laufen. Seine Stammkneipe war nur drei Straßen entfernt. Hätte er die Laterne verfehlt, wäre er irgendwann wieder da gelandet, von wo er losgelaufen war.

»Okay ... Okay ... Okay ...«, sagte er zu sich selbst, holte tief Luft und blinzelte mehrmals.

Seine Sicht wurde kaum besser. Alles erschien ihm doppelt, aber es gab Anhaltspunkte. Er stand in einem kleinen Park, sah Mauern, einen abgestellten Springbrunnen und ein großes Gebäude mit hohen Fenstern.

Wäre ihm nicht so übel gewesen, hätte Frederik sich vor die Stirn geschlagen. Er stand im Ravensberger Park. Nicht weit von seiner Arbeitsstelle entfernt. Während seines Studiums hatte er nur wenige hundert Meter entfernt in einer Wohngemeinschaft gelebt.

»So was aber auch«, murmelte er.

Jetzt, mit neuer Orientierung, schlurfte er wieder vorwärts. Zu so später Stunde war der Park nicht ganz ungefährlich. Dabei dachte er weniger an Stolperfallen, wie Müll oder aus dem Boden ragende Pflastersteine, als an Leute, die Betrunkenen wie ihm schnell eins überzogen, um an ihr Geld zu kommen.

Da hatten sie allerdings Pech, denn sein Geld lag gut aufgehoben in der Kassenlade seiner Stammkneipe. Nur wussten die anderen das natürlich nicht. Und es musste auch nicht zwingend zu einem Überfall kommen. Hin und wieder las er davon in der Zeitung, manchmal passierte es auch ganz woanders.

So oder so, Frederik wollte den Park schnell wieder verlassen. Er musste nur einen der Ausgänge finden. Am besten einen, der in seiner Richtung lag.

Seine Ohren rauschten, dass er das Gefühl hatte, ununterbrochen etwas oder jemanden hinter sich zu hören. Aber es war nur der frische Herbstwind, der durch die Baumkronen wehte und die Blätter rascheln ließ.

Frederik vermied es dennoch, zurückzublicken. Nicht, dass eine menschenleere Straße um zwei Uhr nachts mehr Sicherheit versprach als der Park, aber irgendwo glaubte Frederik, sie dort finden zu können. Die vielen Fenster der Gebäude mochten dunkel sein und die Anwohner schon in ihren Betten liegen, dennoch schreckten mögliche Zeugen seine Verfolger womöglich ab.

Wenn da denn welche waren.

Er glaubte tatsächlich, noch etwas anderes als den Wind zu hören. Ein dumpfes Brummen. Vielleicht ein Motor, der langsam näher kam. Denn es wurde eindeutig lauter. Den Blick geradeaus gerichtet, schlurfte er an der Spinnerei vorbei. Ein ehemaliges Fabrikgebäude, in dem heute die Volkshochschule ihren Platz hatte. Gleich dahinter lag das historische Museum und dahinter noch mehr freie Fläche. So weit hatte Frederik gar nicht gehen wollen, und doch fand er sich genau dort wieder.

Wie war das denn nun wieder passiert? Er hatte doch einen Ausgang angesteuert. Wann war er falsch abgebogen?

Mit beiden Händen fuhr er durch sein stoppeliges Gesicht. Er musste klar im Kopf werden, sonst verbrachte er die ganze Nacht hier draußen.

Das Brummen war noch lauter geworden. Ohne die Mauern hätte er bestimmt die Scheinwerfer des Wagens gesehen, welcher auf der Straße entlangfuhr.

Er tastete nach seinem Handy. Wenn sonst nichts half, dann womöglich das Navigationsgerät im Telefon. Als er es fand, verschwamm der leuchtende Bildschirm jedoch vor seinen Augen.

Wie hieß noch mal diese App, die er ansprechen konnte, damit sie ihm weiterhalf? Sie besaß einen Frauennamen. Er lag Frederik auf der Zunge.

»Sibiri ... Führ mich nach Hause!«, sagte er mit schwerer Zunge. Nichts geschah. »Sibb ... Sibber ...«

Verdammt, es wollte ihm nicht einfallen.

Während er dagestanden hatte, war das Brummen stetig lauter geworden. Und der Boden unter seinen Füßen vibrierte leicht. Wenn es ein Lastwagen war, der am Park vorbeifuhr, hätte Frederik ihn doch sehen müssen. So hoch waren die Mauern nun auch wieder nicht. Aber da war kein LKW oder etwas in der Art.

Und das Geräusch kam nicht von der Straße, sondern aus der näheren Umgebung.

Jetzt drehte Frederik sich doch noch um. Viel gab es kaum zu sehen. Die Straßenlaternen und die Außenbeleuchtung der Gebäude bildeten ein paar weiße Lichtinseln. Menschen sah er keine. Und auch kein Fahrzeug.

Während er in die Richtung blickte, erstarb das Brummen. Urplötzlich, als hätte jemand einen Motor abgestellt. Also war es vielleicht doch ein Lastwagen oder etwas in der Art gewesen. Frederik seufzte, versuchte noch einmal, den Ausgang zu finden. Zu Hause wollte er direkt ins Bett kriechen. So wie er war. Angezogen, ungewaschen, Hauptsache er konnte liegen und sich ausruhen. Es gab keine Frau, die auf ihn wartete, und so auch niemanden, dem er Rechenschaft schuldig war.

Also musste er am nächsten Mittag auch keinem wütenden Partner erklären, warum er verkatert im Bett lag und noch seine Schuhe trug.

Dazu wäre es jedoch ohnehin nie gekommen, denn Frederiks Schuhe versanken mit einem Ruck in der Erde.

Zuerst glaubte er, gestolpert zu sein. Doch er hatte sich gar nicht bewegt. Der Boden unter seinen Füßen ließ einfach nach. Hier gab es keine Steine, nur lose Erde. Irgendwie hatte er sich von dem normalen Weg entfernt. Aber das war im Moment völlig egal, denn er musste zusehen, dass er sich befreite, um nicht noch tiefer zu versinken.

Er hob den rechten Fuß, fand wieder festen Boden und wollte nun den linken befreien, als ein weiterer Ruck diesen tiefer in die Erde gleiten ließ. Und nicht nur das. Sein rechter versank auch schon wieder. Frederik verlor das Gleichgewicht, stürzte mit ausgestreckten Armen nach vorne und hätte geschrien, wäre ihm beim Aufprall nicht die Luft aus den Lungen entwichen.

Mit schmerzverzerrtem Gesicht versuchte er, wieder hochzukommen. Eine Schlinge musste sich um seine Knöchel gewickelt haben, denn sie wurden aneinandergepresst und ein weiterer Ruck ließ ihn noch weiter in die aufgewühlte Erde sinken.

Nun schrie er doch auf, aber viel zu leise, um gehört zu werden. Es gab keine Erklärung für das, was geschah. Er musste bereits im Bett liegen und schlecht träumen. Aber die Schmerzen, die ihn nun endgültig aufschreien ließen, fühlten sich zu echt an. Scharfe Messerklingen drangen in seine Waden ein, gruben sich durch das Fleisch, bis ihre Spitzen auf der jeweils anderen Seite wieder austraten.

Frederik krallte seine Hände in die Erde, dachte gar nicht mehr daran, aufzustehen. Der Schmerz war zu gewaltig, blendete jeden anderen Gedanken aus.

Er vergaß sogar, zu atmen, öffnete dann jedoch den Mund, um tief Luft zu holen, als alles ganz schnell ging. Was auch immer ihn gepackt hielt, es zog ihn unter die Erde. Diese bot zwar immer noch Widerstand, aber das Ding im Untergrund hatte ausreichend Kraft, dass Frederiks Körper durch die zu schmale Öffnung glitt.

Kleidung und Haut wurden von Steinen und Wurzeln aufgerissen. Sein weit geöffneter Mund füllte sich mit Erde, raubte ihm endgültig den Atem. Er versank nur etwas mehr als zwei Meter, konnte mit seiner ausgestreckten, linken Hand sogar noch die kalte Nachtluft fühlen, als sie ins Freie ragte.

Doch entkommen sollte Frederik nicht mehr. Unfähig, sich zu bewegen oder zu atmen, steckte er in dem Loch fest, hörte seine eigenen, erstickten Laute, die nur ein wenig lauter wurden, als das Wesen unter ihm begann, ihn Stück für Stück zu fressen.

»Er schießt! Er trifft! Tooor!«, schrie Sascha, beide Arme hochreißend, um eine Art Siegestanz aufzuführen.

Ben sah dem kleinen Ball hinterher, der durch das improvisierte Fußballtor aus zwei leeren Bierflaschen gerollt war.

Sascha zeigte auf seinen Freund und rief: »Sag es!«

Ben seufzte, und Sascha wiederholte: »Jetzt sag es!«

»Keiner macht es so gut wie Sascha.«

Noch einmal riss Sascha die Arme hoch. »Ganz genau!«

Gerade wollte Ben sich umdrehen, um den Ball zu holen, da wurde neben ihm die Wohnungstür aufgerissen, und eine Frau mit dunklen Haaren und einem zu großen T-Shirt, das auch ein Nachthemd sein konnte, schrie ihn an: »Sagt mal, habt ihr ne Meise? Wisst ihr, wie spät es ist?«

Sascha winkte ab. »Was interessiert dich das, Marla? Du arbeitest genauso wenig wie ich.«

Die Frau, die fast zwei Köpfe kleiner als Ben war, sah die zwei Freunde abwechselnd an. Den Blick auf Sascha gerichtet, nickte sie in Bens Richtung.

»Wer is'n das?«

Sascha deutete abwechselnd auf Marla und Ben. »Ben, Marla. Marla, Ben. Mein bester Freund und die Verrückte von nebenan.«

Marla zeigte ihm den Mittelfinger. »Jeder hier ist verrückt. Sonst würden wir wohl kaum in dieser Bruchbude wohnen.«

Aus ihrer Wohnung ertönten Schreie und das Geräusch einer Kettensäge. Zu leise, um Ben ernsthaft Sorge zu bereiten, dennoch fragte er vorsichtshalber: »Verpassen Sie nicht Ihren Film?«

»Hab den schon tausend Mal gesehen. Ich lasse nur irgendwas laufen, weil mir die Stille auf den Keks geht.«

Sie steckte sich eine qualmende Zigarette zwischen die Lippen, kratzte sich am Kopf mit dem zerzausten, schulterlangen Haaren. Obwohl sie bestimmt nicht geschlafen hatte, sah sie aus, als wäre sie gerade aufgestanden.

»Spielt ihr schon wieder Flurball?«, fragte sie schließlich.

»Yup«, antwortete Sascha knapp.

Genau wie Ben trug er einen schwarzen Kapuzenpullover. Einzig der Aufdruck unterschied sie voneinander. Sascha trug einen von der Band Anthrax, Ben einen von Iron Maiden. Wenn sie nicht im Hausflur Ball spielten, saßen sie in Saschas Wohnung, hörten Heavy Metal oder guckten Filme, die Sascha aus Kartons mitnahm, die andere an die Straße stellten. Mit Sachen, die sie verschenken wollten. Das meiste war alter Krempel wie Vasen und Teller, aber hin und wieder lagen auch DVDs dazwischen.

Marla wollte die Tür wohl schon schließen, als Ben fragte: »Welcher Teil vom Texas Kettensägenmassaker ist das? Doch hoffentlich keines der Remakes?«

Marla ließ ihren Blick an Ben auf und ab wandern. Ununterbrochen stieg Rauch aus ihrem Mund, dass sie an eine Dampflok erinnerte.

»Der erste«, sagte sie. »Kennst du dich aus mit Horrorfilmen?«

»Ein wenig. Außerdem fallen mir nicht viele ein, in denen eine Kettensäge vorkommt.«

Grunzend lachte Marla auf. »Von Saschas bekloppten Freunden bist du mir noch der sympathischste.«

Unsicher, ob das ein Kompliment sein sollte, erwiderte Ben fragend: »Danke?«

»Macht, was ihr wollt, aber macht es leiser«, sagte Marla.

Sascha salutierte.

Kaum, dass die Tür geschlossen war, begann Sascha zu lachen und kam auf Ben zu, um ihn zu umarmen.

»Sie mag dich!«, sagte er immer noch lachend, mit kieksender Stimme. »Alter, sie mag dich. Marla mag sonst niemanden. Sie sagt, sie hätte eine Allergie gegen Menschen.«

»Okay«, war alles, was Ben dazu einfiel.

Mit einem Arm um seine Schultern gelegt, führte Sascha ihn den Flur entlang, und unterwegs begriff Ben, was sein Freund vorhatte. Sie mussten schließlich den Ball holen.

Nur sah er diesen nirgends. Er glaubte, ihn in einem Türrahmen finden zu können. Es gab noch weitere Wohnungen, deren Türen alle geschlossen waren. Bis auf die am Ende des Flurs. Sie stand einen Spaltbreit offen und Ben ahnte, dass der Ball sich hinter ihr befand. Zwar wusste er, dass niemand im hinteren Teil der Etage wohnte, doch er war nicht sonderlich scharf drauf, ein leer stehendes Apartment zu betreten.

Die Haustür des Wohnblocks schloss nicht. So konnte hier jeder reinkommen, der wollte. Einmal hatte Sascha von einem Toten erzählt, der in einer Wohnung gefunden worden war. Kein Anwohner, sondern ein Junkie, der sich einen Platz suchte und nach seiner Injektion nicht wieder aufwachte. Der Geruch hatte ihn irgendwann verraten.

Und wer wusste schon, was jetzt hinter einer unverschlossenen Tür lag?

Er hatte schon viel über Marla und andere Nachbarn gehört. Wenn Saschas Geschichten stimmten, waren sie alle verrückt. Was, wenn einer von ihnen in der leeren Wohnung auf sie wartete?

Ihm ging das Geräusch der texanischen Kettensäge durch den Kopf.

Als Sascha laut zu reden begann, zuckte er zusammen.

»Wir könnten eine Party schmeißen. Jeder bringt was mit. Was zum Trinken, Essen, was zum Rauchen.«

»Bei dir?«, fragte Ben und dachte an Saschas dreckiges, stets unaufgeräumtes, kleines Heim.

»Nein, nein, nein. Hier drinnen.« Sascha drückte die Tür zur leeren Wohnung auf.

Etwas Mondlicht fiel durch die Fenster ins Innere und auch in den vor ihnen liegenden Flur, da alle Zimmertüren weit offen standen. Tatsächlich mussten zwischendurch Menschen hier gewesen sein, denn Ben sah Papiertüten einer Fast Food Kette am Boden liegen, leere Bierdosen, und der Geruch von altem Urin lag in der Luft.

»Du willst hier eine Party feiern?«, fragte er verwirrt.

Sascha zögerte. »Hmmm ... Als ich letztes Mal hier drinnen war, roch es noch nicht nach Bahnhofstoilette.«

Trotz seiner Aussage trat er tiefer in den Flur.

»Siehst du den Ball irgendwo?«, wollte er wissen.

Der Ball gehörte ihnen nicht einmal. Er hatte irgendwann im Flur gelegen, und sie hatten das Spiel Flurball erfunden.

So wichtig war dieser Gegenstand also nicht, und doch betrat Sascha einen der Räume. Gleich darauf trat er, sich selbst Luft zufächernd, wieder in den Flur und schloss die Tür.

»Da ist er nicht«, sagte er gepresst.

Ben blieb in der Wohnungstür stehen, sah Sascha zu, wie der im nächsten Zimmer verschwand.

»Pass auf, dass dich keiner absticht«, wollte er ihn warnen, behielt es aber für sich.

So etwas würde nicht passieren. Hier war ganz bestimmt keiner.

»Stell es dir doch mal vor!«, rief Sascha. Seine Stimme hallte an den leeren Wänden wider.

Während er sprach, sah Ben zur Tür am Ende des Flurs. Sollte diese Wohnung wie Saschas geschnitten sein, lag dort der zweitgrößte Raum. Sascha hatte dort sein Schlafzimmer. Durch die Fenster auf der linken Seite fiel weißes Licht herein, dass Ben die weiß tapezierte Wand sehen konnte.

»Stell es dir doch mal vor«, rief Sascha. »Wir machen Musik an, trinken, feiern. Hier ist keine Sau, die uns stört. Marla kommt vielleicht auch. Ich weiß, sie sagt, sie mag keine Menschen, aber das ist nur Gerede. Und die anderen, die hier wohnen?«

Nach einer kleinen Pause trat Sascha wieder in den Flur.

»Keine Ahnung, die bekomme ich kaum zu Gesicht. Hier lebt jeder für sich. Vor ein paar Wochen hat irgendwo jemand wie am Spieß geschrien. Hat keinen interessiert.«

»Du hast auch nichts unternommen?«, fragte Ben nach, der hoffte, dass Sascha nicht einfach nur den Fernseher lauter gedreht hatte.

»Hab den Fernseher lauter gedreht. Es lief Phantom Kommando mit Arnold Schwarzenegger. Den lasse ich mir doch nicht kaputt schreien.«

»Verstehe. Also, du willst hier eine Party schmeißen ...«