Giftwasser - Elmer Schmidt - E-Book

Giftwasser E-Book

Elmer Schmidt

4,6

Beschreibung

Sauberes Wasser ist ein hohes Gut, das sparsam und verantwortungsbewusst genutzt werden muss. Was aber, wenn es gedankenlos, fahrlässig oder gar in verbrecherischer Absicht verunreinigt wird? Hier schreiten die Kommissare Bielfeld und Friedberg ein. Sie ermitteln in alle Richtungen. Damit das Wasser genießbar bleibt.

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Fotos

Titelblatt:Bordesholmer See Elmer SchmidtRückseite:Wassertropfen Eckhard Felsmann

Bordesholmer Edition Band 24

Inhaltsverzeichnis

Was lebt, braucht Wasser!

Erläuterungen

Personenliste

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Kapitel 31

Kapitel 32

Was lebt, braucht Wasser!

Ohne Wasser können Lebewesen nicht überleben. Menschen brauchen Wasser zum Trinken, Kochen, Waschen, Gießen, für ihre Hygiene und Sanitärversorgung. Aber über eine Milliarde Menschen hat keinen Zugang zu sauberen Trinkwasser. Für uns liegen solche Probleme in weiter Ferne. Verregnete Sommer hinterlassen den Eindruck, Wasser sei eher lästige Übel als wohltuender Lebensspender. Wenngleich der Wasserverbrauch in den Haushalten geringfügig sinkt, gehört Deutschland zu den größten Wasserverschwendern der Welt. Wir verbrauchen weit mehr Wasser, als wir zum Duschen, Kochen oder Trinken brauchen. Das Bundesumweltamt hat errechnet, dass jeder Deutsche im Haushalt 121 Liter Wasser pro Tag nutzt. Hinzu kommen 3900 Liter Wasser, die täglich für die Herstellung von Lebensmitteln, Bekleidung und anderen Bedarfsgütern verwendet werden. Zu dem indirekt genutzten Wasser gehören zum Beispiel 140 Liter Wasser, die für die Produktion von einer Tasse Kaffee verschmutzt werden, oder 8000 Liter für ein Pfund Rindersteak.

Wie um alles, was knapp und lebenswichtig ist, gab es um Wasser immer schon Streit. Dem Feind das Wasser abgraben war im Altertum und im Mittelalter eine wirkungsvolle Militärstrategie, und die Brunnenvergiftung galt bereits in der Antike als schweres, die Allgemeinheit betreffendes Verbrechen.

Wenngleich unser Trinkwasser heute so gesichert wird, dass eine Gefährdung nahezu ausgeschlossen ist, so muss das nicht alle Verblendeten davor abhalten, es dennoch zu versuchen. Und ist es nicht allen deutlich geworden, dass es absolute Sicherheit nicht gibt, als wir die Türme des World Trade Centers einstürzen sahen?

Um die Kostbarkeit des Wassers rankt sich unser Kriminalroman „Giftwasser“.

Wir wollen für das Thema sensibilisieren, zum Wasser sparen, zum achtsamen Umgang mit dem kostbaren Nass ermuntern. In einem Roman. Unterhaltsam. Nicht immer ganz realistisch. Übereinstimmungen mit realen Personen oder Intuitionen sind weder beabsichtigt noch gewollt. Aber immer an dem Ziel orientiert:

Wasser ist ein Menschenrecht!

Jürgen Baasch Henning Thomsen Elmer Schmidt

Erläuterungen

Konfer* Kap.5Konfirmandenunterricht.Sure* Kap.5Abschnitt des Korans.Imam* Kap.5Im Koran hat er die Bedeutung von „Vorsteher, Vorbild und Anführer“DEHOGA* Kap.8Hotel- und Gaststättenverband DEHOGA Schleswig-Holstein ist die zuständige Berufsorganisation für alle gastgewerblichen Unternehmen des Landes.hala’l* Kap.15ist ein arabisches Wort und kann mit „erlaubt“ und „zulässig“ übersetzt werden.Flow* Kap.15Durchflussmenge

Personenliste

ErmittlerWilhelm BielfeldHauptkommissar, lebt mit Friseurmeisterin Dagmar Borgandt und deren Tochter Alina (10 J.) zusammenErika FriedbergKommissarin mit Sohn Finn, 14 Jahre altLandwirte:Klaus TönnsenSchweinezüchter, verheiratet mitKrischan HansenLandwirt mit 30 Hektar, LohnunternehmerHans-Werner MeyerLandwirt mit 250 Hektar in NegenharrieGerhard RixenLandwirt aus Brügge, wenig Land, mit Brigitte verheiratetSalafistenMarioSchüler, 17 Jahre, Sohn einer alleinerziehenden MutterRaffael Johannsen(Yussuf) Vorbeter, 29 Jahre altClaasTechniker, 22 Jahre altKarimBetriebswirt, 25 Jahre altAndere PersonenHans DiestelhorstLandwirt in LoopDamianLkw-Fahrer aus PolenRüdiger TeskeWasserwerk Geschäftsführer

1

Ein übler fischig-fauler Gestank waberte über dem Bordesholmer See. Carsten Wode ruderte mit einem steifen Ostwind im Rücken auf die Insel in der Pastorenbucht zu. Er wollte die Netze einholen, die er vor zwei Tagen ausgelegt hatte. Dabei war ihm nichts Besonderes aufgefallen. Aber jetzt, dieser eigentümliche Geruch. Und trieben da nicht ab und zu große Fische in den kabbeligen Wellen an der Wasseroberfläche? Der Hobbyfischer, der das Recht zum Fischfang auf dem See von seinem Großvater übernommen hatte, war bei den Stellnetzen angekommen, an denen entlang die Fische zu der Reuse geleitet werden. Als Wode den Fang zu sich ins Boot zog, war da kein Zappeln und Springen. Er schien eine schwere leblose Masse gefangen zu haben. Der Fischer leerte die Reuse in einen Hälter. Ein guter Fang lag vor ihm, aber alle Fische waren tot. Neben den üblichen Weißfischen sah er Hechte, Barsche, Aale und Karpfen. Einige riesige Musterexemplare waren darunter. Und sogar ein Zander. Angler erzählten, dass es sie im See gäbe, aber gefangen hatte Wode bisher keinen.

Carsten Wode nahm den einen und anderen Fisch auf, betrachtete Kiemen, Augen, Schuppen. Die Tiere waren seit längerem tot, schloss der Biologe. Er verstaute die Reuse im Bug und wendete das Boot. Am geschützten Anleger vor dem Alten Kreishaus fingerte er Block und Stift aus seiner Fischerkleidung und notierte Fisch für Fisch die leblose Ausbeute. Er würde eine Ermittlung wegen Gewässerverunreinigung mit Fischsterben einleiten.

*

Ein unangenehmer Geruch wehte den Joggern, die am frühen Morgen über die Waldbachbrücke liefen, entgegen. Verwesungsgeruch war es, denn der steife Ostwind trieb das Wasser weit hinein in den Mündungstrichter des Waldbaches, und in der bräunlich grünen, schwappenden Sauce trieben hunderte und aber hunderte tote Fische. Wie ein einziger Leib hoben und senkten sie sich im anbrandenden Wasser.

„Was ist das denn?“

Der Leiter der Jogging-Gruppe nestelte sein Handy aus der Tasche am Laufgurt. Er wählte die Nummer des Rathauses und ließ sich mit dem Leiter des Ordnungsamtes verbinden. Bevor der Jogger über das unheimliche Vorkommnis berichten konnte, sagte der Beamte:

„Ja, wir sind informiert. Umweltpolizei und meine Leute sind auf dem Weg zum See. Vielen Dank für Ihre Meldung.“

Eine Frau aus der Gruppe, die sich die Nase zuhielt, sagte:

„Das muss auch die Naturschutzgruppe wissen. Wie heißt der Vorsitzende noch? Meise, glaube ich, Heiner Meise.“

„Gut, ich weiß, das ist ein sehr engagierter Mann. Aber den rufe ich von zu Hause an. Jetzt wollen wir erst einmal raus aus diesem Gestank!“

Und er setzte sich an der Spitze seines Trupps in Bewegung Richtung Vogelwiese. Auf dem Weg begegneten ihnen die ersten Fahrzeuge der Umweltpolizei.

*

Henny Eibacher und Trude Norwig waren zwei sportliche Frauen, die ihre Körper abhärteten. Seit über vierzig Jahren nahmen sie früh morgens ein Bad im Bordesholmer See. Von der Badeanstalt aus schwammen die Frauen, wenn es die Witterung zuließ, in Richtung Insel auf den See hinaus. Obwohl sie wegen des kräftigen Rückenwindes an diesem Tag gut vorankamen, warnte Henny:

„Lass uns nicht zu weit schwimmen. Zurück geht es gegen Wind und Wellen. Oder wir müssen rüber bis zur Vogelwiese und zu Fuß den Heimweg antreten.“

Aber Trude hörte gar nicht mehr zu. Sie war gegen etwas Großes, Festes, Glitschiges gestoßen:

„Ih gitt, ein toter Fisch! Und da, noch einer und noch einer!“

Beide Frauen stießen jetzt bei jeder Schwimmbewegung mit ihren Händen, Armen und Beinen an Fischkadaver.

„Ruhig bleiben, Henny, ruhig bleiben. Keine Panik!“ versuchte Trude ihre Freundin zu beruhigen, um im nächsten Moment selbst einen lauten Entsetzensschrei auszustoßen. Sie hatte einen länglichen Körper, einen Aal oder eine Schlange, gegriffen. Hektisch ruderte Trude zurück und würgte das verschluckte Wasser wieder aus.

Die geübten Schwimmerinnen verständigten sich. Sie wollten das nächste erreichbare feste Land ansteuern. Mit kräftigen Schwimmstößen strebten sie auf die Insel zu.

2

„Wenn die Regierung in Kiel ihre Gülle-Pläne wirklich umsetzt und die Wetterfrösche damit Recht behalten, dass der Herbst wieder sehr regnerisch und der Winter saukalt wird, bekomme ich richtige Probleme mit dieser verdammten Gülle.“ Besorgt schaute Schweinezüchter Klaus Tönnsen auf seine offene Anlage, die schon fast bis zum Rand mit der stinkenden Schweinegülle gefüllt war. Und die keineswegs den aktuellen Vorschriften entsprach.

„Na, ich hoffe, dass ich mit dem süffigen Bier und den knusprigen Schweinekoteletts die Anderen von meinem Vorhaben überzeugen kann“, brummte er in seinen dichten Vollbart. Mit Schwung und der ganzen Kraft seines Zweimeter-Riesenkörpers griff er die beiden Kästen Elephanten-Bier aus dem Kofferraum seines Mercedes-Geländewagens.

„Tanja, hast du an die Koteletts gedacht? Die Jungs müssten gleich hier sein. Ich habe noch den leckeren Kartoffelsalat von Edeka geholt.“

„Klaus, die Jungs sitzen schon in der Stube und warten auf dich. Taxi Rohwer war heute mal wieder besonders schnell.“ Tanja, die Ehefrau von Klaus, trug das volle Tablett mit den Biergläsern, den Tellern und Bestecken ins Wohnzimmer.

„Hast du den Flaschenöffner dabei? Gerhard, diese Muschi, kriegt sein Bier sonst nicht auf“, rief Klaus seiner Ehefrau hinterher. Er stellte einen Bierkasten in den Kühlschrank und ging mit dem anderen zu den Männern ins Wohnzimmer.

„Moin ihr Schwachköpfe!“ Rau, aber herzlich begrüßte Klaus seine Kumpel, die er alle vor langer Zeit auf der Landwirtschaftsschule in Rendsburg kennen gelernt hatte: Krischan Hansen, Besitzer eines 30 Hektar kleinen Hofes in Groß Buchwald, der nebenbei als Lohnunternehmer erfolgreich bei anderen Landwirten aushalf. Hans-Werner Meyer aus Negenharrie, der durch eine glückliche Familienpolitik mittlerweile über 250 Hektar sein eigen nennen konnte. Und Gerhard Rixen aus Brügge, der seine wenigen Rindviecher größtenteils auf fremden Wiesen weiden lassen musste, weil er selbst zu wenig Land besaß.

„So Jungs, nun lasst es Euch erstmal schmecken. Essen und Trinken ist genug da.“ Klaus nahm selbst einen Riesenschluck aus seinem Bierglas und griff zu Messer und Gabel.

„Was ist denn so Wichtiges zu besprechen?“ wollte Krischan Hansen wissen.

„Du klangst ja vorgestern am Telefon so geheimnisvoll!“

„Willst du deinen Bürgermeister wieder ärgern?“ fragte Hans-Werner Meyer nach. „Da wäre ich selbstverständlich gerne dabei.“

„Nein, nein. Dieses ist viel wichtiger. Es betrifft uns alle hier in diesem Raum.“ Klaus klang verschwörerisch.

„Es geht um unsere Zukunft und unser Überleben als Landwirt hier im Bordesholmer Land. Aber nun genießt erst mal das schöne, starke Bier aus Dänemark. Die Marke habe ich in unserem letzten Urlaub kennengelernt. Und die leckeren Koteletts haben gestern noch im Stall gequickt.“ Klaus schob sich einen großen Bissen in den Mund und zeigte deutlich, dass er mit seinem Thema noch warten wolle.

„Was hat sich denn der Habeck, unser Super-Landwirtschaftsminister, zwischenzeitlich Neues ausgedacht, um uns zu ärgern?“ griff Meyer das Gespräch auf.

„Ach, lasst den bloß in Ruhe. Der ist doch ganz in Ordnung“, mischte sich Gerhard Rixen erstmals ins Gespräch ein. „Der hat eigentlich gute Ideen.“

„Er ist vielleicht nicht ganz so blind wie seine Kabinettskollegen in Kiel. Aber lange hält sich diese Bande sowieso nicht mehr“, ließ Krischan Hansen wissen.

Klaus Tönnsen hatte seinen Teller leergeputzt und öffnete für sich und seine Kumpel die nächsten Flaschen Bier mit dem Messer:

„Ein Kamerad von der Wehr kennt einen, der bei der Landwirtschaftskammer arbeitet. Und der hat erzählt, dass das Ministerium die Vorschriften über die Gülle-Entsorgung noch weiter verschärfen will. Brüssel macht Druck gegenüber der Bundesregierung und die gibt den weiter an die Landesregierungen. Dass die Gülle-Sperrfristen auf Anfang Oktober erweitert werden sollen, ist ja seit einiger Zeit bekannt. Jetzt sollen wir aber auch gezwungen werden, mit moderneren Maschinen die Gülle auszubringen. Wer diese aber bezahlen soll, weiß kein Mensch. Egal ob in Brüssel, Berlin oder Kiel. Und das Ganze nur, weil wir angeblich durch zu viel Gülle das Grundwasser verseuchen.“

„Das ist ja auch so. Durch die Gülle steigen die Nitratwerte im Grundwasser über die zulässigen Grenzen. Und dadurch können die Menschen Krebs kriegen. Stand im letzten Herbst in der Holsteiner Zeitung“, meldete Gerhard sich ganz aufgeregt.

„Und ob das Fischsterben im Bordesholmer See nicht durch zu viel Gülle im Wasser entstanden ist, muss auch noch bewiesen werden!“

„Ach Gerhard, da versucht diese schreckliche Grünen-Vorsitzende ihr politisches Süppchen auf unsere Kosten zu kochen. Und der von dir verehrte Habeck hätte man lieber Schriftsteller bleiben oder wenigstens nur als Umweltminister die Bevölkerung gängeln sollen. Aber in seiner zusätzlichen Funktion als Landwirtschaftsminister macht er uns das Leben doch wirklich unnötig schwer!“ Hans-Werner Meyer wiederholte energisch seine ablehnende Haltung.

„Bei unserem alten Hans Wiesen wäre das bestimmt nicht passiert!“

„Hans-Werner, da hast du völlig recht. Der Teske vom Wasserwerk hat mir gerade neulich bestätigt, dass die Wasserwerte im Bordesholmer Land regelmäßig kontrolliert würden und immer in Ordnung seien“, pflichtete Krischan Hansen bei. „Aber Klaus, verrate uns mal, was du denn vorhast?“

„Ich habe mir da eine Idee durch den Kopf gehen lassen. Die neuen Vorschriften werden wohl frühestens im nächsten Frühjahr in Kraft treten, so hat der Kumpel erzählt. Lasst uns daher versuchen, unsere Güllebestände wegen der eventuell nassen oder gefrorenen Wiesen vorher zu entsorgen, vielleicht auch ein wenig mehr als wir eigentlich dürfen“, wagte sich Tönnsen aus der Deckung.

„Jeder von uns hat doch Landstücke, wo irgendwelche übereifrigen Bürgermeister, Gemeindevertreter, Naturschützer oder Polizisten nicht vorbei kommen. Wenn wir da fleißig unsere Gülle ausschütten, können wir unsere Tanks noch vor dem nächsten Winter leer kriegen. Da ich aber sehr viele Schweine in den Ställen stehen habe und die meisten meiner Wiesen von den Reitern und Joggern einzusehen sind, brauche ich eure Hilfe. Ich würde mich ja auch bei euch erkenntlich zeigen“, schmeichelte sich Klaus bei den anderen ein.

„Und wie soll das aussehen?“ Krischan Hansen, der permanent wenig Geld hatte, zeigte Interesse.

„Eine Hand wäscht die andere, mir fällt da schon etwas ein. Vielleicht brauchst du ja mal wieder eine fette Sau. Die soll es übrigens auch sehr schön in der ‚Venus’ geben“, orakelte Tönnsen. Es dauerte, bis bei den anderen der Groschen fiel:

„Du sollst in diesem feinen Saunaclub ja Stammgast sein, habe ich gehört“, freute sich Hans-Werner Meyer.

„Gegen einen gemeinsamen Betriebsausflug nach Grevenkrug hätte ich nichts einzuwenden. Wenn Klaus bezahlt, ist die Sache doch in Ordnung!“

„Was soll ich denn in diesem blöden Puff?“ empörte sich Gerhard Rixen. „Ich bin seit über 20 Jahren glücklich verheiratet.“

„Eben drum, da kann doch etwas Abwechslung bestimmt nicht schaden.“ Auch Krischan Hansen fand Gefallen an der Idee.

„Also, ich hätte da ein geeignetes Stück Land in der Feldmark. Da laufen ab und zu ein paar Hundebesitzer mit ihren Tölen.

Aber die achten nur darauf, dass ihre vierbeinigen Lieblinge nicht hinterm Wild herjagen. Ob da Gülle im Boden ist oder nicht, merken diese Städter gar nicht.“

„Und bei den Bauern, auf deren Land du arbeitest? Kannst du da keine Gülle verschwinden lassen?“ fragte Hans-Werner nach.

„Aber bitte nicht bei mir!“

„Doch“, antwortete Hansen, „da fallen mir bestimmt einige Stinkstiefel ein, die ich wegen ihrer schlechten Zahlungsmoral schon immer mal ärgern wollte.“

„Und ihr beiden? Wie sieht es bei euch aus?“ fragte Tönnsen seine Freunde aus Brügge und Negenharrie.

„Also, ich war mal mit Feuerwehrkameraden in der ‚Venus’. War wirklich ein feucht-fröhlicher Abend, bei dem ich viel Spaß hatte. Wenn du die Runde schmeißt, helfe ich dir bei deiner Schweinegülle. Prost lieber Klaus!“ freute sich Hans-Werner jetzt schon auf den Ausflug in die ‚Venus’.

„Und du alter Moralapostel?“ Klaus Tönnsen schaute Gerhard Rixen an.

„Ich bleibe bei meiner Meinung! Euren Bordellbesuch könnt ihr alleine machen.

Und die zusätzliche Verschmutzung des Bodens oder des Wassers kann ich auch nicht gutheißen.“ Gerhard Rixen kniff seine schon normal sehr schmalen Lippen noch mehr zusammen und sah seine Mittrinker verbiestert an.

„Ich will mich jetzt auch auf den Heimweg machen. Kann Tanja mal die Droschke klarmachen und bei Rohwer anrufen?“

Klaus tippte auf seinem iPhone die Homepage der ‚Venus’:

„Und diese netten Mädels hier können Dich nicht umstimmen? Egal, ob schwarz, braun oder blond. Die haben etwas für alle Geschmacksrichtungen. Nur Glatzenträgerinnen habe ich dort noch nicht gesehen.“ Er zeigte laut losprustend die Bilder von den leichtbekleideten Mädels und öffnete noch vier Bierflaschen.

„Ach Gerhard, komm und mach mit. Früher in Rendsburg haben wir doch auch immer viel Spaß miteinander gehabt“, versuchte Hans-Werner zu überzeugen.

„Ich denke nur an unseren Betriebsausflug auf die Reeperbahn. Mein Gott, warst du da gut drauf. Du konntest doch gar nicht genug kriegen.“

„Das ist doch schon ewig her, da waren wir noch jung und unverheiratet“, reagierte Gerhard beleidigt.

„Jetzt sind wir auch noch jung und brauchen Geld“, lachte Hans-Werner. „Nun sei keine Spaßbremse.“

„Ich lass Euch jetzt alleine mit Euren blöden Ideen und bitte Tanja, mir das Taxi zu rufen. Vielen Dank für Speis und Trank, lieber Klaus.“ Gerhard stand mit ungelenken Bewegungen von seinem Stuhl auf, klopfte auf den Tisch und verschwand in Richtung Küche.

„Boah, ist das ein langweiliger Spießer geworden, seitdem er mit dieser Brigitte verheiratet ist. Aber die ist ja auch spannend wie so ‘n Schluck Wasser in der Kurve“, schimpfte Klaus über seinen Kollegen. „Jetzt trinken wir noch etwas richtig Gutes.“

Er ging zum Wohnzimmerschrank, hinter dessen Glasscheibe Kristallgläser in allen Größen und einige Spirituosen standen.

„So etwas Feines gibt es nicht alle Tage.“ Er kam mit drei Schnapsgläsern und einer Flasche ‚Ziegler No. 1’ zurück.

„Dieses Kirschwasser schmeckt euch bestimmt besser als der obligate Oldesloer bei der Wehr.“ Er schenkte die Gläser für sich und seine beiden Freunde voll:

„Prost, Jungs auf die Gülle und die Mädels von der ‚Venus’.“

3

Damians Handy hatte in seiner Hosentasche geklingelt. Damian musste grinsen, weil er an die Werbung im Fernsehen dachte, wo ein Junge immer rief: „Ruf mich an, ruf mich an“, weil er es so schön fand, wenn das Handy in seiner Hosentasche vibrierte.

Damian schaute auf das Display, es war eine von den drei Logistikfirmen aus Warschau. Er hatte sie gespeichert und wusste, wer am anderen Ende war.

„Hallo Damian, hast du morgen Zeit? Ich habe hier eine Ladung, die muss nach Schleswig Holstein, bei Bordesholm, genaugenommen nach Hoffeld. Du kennst dich da ja aus.“

Damian hatte Zeit, trotzdem zögerte er. Erstens wollte er dem am anderen Ende vormachen, er hätte viel zu tun, und zweitens hatte er die Erfahrung gemacht, dass die Firma oft mit Ladungen zu tun hatte, die nicht ganz koscher waren.

„Was ist das denn für eine Ladung?“ fragte er deshalb unsicher.

„Ach, nur Pflanzenschutzmittel, in Säcken auf Palletten. Mit einem Gabelstapler bist du schnell vom Acker. Das ist was Neues, muss erst mit Wasser verdünnt werden. Mit ‚Schwiegermuttergift’ ist es ja nun vorbei, das E 605 ist doch nach mehreren Giftmorden verboten.“

Damian wusste, dass E 605 viele Opfer gefordert hatte, weil es geruchs- und farblos war.

„O.k.“, sagte Damian, „...ich komme. Morgen bin ich bei euch in Warschau.“

Die Verladung ging wirklich flott vonstatten. Während er zuschaute, wie die zwei Gabelstapler abwechselnd seinen LKW beluden, trank er einen Kaffee aus dem Automaten.

Mit einem Grinsen im Gesicht, sich über seinen neuen Auftrag freuend, fuhr Damian vom Hof in Richtung Schleswig- Holstein.

Genüsslich schob er seine neu aufgenommene Kassette ins Radiofach. Er hatte sich die Mühe gemacht, extra die Lieder aus der polnischen Hitparade aufzunehmen.

Die gesetzlich vorgeschriebene Pause benutzte er, um seine Bremsen zu prüfen. Er war mit dem LKW losgefahren, ohne zu merken, dass die Handbremse nicht gelöst war. Wohlgemerkt, den Hebel hatte er gelöst. Mit dem Hammer hatte er dann die Bremsbeläge bearbeitet, um sie gängig zu machen. Nun war er weitergefahren, ohne sich weiter ausruhen zu können. Um etwas gegen seine Müdigkeit zu unternehmen, goss er sich einen inzwischen kaltgewordenen Kaffee ein. Und da er trotz Krach einzuschlafen drohte, sang er laut zu seiner Musik.

Damian war nicht der Größte mit seinen 173 Zentimetern. Seine Haare waren kurz geschoren, und sein sogenannter „Dreitagebart“ ließ ihn sympathisch aussehen. Er ließ seinen Bart einfach nur wachsen, nicht weil es modern war, sondern weil er sich nicht die Zeit zum Rasieren nahm. Natürlich trug er eine Jeans. Seine Füße steckten in Stiefeln. In seiner Kabine fühlte er sich wie zu Hause, und deshalb trug er ein ärmelloses Hemd über das er eine Jacke streifte, wenn er aussteigen musste.

Sein Auto war schon nicht mehr das Neueste, aber es gehörte ihm. Und er war froh über jeden Job, den er bekommen konnte. Für die Tour hatte er sich eine Route im Internet ausgesucht. Nicht soviel auf der Autobahn. Dort sind oft Kontrollen von der Deutschen Polizei. Lieber über die Dörfer auch weil sein LKW sowieso nicht der Schnellste war. Damian war in Deutschland gemeldet und wohnte auch dort. Sein Auto hatte er aber in Polen angemeldet, dort gab es keinen „Technischen-Überwachungs- Verein“ wie in Deutschland. In Deutschland hat er sich angemeldet, weil die Geschäfte hier lukrativer sind. Sie werden besser bezahlt. Und wenn er keine Geschäfte machte, würde er vom Staat unterstützt.

Da sein Auto nicht das Neuste war, musste er, wenn er in den nächsten Gang schalten wollte, die Kupplung nicht nur einmal treten, sondern zweimal. Um aber in den nächsten Gang zu schalten, musste Damian noch kurz das Gaspedal betätigen. Und das Ganze auch noch im Stehen, weil er im Sitzen mit seinem Fuß das Pedal nicht erreichte. Der Fahrersitz war angerostet und nicht mehr zu verstellen.

Es dämmerte bereits, und es fielen Graupelschauer aus dunklen Wolken. Damian schaltete seine Wischer ein, die sich mühsam über die Scheiben quälten. Statt neue Scheibenwischer zu kaufen, hatte er sich auf dem Dach seiner Fahrkabine ein Nebelhorn montiert. Wie in den amerikanischen Filmen hatte er sich eine Leine unter dem Dach angebracht, um das Horn zu betätigen. Damian war mächtig stolz auf seine Hupe.

Wenn er seine Ladung rechtzeitig loswürde, sinnierte er, wollte er noch in den Club ‚Venus’ einkehren. Er hatte gehört, dass der Club in Richtung Kiel, direkt an der Straße lag.

Es waren nur wenige Kilometer hinter Bordesholm, als Damian wieder einen Gang hochschalten musste. In diesem Augenblick fing seine Kassette an zu leiern. Im Stehen drückte er hektisch die Auswurftaste, weil er ahnte, dass der Rekorder Bandsalat produzieren würde. Zu spät bemerkte Damian die Kurve. Als er das Lenkrad herumriss, war es schon um ihn geschehen. Rumpelnd blieb der LKW auf der Wiese stehen.

Damians Herz raste wie wild. Er musste sich erst einmal orientieren. Seine Knochen waren alle heil geblieben. Es war still. Er hatte den Motor abgewürgt. Die Musikkassette hing in der Luft, nur noch durch das Band gehalten, und taumelte hin und her. Regen fiel leise auf die Scheibe.

Vorsichtig startete Damian den Motor, der ohne Probleme ansprang.

„Mein liebes Autochen lässt mich nicht in Stich“, verfiel Damian in ein Singsang. Automatisch kam die Prozedur, Kupplung, Gas, Kupplung, Schalten und hinsetzen. Aber der Wagen schüttelte sich nur. Das Gleiche nochmal. Kuppeln, Gas, kuppeln und Rückwärtsgang. Wieder nur das Schütteln.

Damian zog sich seine Jacke an, die auf dem Beifahrersitz lag, öffnete die Tür und sprang gekonnt aus dem Auto. Als er zum Heck ging, konnte er erkennen, dass die Hinterräder fast bis zur Achse eingesackt waren.