Zombie Zone Germany: Fressen oder gefressen werden - Thomas Williams - E-Book

Zombie Zone Germany: Fressen oder gefressen werden E-Book

Thomas Williams

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Beschreibung

Es ist nur ein Gerücht, aber gleichzeitig deine einzige Hoffnung: Es soll einen Weg raus aus Deutschland geben. Weg von den Zombies, eine Chance auf ein neues Leben. An diese Gedanken klammerst du dich.Egal, wie viele Untote dir im Weg stehen werden: du wirst kämpfen! Doch du hast die Rechnung ohne die Kannibalen gemacht. Oder sie ohne dich? Denn in dieser neuen Welt heißt es schließlich:Fressen oder gefressen werden. Zombie Zone Germany: Unsere Städte wurden Höllen. Sie kamen über Nacht. Ihr Hunger war unstillbar. Sie fielen wie Heuschreckenschwärme über die Lebenden her. Zerrissen sie, fraßen, machten aus ihnen etwas Entsetzliches. In den Straßen herrscht verwestes Fleisch. Zwischen zerschossenen Häusern und Bombenkratern gibt es kaum noch sichere Verstecke.In Deutschland ist der Tod zu einer seltenen Gnade geworden. Hohe Stahlbetonwände sichern die Grenzen. Jagdflieger und Kampfhubschrauber dröhnen darüber. Es wird auf alles geschossen, was sich (noch) bewegt. Deutschland wurde isoliert – steht unter Quarantäne. Die wenigen Überlebenden haben sich zu Gruppen zusammengeschlossen, oder agieren auf eigene, verzweifelte Faust. Gefangen unter Feinden. Im eigenen Land. Doch ist der Mensch noch des Menschen Freund, wenn die Nahrung knapp wird und ein Pfad aus kaltem Blut in eine Zukunft ohne Hoffnung führt? Bisher in der Reihe erschienen: ZZG: Die Anthologie ZZG: Trümmer (Simona Turini) ZZG: Tag 78 (Vincent Voss) ZZG: Letzter Plan (Jenny Wood) ZZG: Zirkus (Carolin Gmyrek) ZZG: Blutzoll (Matthias Ramtke) ZZG: Fressen oder gefressen werden (Thomas Williams) ZZG: XOA (Lisanne Surborg) ZZG Anthologie: Der Beginn

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Inhaltsverzeichnis
Titel
Impressum
Fressen oder gefressen werden

Zombie Zone Germany

Fressen oder

gefressen werden

Thomas Williams

Herausgegeben von Claudia Rapp

© 2020 Amrûn Verlag Jürgen Eglseer, Traunstein

Idee: Torsten Exter

Herausgeberin der Reihe: Claudia Rapp

Lektorat: Claudia RappUmschlaggestaltung: Christian Günther Atelier Tag Eins - tag-eins.de

Alle Rechte vorbehalten

ISBN TB – 978-3-95869-129-2Printed in the EU

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Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet unter http://dnb.d-nb.de abrufbar

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Kapitel 1

Ihre ersten Erinnerungen waren Schmerz und Gelächter. Dann blickte ein Mann auf sie herab, der sein fast zahnloses Grinsen zeigte, bevor er ihr stolz den aufgespießten Augapfel zeigte.

»Tadaaa!«

Sie wusste, dass es sich um ihr eigenes Auge handelte und dennoch wollte sie es nicht begreifen. Sie wünschte sich an einen anderen Ort. Weg von den Männern, die ihr das antaten. Aber sie war an den Tisch gefesselt, auf dem sie lag. Vollkommen nackt, damit sie ihren Körper betrachten und überlegen konnten, wo sie zuerst hineinschneiden sollten. Sie hatten nicht vor, sie zu vergewaltigen.

»Mit dem Essen fickt man nicht!«, sagte einer von ihnen immer wieder, bis ihn ein anderer anschrie, endlich die Klappe zu halten.

Der Zahnlose schob sich den Augapfel in den Mund und begann zu kauen. Dabei sah er die Frau ohne zu zwinkern an.

»Köstlich«, schmatzte er, während ihm der Speichel über das Kinn lief. »Ich hätte gerne Nachschlag.«

Das Messer näherte sich zum zweiten Mal ihrem Gesicht, verschwamm vor ihrem intakten Auge. Irgendjemand schrie und sie begriff nicht, dass sie es war.

Ihre Stimme ging in einem lauten Krachen unter. Tageslicht fiel in den Raum, blendete den Zahnlosen und ließ ihn zurückweichen wie einen Vampir, der sich vor der Sonne in Sicherheit bringen will. Schüsse trieben ihn und seine Freunde noch weiter zurück.

Als der Zahnlose laut zu schreien begann, hoffte sie, dass er getroffen worden war, sehen konnte sie aber nicht. Sie sah nur zur Decke, während sie immer noch schrie.

Die Schüsse endeten so schnell, wie sie begonnen hatten. Ein Schatten legte sich über die Frau, die den Fremden wimmernd ansah. Er hielt seine zwei Revolver immer noch schussbereit, als er sagte: »Sie sind weg.«

Die Frau erbrach sich und verlor das Bewusstsein.

Kapitel 2

»Hey, Doc Frankenstein.«

Er verdrehte die Augen hinter den geschlossenen Lidern und murmelte verschlafen: »Nenn mich nicht so.«

Sie lächelte. Den Spitznamen trug er, seitdem er sie zusammengeflickt hatte. Manchmal vergaß sie sogar seinen richtigen Namen, denn schließlich gab es niemanden mehr, der ihn mit diesem rief. Als er endlich die Augen öffnete, sah er sich blinzelnd um und fragte: »Wo sind wir?«

»Ich glaube, das Kaff nennt sich Bad Oeynhausen. Stand jedenfalls auf dem Ortseingangsschild, aber wegen lauter Einschusslöchern konnte ich es nicht lesen. Ist auch ein merkwürdiger Name, findest du nicht auch? Bad Oeynhausen. Was soll das überhaupt bedeuten?«

Der Doc fuhr sich mit einer Hand durch sein schulterlanges Haar, schmatzte und schloss wieder die Augen. »Was auch immer. Weck mich, wenn wir es hinter uns haben.«

»Wenn ich wüsste, wo ich lang fahren soll.«

»Nimm die Straßenkarte.«

»Du könntest auch mal etwas tun, weißt du?«

Er öffnete ein Auge, um sie anzusehen. Die Augenklappe und das kurz geschnittene, schwarze Haar ließen sie älter aussehen, als sie eigentlich war. Hinzu kamen kleine Narben in ihrem Gesicht, sowie viele schlaflose Nächte und schreckliche Erinnerungen. Sie musste einmal eine echte Schönheit gewesen sein, aber diese Welt, in der sie lebten, veränderte Menschen, innerlich wie äußerlich.

»Gott verdammt«, sagte Doc und öffnete das Handschuhfach des Wagens. Der Straßenatlas war ein mit weißen Drahtspiralen gebundener Klotz. Sie hatten ihn auf einem ihrer Streifzüge durch Wohnungen und Häuser gefunden und wie so vieles einfach mitgenommen, in der Hoffnung, ihn irgendwann gebrauchen zu können. In diesem Fall erwies es sich als richtig.

»Bad Oeynhausen, ja?« Doc Frankenstein räusperte sich und blätterte im Atlas, während seine Partnerin die Straße im Auge behielt. Vor ihnen lagen verlassene Autos, die eine vierspurige Hauptstraße versperrten. Mehrere von ihnen waren ineinander verkeilt. Es würde unmöglich werden, dort hindurchzufahren.

»Wie weit ist es denn noch?«, wollte der Doc wissen.

»Etwas mehr als hundert Kilometer.« Sie behielt zwei Autowracks im Auge, als sich etwas zwischen ihnen bewegte. Es konnte ein Stofffetzen sein, der im Wind flatterte. Vielleicht aber auch etwas ganz anderes. Ein Kleidungsstück oder eine Plane. Natalie wollte aufmerksam bleiben.

Mit dem Finger die Straßenkarte entlangfahrend begann der Doc: »Eigentlich müssten wir nur geradeaus zur Autobahn, aber so wird das wohl nix. Wir könnten ...«

Sie hörte ihm schon gar nicht mehr zu und stieg aus, ohne die vor ihnen liegenden Fahrzeuge aus den Augen zu lassen.

»Dann könnten wir ... Ach, Scheiße. Jetzt machst du wieder einen auf Terminatrix«, hörte sie den Doc noch sagen, bevor sie geduckt an den stehengelassenen Autos entlang schlich.

Sie zog eine P30, die sie seit ihrer Zeit in der Bundeswehr besaß, entsicherte die Pistole und blieb hinter einem roten Golf hocken. Sie warf einen Blick daran vorbei, konnte keine weiteren Bewegungen ausmachen, aber das musste nichts heißen.

Sie sah zum Doc, der immer noch im Wagen saß. Inzwischen kannte sie ihn lange genug, um sich nicht mehr von seiner Ruhe stören zu lassen. Ihm schien es nichts auszumachen, dass sich jederzeit menschenfressende Untote nähern konnten. Als ginge er davon aus, mit ihnen fertig werden zu können.

Okay, es ärgerte sie doch. Und zwar jeden Tag ein bisschen mehr. Irgendwann würde ihn seine Gelassenheit umbringen.

Wütend gab sie ihm mit einer Geste zu verstehen, dass er ihr folgen sollte.

Er hob die Schultern.

Sie zeigte ihm den Mittelfinger.

Und er lächelte.

Aber nur kurz, denn dann hörten sie die Stimmen. Mit der Waffe in beiden Händen richtete Natalie sich langsam auf, um auf die Straße zu blicken. Zwei Männer spazierten den Gehweg entlang. Sie hatten ihr den Rücken zugewendet. Einer von ihnen trug eine schwarze Wollmütze, der andere fiel eher durch seine beachtliche Statur und seinen Pferdeschwanz auf. Als er kurz zur Seite sah, ging die Frau wieder in die Hocke. Sie wollte den Doc auf die beiden aufmerksam machen, aber der war verschwunden.

»Großartig«, murmelte sie, zögerte noch einen Moment, bis sich die Stimmen etwas weiter entfernt hatten und begann dann, den Männern zu folgen.

Kapitel 3

Der Doc hasste es, wenn sie beide vollkommen planlos draufloszogen. Sie mussten sich absprechen, aufeinander abgestimmt sein. Sie hatten schon so viel verrücktes Zeug erlebt und überlebt, aber irgendwann würde sie das Glück verlassen.

Manchmal wünschte er sich, er hätte sie einfach liegengelassen. Aber er musste sie ja mitnehmen, ihre Wunden versorgen und sie aufpäppeln. Dabei hatte er nicht geglaubt, dass sie es schaffen würde. Diese Mistkerle hatten ihr ein Auge genommen, verdammt. Und auf ihrem Körper waren Linien gemalt, an denen sie entlang schneiden wollten. Wie bei einem Schwein, dem man die besten Stücke entfernte.

Er hatte nicht alle Menschenfresser erwischt. Ein paar waren entkommen, und er wäre ihnen nur zu gerne hinterhergeeilt, um auch sie zu erledigen, aber Natalie hatte so stark geblutet. Die Chancen, sie zu retten, waren gering gewesen, denn er besaß zwar Erfahrung, aber nicht das nötige Material.

Wenn er sie jetzt sah, konnte er immer noch nicht fassen, dass es dieselbe Person war, die er in dem Haus vorgefunden hatte.

Als er über einen Kofferraum hinwegschaute und beobachtete, wie Natalie sich den beiden Männern näherte, kam es ihm wie ein kleines Wunder vor, dass sie noch lebte.

Sie besaß einen starken Überlebenswillen und geringes Schmerzempfinden. Seitdem sie gemeinsam unterwegs waren, hatte er sie schon so oft zusammenflicken müssen.

Er hielt nach lebenden Toten Ausschau, während er sich ausmalte, wie sie heute Abend zusammen an einem Lagerfeuer sitzen und er wieder einmal sagen würde, dass sie sich zurückhalten müsste. Aber das konnte sie wohl nicht. Sie hatte in der Bundeswehr gedient und war von Anfang an dabei gewesen, als die Toten auferstanden. Genau wie er musste sie schreckliche Dinge gesehen haben. Doch darüber sprachen sie nie. Es würde nur Erinnerungen wecken, die sie erfolgreich unterdrückten. Sie wussten, wie sie sich in Gegenwart des anderen zu verhalten hatten. Oft sogar ohne Worte.

Der Name des Ortes verriet, dass es sich um einen Kurort handelte. Besonders groß konnte er also nicht sein. Die Großstädte waren von Untoten überrannt worden. Die Bundeswehr war chancenlos gewesen und hatte viele kleinere Orte vollkommen im Stich gelassen. Der Doc konnte sich gut vorstellen, dass Bad Oeynhausen nie Hilfe bekommen hatte. Während ihrer Reise waren der Doc und Natalie durch viele solche Städte gefahren. Während in den Großstädten immer noch herrenlose Panzer und andere Fahrzeuge der Bundeswehr an die vergeblichen Kämpfe erinnerten, suchte man solche Spuren in Kleinstädten vergeblich.

Er sah Natalie den Männern folgen und blieb an ihr dran. Er könnte sie auch zurücklassen und allein weitermachen, wie zuvor.

Aber er mochte sie. Es gab keine enge Beziehung zwischen ihnen, nur reine Freundschaft. Es fühlte sich gut an, nicht mehr allein zu sein oder befürchten zu müssen, im Schlaf die Kehle aufgeschlitzt zu bekommen und ausgeraubt zu werden. Und eine andere Stimme zu hören tat immer gut. Jemanden zu haben, mit dem man reden konnte. Sie mochten nicht immer einer Meinung sein und stritten auch oft miteinander, aber genauso oft brachten sie sich gegenseitig zum Lachen.

Er behielt sie weiterhin im Blick und richtete seine Augen dann auf ihr ungefähres Ziel, sah eine schwarze, dünne Rauchsäule in den Himmel steigen. Woher sie kam, konnte er nicht sagen. Ein großes Gebäude versperrte ihm die Sicht. An den Wänden hingen große Plakate von Filmen, die hier vermutlich noch nicht einmal angelaufen waren, bevor die Toten auferstanden. Doc schloss daraus, dass es sich um ein Kino handelte. Was folgte, waren eine Tankstelle und ein Burger King. Irgendwo dahinter befand sich das Feuer. Es konnte nur ein kleines Lagerfeuer sein.

Vermutlich machten sie hier Rast, oder ...

Der Doc zuckte zusammen, als die Schreie begannen. Sofort versuchte er, Natalie wiederzufinden, sah sie zwischen den Wracks entlang huschen und musste sich zusammenreißen, nicht nach ihr zu rufen. Das hätte die Männer auf sie aufmerksam gemacht.

Dennoch drehte sich der Kerl mit der Wollmütze um, als hätte er etwas gehört.

Trotz des Mantels, den er trug, bildete sich eine Gänsehaut auf den Armen des Docs. Der Kerl sah zwar anders aus als bei ihrer letzten Begegnung, aber er erkannte ihn trotzdem wieder. Für den Bruchteil einer Sekunde, der sich für den Doc viel länger anfühlte, sah er die Szene vor sich. Wie der Kerl vor dem Licht zurückwich, als könnte es ihn mehr verletzen als die Revolver, die der Doc auf ihn richtete. Er hatte ihn am Arm getroffen, doch da der Mistkerl entkommen war, konnte es nur ein Streifschuss gewesen sein.

Das ist kein Lagerfeuer, sondern eine Grillparty, dachte der Doc, als sich der Menschenfresser wieder von ihm abwandte.

Kapitel 4

Ihn wiederzusehen fühlte sich anders an als erwartet. In ihrer Vorstellung schoss Natalie ihm wortlos ins Gesicht, während er um sein Leben bettelte. Doch jetzt, als er nur ein paar Meter von ihr entfernt die Straße entlangging, ließ sie sein Anblick fast kalt. Es enttäuschte sie irgendwie, dass sie keine Wut empfand. Dass der aufgestaute Hass nicht überkochte und ihr die Kraft gab, ihn auf der Stelle umzubringen.

Dennoch löste es etwas in ihr aus, denn die Schreie von weiter rechts drangen erst an ihr Ohr, als er seinen Freund mit dem Ellbogen anstieß und sagte: »Die Penner haben schon ohne uns angefangen.«

»Hast du was anderes erwartet?«, fragte der Mann mit dem Pferdeschwanz.

»Um ehrlich zu sein, nein.«

Sie verschwanden kurz hinter der Preistafel der Tankstelle und Natalie nutzte die Chance, ihnen zu folgen. Die Schreie hörten ebenso abrupt auf, wie sie begonnen hatten, doch als Natalie sich nahe der Tankstelle befand, konnte sie auf einen dahinterliegenden Parkplatz sehen. Er gehörte zu einem Einkaufszentrum. Mehrere Geschäftsnamen standen draußen an den Wänden. Kleidungsläden, ein Elektronikfachhandel, ein Supermarkt und mehr. Für einen Moment versuchte Natalie sich vorzustellen, wie es hier früher ausgesehen hatte. Als die Menschen noch herkamen, um einzukaufen und den Tag zu genießen.

Der Verkehr war sicher immer sehr dicht gewesen, da er zu beiden Seiten auf die inzwischen vollkommen verstopfte Autobahn führte.

Sie schlich weiter, ließ ihre Deckung hinter sich, als die beiden Männer auf dem Parkplatz nach rechts abbogen und erneut aus ihrem Blickfeld verschwanden. Vermutlich war die Rauchsäule ihr Ziel.

Natalie sah noch einmal zum Wagen, in dem sie Doc Frankenstein zurückgelassen hatte, konnte ihn aber immer noch nicht sehen. Sicher versteckte er sich wie sie zwischen den Wracks. Vielleicht beobachtete er sie gerade und ärgerte sich über ihren Alleingang. Aber dies war einfacher, als dem verschlafenen Kerl erklären zu müssen, was sie vorhatte.

Sie stand auf, um den beiden Männern zu folgen, als sie schlurfende Schritte hinter sich hörte. Ihr fiel die Bewegung zwischen den Wracks ein und es ärgerte sie, dass sie diese vergessen hatte. Als Natalie sich umdrehte, war der Stinker, wie sie die Toten nannte, nur noch wenige Schritte entfernt. Er bestand nur aus Haut und Knochen, doch sein Bauch war durch Verwesungsgase regelrecht aufgebläht. Die Toten konnten das Fleisch, das sie aßen, nicht verdauen oder ausscheiden. Sie fraßen, bis sie platzten, und selbst dann noch weiter. Sein rechter Arm fehlte, der linke war nach ihr ausgestreckt. Und das, obwohl sein Unterkiefer nur noch an verwesenden Sehnen baumelte und er längst nicht mehr fähig war, zuzubeißen. Ihn zu erschießen, hätte die Männer auf sie aufmerksam werden lassen, also holte sie ein Jagdmesser aus ihrem Gürtel, schlug den Arm des Toten beiseite und rammte ihm die Klinge in die Schläfe. Sie rutschte von allein wieder heraus, als der Stinker zu Boden sank. Inzwischen hatte sie so viele dieser Monster ausgelöscht, dass es eine fließende Bewegung geworden war.

Sofort drehte Natalie sich wieder um, sah zum Parkplatz und machte sich auf den Weg. Der Stinker hatte etwas in ihr ausgelöst. Die seit langer Zeit in ihr brodelnde Wut wollte endlich raus.

Kapitel 5

Früher hatte Doc Frankenstein als Unfallchirurg in Stuttgart gearbeitet und auf den Namen Lars gehört. Seine Erfahrungen mit Verletzungen retteten Natalie das Leben, und inzwischen hatte sie ihre Schuld mehrmals ausgleichen können. Doc mochte ein guter Chirurg sein, aber er war ein lausiger Kämpfer. Er konnte zuschlagen, allerdings nicht einstecken. Als er Natalie gerettet hatte, war das Überraschungsmoment auf seiner Seite gewesen. Hätten sich Natalies Peiniger entschlossen, zurückzuschießen, wäre die Sache wohl anders ausgegangen. Inzwischen waren sie ein eingespieltes Team. Sie hielt ihnen die Stinker und andere Feinde vom Hals, er flickte sie zusammen. Mit der Zeit hatte er sich damit abgefunden, dass er sich von einer Frau beschützen lassen musste. Schließlich würde keiner von ihnen ohne den anderen noch leben. Dennoch kam es ihm manchmal so vor, als wisse sie gar nicht zu würdigen, was er für sie getan hatte, denn immer wieder handelte sie unüberlegt und voreilig. So wie jetzt, als sie den beiden Männern folgte.

Während er ihr zwischen den stehenden Autos entlang hinterherschlich, hielt er nach Stinkern und weiteren Feinden Ausschau, ohne welche zu entdecken. Zähneknirschend verfolgte er, wie Natalie die Tankstelle hinter sich ließ. Er wollte ihr nacheilen, aber in diesem Moment riss ihn jemand mit sich zu Boden. Ehe er überhaupt reagieren konnte, spürte der Doc eine Klinge am Hals und hörte eine Stimme dicht neben seinem Ohr sagen: »Mach jetzt keine Dummheiten!«