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Inhalt Wiedersehen im Südland Sturm über St. Kitts Karibische Flüche Zum Buch Gesamtumfang: ca. 150 Normseiten Wiedersehen im Südland Historische Erzählung - Eine Reise nach Australien Anno 1809! Eine dramatische Reise ins Australien der ersten Siedler... Portsmouth, England 1809… Catherine Glenfield zog ihren Umhang enger um die Schultern. Die Haare der jungen Frau klebten am Kopf. Sie war völlig durchnässt, denn es regnete immer wieder wie aus Kübeln und ein eiskalter Wind trieb ihr den Regen ins Gesicht. Den Regen und manchmal sogar etwas von der Meeresgischt. Sie stand da und blickte suchend auf die grauen Wellen. Sie spürte einen Kloß in ihrem Hals stecken. John, warum musst du nur bei diesem Wetter hinausfahren?, ging es ihr durch den Kopf. Ihre Augen verengten sich, suchten den Horizont ab, aber nirgends war dort der Mast der SEAGULL zu sehen, des Schiffs von John Billings, dem Mann den sie liebte. Sturm über St. Kitts Anno 1689… Ein warmer Tropenwind blähte die Segel des Dreimasters „Saint Denis“ auf. Man hatte Marie de Perrin davor gewarnt, sich zu häufig an Deck aufzuhalten, da die Sonne in diesen Breiten viel stärker schien, als in den Gärten von Versailles und Sonnenschirme eine Dame nicht davor bewahren konnten, ihre vornehme Blässe zu verlieren. Aber Marie de Perrin war das in diesem Augenblick gleichgültig. Die junge Frau freute sich nach der wochenlangen Überfahrt in die Karibik einfach zu sehr auf den Anblick festen Landes. Tagelang war ihr schlecht gewesen. Das dauernde Schwanken der „Saint Denis“ hatte sie seekrank gemacht. Sie hatte zwar davon gehört, wie strapaziös die Überfahrt war, hatte aber zuvor keine richtige Vorstellung von dem gehabt, was sie erwartete. Hoffentlich entschädigte St. Kitts für alles bisher Erlebte. Vielleicht mit dem Mann ihrer Träume? …
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Seitenzahl: 178
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Gezeiten des Südens
Dreimal historisches Abenteuer
Wiedersehen im Südland
Ein CassiopeiaPress E-Book
© 2012 der Digitalausgabe AlfredBekker/CassiopeiaPress
© 2006 und 2010 by Alfred Bekker,
www.AlfredBekker.de
1. digitale Auflage 2014 Zeilenwert GmbH
ISBN 9783956170706
Die Erstveröffentlichung erfolgte als Original-Hörbuch. Alle Rechte vorbehalten.
Alfred Bekker schrieb unter dem Pseudonym Leslie Garber diese fesselnden Romane. Als Neal Chadwick begann der bekannte Autor von Fantasy-Romanen, Jugendbüchern und Krimis seine Karriere. Seine Romane um DAS REICH DER ELBEN, die GORIAN-Trilogie und die DRACHENERDE-SAGA machten ihn einem großen Publikum bekannt. Er schrieb für junge Leser die Fantasy-Zyklen ELBENKINDER, DIE WILDEN ORKS, ZWERGENKINDER und ELVANY sowie historische Abenteuer wie DER GEHEIMNISVOLLE MÖNCH, LEONARDOS DRACHEN, TUTENCHAMUN UND DIE FAKLSCHE MUMIE und andere. In seinem Kriminalroman DER TEUFEL AUS MÜNSTER machte er mit dem Elbenkrieger Branagorn eine Hauptfigur seiner Fantasy-Romane zum Ermittler in einem höchst irdischen Mordfall.
Die Erzählungen dieses Bandes erschienen ursprünglich separat unter dem Pseudonym Leslie Garber.
Cover
Titel
Impressum
Über den Autor
Wiedersehen im Südland
Portsmouth, England 1809…
Sturm über St.Kitts
Anno 1689…
1689, St.Kitts, Karibik
Karibische Flüche
Anno 1699…
von Alfred Bekker (Leslie Garber)
Catherine Glenfield zog ihren Umhang enger um die Schultern. Die Haare der jungen Frau klebten am Kopf. Sie war völlig durchnässt, denn es regnete immer wieder wie aus Kübeln und ein eiskalter Wind trieb ihr den Regen ins Gesicht.
Den Regen und manchmal sogar etwas von der Meeresgischt.
Sie stand da und blickte suchend auf die grauen Wellen. Sie spürte einen Kloß in ihrem Hals stecken.
John, warum musst du nur bei diesem Wetter hinausfahren?, ging es ihr durch den Kopf. Ihre Augen verengten sich, suchten den Horizont ab, aber nirgends war dort der Mast der SEAGULL zu sehen, des Schiffs von John Billings, dem Mann den sie liebte.
Der Sturm peitschte die Wellen unablässig gegen die Kaimauer. Oft genug schlugen sie über dem Ufer zusammen. Zwei Kriegschiffe seiner Majestät waren fest vertäut im Hafen. Daneben unzählige kleinere Schiffe ziviler Art. Vom Frachtschoner bis zum Fischerboot. Dass gleich zwei Schiffe der königlichen Kriegsflotte im Hafen lagen war ungewöhnlich, denn normalerweise war die englische Flotte im Dauereinsatz gegen Blockadebrecher.
Jahrelang hatte Napoleon auf der anderen Seite des englischen Kanals Vorbereitungen für eine Invasion der britischen Inseln vorgenommen. Nachdem die Briten die englischen Kriegshäfen blockiert hatten, waren die Franzosen dazu übergegangen, entlang der Küste von den Pyrenäen bis zur Nordsee tausende kleiner Boote für die Invasion zu bauen, was die Flotte gezwungen hatte, jetzt nicht nur die französischen Kriegshäfen zu blockieren, sondern die gesamte Küste. Ein ungeheurer Aufwand, der die englische Flotte ständig in Atem gehalten hatte. Inzwischen hatte Napoleon seine Truppen aus der Normandie und der Bretagne abgezogen. Der Kaiser der Franzosen hatte seine Pläne einer Invasion in England längst aufgegeben. Inzwischen hatte sich der Zweck der englischen Blockade gewandelt. Die Aufgabe der englischen Kanalflotte war es seit gut einem Jahr, jeglichen Handel mit Frankreich zu unterbinden, was dem Schmuggel eine ungeahnte Blüte verschafft hatte.
„Madam, was tun Sie da?“, drang eine Stimme an Catherines Ohren.
Schritte ließen sie herumfahren.
Sie sah in die wässrig blauen Augen von George Jackson, dem Hafenmeister. Er hatte seine Mütze tief ins Gesicht gezogen und den Kragen seines Rocks hochgeschlagen.
„Ich muss hier regelmäßig nach dem Rechten schauen – aber für Sie gibt es einfach keinen Grund hier herumzustehen und sich durchnässen zu lassen!“, meinte er.
„Die SEAGULL ist noch draußen“, rief sie. Catherine zitterte. Einerseits vor Kälte, und andererseits, weil ein inneres Frösteln ihr Herz umklammert hielt. Sie hatte das Gefühl, nicht atmen zu können. Als ob ihr Brustkorb in einem der Korsetts gesteckt hätte, mit denen sich die feinen Damen des Adels noch bis vor wenigen Jahren eingeschnürt hatten.
„Captain John Billings ist ein Teufelskerl! Ich wäre bei dem Wetter niemals hinausgefahren! Und Sie sehen ja - nicht einmal die Marine seiner Majestät des Königs traut sich das und bleibt lieber im sicheren Hafen.“
„Die SEAGULL müsste längst zurück sein!“
„Wohin war sie denn unterwegs?“
„Nur zur Isle of Wight.“
„Nicht etwa noch ein Stück weiter?“
Catherine sah den Hafenmeister empört an. „Was wollen Sie damit sagen?“
„Na kommen Sie, John Billings ist kein Heiliger – und er wäre auch nicht der erste, der behauptet, zur Isle of Wight oder den Kanalinseln zu fahren und in Wahrheit in der Bretagne oder der Normandie ankommt. Egal, was so gesagt wird, es ist unmöglich die ganze Küste wirklich abzuriegeln. Jeder, der auch nur ein bisschen von der Seefahrt versteht weiß das!“
Er kicherte. Aber dies erstarb, als Catherines energische Stimme ihn unterbrach.
„John ist kein Schmuggler und auch kein Spion. So etwas würde er nie tun!“
„Madam, ich habe nur Spaß gemacht und ich wollte damit überhaupt nichts andeuten oder jemanden beleidigen.“
„Dann ist es ja gut.“
„Am besten, Sie vergessen einfach, was ich gesagt habe.“
„Das wird in der Tat das Beste sein!“
„Und für Sie wird es das Beste sein, wenn Sie nicht länger hier herumstehen! Sie werden sich den Tod holen. Entweder, weil Sie Fieber kriegen oder weil eine der Wellen Sie von der Kaimauer holt! Sie sind hier in Portsmouth geboren und aufgewachsen, Madam. Und daher wissen Sie, dass so etwas schon geschehen ist! Man kann sich dann nicht mehr auf den Beinen halten, wenn der Wind so stark ist…“
„Ich danke Ihnen für die Sorge, Sir“, erwiderte Catherine etwas spitz.
Der Regen ließ nach. In der Ferne riss jetzt sogar ein heller Fleck das Grau des Himmels auf. Für einige Augenblicke fielen Sonnenstrahlen auf das Wasser und ließen es in fast zauberhafter Schönheit glitzern, bevor es sich wieder zuzog. Das Wetter war hier so launisch und wechselhaft, dass man an manchen Tagen das Gefühl bekommen konnte, alle vier Jahreszeiten an einem einzigen Tag zu erleben.
Vielleicht ließ ja der Sturm jetzt nach. Das konnte die Rettung für John Billings und seine Crew von der SEAGULL sein.
*
Catherine dachte an den Moment zurück, an dem sie John Billings zum ersten Mal begegnet war. Fast ein Jahr lag das nun zurück. Er war groß, breitschultrig, trug einen groben Rock aus Tweed und eine Mütze, als er die Weinhandlung von Thomas Glenfield betrat, Catherines Vater.
Schon in dem Moment, in dem seine angenehm samtene, tiefe Stimme zu ihr sprach, hatte sie sich von ihm angezogen gefühlt. Eine Kraft, die unwiderstehlich war, zog sie zu ihm hin. Diese Stimme wollte sie immer wieder hören, ganz gleich, was sie sagte. Sein Lächeln verzauberte sie und sorgte dafür, dass ihr Herz schneller schlug.
John Billings war mit einem Batzen Geld nach Portsmouth gekommen. Geld, dass er von einem Onkel geerbt hatte, der in London ein gutgehendes Geschäft mit Tuchen betrieben hatte. Das hatte John Billings verkauft. Er wollte ins Frachtgeschäft einsteigen, sich einen Segler kaufen und auf den kleineren Routen entlang der südenglischen Küste und zur Isle of Wight segeln.
Zumindest am Anfang, da er sich noch keine großen, wirklich Ozeantauglichen Schiffe leisten konnte.
Aber dieser Tag würde eines Tages kommen, da war er sich sehr sicher.
Drei Flaschen Wein kaufte er im Laden der Glenfield, der mehr oder minder von Catherine allein betrieben wurde, nachdem ihr Vater schwer gestürzt war und das Bett kaum noch verlassen konnte.
Ihre Mutter war bereits im Kindbett gestorben und so blieb die Last, das Geschäft weiterzuführen an Catherine hängen.
Nicht, dass sie etwas dagegen gehabt hätte! Im Gegenteil. Schließlich kannte sie das Geschäft von Grund auf und war von frühester Jugend an in alle Transaktionen ihres Vaters einbezogen worden.
Wie gebannt hatte Catherine Johns Plänen zugehört.
Der junge Mann stellte sich vor, mit seinem Schiff ein Vielfaches von dem zu verdienen, was er durch die Weiterführung des Tuchhandels in London hätte gewinnen können.
„Ach, seien Sie doch ehrlich! Sie wollen sich einfach lieber den Wind um die Nase wehen lassen, als den ganzen Tag in einem stickigen Laden zu verbringen, Mister Billings!“
„Ich gebe zu, dass diese Überlegung durchaus eine Rolle spielte“, sagte der zukünftige Schiffseigner. Und dann rechnete er Catherine vor, dass er in jedem Geschäftsjahr einen bestimmten Betrag zurückzulegen gedenke, um sich irgendwann ein zweites Schiff leisten und bemannen zu können.
„Nach und nach wird Billings eine große Reederei werden! Eine der Größten in England und da England die Meere beherrscht, auch eine der wichtigsten in der Welt. Irgendwann werde ich größere Schiffe kaufen, die für den Handel mit den Vereinigten Staaten und den spanischen Amerika-Kolonien gebraucht werden und sogar nach Indien oder das neu entdeckte Neu Holland fahren…“
Es hatte Catherine gefallen, wie stark diese Mann an seine Chance glaubte und wie gut er alles durchdacht hatte.
Drei Flaschen Wein hatte der junge Mann schließlich bei ihr gekauft.
„Die Bestände an französischen Weinen sind leider seit der Blockade sehr knapp geworden“, stellte Catherine bedauernd fest.
„Und die Preise haben sich rasant nach oben entwickelt, wie bei jeder knappen Ware, nicht wahr?“, lächelte er und der Blick seiner meergrünen Augen ging ihr dabei durch und durch. Sie musste unwillkürlich schlucken und gleichzeitig aufpassen, ihre Faszination nicht allzu offen nach außen dringen zu lassen. Das ziemte sich schließlich für eine ehrbare junge Frau nicht.
„Statt französischen Wein, hätte ich das hier anzubieten“, erklärte Catherine und zeigte John Billings eine Flasche mit einem Etikett, das in spanischer Sprache verfasst worden war.
„Keine Ahnung, wie man das ausspricht, was da steht“, sagte Billings.
„Der Inhalt dieser Flaschen stammt aus Jerez (sprich Cheres – scharfes ch am Anfang, der Schlusslaut wie th im Englischen) de la Frontera in Andalusien.“
„Jerez!“, versuchte John es nachzusprechen. „Da verdreht man sich die Zunge im Hals!“
„Deswegen nennen wir es einfach Sherry!“
„Klingt schon besser.“
„Vielleicht das ja etwas für Sie!“
„Warum nicht? Ich brauche den Wein demnächst, wenn mein Schiff auf den Namen SEAGULL getauft wird.“
Sie hob amüsiert die Augenbrauen. „Ein Schiff, das Sie wohlgemerkt noch gar nicht haben!“
„In meiner Vorstellung ist es bereits mein Eigentum und liegt im Hafen vertäut – jederzeit bereit auszulaufen!“
„Na ja, für eine Schiffstaufe wäre eine der letzten Flaschen französischen Weins wohl auch wirklich verschwendet!“, lächelte Catherine.
*
Catherine und John sahen sich von da an immer öfter. John kaufte sich ein Schiff, das gut und solide war und zumindest für die Gewässer des englischen Kanals vollkommen ausreichte. Außerdem hatte es genug Stauraum, sodass man damit tatsächlich eine wirtschaftliche Küstenlinie betreiben konnte.
Sie gingen miteinander spazieren und schlenderten durch die engen, verwinkelten Gassen von Portsmouth, wenn sie Zeit dazu hatten. John war manchmal tagelang unterwegs.
Catherine ertappte sich dabei, wie sie unruhig wurde, wenn John dabei die vorgesehene Zeit überschritt. Zumeist war der unberechenbare Wind dafür verantwortlich. Wenn die Windverhältnisse schlecht waren, konnte so aus einer Reise von einer Woche auch leicht mal das Doppelte werden.
Einmal, als die SEAGULL erst spät abends zurückkehrte, obwohl sie bereits am Vormittag erwartet worden war, stand Catherine ausdauernd am Kai und blickte in die Nacht, bis sie endlich das Schiff herannahen sah. Wie ein Schatten wirkte es in der Dunkelheit. Ein paar Laternen gab es an Mast und Bug, aber die waren aus der Ferne kaum zu sehen. Zu schwach waren sie.
Als die SEAGULL endlich angelegt hatte, stürzte Catherine auf John zu, nachdem dieser an Land gestiegen war. Dann hielt sie inne.
„Wenigstens Sie scheinen die SEAGULL zu erwarten“, sagte John.
Sie sah ihn an und er erwiderte ihren Blick. Dann wandte er sich an seinen Steuermann. „Ihr macht hier alles klar!“
„Aye, aye!“
John wandte sich Catherine zu und bot ihr seinen Arm. „Darf ich Sie nach Hause bringen?“
„Es sind nur wenige Yards, aber… Ja!“ Sie errötete leicht. Sie hatte das zwar erhofft, aber eigentlich nicht erwartet.
Sie gingen also zur Weinhandlung der Glenfield, während ein heller Mond diese Nacht eine ganz besondere Stimmung gab.
Vor der Weinhandlung blieben sie stehen. Sie sahen sich an. Und dann folgten sie bei einem gemeinsamen Wunsch und küssten sich.
*
Jetzt, da Catherine in dieser sturmumtosten Nacht am Ufer stand und wieder einmal darauf wartete, dass John Billings wohlbehalten zurückkehrte, dachte sie an diesen ersten Kuss, den es zwischen ihnen gegeben hatte und dem noch so viele weitere gefolgt waren.
John hatte inzwischen bei ihrem Vater ganz offiziell um Catherines Hand angehalten. In ein paar Monaten sollte die Hochzeit sein.
Sollte das alles verblassen wie ein schöner Traum?
Doch dann, endlich, tauchte der Mast der SEAGULL auf. Das Schiff war ein Spielball der Wellen und kaum in der Lage noch einen Kurs zu halten. Die Segel waren gerefft und die SEAGULL näherte sich nur langsam.
Catherine harrte aus, bis sie endlich den Hafen erreichte und vertäut worden war, was für die Besatzung einen Kampf ohnegleichen bedeutete.
Vollkommen erschöpft stiegen die Seeleute an Land. John Billings nahm Catherine in den Arm und sie drückte ihn an sich. „Ich möchte dich nie wieder loslassen!“, sagte sie.
„Ich dich auch nicht, Catherine“, erwiderte er.
„Das heißt, du wirst Weinhändler und im Laden meines Vaters arbeiten?“
„Das heißt, ich werde dich nie wieder loslassen, bis auf die kurzen Momente, in denen ich auf See bin, Darling!“
Sie seufzte. „Ich wusste doch, dass an der Sache ein Haken ist!“
John sah an ihr herab. „Du bist vollkommen durchnässt!“, stellte er fest. „Auf keinen Fall hättest du hier draußen so lange Ausschau halten sollen.“
„Ich hätte ohnehin keine Ruhe gefunden, ehe ich nicht gewusst hätte, dass dir nichts geschehen ist!“, hauchte sie.
Starker Regen setzte nun ein. John nahm sie bei der Hand und zog sie mit sich. Sie stellten sich erst unter den Dachvorsprung eines der Häuser in der Nähe des Hafens.
John Bellings hatte ganz in der Nähe ein Zimmer, das man durch einen separaten Eingang erreichen konnte. Von dem, was er mit der SEAGULL verdiente, hätte er sich leicht ein ganzes Haus kaufen können, aber das wollte er nicht. Er sparte jedes Pfund dafür, sich endlich ein zweites, größeres Schiff leisten zu können.
Und was das betraf, war er auf bestem Wege.
Es war ein mühsamer Weg, den Traum von der eigenen Ärmelkanal-Frachtflotte zu verwirklichen. Aber John hatte die ersten Schritte schon getan.
Er zog die junge Frau weiter mit sich.
„Was hast du vor?“, fragte sie.
„Dich vor einer Lungenentzündung zu retten!“
„Das ist nur Regen – nichts Giftiges! Und vielleicht hast du es noch nicht bemerkt, ich bin nicht aus Zucker, sodass ich sofort zerfließe!“
Sie hatten den Aufgang zu Johns Wohnung erreicht. Einen Moment lang zögerte sie, strich sich das klatschnasse Haar aus dem Gesicht und wechselte einen Blick mit John.
„Was werden die Leute sagen, wenn…“
„…wenn ich dich jetzt mitnehme? Sie werden es gar nicht bemerken, weil die meisten Leute in Portsmouth im Moment ihre Fensterläden geschlossen haben und hoffen, dass nicht all zuviel von diesem Regen in ihre Häuser hineinspritzt. Also komm.“
„Ich…“
„Wovor fürchtest du dich?“
Sie überlegte einen Moment und dann fand sie, dass Johns Frage eigentlich auch schon die Antwort enthielt. Nein, wenn John bei ihr war, dann schien es nichts und niemanden geben zu können, der sie zum Fürchten brachte.
Er nahm zärtlich ihre Hand und führte sie ins Haus. Sie erreichten die Tür, die mit einem Vorhängeschloss gesichert war. John Billings bewahrte schließlich einige wichtige Dokumente in seinem Zimmer auf. Dokumente, die er nicht auf See mitnehmen wollte, weil sie nicht zu ersetzen gewesen wären.
Schließlich betraten sie die Wohnung.
„Ich habe leider kein Feuerholz für den Kamin“, bekannte John.
„Das macht nichts“, hauchte sie. Sie sahen sich erneut an und einige Augenblicke lang sagte keiner von ihnen ein Wort. John Billings schluckte. Er trat auf die zu und strich ihr das Haar aus dem Gesicht. Sehr zärtlich und liebevoll tat er dies.
Ihre Lippen trafen sich zu Küssen, die immer fordernder und leidenschaftlicher wurden.
Dann zögerte sie plötzlich.
Mit hochrotem Kopf sagte sie: „Wir sollten das nicht tun. Ich weiß, wohin das führt. Und es ist Sünde, wenn das geschieht, bevor wir tatsächlich vor Gott Mann und Frau sind.“
„Vor Gott sind wir das längst!“, widersprach John Billings. „Nur vor der Welt noch nicht. Das ist die Wahrheit! Denn für mich gibt es keine andere als dich.“
Erneut begann er, sie zu küssen, ihr zärtlich über das Haar, die Stirn, das Gesicht und schließlich auch über die Schultern zu streicheln.
Jede seiner Berührungen erschien ihr wie eine prickelnde Quelle sinnlichster Empfindungen. Sie wollte mehr davon. Viel mehr. Und so entschied sie, dass er mit seiner Interpretation der Ehe vor Gott Recht hatte.
„Es ist die Kraft der Liebe, die uns zueinander zieht!“, murmelte sie. „Und gegen diese Kraft ist kein Kraut gewachsen.“
„Ja, das ist ein wahres Wort“, gab er zu. Sie küssten sich erneut. Er streifte ihr den Umhang von den Schultern – sie tat dasselbe mit seiner Jacke. Sie sanken auf das Bett, in dem John nächtigte, wenn er nicht gerade auf See war. Es bot für beide Platz genug.
„Oh, John!“, flüsterte sie.
*
Als sie am Morgen durch ein paar Sonnenstrahlen geweckt wurden, die durch das Fenster fielen, schreckte Catherine geradezu hoch.
„Was haben wir nur getan!“, stieß sie hervor.
„Wir haben genau das vorweggenommen, was uns in Kürze ohnehin niemand mehr streitig machen wird! Was soll man sich darüber groß Gedanken machen?“
Sie begann sich anzuziehen. „Ich kann es gar nicht mehr erwarten, bis wir verheiratet sind und ich nicht mehr darauf achten muss, dass mich auch niemand dabei beobachtet, wie ich die dieses Haus verlasse…“
„Ach, Catherine… Das ist ein schöner Traum von der Zukunft.“
„Nur leider sind wir keine Königskinder, sondern die Kinder einfacher Bürger.“
In diesem Moment klopfte es grob an der Tür.
„John Billings! Machen Sie die Tür auf! Im Namen des Königs, öffnen Sie.“
John fuhr hoch und sah Catherine fragend an. „Wer kann das sein?“
„Ich weiß es nicht, John.“
Er zog sich rasch an. Er hatte sich gerade Hemd und Hose übergestreift, da flog die Tür zur Seite. Vier Soldaten mit aufgepflanzten Bajonetten stürzten herein.
John erstarrte. Und Catherine konnte nur fassungslos mit ansehen, was geschah. Ein Sergeant betrat als letzter das Zimmer. Er sah John an.
„Sie sind der Kapitän John Billings?“
„Ja, Sir, der bin ich. Aber was wird hier für ein Auflauf veranstaltet? Das muss eine Verwechselung sein!“
„John Billings, Ihnen wird vorgeworfen, mit Ihrem Schiff die Blockade Frankreichs verletzt zu haben und in Gewässer gesegelt zu sein, die dem Einflussgebiet der Feinde seiner Majestät angehören. Sie werden deshalb festgenommen und in den städtischen Kerker überstellt, bis ein Gericht über Ihren Fall entschieden hat!“
Der Sergeant nahm Haltung an.
„Das ist unmöglich!“, rief John.
„Ziehen Sie sich vollständig an, Mister Billings. Und dann machen Sie bitte keine weiteren Umstände, sonst müssen wir Gewalt anwenden.“
*
John Billings wurde in den städtischen Kerker geworfen, der völlig überfüllt war. Catherine versuchte eine Besuchserlaubnis zu erwirken, was ihr nach einigen Schwierigkeiten auch gelang. Sie wurde zum Kerker vorgelassen, wo John hinter gusseisernen Gitterstäben zusammen mit zwei Dutzend anderen Gefangenen in seinem Verlies saß.
„Catherine, es wird schon alles wieder gut“, sagte er.
„Aber die behaupten, dass du Hochverrat begangen und die Blockade gebrochen hättest! John, die werden dich hinrichten oder für Jahre hinter Gitter bringen!“
„Nein, das werden sie nicht“, war er zuversichtlich. „Ich habe nämlich nichts dergleichen getan und die Wahrheit wird sich schon herausstellen!“
„Oh, John!“
Sie nahm seine Hand, aber das wollte der Wächter nicht zulassen. „Kommen Sie, das geht zu weit“, sagte er. „Sie müssen jetzt gehen.“
*
Es wurde nicht alles gut, wie John gehofft hatte. Die Anklage basierte auf einer anonymen Beschuldigung, die angeblich von einem der Seeleute stammte, die mit John Billings hinausgefahren waren, den John für die nächste Fahrt nicht mehr anheuern wollte.
Eigentlich lagen keine handfesten Beweise vor. Aber das Gericht war völlig überlastet. Es urteilte im Schnellverfahren. Und da die Regierung von Premierminister Putt gerade erst neue Gesetze erlassen hatte, die Blockadebrecher aus Profitgier, wie es hieß, strenger abstrafen sollten, sah das Gericht auch keinen Anlass, Gnade walten zu lassen.
Der Verteidiger war schlecht vorbereitet und wenig interessiert an dem Fall. Halbherzig versuchte er, ein Urteil durch Geschworene anstatt durch einen Einzelrichter zu erwirken, aber der Antrag wurde abgelehnt.
Nach wenigen Minuten war der Schuldspruch gefallen.
John Billings wurde wegen Hochverrats zu zwanzig Jahren Haft, abzubüßen in einer Strafkolonie in Neu Holland, verurteilt.
Catherine glaubte den Boden unter ihren Füßen zu verlieren, als sie dies anhörte.
„Unsere Regierung sieht es als das Beste an, wenn Blockadebrecher und andere, die England Schaden zufügen oder es in dieser schweren Zeit an der Loyalität zu König und Vaterland mangeln lassen, in dem neuen Kontinent im Süden durch Arbeit zur Läuterung gelangen“, begründete der Richter sein Urteil.
John wurde aus dem Gerichtssaal geführt. Catherine versuchte zu ihm zu gelangen, aber das wir nicht möglich. Ein Menschenauflauf trennte sie sehr schnell von ihm. Bewaffnete Wächter sorgten dafür, dass sie abgedrängt wurde. Er wandte den Kopf in ihre Richtung, während er abgeführt wurde. Einen Augenblick lang trafen sich ihre Blicke.
Tränen glitzerten in Catherines Augen. Sie hätte schreien wollen, aber ihre Kehle war wie zugeschnürt.
*
Schon ein paar Tage später wurde John mit einem Gefangenentransport nach Southampton gebracht. Von dort aus liefen inzwischen alle Monate Schiffe in die Kolonien in Neu Holland aus, das man auch Australien oder das Südland nannte.
Ein Land so trocken und heiß, dass die holländischen Seefahrer, die vor über hundert Jahren bereits an seinen Küsten gelandet waren, recht rasch das Interesse an diesem Kontinent verloren hatten. 1788 waren die ersten britischen Siedler im Südosten des Kontinents gelandet und hatten sich niedergelassen.