Gespräche führen in der Sozialen Arbeit - Harald Ansen - E-Book

Gespräche führen in der Sozialen Arbeit E-Book

Harald Ansen

0,0

Beschreibung

Der Alltag in der Sozialen Arbeit besteht vor allem darin, mit Adressatinnen und Adressaten zu reden, und das in teilweise sehr herausfordernden Situationen. Um wirksam kommunizieren zu können, benötigen Fachkräfte ein gutes Verständnis für Gesprächsführung. Im Buch werden die Grundlagen und die Anwendung der Gesprächsführung vorgestellt. Im Fokus stehen die beziehungs-, motivations-, netzwerk- und krisenorientierten Ansätze sowie deren Techniken, die jeweils anhand von konkreten Fallbeispielen aus der Praxis Sozialer Arbeit veranschaulicht werden. Auf diese Weise entsteht eine Systematik, die nicht nur Fachkräfte, sondern auch Studierende nutzen können, um die Zusammenarbeit mit ihren Adressatinnen und Adressaten zu verbessern.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 137

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Inhalt

Cover

01_Ansen_Titelei

Vorwort der Reihenherausgeber*innen

Zu diesem Buch

1 Grundlagen der themenbezogenen Gesprächsführung in der Sozialen Arbeit

1.1 Gesprächsführungsansätze in der Praxis

1.2 Lernprozesse ermöglichen in der Gesprächsführung

1.3 Sozialarbeitstheoretische Impulse

2 Beziehungsorientierte Gesprächsführung

2.1 Charakteristika einer professionellen Beziehung

2.2 Vertrauen in der professionellen Beziehung

2.3 Personenorientierte Gesprächsführung in der Beziehungsgestaltung

2.4 Balance von Nähe und Distanz in der Gesprächsführung

3 Motivationsorientierte Gesprächsführung

3.1 Grundverständnis der Motivation

3.2 Umgang mit Ambivalenzen

3.3 Motivationsförderung durch Zukunftsvorstellungen

3.4 Motivationsförderung durch Ermutigungen

4 Netzwerkorientierte Gesprächsführung

4.1 Charakteristika sozialer Netzwerke

4.2 Soziale Unterstützung

4.3 Analyse sozialer Netzwerke

4.4 Netzwerkinterventionen

5 Krisenorientierte Gesprächsführung

5.1 Kennzeichen psychosozialer Krisen

5.2 Grundsätze der Krisenintervention

5.3 Emotionsregulation in der krisenorientierten Gesprächsführung

5.4 Dysfunktionale Kognitionen in der krisenorientierten Gesprächsführung

5.5 Ressourcenaktivierung in der krisenorientierten Gesprächsführung

6 Ausblick

Literatur

Kohlhammer

Soziale Arbeit – kompakt & direkt

Herausgegeben von Rudolf Bieker und Heike Niemeyer

Eine Übersicht aller lieferbaren und im Buchhandel angekündigten Bände der Reihe finden Sie unter:

https://shop.kohlhammer.de/soziale-arbeit-kompakt-direkt

Der Autor

Prof. Dr. Harald Ansen ist Diplom-Sozialpädagoge und Hochschullehrer für Theorien und Methoden der Sozialen Arbeit an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg. Er lehrt und forscht in den Bereichen Armut und soziale Teilhabe sowie Beratung in der Sozialen Arbeit.

Harald Ansen

Gespräche führen in derSozialen Arbeit

Kommunikation wirksam gestalten

Verlag W. Kohlhammer

Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwendung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechts ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und für die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

Die Wiedergabe von Warenbezeichnungen, Handelsnamen und sonstigen Kennzeichen in diesem Buch berechtigt nicht zu der Annahme, dass diese von jedermann frei benutzt werden dürfen. Vielmehr kann es sich auch dann um eingetragene Warenzeichen oder sonstige geschützte Kennzeichen handeln, wenn sie nicht eigens als solche gekennzeichnet sind.

Es konnten nicht alle Rechtsinhaber von Abbildungen ermittelt werden. Sollte dem Verlag gegenüber der Nachweis der Rechtsinhaberschaft geführt werden, wird das branchenübliche Honorar nachträglich gezahlt.

Dieses Werk enthält Hinweise/Links zu externen Websites Dritter, auf deren Inhalt der Verlag keinen Einfluss hat und die der Haftung der jeweiligen Seitenanbieter oder -betreiber unterliegen. Zum Zeitpunkt der Verlinkung wurden die externen Websites auf mögliche Rechtsverstöße überprüft und dabei keine Rechtsverletzung festgestellt. Ohne konkrete Hinweise auf eine solche Rechtsverletzung ist eine permanente inhaltliche Kontrolle der verlinkten Seiten nicht zumutbar. Sollten jedoch Rechtsverletzungen bekannt werden, werden die betroffenen externen Links soweit möglich unverzüglich entfernt.

1. Auflage 2024

Alle Rechte vorbehalten© W. Kohlhammer GmbH, StuttgartGesamtherstellung: W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

Print:ISBN 978-3-17-041903-2

E-Book-Formate:pdf:ISBN 978-3-17-041904-9epub:ISBN 978-3-17-041905-6

Vorwort der Reihenherausgeber*innen

Ergänzend zu klassischen Lehrbüchern geht es in der neuen Reihe »Soziale Arbeit – kompakt & direkt« um die vertiefende Bearbeitung spezieller Themen- und Fragestellungen aus der Sozialen Arbeit und ihren Bezugsdisziplinen, z. B. theoretische Konzepte, spezifische Methoden, Arbeitsfelder oder soziale Probleme. Kompakt und direkt heißt die neue Reihe, weil sie in der Präsentation der Inhalte auf das konzentriert ist, was Lernende über das ausgewählte Thema wissen und für Studienleistungen und Prüfungen zielgenau aufbereiten können sollten.

Zielgruppen der Reihe sind jedoch nicht nur Studierende im Bachelor- oder Masterstudium, sondern auch Berufseinsteiger*innen und Praktiker*innen, die autodidaktisch oder in Fortbildungen Anschluss an den aktuellen wissenschaftlichen Diskurs halten wollen.

Der fokussierte Zuschnitt der Bände spiegelt sich in einem innovativen Buchformat, das Leser*innen Überschaubarkeit im Umfang und eine gut strukturierte Textpräsentation bietet. Zentrale Sachverhalte werden anhand von Praxisbeispielen und Abbildungen veranschaulicht. Didaktische Elemente wie Begriffserläuterungen, Textcontainer, Reminder, Essentials, kurze Zusammenfassungen, Piktogramme etc. erleichtern das Erfassen, Speichern und Wiederaufrufen der Inhalte.

Die Autor*innen der Bände sind durch ihre wissenschaftliche Expertise ausgewiesen, schreiberfahren und stehen in der Regel mit Studierenden und Praxisfeldern in engem Kontakt.

Rudolf Bieker und Heike Niemeyer, Köln

Zu diesem Buch

In diesem Band geht es um Ansätze der professionellen Gesprächsführung in der Sozialen Arbeit. Die Auswahl der gewählten Schwerpunktthemen folgt vielfältigen Erfahrungen in der Lehre und in der Fortbildung von Fachkräften, sie entsprechen zentralen Herausforderungen der Praxis des fallbezogenen Handelns.

Die Kapitel über die beziehungsorientierte, die motivationsorientierte, die netzwerkorientierte und die krisenorientierte Gesprächsführung sind vergleichbar aufgebaut. Nach systematischen Hinweisen zu den einzelnen Themengebieten folgen jeweils Anregungen für die konkrete Gesprächsführung, die ganz unterschiedlichen Ansätzen entnommen werden. Hierbei wird auf Fallbeispiele zurückgegriffen, die einen Eindruck davon vermitteln, wie einzelne Techniken der Gesprächsführung umgesetzt werden können.

Eine rezepthafte Anwendung der Gesprächsführung sollte unbedingt vermieden werden. Dafür sensibilisieren die eingangs vorgestellten Überlegungen zu den Grundlagen der themenbezogen Gesprächsführung, die für eine reflektierte und situationsangemessene Vorgehensweise plädieren. Auf dem Weg in die Praxis kommt es darauf an, die Gesprächsführung den jeweiligen Anforderungen der Fallarbeit eigenständig anzupassen oder zu transformieren.

Hamburg, im Januar 2024Harald Ansen

1 Grundlagen der themenbezogenen Gesprächsführung in der Sozialen Arbeit

T Überblick

In den Ausführungen über die Gesprächsführung in der Sozialen Arbeit werden Grundlagen für den Umgang mit einzelnen methodischen Ansätzen erörtert. Die Anwendung der Gesprächsführung setzt Wissen, Können und eine Haltung voraus, die Fachkräfte darin bestärken, auf eine rigide Handhabung methodischer Vorgaben zu verzichten und beispielsweise auch Intuitionen begründet zu folgen. In der Praxis kommt es darauf an, unterschiedliche situative und strukturelle Einflussfaktoren zu berücksichtigen und mit Gesprächsführungsansätzen kreativ umzugehen. In der Sozialen Arbeit geht es in allen Handlungsfeldern darum, die Autonomie der Zielgruppen zu fördern. Für die Gesprächsführung bedeutet dies, Adressat*innen in der Aneignung eines handlungsbefähigenden Wissens zu unterstützen. Dafür ist eine didaktische Ausrichtung förderlich, in der die Lebenslage und die Interessen der Ratsuchenden ebenso berücksichtigt werden wie die konkrete Lern- oder Gesprächssituation. Das sozialarbeiterische Selbstverständnis der Vermeidung von Fremdbestimmung erfordert überdies eine theoretische Reflexionsbasis.

Noch vor der Auseinandersetzung mit einzelnen themenbezogenen Ansätzen der Gesprächsführung ist es sinnvoll, sich Gedanken über den Umgang mit den Gesprächsinstruktionen zu machen. Die Erwartung, nun endlich ein unmittelbar anwendbares Wissen zu erwerben, geht über das Ziel hinaus. Im Umgang mit den Gesprächsführungsansätzen kommt es darauf an, in unterschiedlichen Situationen angemessen zu reagieren und nicht dogmatisch am Lehrbuchwissen festzuhalten (▸ Kap. 1.1). Die Gesprächsführung in der Sozialen Arbeit ist dem Ziel verpflichtet, Adressat*innen Entwicklungs- und Lernprozesse zu ermöglichen, die sie befähigen, wieder eigenständig in ihrem Alltag zurechtzukommen (▸ Kap. 1.2). Für die Handhabung von allgemeinen Gesprächsführungshinweisen und die Umsetzung einer Lernperspektive ist der Rückgriff auf sozialarbeitstheoretische Erkenntnisse weiterführend, die dazu auffordern, Adressat*innen mit ihren Besonderheiten, Fähigkeiten und Bedürfnissen in den Prozess der Gesprächsführung einzubeziehen (▸ Kap. 1.3).

1.1 Gesprächsführungsansätze in der Praxis

Die Anwendung unterschiedlicher Gesprächsführungsansätze in der Sozialen Arbeit setzt bei Fachkräften Wissen, Können und eine angemessene Haltung voraus (von Spiegel 2021, 86 f.). Wissen bezieht sich auf die inhaltlichen Dimensionen des gewählten Ansatzes. Wer keine Vorstellung über eine Krise hat, um nur ein Beispiel zu wählen, greift möglicherweise in der Krisenintervention auf wenig unterstützende Formen der Gesprächsführung zurück, die im ungünstigen Fall mehr Schaden anrichten als Nutzen stiften. Dies ist etwa der Fall, wenn ein Mensch in der Krise temporär keine Entscheidungen treffen kann, die Fachkraft sich aber in einer zu eng verstandenen personenzentrierten Perspektive weigert, situativ eine stellvertretende Entscheidung zu treffen, damit die betroffene Person zunächst über die Runden kommt. Können steht für methodische Fähigkeiten der Gesprächsführung. Eine reflektierte und technisch versierte Anwendung erhöht die Wirksamkeit, ist aber keine alleinige Erfolgsgarantie. Hinzu kommt eine authentische oder glaubwürdige Haltung. Die Methode muss schließlich zur jeweiligen Fachkraft passen, ansonsten bleibt sie äußerlich und wirkt steril oder gar unglaubwürdig.

Gut zu merken

Gesprächsführung erfordert

Wissen

Können

Haltung.

Die Auseinandersetzung mit der Haltung ist bedeutsam, trägt sie doch wesentlich dazu bei, die Potenziale der Gesprächsführung zu entfalten. Die Haltung kann auf zweierlei Weise betrachtet werden. Zum einen ist die Körperhaltung gemeint. Sie kann gelassen, angespannt, aggressiv oder (un-)‌interessiert sein und wird von Ratsuchenden wahrgenommen. Zum anderen steht Haltung für die innere Verfassung und Stimmung. Fachkräfte wirken auf Ratsuchende insbesondere dann glaubwürdig, wenn beide Formen der Haltung für sie übereinstimmen. Haltungen in der Gesprächsführung unterliegen bewussten Entscheidungen in unterschiedlichen Situationen (Herwig-Lempp 2022, 142 f.). Wie in den folgenden Ausführungen an ganz unterschiedlichen Stellen noch deutlich wird, erfordert die professionelle Gesprächsführung von den Fachkräften immer wieder spontane, kreative und situationsangemessene Reaktionen auf nicht vorhersehbare Gesprächsverläufe. In Bezug auf die Haltung folgt daraus beispielsweise, dass eine gewährende Haltung in der Gesprächsführung, mit der Ratsuchende Raum für eigene Akzente finden, nicht in jedem Fall durchgehalten werden kann, etwa wenn es erforderlich ist, Grenzen bei aggressiven Verhaltensweisen zu setzen, mit denen sich Fachkräfte gegen übergriffiges oder sie verletzendes Verhalten schützen.

In einer übergreifenden Perspektive geht es in der Gesprächsführung um Aspekte, die dazu beitragen, das eigene Verhalten professionell zu reflektieren und immer im Blick zu behalten, dass Gespräche unterschiedliche Funktionen in einem Unterstützungsprozess erfüllen. Gespräche in der Sozialen Arbeit tragen dazu bei, einen Kontakt und vertiefend eine Beziehung mit Adressat*innen aufzubauen. Sie sind das zentrale Medium des Austauschs von Informationen und Wissen, sie helfen einander besser zu verstehen und sie unterstützen kooperative Problemlösungen (Widulle 2020, 3 f.). Gespräche in der Sozialen Arbeit dienen der Erörterung von Handlungsmöglichkeiten unter Berücksichtigung äußerer Bedingungen und vorhandener sowie zu entwickelnder Fähigkeiten. Sie ermöglichen damit Lernprozesse, die auf einem argumentativen Austausch basieren (Giesecke 2015, 85 f.). In Gesprächen erweitern die Beteiligten ihren Horizont; das Handeln wird aus verschiedenen Perspektiven betrachtet und damit Veränderungen zugänglich gemacht (Ebert 2017, 17 f.).

Dies gilt für Ratsuchende wie für Fachkräfte gleichermaßen. Was kann beispielsweise eine Fachkraft von Ratsuchenden lernen? Fühlen sich Ratsuchende durch ständige Fragen bedrängt, kann das ein Hinweis sein, die gewählte explorative Gesprächsführung zu überdenken und anstatt Serienfragen offene Fragen mit Möglichkeiten für eigenständige Antworten auszuwählen. Die breiten Funktionen von Gesprächen in der Sozialen Arbeit erfordern es, unterschiedliche Ansätze je nach Situation und der zu bearbeitenden Themen heranzuziehen.

Das Wissen um unterschiedliche Varianten der Gesprächsführung reicht für das professionelle Handeln allerdings noch nicht aus. Zusätzlich kommt es darauf an, den jeweiligen Anwendungsfall eines Gesprächsführungsansatzes zu erkennen und je nach Fallverlauf auch unterschiedliche Formen der Gesprächsführung zu kombinieren. Neben Wissen, Können und Haltung ist Intuition für die Auswahl eines methodischen Vorgehens und die Anwendung einzelner Gesprächsführungsansätze bedeutsam.

Ruth Cohn, die Begründerin der Themenzentrierten Interaktion, hat der Intuition in ihren Überlegungen einen wichtigen Platz eingeräumt. Sie fasst darunter Wahrnehmungen, emotionale Signale, Erinnerungen und Schlussfolgerungen, die nicht bewusst erfolgen, vielmehr Vorahnungen und spontane Erkenntnisse darstellen. Für zwischenmenschliche Beziehungen, auch im professionellen Rahmen, sind Intuitionen bedeutsam (Cohn 1986, 134 f.). Intuitionen stehen für einen Prozess, in dem subjektive Anteile zur Geltung kommen, also Ahnungen noch ohne tiefere Begründungen, die im methodischen Handeln eine Rolle spielen (Wendt 2021, 411). Das auf Körpersignale, Bilder und Emotionen sowie auf soziale Faktoren bezogene gefühlte Wissen beeinflusst menschliches Handeln (Herrmann 2023, 33 f.). Übertragen auf die Anwendung einzelner Gesprächsführungsansätze sind Fachkräfte klug beraten, wenn sie sich nicht nur auf ihr Wissen und ihre methodische Schulung verlassen, sondern in konkreten Situationen auch ihren Ahnungen und Eingebungen folgen. Dadurch wird ein Gespräch lebendig. Die Beachtung von Intuitionen trägt dazu bei, Gesprächsführungshinweise nicht einfach auf die Praxis zu übertragen, sondern sie im Gesprächsverlauf anzupassen oder zu transformieren. Im Nachgang ist es dann notwendig, Intuitionen durch Reflexionen zu prüfen, bei Bedarf zu vertiefen oder zu korrigieren und daraus für weitere Gespräche zu lernen. Für die an subjektive Momente gebundene Gesprächsführung ist ein intuitives Vorgehen weiterführend.

Intuition ersetzt jedoch nicht die für die Gesprächsführung in der Sozialen Arbeit unumgängliche kommunikative Kompetenz. Sie umfasst die Fähigkeit, sich in Gesprächssituationen einzufühlen und diese bewusst wahrzunehmen, Inhalte verbal und nonverbal zu präsentieren und dabei auf eine angemessene Strukturierung und Fokussierung je nach Handlungsanforderungen zu achten. Kommunikative Fertigkeiten erfordern unterschiedliche Schwerpunkte, beispielsweise in der Erziehung, der Beratung, der Informationsvermittlung, der Anleitung, der Alltagsbegleitung, der Verhandlung oder der Gestaltung von Gruppenprozessen (Heiner 2010, 66). Die vielfältigen Einsatzgebiete der Gesprächsführung in der Sozialen Arbeit überlagern sich regelmäßig. Nur eine breite methodische Orientierung, das Markenzeichen der Sozialen Arbeit, sichert die umfängliche Handlungsfähigkeit der Fachkräfte. Einflüsse, die eine eigenständige Übertragung der Gesprächsführungsansätze auf die verschiedenen Felder der Sozialen Arbeit notwendig machen, resultieren aus den folgenden zentralen Faktoren.

Dauer der Kooperation: Sie reicht von eimaligen kurzen Gesprächen bis zu einem langfristigen Prozess gemeinsam verbrachter Zeit.

Lebenswelt- und Alltagsnähe: Es macht einen Unterschied, ob Gespräche in der Heimerziehung mit einer umfassenden Beteiligung an alltäglichen Erfahrungen und Abläufen geführt werden oder in einer Beratung mit sehr begrenzten Einblicken in den Lebenskontext der Ratsuchenden.

Formalisierungsgrad der Institution: Gespräche in einer Behörde richten an Fachkräfte andere Anforderungen als in der Straßensozialarbeit.

Problemspektrum: Die zu bearbeitenden Probleme haben unmittelbare Auswirkungen auf die Gesprächsführung, so dominieren in der Schuldenberatung über weite Strecken Informationen über Schuldnerschutz und Sanierungsoptionen, während in der Suchtberatung schwerpunktmäßig biographische Hintergründe aufgehellt werden (Heiner 2010, 78 f.).

Die Anwendung von Gesprächsführungsansätzen bedeutet für Fachkräfte der Sozialen Arbeit, stets den Rahmen zu betrachten und bei Bedarf nur auf einzelne Elemente zurückzugreifen. In der Straßensozialarbeit mit einem wohnungslosen Menschen, der noch nicht motiviert ist, sich auf eine vorübergehende Unterbringung einzulassen, kann es weiterführend sein, zunächst einen Kontakt herzustellen und auf eine vertiefende Beziehungsgestaltung zu verzichten (▸ Kap. 2).

1.2 Lernprozesse ermöglichen in der Gesprächsführung

Die Anwendung von Gesprächsführungsansätzen in der Sozialen Arbeit ist dem übergreifenden Ziel verpflichtet, Ratsuchende so weit wie irgend möglich zu befähigen, wieder ohne professionelle Hilfen im Alltag zurechtzukommen. Insoweit geht es darum, Lernprozesse zu ermöglichen und zu fördern. Lernen steht für relativ dauerhafte persönliche Veränderungen, die durch die eigenständige Verarbeitung von Wissen und den Aufbau von Fertigkeiten erreicht werden. In Anlehnung an Piaget geht es um die Aufnahme neuer Informationen und die Veränderung kognitiver Schemata, die dazu führen, die innere und äußere Umwelt anders als bisher wahrzunehmen. Lernhindernisse können in der Vernachlässigung von Bedürfnissen der Lernenden, ihrer Lerngeschichte, ihrem Leistungsniveau oder ihrem Lerntempo sowie der Qualität der Interaktion und den soziokulturellen Lebensbedingungen liegen (Huber 2018, 953 f.). Inhaltlich steht die Erschließung eines handlungsbefähigenden Wissens im Mittelpunkt, sei es in Bezug auf Fragen der Erziehung, der allgemeinen Lebensführung oder den Umgang mit Krisen.

Wissen in der Gesprächsführung kann aufgrund ganz unterschiedlicher Formen der Aneignung durch Adressat*innen nicht linear vermittelt werden. Insbesondere dann, wenn sich das Wissen im Alltag bewährt, hat es eine Chance, in einem Lernprozess angemessen durchzudringen (Nittel 2016, 22 f.). In der Sozialen Arbeit soll durch Wissensangebote eine kritische Selbstreflexion der Adressat*innen gefördert werden, in die situative, biographische, soziale, politische und kulturelle Bedingungen des Lebens einfließen (Thole 2020, 119). Wird beispielsweise eine alleinerziehende, auf Bürgergeld angewiesene Mutter mit Mietschulden und weiteren Problemen unterstützt, reicht es nicht aus, nur Wissen über die Wohnungssicherung zu vermitteln. In professionellen Gesprächen werden ggf. auch ihre Lebensumstände in den genannten Themenbereichen berücksichtigt, um ein Gefühl des individuellen Scheiterns angesichts strukturell benachteiligender Bedingungen zu vermeiden oder zumindest abzubauen.

Unabhängig davon, ob Wissen in einer beziehungs-‍, einer motivations-‍, einer netzwerk- oder einer krisenorientierten Gesprächsführung zugänglich gemacht wird, sind übergreifende didaktische Aspekte zu beachten. Hierzu zählt, Wissen strukturiert aufzubereiten, um eine individuelle Verarbeitung durch die Adressat*innen mit ihren ganz unterschiedlichen Ausgangslagen zu ermöglichen. Bei der Wissensverarbeitung handelt es sich um einen eigenständigen Vorgang, der von außen angeregt, aber nicht linear gesteuert werden kann (Terhart 2019, 138 f.). Daraus sollte allerdings nicht gefolgert werden, dass der Lernprozess der Adressat*innen gänzlich außerhalb der Reichweite von Fachkräften liegt. Der Prozess der Aneignung neuen oder korrigierenden Wissens wird durch didaktische Vorgehensweisen unterstützt, mit denen systematisch an Vorkenntnisse und Interessen der Adressat*innen angeknüpft wird (Giesecke 2015, 15). Ergänzend wird die Verarbeitung von Wissen durch eine verständliche Aufbereitung von Inhalten unterstützt. Zielgerichtet eingebrachtes Wissen in der Gesprächsführung soll sich auf den unmittelbaren Bedarf der Adressat*innen beziehen, die vor Entscheidungs- und/oder Handlungsproblemen stehen (ebd., 82 f.). Für die Auswahl einzelner Wissensbestände sind die folgenden Fragen bedeutsam:

Welche Informationen benötigen Adressat*innen in ihrer aktuellen Problemlage?

Wie sollen die Informationen angemessen vermittelt werden?

Welche emotionalen Reaktionen können auftreten?

Gelingt es den Adressat*innen, die Informationen in ihrem Alltag umzusetzen (Pallasch & Kölln 2020, 146)?

Wie wichtig es ist, mit Informationen sensibel umzugehen, wird an folgendem Fallbeispiel deutlich.

Fallbeispiel

In einem Beratungsgespräch mit einem an Krebs erkrankten Patienten informiert die Sozialarbeiterin über in Frage kommende Sozialleistungen und Nachteilsausgleiche, die an einen Grad der Behinderung gekoppelt sind. Der Patient reagiert sehr betroffen über die Information, dass er einen Schwerbehindertenstatus aufgrund seiner Erkrankung in Anspruch nehmen kann. Für ihn ist das völlig neu und mit seinem Selbstbild nicht vereinbar. Die Information wäre vielleicht besser aufgenommen worden, wenn das Thema behutsam mit dem Hinweis eingeführt worden wäre, dass es hier um einen temporären Status geht, der in der Phase der sogenannten Heilungsbewährung ermöglicht wird, um betroffenen Menschen in ihrer schwierigen Lage beispielsweise einen besseren Kündigungsschutz zu garantieren.