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Verwöhnte High-Society-Frauen wie Chloe Hemsworth verabscheut Rancher Liam Morrow von ganzem Herzen! Doch da sie ein Cowgirl-Projekt auf dem Land plant und dafür seinen Rat braucht, trifft er Chloe in Houston - und ist wider Erwarten hingerissen. Als ein mächtiger Sturm aufkommt, retten sie sich in ein verlassenes Gebäude. Und während es draußen blitzt und donnert, prickelt es zwischen ihnen heiß. Wehrlos geben sie dem übermächtigen Verlangen nach. Aber kann es für sie eine gemeinsame Zukunft geben, wenn der Sturm vorbei ist?
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Seitenzahl: 208
IMPRESSUM
BACCARA erscheint in der HarperCollins Germany GmbH
© 2019 by Harlequin Books S. A. Originaltitel: „Wild Ride Rancher“ erschienen bei: Harlequin Enterprises Ltd., Toronto in der Reihe: DESIRE Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.
© Deutsche Erstausgabe in der Reihe BACCARABand 2138 - 2020 by HarperCollins Germany GmbH, Hamburg Übersetzung: Julia Königs
Abbildungen: Harlquin Books S. A., alle Rechte vorbehalten
Veröffentlicht im ePub Format in 06/2020 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.
E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck
ISBN 9783733726232
Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.
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Liam Morrow hatte wirklich Besseres zu tun, als zu einer Besprechung mit irgendeiner verwöhnten reichen Göre zu fahren, die eine neue Berufung gefunden hatte. Doch es führte kein Weg daran vorbei, und das wusste er. Der Ärger kochte in ihm hoch, und Liam tat sein Bestes, um ihn zu unterdrücken. Es hatte keinen Zweck, sich über etwas aufzuregen, das er nicht ändern konnte. Er war dazu erzogen worden, niemals sein Wort zu brechen. Und er hatte Sterling Perry schon vor langer Zeit sein Wort gegeben.
„Genau das passiert, wenn man jemandem etwas schuldet“, murmelte er vor sich hin.
Immerhin war diese alte Schuld nun bald beglichen. In einem Monat war Liam endlich frei und konnte seine eigene Ranch leiten, statt als Vorarbeiter auf einer der größten Ranches in Texas zu arbeiten.
„Was hast du gesagt?“
Liam sah den Mann an, der neben ihm herging. Mike Hagen war neu auf der Perry Ranch – Teufel, neu in Texas. Aber er lernte schnell, und das war auch gut so, denn er sollte Liams Nachfolge als Vorarbeiter antreten. Mike liebte den Job. Er hatte das Rancherleben im Blut, genau wie Liam, wahrscheinlich hatten sie sich deswegen von Anfang an so gut verstanden. „Ich rede nur mit mir selbst“, sagte Liam und sah zum wolkenbedeckten Himmel auf. „Es ist dieses Meeting in der Stadt, von dem ich dir erzählt habe.“
„Ah.“ Mike nickte wissend.
„Ja. Es gefällt mir nicht, dafür von der Ranch wegzumüssen. Vor allem, wenn es so viel zu tun gibt wie jetzt.“
Mike lachte schnaubend. „Natürlich gefällt es dir nicht, in die Stadt zu müssen. Du arbeitest einfach viel lieber mit Pferden und Rindern als mit Menschen.“
„Da ist was dran.“ Dank Mike würde es ihm zumindest ein wenig leichter fallen, die Perry Ranch zu verlassen. Mike würde sich um das Land, die Tiere und die Männer kümmern, die alles am Laufen hielten. Zwar gefiel es Sterling Perry, dem Besitzer, als Rancher angesehen zu werden, doch er saß stets hinterm Schreibtisch und vertraute darauf, dass seine Angestellten die Arbeit erledigten.
„Du hast mir nie erzählt, wieso du aus Montana hierhergezogen bist“, sagte Liam.
Mike zuckte die Achseln. „Die Familie meiner Frau wohnt hier in der Gegend, und sie hat sie vermisst. Und jetzt, wo sie schwanger ist, wollte sie ihre Mutter in der Nähe haben. Nachdem mir der Job auf dieser Ranch angeboten worden war, fiel uns die Entscheidung leicht.“
„Es ist schon schön hier“, sagte Liam und ließ den Blick schweifen.
Die Perry Ranch war eigentlich ziemlich protzig, doch vor seinem inneren Auge sah Liam seine eigene Ranch. Letztes Jahr hatte er sie sich endlich kaufen können und seitdem doppelte Arbeit geleistet – einerseits hatte er hier seine Pflichten erfüllt, und andererseits hatte er Herz und Seele in seine Zukunft gesteckt. Er hatte ein Haus bauen lassen, Männer und einen Vorarbeiter angestellt. Nach und nach hatte er das Vieh und die Pferde angeschafft, die den Grundstock seiner Herden bilden sollten.
Nun musste er nur noch einen Monat durchhalten – und währenddessen Besprechungen mit verwöhnten reichen Frauen wie Chloe Hemsworth überstehen. Sterling Perry bestand darauf, dass Liam sich mit der Frau traf; allein die Erinnerung an das Gespräch vor einer Woche verärgerte Liam aufs Neue.
„Sie müssen mit dieser Frau reden“, hatte Sterling ihm an jenem Tag gesagt und mit den Fingerspitzen auf den Schreibtisch getrommelt. „Sie ruft hier fast jeden verdammten Tag an, und ich bin es leid, Nachrichten von ihr zu bekommen. Ich habe ihr gesagt, dass ich die Entscheidung ganz Ihnen überlasse.“
Das überrascht mich nicht, hatte Liam gedacht und, um Geduld bemüht, seinen Stetson in der Hand gehalten. „Ich bin Ihr Vorarbeiter, Sterling. Ich kümmere mich um die Ranch, nicht um Besprechungen mit irgendwelchen Prominenten.“
Sterling verengte die Augen. „Als mein Vorarbeiter kümmern Sie sich um das, was ich Ihnen auftrage. Und bis nächsten Monat bleibt das auch noch so.“
Liam seufzte gereizt und schlug sich mit dem Stetson gegen den Oberschenkel. In ihm brodelte der Frust, doch er unterdrückte ihn. Noch ein Monat, dann wäre er sein eigener Herr und könnte endlich eigene Entscheidungen treffen. „Na schön. Wie soll ich die Sache handhaben?“
Sofort entspannte Sterling sich, und seine Miene wurde freundlich. Dieser Gesichtsausdruck war irreführend. Sterling Perry war vieles, aber sicher nicht freundlich. Er war stur und rücksichtslos, wenn es ums Geschäft ging, und er hatte ein Talent dafür, seine Konkurrenten auf dem falschen Fuß zu erwischen, sodass sie nie die Chance bekamen, ihn zu übertrumpfen. Für ihn war diese Ranch nicht mehr als ein Ort zum Leben, an dem er alle anderen von oben herab behandeln konnte.
„Gehen Sie zu dem Meeting, und hören Sie sie an“, sagte er. „Wenn ihre Idee nicht praktikabel ist, lehnen Sie sie ab. Auf mich wirkt das Ganze recht abwegig, aber Sie wären schließlich nicht dafür verantwortlich. Mike Hagen würde sich darum kümmern, sobald Sie weg sind.“
„Dann schicken Sie doch Mike zu dem Meeting.“
„Er arbeitet noch nicht lange genug auf der Ranch, um einschätzen zu können, was funktionieren kann und was nicht“, sagte Sterling streng. „Und das wissen Sie ganz genau.“ Er nahm einen Stift und einen Stapel Papier zur Hand, dann sah er erneut auf. „Wie gesagt, die Entscheidung liegt letztendlich bei Ihnen. Sie kennen die Ranch am besten.“ Einen wahren Rancher hätte dieser Satz beschämt. Doch nicht so Perry.
Noch ein Monat, dachte Liam an jenem Tag. Danach konnte ihm egal sein, was auf der Perry Ranch geschah. Doch noch während er das dachte, erkannte er, dass es nicht der Wahrheit entsprach.
Sein eigener Vater war hier früher ebenfalls Vorarbeiter gewesen, und Liam war praktisch auf dieser Ranch aufgewachsen. Sie würde ihm stets etwas bedeuten. Er würde also im besten Interesse der Ranch handeln, um deren Zukunft zu sichern, auch wenn er bereits seine eigene Ranch plante.
„Na schön. Ich werde mich in Houston mit ihr treffen“, sagte Liam und erwiderte den Blick seines Chefs. „Ich gebe ihr eine halbe Stunde Zeit. Mehr nicht.“
Sterling zuckte die Achseln. „Das überlasse ich ganz Ihnen.“ Dann wandte er sich wieder dem Papierkram zu, und Liam folgte dem Wink.
Er verließ das Büro und schloss hinter sich die Tür. Das Meeting mit Chloe Hemsworth hatte für ihn keine sonderlich hohe Priorität; er war mit anderen Dingen beschäftigt. Es waren nicht nur zwei Stuten kurz vorm Abfohlen, sondern es sollte auch bald der Tierarzt vorbeikommen, um die Rinder zu impfen – ganz zu schweigen davon, dass Liam seinen Nachfolger einarbeiten musste. „Wie zur Hölle soll ich mir da Zeit für ein Meeting mit irgendeinem Partygirl nehmen, das eindeutig ein Hobby braucht?“, murmelte er vor sich hin.
„So ist sie nicht.“
Liam blieb stehen und drehte sich um. Am Fuß der Prunktreppe erblickte er Esme Sterling. Sie kam lächelnd auf ihn zu. Esme war groß und hatte langes blondes Haar, blaue Augen, denen nie etwas entging, und ein herzliches Lächeln. Liams Erfahrung nach war sie die einzige reiche Frau der High Society, die nicht absolut nutzlos war. Und sie war eine Freundin.
„Ich habe dich gar nicht gesehen“, sagte Liam, erleichtert darüber, dass er sich nur gedanklich über ihren Vater ausgelassen hatte.
„Ich weiß.“ Schulterzuckend schob sie die Hände in die Taschen ihrer hellgrauen Stoffhose. „Ich habe schon vor langer Zeit gelernt, dass man eine Menge interessanter Dinge erfährt, wenn die Leute nicht bemerken, dass sie Gesellschaft haben.“
Liam grinste. „Du bist ja gewieft.“
„Ich bevorzuge den Ausdruck ‚unauffällig‘“, sagte Esme. „Sieh mal, Liam, ich weiß, dass mein Vater einen gern … herausfordert.“ Liam schnaubte. Als PR-Beraterin für Perry Holdings verbrachte Esme die meiste Zeit damit, die Aktionen ihres Vaters zu begründen und den Ruf der Familienfirma zu schützen. „Aber in diesem Fall hat er einen guten Grund dazu. Ich weiß, dass du nicht mit Chloe reden willst, aber sie ist nicht so, wie du denkst.“
Er sah Esme skeptisch an. „Sie ist also nicht die Tochter eines Mannes mit mehr Geld als Verstand?“
„Das habe ich nicht gesagt“, gab Esme zu. „Aber Chloe ist so viel mehr als das. Sie arbeitet wirklich hart dafür, sich ein eigenes Leben aufzubauen. Dafür solltest doch gerade du Verständnis haben.“ Das hatte er, und es störte ihn. Doch es änderte nichts daran, dass wohlhabende Frauen sich seiner Erfahrung nach eigentlich nur um ihre Haare sorgten und darum, bei den richtigen Partys gesehen zu werden. „Sie ist wirklich nett und sehr ehrgeizig“, sagte Esme und hielt kurz inne. „Genau wie du.“
„Ehrgeizig?“ Liam war immer noch nicht überzeugt. Er und Esme waren schon sehr lange Freunde, er nahm die Beschreibung also nicht persönlich. Aber er betrachtete sie auch nicht als zutreffend.
„Ich bitte dich.“ Sie wedelte mit einer Hand, als wolle sie seine Zweifel fortwischen. „Du wusstest schon immer genau, was du wolltest, und du scheust keine Mühen, um es auch zu bekommen.“
Nun gut, vielleicht traf die Beschreibung doch zu. „Okay, da kann ich nicht widersprechen. Aber ich verstehe immer noch nicht, was das mit Chloe zu tun hat.“
„Sie will auch ihren eigenen Weg gehen. Chloe ist eine Freundin, Liam. Sie bittet doch nur darum, dass man sich ihren Vorschlag anhört.“
„Sie will ein Camp für kleine Mädchen eröffnen. Auf der Ranch.“
Esme hob eine Augenbraue. „Dürfen etwa nur kleine Jungen davon träumen, Cowboys zu werden?“
Damit hatte sie ihn in die Ecke gedrängt. Er neigte den Kopf zur Seite. „Nein, natürlich nicht. Ich werde mir anhören, was sie zu sagen hat.“
„Und ihr eine faire Chance geben“, sagte Esme.
„Und ihr eine faire Chance geben.“
„Danke. Mehr verlange ich gar nicht.“ Esme war auf ihn zugetreten, hatte ihm einen Kuss auf die Wange gegeben und ihm dabei auf die Schulter geklopft. „Und jetzt sei bloß nicht beleidigt, weil du nachgeben musstest. Das ist so schrecklich unattraktiv.“
Lachend hatte Liam das Haus verlassen und den Kopf geschüttelt. Die Perrys hatten wirklich ein Talent dafür, ihren Willen durchzusetzen. Sterling schaffte das, indem er die Leute einschüchterte. Esme erreichte genau dasselbe mit einem Lächeln und einer Prise Vernunft. Esmes Art gefiel ihm wesentlich besser.
„Hey, Mann!“ Mike stieß ihm den Ellbogen in die Rippen und riss Liam damit aus seinen Gedanken.
„Was?“
Mike lachte kurz. „Du warst gerade ganz woanders.“
„Ja, mir geht einfach zu viel durch den Kopf“, gab er zu. Er fieberte schon dem Tag entgegen, an dem er endlich nur noch über seine eigene Ranch, sein eigenes Leben, seine eigene verdammte Zukunft nachdenken musste. Doch vorher musste er sich mit dieser Chloe Hemsworth treffen und sich ihre Ideen anhören.
Liam und Mike gingen über den Hof zu dem kleinen Reitplatz, wo einer der Männer gerade mit einem bockigen stahlgrauen Hengst die Gangarten übte. Mike, schon jetzt ganz in seiner Rolle als baldiger Vorarbeiter, kletterte auf den Zaun des Paddocks, um dem Cowboy Ratschläge zu geben.
Liam warf einen langen Blick zurück zu dem großen Haus, das Sterling von seiner verstorbenen Frau geerbt hatte. Es war groß genug für vier Familien und so strahlend weiß, dass man beinahe davon geblendet wurde, wenn die Sonne schien, vor allem, da das Sonnenlicht zusätzlich von zahlreichen Fenstern reflektiert wurde. Es wirkte prahlerisch und teuer – und passte perfekt zu Sterling.
Ein fernes Grollen riss ihn aus seinen Gedanken, und er schaute gen Südwesten. Dort sammelten sich Gewitterwolken am Horizont, groß und schwarz und bedrohlich. Als wolle der kommende Sturm sich ihm beweisen, wehte ihm eine starke Windböe fast den Stetson vom Kopf. Der Wind roch nach Regen, und sein Gefühl sagte ihm, dass mit diesem Sturm nicht zu spaßen war, dabei war er im Wetterbericht mit keinem Wort erwähnt worden.
Er schüttelte den Kopf. „Hey, Mike!“
Sein Ersatzmann wandte sich zu ihm um. „Ja?“
„Ich mache mich auf den Weg nach Houston, zu diesem Meeting. Mit ein bisschen Glück bin ich wieder hier, ehe der Sturm die Ranch erreicht. Aber falls nicht, sorgst du dafür, dass die Jährlinge sicher im Stall sind, verstanden?“
Mike winkte. „Keine Sorge, Liam. Ich kümmere mich darum.“
Nickend hob Liam kurz die Hand, ehe er sich auf den Weg zu seinem schwarzen Truck machte. Er lenkte den Wagen die vertraute Auffahrt hinunter, betätigte über Bluetooth die Kurzwahltaste seines Handys und begann zu sprechen, sobald der Vorarbeiter seiner eigenen Ranch abhob. „Joe, hast du schon alles gesichert? Sieht aus, als wäre da ein ziemlicher Sturm im Anmarsch.“
„Hab ich auch gerade gesehen, Boss“, sagte Joe. „Die Jungs bringen die Stuten in die Ställe. Sieht so aus, als hätten wir noch ein wenig Zeit. Vielleicht zieht der Sturm auch an uns vorbei. Aber falls nicht, sind wir auf jeden Fall vorbereitet, bevor er uns erreicht. Keine Sorge.“
„Ich mache mir keine Sorgen“, log Liam. Es war nicht so, dass er seinem Vorarbeiter und seinen Männern nicht vertraute. Er hätte sich einfach nur besser gefühlt, wenn er vor Ort wäre, um sich persönlich um alles zu kümmern.
Er hatte den Großteil seines Lebens darauf hingearbeitet, einmal eine eigene Ranch zu führen. Schon vor Jahren hatte er ein paar Investitionen getätigt und einige Ideen patentieren lassen, die er mit Freunden während seiner Zeit am MIT, der Technischen Hochschule von Massachusetts, entwickelt hatte. Nun hatte er endlich genug Geld zusammen, um das zu tun, wonach sein Herz sich so sehr sehnte.
Schon komisch, wie sich letztlich alles gefügt hatte: Liams Vater war jahrelang Vorarbeiter auf der Perry Ranch gewesen, und als er starb, hatte Sterling angeboten, Liam das Studium zu bezahlen – vorausgesetzt, Liam kehrte anschließend auf die Ranch zurück, um die Schulden abzuarbeiten. Da ihm keine andere Möglichkeit blieb, denn sein Vater hatte ihm mehr Schulden als Geld hinterlassen, nahm Liam den Deal dankbar an.
Nun war es diese College-Ausbildung, die es ihm ermöglichte, sich selbst eine Zukunft aufzubauen. Als er das MIT verließ, hatte er nicht nur einen Abschluss in Genetik in der Tasche, sondern auch genug Geld, um das zu tun, was er wollte. Jetzt war er fest entschlossen, das Zuchtprogramm auf die Beine zu stellen, von dem er immer geträumt hatte. Wenn er das erst geschafft hatte, würden sich die Leute nur so um die Stuten aus seiner Zucht reißen.
Er würde sich diesen Traum garantiert nicht von irgendeinem Sturm zerstören lassen, ehe er ihn hatte auskosten können. „Ich komme vorbei, sobald der Sturm vorüber ist“, sagte er zu Joe.
Er legte auf und bemerkte, wie die Eichen, die die Auffahrt der Perry Ranch säumten, vom zunehmenden Wind durchgerüttelt wurden. Seine Miene wurde finster, und er verfluchte Chloe Hemsworth dafür, dass sie ihn von wichtigeren Dingen abhielt.
Liam hatte Chloe noch nie getroffen, aber er kannte diese Art Frau. Geld. Gute Herkunft. Immer auf dem Weg von irgendeiner Spendengala zu einem Lunch am „richtigen“ Ort mit den „richtigen“ Leuten. Chloe hatte in den Kreisen der High Society verkehrt, bis sie aus heiterem Himmel ein Geschäft in Houston eröffnete. Laut Sterling arbeitete sie als Event-Planerin.
„Passt ja“, murmelte Liam und lenkte den Truck auf die Straße, die ihn in die Stadt bringen würde. „Die Frau hat ihr ganzes Leben damit verbracht, Partys zu feiern. Wer wäre da besser dazu geeignet, sie zu planen?“
Er wusste nicht viel über sie, nur, dass sie nun schon seit Wochen beinahe täglich auf der Perry Ranch angerufen hatte, um ihnen ihre Idee für ein Cowgirl-Camp schmackhaft zu machen. Der Gedanke, dass ein Haufen kleiner Kinder über die Ranch lief, die Leute bei der Arbeit störte oder – schlimmer noch – verletzt wurde, gefiel Liam ganz und gar nicht. Aber Sterling hatte ihm aufgetragen, sich mit Chloe zu treffen und sich ihren Vorschlag anzuhören. Und wenn Liam die Idee absegnete, würde Sterling mitziehen.
„Noch ein guter Grund, endlich nicht mehr als Vorarbeiter für jemand anderen zu arbeiten“, murmelte er. Im Rückspiegel wurden die Wolken immer dunkler und größer. „Das wird das kürzeste Meeting aller Zeiten.“
Als Liam schließlich Houston erreichte, war er gereizt, und ihm standen förmlich die Nackenhaare zu Berge, denn die Luft war dank des anrollenden Sturms statisch aufgeladen. Oder vielleicht setzte ihm auch bloß die bevorstehende Besprechung zu.
Er hatte einfach keine Geduld für reiche, nutzlose Frauen, die versuchten, sich einen Namen zu machen. Diese Chloe hatte wahrscheinlich noch nie im Leben arbeiten müssen und verbrachte zweifellos den ganzen Tag in einem schicken Büro, wo sie sich als Chefin aufspielen und ein paar Untergebene herumkommandieren konnte.
Liam manövrierte den Truck durch den langsamen Verkehr und sprach weiter leise mit sich selbst. „Geh einfach rein, hör ihr zu, sag Nein, und fahr zurück zur Ranch. Mehr ist gar nicht nötig.“
Und das war schon mehr als genug. Liam kannte sich mit reichen Frauen aus. Teufel, er hatte bereits eine ganze Menge reicher Frauen getroffen. In Texas konnte man keine fünf Schritte gehen, ohne einer Öl- oder Rinderprinzessin über den Weg zu laufen. Er war sogar eine Zeit lang mit einer ausgegangen, während er am College war. Liam hatte gedacht, sie sei anders. Hatte gedacht, sie hätten eine gemeinsame Zukunft – bis sie ihm den Boden unter den Füßen wegzog. Nach diesem Schlag für Kopf und Herz hatte Liam die Lektion gelernt. Wohlhabende, egozentrische Frauen waren wie Weihnachtsbaumschmuck: hübsch anzusehen, doch innen hohl.
Er fuhr in die Innenstadt und erreichte kurz darauf das Gebäude, das zum Sitz des neuen Ablegers des Texas Cattleman’s Club werden sollte. Nach dem Stammsitz in Royal entstand gerade ein neuer Club in Houston, und schon jetzt war die Präsidentschaft dieses Clubs stark umkämpft. Liam als wohlhabender Ranchbesitzer würde Mitglied werden, sobald der Club fertig war, doch er hatte kein Interesse daran, ihn auch zu leiten. Das überließ er lieber den alten Hasen.
Ist aber ein schickes Gebäude. Der neue TCC wurde in einem dreistöckigen ehemaligen Luxushotel eröffnet, das von Perry Construction renoviert wurde. Liam besaß einen Schlüssel, da er als Sterling Perrys Vorarbeiter oft in die Stadt kommen und den Bauarbeitern Instruktionen ausrichten musste.
Das Gebäude würde sicher beeindruckend sein, wenn die Arbeiten erst mal abgeschlossen waren. Es musste vorher noch viel getan werden, aber Liam wusste, dass zumindest eine der Suiten in der obersten Etage auf Sterlings Wunsch hin bereits fertiggestellt worden war. Dort konnten er oder andere Vorstandsmitglieder übernachten, wenn nötig. Es war nicht weiter überraschend, dass Sterling darauf bestanden hatte, sich und seinen Freunden den ultimativen Komfort zu sichern.
Statt sich weiter Gedanken darüber zu machen, wandte Liam den Blick zu dem alten Bürogebäude aus Backstein auf der anderen Straßenseite. Er überprüfte die Adresse, um sicherzugehen, aber ja. Dort lag Chloe Hemsworths Büro. Überrascht betrachtete Liam das Gebäude. Es war schon ein wenig in die Jahre gekommen, aber es wirkte recht robust – und war definitiv nicht das, was er erwartet hatte. Er hätte gedacht, dass ein reiches Mädchen sich luxuriöse und gestylte Büroräume im Penthouse eines modernen Gebäudes ausgesucht hätte.
Stirnrunzelnd stieg er aus dem Truck und zog die Krempe seines Stetsons nach unten, um die Augen zu schützen. Der Wind war auch hier stark, und die plötzlichen Böen waren kräftig genug, um einem Mann den Hut vom Kopf zu reißen. Liam bahnte sich einen Weg durch die Passanten, hin zu dem Büro, dessen breites Schaufenster von den leuchtend rosafarbenen Worten „Time to Party“ geschmückt wurde. Kopfschüttelnd öffnete er die Glastür, trat ein – und blieb abrupt stehen. Auf diesen Anblick war er nicht vorbereitet gewesen.
Eine Frau – Chloe? – stand vornübergebeugt da und hob etwas vom Boden auf. Sein Blick fiel auf ihren runden Po, durch einen kurzen schwarzen Rock perfekt in Szene gesetzt.
Sie schenkte ihm über die Schulter hinweg ein Lächeln. „Hi! Kann ich Ihnen behilflich sein?“
Langsam richtete sie sich auf, und die Aussicht wurde nur noch besser. Sie trug eine schulterfreie dunkelblaue Bluse, und ihr langes hellbraunes Haar fiel ihr in sanften Wellen über den Rücken. Ihre bernsteinfarbenen Augen waren geweitet, ihre Lippen immer noch zu einem herzlichen Lächeln verzogen, doch Liam konnte nur noch die Hitze spüren, die seinen Körper durchströmte.
Natürlich hatte er schon Bilder von ihr gesehen. Genau wie jede andere wohlhabende Frau konnte man Chloe in den Klatschspalten der Houstoner Zeitungen finden, ebenso wie auf der Nachrichtenwebsite, die Liam jeden Tag aufrief. Doch von Angesicht zu Angesicht war sie noch umwerfender. Liam war wie gelähmt, und als sie etwas sagte, verstand er kein einziges Wort. Er schüttelte den Kopf. „Sorry. Wie bitte?“
Sie starrte ihn an, und Liam sah in ihren Augen die gleiche Hitze aufflackern, die auch seinen Körper durchzuckte. „Ich bin Chloe Hemsworth“, sagte sie leicht atemlos.
Ihre Stimme ließ seine Fantasie verrücktspielen, und sein Körper reagierte entsprechend. Sie war genau die Art von Frau, der er normalerweise aus dem Weg ging – doch er wollte sie mehr als alles andere. Das konnte nur Ärger bedeuten.
Was war nur passiert? Ich konnte nicht fassen, dass es so schnell so schiefgegangen war. Es half nicht, in diesem verdammten Zimmer auf und ab zu gehen, aber ich fühlte mich wie ein Tier im Käfig. Nichts, was ich tun könnte, würde es noch ändern, und wenn man mal darüber nachdachte, war es nun wirklich nicht meine Schuld gewesen.
Von hier aus konnte man den Texas Cattleman’s Club sehen, aber ich musste aufhören, das Gebäude anzustarren. Es begann zu regnen, und ich dachte immer noch daran, was gerade geschehen war. Er war da drin ganz allein. Aber kümmerte es ihn noch? Sollte es mich kümmern? Nein. Ich hätte jetzt gehen sollen. Doch ich tat es nicht.
Das hier hatte schon vor langer Zeit begonnen, und die heutigen Ereignisse waren bloß ein Teil davon. Sie waren nur ein weiteres Glied in einer langen hässlichen Kette.
Ich hatte getan, was ich tun musste. Nun wünschte ich, mein Magen würde sich endlich beruhigen, und meine Gedanken würden aufhören, so zu rasen. Nichts würde noch etwas ändern, und ich war nicht sicher, ob ich es überhaupt ändern wollte, auch wenn ich könnte. Ich war schon so weit gekommen. Es gab kein Zurück mehr, und mal ehrlich … Hatten sie nicht genau das verdient, nach alldem, was ich hatte durchmachen müssen?
War es etwa fair, dass nur ich die Konsequenzen von Entscheidungen zu spüren bekam, die schon vor Jahren getroffen worden waren? War es fair, dass man mich vergessen und meinen Kummer begraben hatte? Nichts hiervon war meine Schuld. Rein gar nichts.
Der Cowboy war groß, muskulös und hatte goldbraunes Haar, das ihm bis zum Kragen reichte. Seine Augen waren so blau wie ein klarer See – und wirkten ebenso tief. Er trug die typische Uniform eines Texas-Cowboys: verblichene Jeans, abgewetzte Stiefel und ein weißes Hemd, die Ärmel bis zu den Ellbogen hochgekrempelt, sodass stark gebräunte, kräftige Unterarme zum Vorschein kamen. Er hielt einen staubbraunen Stetson in der Hand, und obwohl er einfach nur dastand, schien er doch den ganzen Raum einzunehmen.
Das Atmen fiel ihr schwerer als es sollte, und Chloe bemühte sich bewusst darum, ihre Lungen mit Luft zu füllen. In ihr erwachte ein beinahe unwiderstehlicher Drang, ihm näherzukommen, doch sie ignorierte das Gefühl. Er war wahrscheinlich hier, um eine Party für seine Freundin zu arrangieren. Oder für seine Frau. Doch da war etwas an ihm, das sie magisch anzog. Sie war in Texas geboren und aufgewachsen, die Männer des Westens waren ihr also nicht unbekannt. Aber dieser hier hatte eine besondere Ausstrahlung, und es war schwer, sich davon nicht in den Bann schlagen zu lassen. Gedanklich ermahnte sie sich, sich zusammenzureißen.
„Sie sind Chloe, nicht wahr?“ Er musterte sie von Kopf bis Fuß, ehe er ihren Blick erwiderte. „Ich bin Liam Morrow. Sterling Perry schickt mich.“
Erstaunt starrte Chloe ihn an. Sie hatte einen griesgrämigen älteren Herrn erwartet, jemanden mit einem Bierbauch. Nie wäre ihr in den Sinn gekommen, dass der Vorarbeiter einer so großen Ranch so jung und … attraktiv sein könnte.