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"Ich verschlinge die GILDE-DER-JÄGER-Bücher. Sie sind perfekt!" SYLVIA DAY
Die Welt der Engel, Jäger und Vampire steht vor dem Abgrund. Nur knapp sind Elena und Raphael ihrem Schicksal entronnen und haben überlebt - doch der Preis dafür war hoch. Schon erhebt sich eine neue Gefahr: Dunkler Nebel hüllt ganze Landstriche ein und rottet die Bevölkerung aus. Schnell wird klar, dass dieses Gift stark genug ist, um auch den Erzengeln gefährlich zu werden. Selbst die versammelte Kraft des Kaders scheint nicht auszureichen, um die Welt zu retten. Dieser Krieg könnte sie alle das Leben kosten ...
"Nalini Singhs GILDE-DER-JÄGER-Serie überwältigt mit Schönheit und Sinnlichkeit!" HEROES AND HEARTBREAKERS
Band 12 der GILDE DER JÄGER von SPIEGEL-Bestseller-Autorin Nalini Singh
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Seitenzahl: 839
Titel
Zu diesem Buch
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Nachspiel
Die Autorin
Nalini Singh bei LYX
Impressum
NALINI SINGH
Engelskrieg
GILDE DER JÄGER
Roman
Ins Deutsche übertragen von Dorothee Danzmann
Nach langen Monaten der Ungewissheit sind Elena und Raphael endlich aus ihrem Schlaf erwacht – unwiderruflich verändert. Elena hat dem Versuch der Kaskade widerstanden, sie in ein reines Gefäß für Raphaels Wildfeuer zu verwandeln. Ihr Wille war stark genug, sie hat sich nicht brechen lassen und dank eines kleinen Teils von Raphaels Herz überlebt. Dieser hat die neuen Fähigkeiten, die die Kaskade ihm verliehen hat, angenommen und kämpft nun damit, sich selbst nicht zu verlieren, denn die eisige Kälte seiner neuen Kraft sickert mit jedem Tag tiefer in seine Zellen. Je mehr er sie sich zu eigen macht, desto stärker wird sie ein Teil von ihm und desto schwerer fällt es ihm, das bisschen Menschlichkeit, das Elena ihm geschenkt hat, zu bewahren. Aber ohne diese Kraft kann er nicht genügend Wildfeuer erschaffen, um Lijuan zu besiegen. Und das ist die einzige Waffe, die sie gegen den Erzengel von China haben. Die Zeichen mehren sich, dass Lijuan nicht mehr lange schlafen, sondern sich erheben und die Welt mit Tod überziehen wird. Schon hüllt ein dunkler Nebel ganze Landstriche in China ein und tötet die Bevölkerung – auch die Erzengel sind nicht immun gegen dieses Gift. Selbst die geballte Kraft des Kaders scheint nicht auszureichen, um Lijuan zu stoppen und den Krieg zu verhindern, der sie alle das Leben kosten könnte …
Dmitri stand hoch oben auf einem Turmbalkon und hielt Ausschau. Ein scharfer Wind strich ihm die Haare aus dem Gesicht, sorgte dafür, dass ihm das schwarze T-Shirt am Leib klebte und kündigte mit einem gewissen Biss eine kältere Jahreszeit an. Der Winter war vergangen, während Raphael und Elena schliefen, danach das Frühjahr, ein großer Teil des Sommers, und nun lauerte der Herbst am Horizont. »Wie oft bin ich mit Raphael durch das bunte Laub gegangen«, sagte er zu der Frau an seiner Seite. »In einem Regen aus orangefarbenen, gelben und glutroten Blättern.«
Honor zog leicht an seiner Hand, die er zur Faust geballt in die Tasche geschoben hatte. Er ließ zu, dass Honor sie ihm aus der Tasche zog und ihre Finger um seine schlang. »Gibt es wieder Probleme?«
»Ja. Ich spüre, wie sich irgendetwas aufbaut.« Bislang hatten er und die anderen aus Raphaels Gruppe der Sieben sämtliche Herausforderungen meistern können, nicht zuletzt auch dank der Unterstützung jener aus dem Kader, die nicht zulassen wollten, dass sich die Aasgeier über Raphaels Territorium hermachten. Und trotzdem kreisten inzwischen riesige Raubvögel über der Stadt, im Central Park hielten Berglöwen ihren Mittagsschlaf, und Calianes erfahrenste Schwadron hielt an den Stadtgrenzen Wache.
»Wieso erfolgen die Angriffe jetzt schon?« Honor streichelte Dmitris Arm. »Es ist doch noch nicht einmal ein Jahr vergangen.«
»Die Armee, die mit Favashi kam, ist wieder umgekehrt, aber nicht freiwillig. Das waren ausnahmslos Lijuans Leute. Sie haben Parasiten wie Charisemnon eingeflüstert, dieses Territorium könnte ihm gehören, er brauche es sich nur zu nehmen.« Nicht nur Charisemnon, auch weniger mächtige Engel hatten sich schon an einer Herausforderung versucht.
Dem ersten hatte Dmitri den Kopf abgeschlagen.
Den zweiten hatte Illium mit seiner Kraft in Flammen aufgehen lassen, bis nichts mehr von ihm übrig war.
Den dritten hatte Venom mit zwei rasiermesserscharfen Klingen in Einzelteile zerlegt.
Danach war es erst einmal nicht zu weiteren Versuchen gekommen, wobei sich das jederzeit ändern konnte. »Vorhin traf Jasons letzter Bericht ein. Seine Spione konnten bestätigen, was wir bereits gehört hatten: Lijuans Leute verbreiten das Gerücht, Raphaels Verschwinden hinge mit dem von Favashi zusammen, und sie hätte ihn mit dem Gift infiziert, das sie in sich trägt. Er sei entweder tot oder liege im Sterben, verbreiten diese Schweinehunde, und ein Stärkerer müsse sein Gebiet übernehmen, bevor sich die Vampire im Blutrausch erheben.« Außerdem wurde behauptet, Dmitri habe sich »über seinen Stand erhoben« und verhalte sich anmaßend, weil er Raphaels Territorium überwache. Als würde er auch nur im Traum daran denken, es zu übernehmen! Die armen Irren.
Honor lehnte den Kopf an seine Schulter und sah einem Kondor zu, der ihren Balkon ansteuerte, um direkt neben ihnen zu landen. »Du lässt diese albernen Gerüchte doch aber nicht an dich ran, oder? Die dich als Verräter bezeichnen?« Sie musterte ihn streng. »Weil ich dann nämlich ein ernstes Wort mit dir reden müsste.«
Ohne die ständigen Drohungen in der Luft, die ihn wütend machten, ob er nun wollte oder nicht, hätte Dmitri jetzt wohl gelächelt. Seine Frau kannte ihn wirklich sehr gut. »Solche Sprüche sind mir nicht neu, ich bin schon öfter damit fertiggeworden.« Außer Raphaels engstem Kreis schien niemand akzeptieren oder auch nur begreifen zu können, dass der Stellvertreter des Erzengels genau dort war, wo er sein wollte. Raphael und ihn verband eine lange, auf Vertrauen und Loyalität basierende Beziehung, eine gemeinsame Geschichte, nicht ohne Kummer und Schmerz. Diese Beziehung jedoch würde kein anderer Kader je nachvollziehen können.
Mehr noch als Erzengel und Stellvertreter waren die beiden Freunde. Raphaels Liebe zu Elena hatte diese Freundschaft noch gefestigt, denn vor Elena wäre Raphael um ein Haar der Kälte der Unsterblichkeit zum Opfer gefallen. Er hatte sich damals in einem Maß von anderen distanziert, dass von dem Freund, der in so vielen Schlachten an Dmitris Seite gekämpft hatte, kaum noch etwas übrig gewesen war. »Um die Vampire mache ich mir größere Sorgen.«
»Wenigstens hatten wir bis jetzt noch keine Probleme mit Blutrausch.«
»Richtig, bis jetzt.«
Der ersten Gruppe Vampire, die gemeint hatten, ihre Muskeln spielen lassen zu können, hatte Dmitri Andreas auf den Hals gehetzt. Der kampferprobte Engel hatte sie allesamt enthauptet, ihre blutigen Köpfe aufgespießt und in der Stadt ausstellen lassen. Dmitri mochte Andreas. Der Engel wusste, wie man einen Standpunkt deutlich macht, und er war Raphael ebenso treu ergeben wie Dmitri.
Seitdem hatte sich keine andere Gruppe mehr zu mucksen gewagt.
»So wird es nicht weitergehen«, sagte Dmitri jetzt zu Honor. »Ich werde schon bald viel brutaler vorgehen müssen.« Vampire wurden von ihrer Gier nach Blut gesteuert. Das war eine schlichte Tatsache, mit der man leben musste. Dmitri hatte seine eigenen Gelüste schon vor langer Zeit gezähmt und hätte auch Honor geholfen, ihre in den Griff zu bekommen, hätte seine Frau die ihr angeborene Gelassenheit und Nachdenklichkeit nicht umstandslos aus der Sterblichkeit in die Umwandlung mitnehmen können.
Gut möglich, dass das ständige Zusammensein mit Dmitri ihr dabei geholfen hatte, aber so oder so war seine Frau eine der stabilsten jungen Vampirinnen, die Raphaels Nummer zwei je gekannt hatte. Trotzdem arbeitete sie ständig daran, die Kontrolle über ihre Gelüste noch weiter zu perfektionieren und legte dabei dieselbe Hingabe an den Tag, mit der sie früher ihren Aufgaben als Gildejägerin nachgegangen war.
Es gab jedoch leider genügend andere Vampire, die sich diese Mühe nicht gaben, sondern in Bezug auf die Gefahren ihrer Existenz eine gewisse Arroganz zur Schau stellten.
Diese Vampire würden ohne die Kontrolle durch einen Erzengel irgendwann vergessen, was Angst war und ein Blutvergießen anrichten. Dann musste Dmitri reagieren, schnell, gnadenlos und unerbittlich. Köpfe mussten rollen, bis eine Welle des Todes wieder für die nötige Furcht in den Herzen von Vampiren und Sterblichen sorgte.
Der Kondor, der sich neben ihnen niedergelassen hatte, schwang sich nun mit mächtigem Flügelschlag in die Lüfte, wobei er Honors rechtes Bein streifte. Er stieg vor ihnen hoch in die Luft, flog einen Kreis, öffnete weit den Schnabel und stieß einen markerschütternden Schrei aus. In diesem Moment erhoben sich überall in der Stadt Vögel von den Dächern. Der Wind wurde mit einem Mal so heftig, dass er wie ein wütender Gegner auf sie eindrosch.
Honor musste sich breitbeinig hinstellen, um nicht ihren Stand zu verlieren. Ihr weiches, ebenholzschwarzes Haar flatterte wie eine Fahne im Wind. »Was ist denn jetzt los?«
Das wusste Dmitri auch nicht, aber sein Blick wanderte unwillkürlich hinüber zur Enklave, wo sein Sire lag, reglos und wie tot und wo Elena in einem Kokon verschwunden war, der weder pulsierte noch sonst ein Anzeichen von Leben erahnen ließ.
Erzengel Kassandra schlief unruhig. Es wollte sich einfach kein rechter Friede einstellen. Immer wieder schossen ihr Bilder einer Zukunft durch den Kopf, die sie nicht sehen wollte. Dabei hatte sie in dieser Frage nie die Wahl gehabt. Sie musste sehen, ob mit geschlossenen oder offenen Augen, mit herausgerissenen oder gesunden. Sie sah.
Die Fäden der Zeit.
Leuchtend und hell.
Dunkel und zerfetzt.
Verworren und seiden.
Sie sah.
Na ja, ich bin mir bei diesem ganzen Vorbestimmungskram wirklich nicht so sicher.
Diese Stimme, so jung, so unbedacht, so entschlossen. Dieses Kind hatte die Zeit verändert, die bereits gesehene Zukunft zunichtegemacht.
»Meine Prophezeiung«, murmelte Kassandra in ihrem unruhigen Schlaf. Ihr unendlicher Verstand spürte die Energie wachsen, spürte, wie die Zukunft erneut ihre Gestalt änderte.
Ein schlafender Erzengel sonderte keine Energie ab, hatte keinen Einfluss auf die Welt. Das war eine allseits bekannte Tatsache, die nie infrage gestellt worden war. So waren nicht nur die Schlafenden geschützt, auch die Welt konnte sich sicherer fühlen. Wer wusste denn schon um die Träume oder Alpträume eines uralten unsterblichen Wesens? Welche schrecklichen Veränderungen könnten so ohne Vorsatz, ohne Nachdenken über die Welt kommen!
Aber Kassandra schlief nicht, sie klammerte sich an dieses Dämmerlicht, halb Schlaf, halb Wachsein, bekam wie in einem grauen Dunst mit, was in der äußeren Welt geschah. Sie streckte die Arme aus und schlang sie um eine Energie, die die Welt in Flammen aufgehen lassen konnte.
Die Legion wachte. Ihre Geduld kannte keine Grenzen, denn Zeit war für sie ein Begriff ohne Bedeutung. Manchmal sprach das trauernde Glockenblümchen mit ihnen. Sechs Monate seien vergangen, erklärte der Engel, dann sieben. Die Legion wollte wissen, was das bedeutete.
»Ein Schmetterling schlüpft nach zehn Tagen aus seiner Puppe. Ein Kind wächst neun Monate lang im Leib seiner Mutter. Die Erde braucht zwölf Monate, um einmal um die Sonne zu kreisen. Bis aus einem Samenkorn ein Eichenbaum gewachsen ist, vergehen Jahrzehnte. Und ein Engelskind gilt erst mit einhundert Jahren als erwachsen. Sieben Monate – das sind nur Tropfen im Brunnen der Zeit.«
Glockenblümchen sagte das so, als sei damit alles zur Zufriedenheit erklärt, aber die Legion sah doch, wie jeder Tag, in dem sich in dem Zimmer, vor dem sie wachten, nichts rührte, neue Kummerfalten ins Gesicht des Engels gruben.
Ihr Erzengel schlief, ohne sich zu regen, unter einem Etwas, das an Spinnweben erinnerte und seinen Ursprung in dem Kokon hatte, in den Elena eingesponnen war.
Elena, die eine Hälfte der Aeclari. Elena, die Dinge anbaute. Die ein Haus aus Glas besaß, in dem es immer grün, immer warm war. Elena, die Kriegerin, die mit der Legion sprach, wie es noch niemand zuvor getan hatte.
Elena, schweigend, still, eingehüllt in einen Kokon.
Die von diesem Kokon ausgehenden feinen Härchen hatten sich in den vergangenen Stunden rapide im ganzen Raum ausgebreitet, als würden sie von einer Energie gespeist, die die Legion nicht sehen, die sie nicht spüren konnte. Schon sah man Raphaels tiefschwarzes Haar kaum noch, schon waren seine riesigen, breiten Flügel so gut wie bedeckt. Den Kokon, der immer zu klein gewesen war, erkannte man gar nicht mehr.
Wächst der Kokon?
Wir sehen es nicht.
Wir können es nicht wissen.
In nur einer Stunde kann er nicht gewachsen sein.
Die Filamente wachsen, sie nehmen zu.
Werden mehr und immer mehr.
Schneeweiße Seide bedeckt die Wände.
Wir schmecken keine Energie.
Aber die Filamente kriechen flüsternd durch das Zimmer.
Der Kokon muss wachsen.
Wir können das nicht sehen.
Er war zu klein.
Wie sollen ihre Flügel da hineinpassen?
Glockenblümchen hat uns an Schmetterlinge erinnert.
Wir hatten die Schmetterlinge vergessen.
Er hat uns einen zu kleinen Kokon gezeigt.
Aber Elena ist kein Schmetterling. Ein Engel entsteht nicht in einem Kokon.
Warum breiten sich die Filamente aus?
Wächst der Kokon?
Wir können es nicht sehen.
Die Stimmen waren er, und er war die Stimmen. Sie waren die Legion.
»Wir wachen«, sagte Handschwinge. »Wir beschützen.«
Aber vor ihren Augen veränderten sich die Dinge, und ein schwacher Glanz ging von der Stelle aus, wo die Aeclari gelegen hatten, bevor die zarten Filamente Raphaels Körper und Elenas Kokon zu überwuchern begannen.
Auf dem Balkon vor den Türen, die jetzt teilweise mit der schneeweißen Seide der Filamente verhängt waren, drehte sich Glockenblümchen um. Illiums Augen wurden groß und rund, als er das leuchtende Meer aus weißen Härchen sah. Aber ehe er die Türen öffnen konnte, drängte sich eine vertraute Stimme in ihrer aller Bewusstsein.
Alle weg, sofort! Der strenge Befehl eines Erzengels. Räumt den Himmel über uns, räumt alles um uns herum. Weg. Sofort.
In den Köpfen der Legion hallten die letzten Worte noch wider, da waren sie schon unterwegs. Sie waren Raphaels Legion, Elenas Legion, sie hatten einen Befehl erhalten. Glockenblümchen gehörte nicht zu ihnen, war einer der Sieben. Einmalig, mit eigenem Bewusstsein.
Auf seinem Gesicht zeichneten sich schwere Qualen ab, während er den Kopf neigte, und Handschwinge sah, wie seine Lippen das Wort Sire formten.
Mit einem Mal war alles in Bewegung.
Glockenblümchen ließ sich ins Gras unter dem Balkon fallen und rannte ins Haus.
Die Legion teilte sich in vier Gruppen auf und durchkämmte die Umgebung. Schon strebten geflügelte Wesen mit ernsten Gesichtern und fest entschlossenen Mienen hoch in der Luft dem Fluss zu. Legionäre landeten auf den nächstgelegenen Straßen und hielten Autos auf, die sich nicht einmal in der Nähe von Aeclaris Haus befanden – wusste man denn, wie groß das zu räumende Gebiet sein musste?
Die ersten Wagen hielten mit laut kreischenden Bremsen, der scharfe Geruch verbrannten Gummis lag in der Luft. Die Legionäre rissen die Wagentüren auf, zerrten die verdatterten Vampire heraus und flogen mit ihnen davon, immer zwei Legionäre mit einem Vampir. Eine Gruppe verschreckter Menschen, Nahrung eines Vampirs auf dem Weg nach Hause, wurde ebenso unsanft aus ihren Fahrzeugen gerissen und davongetragen, wimmernd, aber ohne sich zu wehren. Auch die Vampire wehrten sich nicht, nachdem sie gesehen hatten, mit welcher Geschwindigkeit die Engel aus der Enklave dem Fluss zustrebten.
Aus allen Fenstern des Hauses der Aeclari strahlte goldenes Licht.
Viele der Engel auf dem Weg über das Wasser hielten Vampire oder Menschen in den Armen, brachten die Mitglieder ihres Haushalts in Sicherheit. Glockenblümchen flog als einer der letzten aus der Enklave. Die Legion sprach eigentlich kaum mit jemandem, außer mit den Aeclari, aber ihn sprachen sie an. Sind Aeclaris Leute in Sicherheit? Das war wichtig, wusste die Legion. Die Aeclari hatten enge Bindungen zu denen, die im Haus lebten.
Ja, ich habe sie alle rausgeholt. Glockenblümchen, der schneller flog als Handschwinge und sich manchmal mit den Autos von Dmitri und Viper Rennen lieferte, ließ sich von der Klippe fallen, die Schwingen von einem so hellen goldenen Licht geküsst, dass man es kaum ertragen konnte. In der einen Hand hielt der Engel einen rechteckigen Gegenstand, in der anderen Dinge, die sie erkannten.
Einige aus der Legion flogen zu ihm und nahmen ihm diese Dinge ab. Eigentlich kannten sie »Dinge« in diesem Sinne nicht, aber diese hier waren in ihrem Bewusstsein mit den Aeclari verbunden. Wir fliegen sie in den Turm.
Die meisten Engel flogen Richtung Manhattan, und wer von den Legionären Vampire oder Sterbliche trug, flog ebenfalls weiter. Aber Handschwinge und alle anderen, die nur ihren eigenen Körper zu befördern hatten, drehten sich über dem Wasser noch einmal um.
Vor ihnen schwebte Glockenblümchen auf weit ausgebreiteten silbrigblauen Schwingen, sein Gesicht lichtdurchflutet von dem sengenden Glanz, der den Fluss in Gold verwandelt hatte.
Und der Glanz nahm zu, breitete sich aus.
Bis das Licht zu grellem Feuer geworden war und selbst Handschwinge den Glanz nicht mehr ertragen konnte und schützend die Arme vor die Augen hob. Das Letzte, was er sah, war eine intensive, weiße Helligkeit.
Die Wucht der Explosion schleuderte sie alle zurück.
Raphael erwachte mit dem Gesicht auf heißer Erde, so heiß, dass sie leuchtete. Er war zu früh aufgewacht, sein neues Herz noch nicht ganz bereit. Es war bei der ungeheuren Energieentladung zerbrochen, erkannte er jetzt, und das winzige menschliche Herz darin lag frei. Dieses kleine Herz war unter dem Druck explodiert.
Teile davon schwammen in seinem Blut, gelangten durch die Blutbahn in sein gesamtes System. Ein Blutsystem, in dem es jetzt kein Wildfeuer mehr zu geben schien und auch keine goldenen Blitze. Ohne auch nur einen Gedanken an diesen Verlust zu verschwenden, ohne die qualvollen Schmerzen in seiner Brust zu beachten, schlug er die Augen auf und sah in ein Augenpaar aus flüssigem Silber.
Ein Augenpaar, dessen Blick er eine Ewigkeit standhielt.
Elena reagierte nicht, und das Silber ihrer Augen schien umwölkt, verschwommen. Dann schlossen sich die Lider.
Benommen, sie war benommen! Raphael versuchte, sich zu beruhigen. Natürlich war sie noch nicht ganz da, sie wachte doch eben erst aus einem tiefen Schlaf auf. Sie war zu früh aus diesem Kokon gerissen worden, der sie verzehrte, während er sie gleichzeitig neu schuf. Natürlich brauchte sie Zeit, um ganz wach zu werden.
Um sie herum glühte die Welt, goldenes Feuer knisterte, eine Hülle aus purer Energie.
Er hatte sie zuletzt in einem Traum gesehen, den sie beide geträumt hatten, während sie mit der heimtückischen Kraft der Kaskade um Elenas Verstand, ihre Erinnerungen, ihr ganzes Ich rangen. Zum Schluss war ihnen keine andere Wahl geblieben als das hier, Raphael hatte die rohe Kraft freisetzen müssen, es war nicht anders gegangen. Nur so ließ sich der Prozess der Verpuppung vielleicht endlich aufhalten, um Elena den Machenschaften der Kaskade entreißen zu können.
Raphael hatte seine Energie, seine Kraft, in den Boden gejagt, aber jetzt wirbelte sie in der Luft um ihn und Elena herum, als wäre so viel davon vorhanden, dass selbst die Erde sie nicht aufzunehmen vermochte.
All das war Raphael egal. Er hatte nur Augen für seine Jägerin.
Ihre Wimpern, wie zwei kleine Fächer, warfen Schatten auf ihre Haut, ihre Lippen waren weich, alles sah fast so aus, als schliefe sie friedlich neben ihrem Erzengel im gemeinsamen Bett. Aber seine Elena lag selbst im Schlaf nie so ruhig, so reglos da wie jetzt. Nie hatte sie diese Gelassenheit ausgestrahlt.
Vielleicht … vielleicht war Raphaels Alptraum ja schon wahr geworden, vielleicht war das Schlimmste bereits eingetreten und der Kokon hatte seinen Zweck erfüllt und ein Wesen mit Elenas Gesicht erschaffen, das weder ihre Seele barg noch ihre Erinnerungen. Ein Wesen ohne ihr Lachen und ihren Esprit.
Raphaels Nägel bohrten sich in die heiße, steinige Erde.
Er musste sich zwingen, ganz genau hinzusehen, die ganze Gestalt neben sich wahrzunehmen. Der Kokon war zu klein gewesen, das hatte selbst Raphael auf den ersten Blick erkennen können. Die Hülle hatte weder dem starken, geschmeidigen Körper seiner Jägerin ausreichend Platz geboten noch den Flügeln der Kriegerin, die seine Gefährtin geworden war.
Die Explosion hatte den Kokon bersten lassen, die Einzelteile lagen jetzt weit verstreut überall um sie herum. An den Seiten, die bei dem unversehrten Kokon nach innen gekehrt gewesen waren, wirbelte Wildfeuer, weiß und golden, mit blauen Einsprengseln. Langsam drängte sich noch ein schillernder Schatten in die Farbmischung, der sein Kolorit ständig zu ändern schien, einmal war er so schwarz wie der Himmel um Mitternacht, dann wieder so grau wie das Licht kurz vor Sonnenaufgang. Elenas Haut leuchtete heller als das Wildfeuer, wirkte wie von innen beleuchtet. Die Kaskade hatte sie in eine Art Brennstoffbehälter verwandeln wollen, als Reserve für Raphael, wenn er in den am Horizont sich schleichend nähernden Krieg zog. Ein seelenloses Kraftreservoir hatte die Kaskade aus seiner Elena machen wollen.
Als würde er seine Gefährtin gegen Kraft eintauschen wollen.
Als wäre er ohne sie überhaupt noch am Leben.
Als hätte er für sie nicht alles aufgegeben, auch die Ewigkeit.
Diesen schrecklichen, von ihm auf keinen Fall gewünschten Prozess hatte Raphael aufhalten können. Allerdings hatte er das tun müssen, solange der Kokon noch relativ klein gewesen war. Anders hätte sich Elena als Person mit ihren Erinnerungen und allem, was sie ausmachte, nicht retten lassen. Elenas Körper hatte nicht wachsen können, dazu hatte die Zeit nicht gereicht. Jetzt wirkte er klein und missgestaltet. Seine Liebste war schwer verletzt, und er trug dafür die Verantwortung.
Raphael krallte seine Finger in die Erde, ballte die Hand zur Faust. In seinen Augen brannte es.
Er kniff sie einen Moment lang fest zusammen. Als er sie wieder aufschlug, hatten sich seine Pupillen an das durchdringende goldene Licht gewöhnt, in das alles getaucht war, und er sah Elena genauer vor sich. Warum waren ihre Knie …?
Raphael hielt die Luft an.
Er hatte sich geirrt, sie war gar nicht missgestaltet. Sie war nicht so schwer verletzt, dass sie mit über Jahrhunderte andauernden Schmerzen rechnen musste. Sie war heil, war ganz. Sie musste es an irgendeinem Punkt geschafft haben, die Knie an die Brust zu ziehen und sich zusammenzurollen. Wie ein Kind im Mutterleib, nur dass Elena kein Kind war.
Er sah zu, wie sie sich seufzend anschickte, sich aus dieser Haltung zu lösen, sich sozusagen aufzurollen, sich zu strecken wie ein Schmetterling, der aus der zu klein gewordenen Puppe schlüpfen will. Das schien diesem Körper jedoch unmöglich, dabei sah er doch zu und hatte alles ganz genau vor Augen … Endlich begriff Raphael, dass Elenas Leib einen Tausch vorgenommen, sich auf einen Handel eingelassen hatte.
Elena war ganz, doch sie hatte dafür einen hohen Preis gezahlt.
Ihre Beine waren lang wie immer, die Beine seiner hochgewachsenen Jägerin, die ihm so gern die Hand in den Nacken legte, um seinen Kopf zu sich herunterzuziehen und ihn zu küssen. Ihre Arme hatten genau die richtige Länge, um Messer zu werfen, eine Armbrust abzufeuern und sich im Training mit ihm in all ihren Kampfkünsten zu messen, wie sie es so gern tat, kunstfertig, geschickt und immer voller Humor. Ihr Gesicht war wieder ein bisschen runder geworden, auch wenn sich die Wangenknochen immer noch allzu deutlich unter der Haut abzeichneten.
Aber der Preis für diese Ganzheit! Von den Schultern abwärts war Elena unsäglich dünn. Schlüsselbeine und Rippen traten überdeutlich hervor, der ganze Brustkorb zeichnete sich viel zu deutlich ab. Von dünn konnte man hier nicht mehr sprechen, der Ausdruck traf es nicht annähernd. Ausgemergelt – Elena wirkte ausgemergelt, die Knochen wurden praktisch nur noch von Bändern und Sehnen zusammengehalten, darüber lag eine dünne, durchscheinende Schicht Haut. Diese Haut leuchtete weiterhin von innen heraus, wodurch seine Jägerin, die doch hart wie Stahl sein konnte, wie ein durchsichtiges Wesen von weit her wirkte, das aus seiner Welt gefallen war, ohne dafür überhaupt bereit gewesen zu sein.
Wie wütend würde sie sein, wenn sie das feststellte. Aber nur solch ein schrecklich zerbrechlicher Körper, der praktisch lediglich aus Knochen, Sehnen, Bändern und einem inneren Licht bestand, hatte in den kleinen Kokon gepasst, ohne etwas von sich aufgeben zu müssen.
Elena hatte die richtige Entscheidung getroffen. Fleisch ließ sich wieder aufbauen, ließ sich nähren, während das Nachwachsen ganzer Körperteile bei einem so jungen unsterblichen Wesen Äonen in Anspruch nehmen könnte. Denn eins stand fest: Die Elena, die da vor ihm lag, war keine Sterbliche mehr. Nicht mit diesen Augen aus flüssigem Silber.
Sterblich oder unsterblich, im Grunde war das Raphael egal. Was auch kommen mochte, sie würden es gemeinsam durchstehen, das hatten sie einander versprochen. Er sorgte sich um ihren physischen Körper genau genommen auch nur, weil er es kaum ertragen konnte, sie leiden zu sehen. Sie sollte keine Schmerzen haben müssen. Aber was eigentlich zählte, war die Frage, ob sie zu ihm zurückgekommen war. Ob das Herz seiner Elena noch bei ihnen war, die Seele seiner Elena, der Mut seiner Elena.
Raphael hatte ihr ein Stück seines Herzens gegeben. Aber nur, damit sie es zu ihrem eigenen machen konnte.
Angst kannte er im Grunde nur, wenn es um seine Liebste, seine Kriegerin ging. Er war Erzengel, eigentlich stand er über jeglicher Furcht. Trotzdem legte ihm ebendiese Furcht gerade ihre klammen Finger um den Hals. Er vermochte kaum zu atmen, als er sich nun zwang, sich Elenas Gesicht genauer anzusehen. Kurze Strähnen ihres fast weißen Haares lagen auf ihrer Wange. Feine Knochen zeigten sich unter ihrer durchsichtigen Haut, die das dunkle Gold seiner Elena trug. Darunter das Licht, dessen Glanz noch nicht verblichen war.
Als wäre ihr Blut flüssiges Gold, durch das Licht hindurchschien.
Sie schüttelte einmal kurz den Kopf und blinzelte, während sie die langen Beine ganz ausstreckte, wobei die letzten Reste des Kokons abfielen. Als sie jetzt die Augen öffnete und ihn ansah, war ihr Blick klar, reines Silber ohne einen Rest von menschlichem Grau darin. Vielleicht bedeutete dies ja, das Schlimmste war eingetreten und seine Elena war unsterblich geworden, hatte ihn jedoch dabei für immer verloren. Vielleicht war sie doch zu einem Behälter geworden, war nur noch Energie, ohne Seele, ohne Ich.
Ich würde lieber als Elena sterben, denn als Schatten zu leben.
Ohne nachzudenken und trotz der Schmerzen, die es ihm bereitete, wühlte Raphael mit der Hand in der heißen Erde, zog sie zur Faust geballt heraus, spürte, wie sich kleine Steinchen in seine Haut bohrten. Er würde tun, was er versprochen hatte. Er würde sie auslöschen, wenn sie nicht mehr seine Elena war. Er würde keiner leeren Hülle, keiner Verspottung richtigen Lebens erlauben, mit dem Gesicht seiner Gefährtin herumzulaufen. Er würde nicht zulassen, dass die Kaskade Elena degradierte. Aber er brauchte Gewissheit.
Angespannt, jeder Muskel in seinem Körper stand kurz vor dem Zerreißen, streckte er sein Bewusstsein aus. MeineElena.
Keine Antwort, kein Gefühl ihrer Gegenwart in seinem Kopf.
Raphael biss die Zähne zusammen. Das war noch lange nicht das Ende. Elena war schon eine Weile vor dem Kokon die Fähigkeit genommen worden, sich mit ihrem Erzengel mental zu unterhalten. Womöglich hatte sich dieser Schaden noch durch die Explosion verschlimmert, mit der sie gemeinsam dafür gesorgt hatten, dass der Kokon gesprengt wurde, bevor er Elena verzehren konnte. Natürlich barg das Stück Herz, das er ihr geschenkt hatte, unglaubliche Kräfte. Aber vielleicht hatte sie nicht gewusst, wie sie diese einsetzen musste, um ihr Bewusstsein vor der daran zerrenden Kraft zu schützen.
Im Traum, bevor er seine Kraft freisetzte, war sie seine Elena gewesen. Aber wusste er denn, wie viel Zeit in diesem Traum vergangen war? Hatte er seine Kraft in Sekundenschnelle freisetzen können? Hatte das Tage in Anspruch genommen? Monate? Was war in dieser Zeit mit dem Bewusstsein seiner Gefährtin geschehen, mit ihrem Selbst, ihrer Seele?
»Hbeebti.« Raphaels Stimme klang rau. Und sein Herz, das trug er in Stücken im Leib. An seiner Stelle würde ein neues wachsen, hatte bereits damit angefangen, stotterte allerdings noch oft und setzte auch manchmal aus, weil es ihm noch an Kraft fehlte. »Elena.«
Nichts, keine Antwort.
Er hatte keine Waffe bei sich und keine Energie, um Engelsfeuer zu bilden, aber er war ein Erzengel. Seine immer vorhandene Stärke allein reichte, um ihr das Genick zu brechen und sie in Stücke zu reißen.
Gähnend öffnete sie den Mund, schüttelte noch einmal blinzelnd den Kopf. Einzelne Haarsträhnen flogen nach oben, mischten sich mit der goldenen Energie. Elena runzelte die Stirn. Sofort ging Raphaels Puls schneller. Sein Herz zog inzwischen Kraft aus seinen Gliedern, denn wenn man versucht, ein Herz so wachsen zu lassen, wie ein Herz wachsen soll, werden Arme und Beine zur Nebensache.
Es gab nicht viel, was einen Erzengel umbringen konnte. Wenn man ihn mit gewöhnlichem Feuer verbrannte, bis nur noch Asche von ihm übrig blieb, erwachte er irgendwann wieder. Vielleicht erst nach Jahren, aber er kehrte zurück. Wurde ein Erzengel durch eine Explosion in Stücke gerissen, die nicht durch die Kraft eines anderen Erzengels ausgelöst worden war, dann regenerierte sich sein Körper aus einem einzelnen Teil, und der Erzengel tauchte wieder auf. Nur ein anderer Erzengel konnte einen Erzengel umbringen.
Manche Gesetze der Natur waren fundamental. Selbst die Kaskade änderte nichts daran, konnte nichts daran ändern.
Raphaels wachsendes Herz zog weiterhin Energie aus den nicht zwingend notwendigen Teilen seines Körpers.
Es konnte sein, dass er in diesem Prozess ein wenig von seinem Leib einbüßte, vielleicht sogar einen Arm oder ein Bein verlor, aber das war nebensächlich, verglichen mit der Gesamtheit eines unsterblichen Lebens. Nein, der Prozess in Raphaels Körper war nichts, verglichen mit Elenas Zerbrechlichkeit. Seine Jägerin, die früher nie zerbrechlich gewesen war, würde fluchen, wenn sie in ihrem momentanen Zustand wieder zu Bewusstsein kam.
Er konnte es kaum erwarten, ihren Zorn zu spüren, wollte sich so gern mit ihr über ihre Dickköpfigkeit streiten, denn bestimmt bestand sie darauf, möglichst bald wieder zu Kräften zu kommen. Wahrscheinlich stemmte sie Gewichte, noch bevor sie wieder richtig laufen konnte. Wobei er ihr die verdammten Hanteln höchstpersönlich reichen würde, wenn sie nur wieder mit ihm sprach, wenn sie ihm nur versicherte, dass sie es geschafft hatten, dass die Kaskade dieses Gefecht nicht gewonnen hatte.
Um sie herum leuchtete weiterhin die goldene Energie. Sie bildete in der Luft kleine Wirbel, in deren Innern sich winzige Blitze entluden.
Er streckte wieder die Fühler seines Bewusstseins nach ihr aus. Elena, hörst du mich? Die Brust tat ihm weh.
Wenn sie fort war, dann war es das Ende für ihn. Er hatte über eintausendfünfhundert Jahre gelebt. Das war genug. Falls Lijuan sich als Monster erhoben hatte, während Elena und er schliefen, dann würde er, weil Elena genau das von ihm erwartet hätte, tun, was getan werden musste, um diese Geißel auszumerzen. Aber er würde nicht Tausende von Jahren ohne sie leben. Er konnte keinen einzigen Tag mehr ohne sie leben. Meine Kriegerin!, sagte er in seinem Bewusstsein und wiederholte die Worte dann laut.
Sein Körper fühlte sich schwer an, lethargisch, aber er schaffte es, die Hand zu heben und ihr an die Wange zu legen. Sanft, sehr sanft. Elenas Haut fühlte sich an wie das zarte Seidenpapier, in das seine Mutter selbst gemachte Süßigkeiten zu wickeln pflegte, damals, als er noch ein kleiner Junge gewesen war. Das war so leicht gerissen. Er würde seine Elena nicht zerreißen.
Warm, sie war warm. Aber sie hatte erneut die Augen geschlossen, die jetzt silbern durch die transparente Hülle ihrer Lider leuchteten. Konnte es sein, dass der Kokon sie von innen heraus verzehrt hatte? Und wenn ja, hatte er den Prozess rechtzeitig aufhalten können? Oder hatte er zu lange gezögert, und Elena war gänzlich aufgezehrt worden, bestand nur noch aus einem winzigen Teilchen für einen Neubeginn, diesmal als leere Hülle? Als Gefäß für die Energie, die er dann nutzen sollte?
Wenn dies zutraf, dann war die Frau bereits tot, die er mehr liebte als das Leben, die er länger lieben würde als die Ewigkeit. Dann endete ihre Liebesgeschichte hier und damit auch seine unsterbliche Existenz. Dann sollte es eben so sein. Aber das musste er genau wissen! »Ich warte, bis du etwas sagst.« Sobald sie den Mund aufmachte, würde er wissen, ob er ein Wesen der Kaskade vor sich hatte oder seine Elena.
Und wenn sie nie mehr sprach? Dann wäre auch das eine Antwort.
Seine Jägerin war keine Frau, die gern den Mund hielt.
»Ganz zum Schluss«, erzählte er ihr, »bevor ich die Kraft in meinem Körper freisetzte, habe ich mit Kassandra gesprochen. Du und ich, Hbeebti, wir haben die Prophezeiung geändert.« Er wollte, dass Elena die Augen aufschlug und sich erkundigte, ob die hochwohlgeborene Scheußlichkeit denn dann endlich krepieren würde, wollte hören, wie sie gequält stöhnte, wenn er Kassandras Worte wiederholte:
Die Zukunft richtet sich aus. Pfade werden gewählt. Tod kommt zu vielen. Solcher Tod, Kind der Flammen.
Göttin der Alpträume,
Geist ohne Schatten.
Sie steigt auf in ihre Herrschaft des Todes.
Flügel aus Silber. Flügel aus Blau. Sterbliches Herz. Zerbrochene Träume.
Zerschelle, zerschelle, zerschelle.
Eine Erschütterung. Auseinandergerissen werden.
Ein Grab.
Ich sehe das Ende. Ich sehe …
»Nicht gerade ein Fortschritt zur letzten Prophezeiung, Erzengel«, würde Elena sagen, wäre sie wach. »Jede Menge düsterer Vorzeichen und jede Menge Zerschellen, und jetzt auch noch ein Grab? Na toll, wirklich toll!«
War es sein und Elenas Grab, das Kassandra gesehen hatte? Denn wenn der Tod kam, würden sie zusammen in der Erde liegen. Er würde nicht zulassen, dass sie auseinandergerissen wurden, nicht im Leben und nicht im Tod. Was immer ihre Zukunft barg, sie würden es gemeinsam bestehen. Niemals getrennt. Aber wenn dies nicht seine Jägerin war, dann hatte sie ihn bereits verlassen. Dann musste er ihr folgen. »Elena, wach auf, tu es für mich«, flüsterte er im Takt seines stotternden Herzens.
Ein Flüstern aus warmem Stahl in seinem Bewusstsein. Hmmm? Ein schläfriger Laut.
Da fing sein kleines, sich eben erst erholendes Herz an so wild zu schlagen, als wäre es bereits vollendet geformt. Denn dieses verschlafene Murmeln hatte sich angehört wie seine Elena. Der warme Stahl? Das war ihre vom neuen Herzen beeinflusste Stärke. »Gildejägerin?«
Gähnend rückte sie dichter an ihn heran, bis ihr Atem seine Haut küsste. Er strich ihr mit dem Daumen über die Wange, unendlich vorsichtig, um nur nichts kaputt zu machen. »Elena, wach auf.« Bitte.
Sie hob ihre viel zu schmale Hand, unter deren Haut die Knochen sich viel zu deutlich abzeichneten, und rieb an ihrem Gesicht, ohne seine Hand von ihrer Wange zu nehmen. Als sie die Hand sinken ließ, lag ein neugieriger Ausdruck in ihren Augen. »Erzengel, steht dein Haar in Flammen?«
Raphael stellte das Atmen ein. Aus dem Klopfen in seiner Brust wurde ein Dröhnen in seinen Ohren. »Tut es das?« Es war ihm egal.
Elena jedoch nicht. Ehe er sie stoppen konnte, hatte sie einen Arm ausgestreckt, so dünn, dass er kaum vorhanden schien, und tätschelte sein Haar, als wolle sie die Flammen ausklopfen. »Da!« Als sie die Hand zurückzog, erkannte er daran keine Brandmale.
Stirnrunzelnd betrachtete sie erst ihre Hand, dann sein Haar. »Die Flammen sind wieder da!« Sie ließ das seltsame Feuer in Ruhe und legte ihre Hand auf seine, die immer noch auf ihrer Wange ruhte. »Ich glaube, ich glühe.« Ihre Stimme war rau, die Stimme einer Frau, die aus dem Tiefschlaf erwacht. »Glühe ich?«
Raphael nickte, ballte die Hand in der Erde zur Faust. Die Erde war real, die winzigen Steinchen darin, die sich in seine Handfläche drückten, waren real. Seine Gefährtin war real. Sie sprach mit ihm.
»Verdammt!« Sie schmiegte sich noch enger an ihn, und ihr Atem wurde flach. Es dauerte Minuten, bis sie wieder etwas sagen konnte, denn ihr Herz und ihre Lunge hatten Mühe, mit ihrem Bewegungsdrang mitzuhalten. »Ich will keine Jägerin sein, die im Dunklen leuchtet!« Dann blitzte in ihren Augen plötzlich ein Lächeln auf, und sie sah ganz aus wie sie selbst, obwohl in ihrem Blick kein Grau mehr zu erkennen war. »Aber immerhin passen wir endlich farblich zusammen. Du stehst in Flammen, und ich glühe.« Ihr bezauberndes Lächeln verblasste ebenso schnell, wie es entstanden war. »Ich habe Beine. Arme. Augen.«
Vorsichtig bewegte sie die Hand vor den Augen, betrachtete aufmerksam die zerbrechlich wirkenden Knochen. »Wie Streichhölzer!« Sie rümpfte die Nase. »Glaubst du, ich bin so zerbrechlich, wie ich aussehe?«
Raphael nickte. Seine Seele, eben noch zu einem kleinen, verschreckten Ball zusammengerollt, entspannte sich langsam. Elena war sie selbst. Der Rest … das würden sie noch herausfinden.
»Oh nein!« Sie ließ die Hand fallen, blies sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht, runzelte die Stirn und zupfte an ebendieser Strähne. »Es ist vielleicht albern, aber sind das wirklich winzige Federn? Da unten an meinen Haaren?«
So genau hatte Raphael sich das noch nicht angesehen, solange ihn ausschließlich die Frage beschäftigt hatte, was oder wer sich im Körper seiner Gefährtin befinden mochte. Elena hatte recht. Ihre Haare, die ihr vor ihrem Kokondasein den ganzen Rücken hinabgefallen waren, reichten ihr nun nur noch knapp bis ans Kinn und endeten unten jeweils in einer winzigen Feder, die dieselbe Farbe hatte wie das Haar. »Dein Glockenblümchen wird neidisch werden. Jetzt ist er nicht mehr der einzige Engel mit außergewöhnlichem Haar.« Illiums Haare waren schwarz und hatten blaue Spitzen.
»Bei mir fällt es kaum auf, da muss man schon ganz genau hinschauen.« Wieder legte sie ihre Hand auf Raphaels Hand, die noch auf ihrer Wange ruhte. »Ich glaube, meine Federn sind durcheinandergeraten und am falschen Platz gelandet.« Sie warf ihm einen verzweifelten Blick zu. »Ich sehne mich so danach, meine Flügel zu dehnen, aber ich spüre gar kein Gewicht am Rücken. Der Kokon war zu klein.«
Raphael konnte keinen Hinweis auf die wunderbaren, außergewöhnlichen Schwingen aus Mitternacht und Morgendämmerung entdecken, die seine Gefährtin geschmückt hatten. Auch seine eigenen Flügel hatten die verheerende Freisetzung von Energie möglicherweise nicht überlebt. Vorsichtig bewegte er die Muskeln, mit denen er den rechten Flügel anheben würde.
Elena stieß einen leisen Schrei aus. »Erzengel!«
Weil sein Kopf zu schwer war, um ihn heben zu können, breitete er seinen Flügel über sie und sah, dass dieser aus reinem weißem Feuer bestand. Aus einer Flut weißen Feuers, einem Inferno ohne Ende.
»Damit wäre geklärt, wie du dir das Haar in Brand gesetzt hast. Für unsere Möbel ist das aber gar nicht gut!« Furchtlos streckte sie die Hand nach ihm aus, diese Kriegerin, die seine Gefährtin war. Und als sie die Hand zurückzog, klebte das Feuer an ihr, ohne sie jedoch zu verbrennen.
Kein Teil von ihm würde ihr je wehtun.
Lachend spielte sie mit dem Feuer in ihrer Hand wie mit einem winzigen Haustier, vergaß einen Moment lang, was sie verloren hatte. »Diese Flügel sind ungeheuerlich!« Sie setzte die kleine Flamme wieder dorthin, wo sie hingehörte, als würde sie eine Feder zurückstecken, und schmiegte sich an die Rundung seines Flügels. »Ich spüre Muskeln und Sehnen und Knochen. Glaubst du, du kannst auch den Unterbau in Feuer verwandeln, wenn du willst? Damit im Notfall nichts Körperliches bleibt, das angegriffen werden kann?«
»Das werden wir herausfinden.« Er strich ihr das Haar aus dem Gesicht. »Erinnerst du dich an den Traum?«
»Ja. Ich erinnere mich an alles.« Sie legte sich die Hand auf die Brust. »Das war eine ganz schön verrückte Sache, die du da durchgezogen hast, Erzengel.«
Er legte seine Stirn an ihre. »Welche Frau kann schon von sich behaupten, dass ihr Liebster ihr wortwörtlich sein Herz geschenkt hat?«
Elenas Lippen zuckten, ohne dass der verzweifelte Blick aus ihren Augen gewichen wäre. »Mach es!«, flüsterte sie. »Reiß es ab, das Pflaster. Mit einem Ruck.«
Er setzte sich ein wenig auf, löste seine Hand von ihrer Wange und strich ihr über den Rücken. Und erstarrte. »Ich spüre etwas.« Er drehte sich so, dass er ihren Rücken sehen konnte. Elena hielt den Atem an. Er selbst auch.
Was Raphael auf ihrem Rücken entdeckte, glich in keiner Weise irgendetwas, das er kannte. »Ich sehe ein leicht erhobenes Tattoo, das Flügel darstellt.« Perfekt in allen Einzelheiten, bis hin zu den Filamenten jeder einzelnen Feder. »Ich sehe alle deine Farben.« Sattes, tiefes Schwarz, das zu Indigo wurde, Dunkelblau und die Farben der Morgendämmerung, dazu Handschwingen aus schimmernd weißem Gold.
Er spürte Elenas Atem auf seiner Haut, als sie ausatmete. »Babyflügel?«, fragte sie leise, voller Hoffnung. »Wie bei Aodhans Neffen?«
Engelbabys kamen nicht gleich mit Flügeln zur Welt, sondern zeigten erst einmal nur Andeutungen dort, wo die Schwingen später wachsen würden. »Das hier ist nicht dasselbe«, erklärte Raphael. »Bei Babys sind die Flügel durchsichtig und zeigen deutlich Falten dort, wo sie sich letztlich über dem Rücken ausdehnen werden, wenn das Baby wächst. Bei einem Baby erkennt man noch nicht die Form des ganzen Flügels.«
»Jetzt habe ich es wieder vor mir: wie bei einem Origami-Puzzle, mit mehreren einander überlappenden Lagen.«
»Ja.« Im Gegensatz dazu glich das auf Elenas Rücken … »Das Tattoo zeigt deine ganzen Flügel, nur proportional verkleinert, damit sie auf den Rücken passen.«
Kurzes Schweigen, bevor Elena fragte: »War das beim ersten Mal auch so? Als ich erschaffen wurde?«
Diese Frage hatte sie ihm in ihrer gesamten gemeinsamen Zeit nie gestellt. Sie hatte ihre Flügel als Wunder angenommen, ohne nach weiterem Wissen darüber zu verlangen. »Nein«, sagte Raphael leise. »Damals wuchsen deine Flügel wie die eines erwachsenen Engels nach einer Amputation. Erst tauchten nackte Flügel langsam auf deinem Rücken auf, nur von einem feinen Flaum Babyfedern bedeckt. Sobald die Flügel ausgewachsen waren, bildeten sich von deinem Rücken ausgehend die Federn eines erwachsenen Engels.« Sanft zog er mit dem Finger den anmutigen Schwung eines der tätowierten Flügel nach.
Elena rann ein Schauder durch den Leib. »Das kann ich spüren. Es ist fast so, als würdest du den empfindlichsten Teil meines Flügels streicheln. Wie kann das angehen, wenn die gesamte Struktur meiner Flügel verschwunden ist?« Die Worte kamen leise, wütend, rau. »Warum will ich ständig die Flügel öffnen und schließen, wenn sie jetzt für immer statisch sind? Tätowierte Flügel kann man nicht öffnen, mit ihnen kann man auch nicht fliegen. Und sie können genauso wenig bei einer Berührung zittern!«
Er drehte sich so, dass er mit dem Gesicht ihr zugewandt neben ihr lag und streichelte erneut ihre Wange. »Flügel ohne Substanz passen in einen zu kleinen Kokon.« Seine zähe Kriegerin hatte alles von sich behalten, hatte alles wiedergewinnen wollen, auch ihre Schwingen. »Du hast die einzig richtige Entscheidung getroffen.«
Die Hand, mit der sie nach seinem Handgelenk griff, packte erstaunlich fest zu. »Na ja. Es passt mir zwar nicht, und ich würde zu gern gegen irgendetwas treten, aber was bringt das schon. Wahrscheinlich würde ich mir nur den Fuß dabei brechen!« Die nächsten Laute aus ihrer Kehle klangen nach ohnmächtiger Wut.
Und Raphael konnte nichts für sie tun, konnte dies nicht für sie regeln, wusste keine Erklärung für ein Tattoo, das so anders war als alles, was er je zu Gesicht bekommen hatte. So nahm er die vor Wut erstarrte kleine Gestalt einfach in die Arme, hielt sie fest, seine Kriegerin, seine Gefährtin, die schon am Abgrund gestanden hatte und zu ihm zurückgekehrt war und für die das Verb »aufgeben« ein Fremdwort war. »Die Kaskade wollte uns trennen, das ist ihr nicht gelungen, und wir haben den Versuch überstanden«, erklärte er. »Das hier werden wir auch überleben.«
Elena klammerte sich an ihn, fest, besitzergreifend. Bloß nicht heulen, schwor sie sich auf einer Welle glühend roter Wut. Die Kaskade würde nicht noch einmal erleben, dass sie litt. Dann hatte sie ihre wunderbaren Schwingen aus Mitternacht und Morgendämmerung eben verloren, dafür war sie als sie selbst zu ihrem Erzengel zurückgekehrt, und auch er war heil geblieben, hatte die Energieentladung ohne sichtbare körperliche Schäden überstanden.
Doch – das ließ sich bei einem Erzengel so einfach nicht sagen.
Sie klammerte sich noch fester an ihn.
Wie lange sie einander so hielten, hätte Elena nicht sagen können. Raphaels Flügel lag schwer und tröstlich auf ihr, obwohl er doch aussah wie Feuer, und seine Brust war warm, sein Geruch ganz er, Raphael. Nur Raphael. Sie atmete diesen Duft ein wie die Luft, die sie zum Atmen brauchte, und er richtete sich in ihren Zellen ein. Als sie sich endlich, durch ihn geerdet, durch ihr Beisammensein getröstet, ausstreckte, fiel ihr Blick auf das Legionsmal an seiner Schläfe.
Ein kurzer Blick nach unten, auf ihre linke Brust, um nach dem dunklen Spiegel dort zu suchen. Der war verschwunden, die Haut rein. Vorsichtig presste sie einen Finger an die glühende, durchsichtige Haut und winzige »Risse« aus Licht breiteten sich darunter aus. Seltsamerweise fand sie den Anblick sehr schön. »Jawohl! Nicht normal.«
Raphaels Lachen kam tief aus dem Bauch, sie spürte es bis in die Knochen. Und seine Augen erstrahlten in einem so reinen Blau, dass es schon wehtat. In diesem Blau lag seine ganze Liebe. »Das dürfte man wohl getrost als Untertreibung bezeichnen, Hbeebti.«
Schließlich lagen sie beide auf dem Rücken, Elena auf Raphaels Flügel, wie sie es so oft getan hatte, seit sie sich gefunden hatten. Weißes Feuer tanzte flackernd über ihre Haut, erinnerte sie an Glühwürmchen und ließ sie lächeln. Ihr Erzengel hatte immerhin alles mit intakten Flügeln überstanden. Ihre zu verlieren, ließ sich ertragen, fand sie, auch wenn es verdammt wehtat, aber wenn Raphael seine einbüßte? Nein, unmöglich, daran mochte sie noch nicht einmal denken.
Über ihnen wirbelte Gold, durchsetzt mit weißen Blitzen. »Sieht aus wie deine neue Kraft, die aus der Kaskade stammt. Fühlt sich auch so an.« Mächtig und kalt und gewalttätig in einer Art, die ohne besonderen Grund existierte, die einfach nur Kraft sein wollte. So stark, dass es sie nach Kontrolle verlangte und sie den, der sie besaß, am liebsten nach ihrem Bild geformt hätte.
»Was macht sie da?«
An dieser besonderen Seltsamkeit schien ihr Erzengel nicht sehr interessiert. Er hatte sich wieder auf die Seite gedreht und spielte mit ihren Haaren. So durfte sie ihn beobachten, während er fasziniert die winzigen Federn am Ende jedes ihrer Haare studierte, und sie musste lächeln. Nein, drängeln mochte sie ihn nicht. In diesem Kokon aus Energie verging die Zeit nur langsam.
»Ich habe sie in den Boden gelenkt«, sagte Raphael, als er endlich aufsah. »Wahrscheinlich war es zu viel …«
»Raphael!« Elena schlug mit der offenen Hand gegen die Wand. Diese glühte, erstrahlte in goldener Energie, mit goldenen Blitzen darin. »Unsere Leute!« Ihr Herz raste im Galopp, dieses große Herz, das es irgendwie geschafft hatte, in sie hineinzupassen und das sich ziemlich normal anfühlte, bis auf den seltsamen Herzschlag, der zu heftig und zu laut war.
Ein Blick aus Augen, die an zerstoßene Saphire erinnerten, traf sie, und sie meinte förmlich sehen zu können, wie sich die Zeit zurückdrehte bis Raphael wieder an dem einen entscheidenden Punkt angekommen war. »Ich gab eine Warnung raus, bevor ich die Kraft in den Boden schickte. Eine allgemeine Warnung an alle innerhalb meiner Reichweite.«
Nachdenklich schob er das Kinn vor. »Aber vielleicht reichte die Zeit ja nicht, vielleicht kam die Explosion zu schnell. Ich weiß es nicht, ich kann nicht beurteilen, wie die Zeit dort verging, wo wir waren. Im Gegensatz zu hier.« Tiefe Falten zeigten sich auf seiner Stirn. »Ich meine, ganz schwach gehört zu haben, wie Illium den Befehl bestätigte. Aber ob das real war oder mein Bewusstsein nur bemüht ist, bestimmte Lücken zu füllen, das werden wir erst wissen, wenn wir auftauchen.«
Elena schluckte. Kein Engel, Vampir oder Sterblicher konnte das Freisetzen der Energie in Raphaels Adern überlebt haben. Die Kraft, die sie jetzt in diesem unheimlichen, schönen, mit Blitzen gespickten Feuer einschloss.
Sie packte die Angst um Familie und Freunde in eine fest geballte Faust, um sich auf ihre seltsame Umgebung konzentrieren zu können. Mit den Fingern der anderen Hand fuhr sie durch die Kraft.
Flackernde, goldene Blitze regneten auf sie herab und blieben an ihrer Haut kleben. Genauso war es gewesen, bevor alles so gründlich den Bach hinunterging. Diese Kraft hatte eigentlich nichts Falsches an sich und hatte Elena nur deswegen anfangs erschreckt, weil sie so stark und Raphael durch sie plötzlich so distanziert und so sehr unsterblich geworden war. Die Kraft an sich war nicht böse, sie war formbar bis sie genau das war, was Raphael brauchte. In ihrer rohen Form glich sie einem gewaltigen Gewitter.
»In unserem Traum habe ich dir gesagt, du sollst sie freisetzen«, murmelte sie leise und schuldbewusst. »Wenn jetzt jemand stirbt …«
Raphael stützte sich auf den Ellbogen, breitete den anderen Flügel über sie und hüllte sie in einen Kokon aus sich selbst. »Wir haben die Entscheidung gemeinsam getroffen.« Er sah ihr fest in die Augen, gestattete ihr nicht, den Kopf abzuwenden. »Also werden wir uns auch gemeinsam mit den Konsequenzen befassen.«
Elena legte ihm eine Hand auf den Flügel. Das hatten sie sich versprochen – gemeinsam, immer. Sie nickte. »Wie schwach bist du?« Zu großer Kraftverlust könnte für ihn das Todesurteil sein. Der Kader akzeptierte nur brutal starke Erzengel, denn ein schwacher konnte die Vampire auf seinem Gebiet nicht in Schach halten. Seit noch dazu die Kaskade mit im Spiel war, war Stärke zur noch lebenswichtigeren Waffe geworden.
»Dein Herz ist beim Freisetzen der Kraft geborsten, und die Teilchen schwimmen jetzt in meinem Blut.« Er schien nicht im Geringsten besorgt darüber, Teile eines sterblichen Herzens im Körper zu haben.
Elena konnte immer noch nicht richtig fassen, dass er ihr wirklich ein Stück seines Erzengelherzens gegeben und in das beim Herausreißen seines Herzens entstandene Loch ihr eigenes, sterbendes Herz gelegt hatte.
»Mein neues Herz regeneriert sich langsamer als gedacht, und meine Glieder fühlen sich schwer an«, fügte Raphael hinzu. »Aber das kenne ich schon. Ich musste vor langer Zeit einmal in einer Schlacht bis zum letzten Blutstropfen kämpfen und habe mich hinterher ähnlich gefühlt. Ich brauche ein bisschen Zeit, dann hat sich meine Energie erholt, und ich kann wieder fliegen.«
Er runzelte nachdenklich die Stirn. »Warum meine Flügel in Flammen stehen, kann ich mir allerdings nicht erklären. Vielleicht ist das weiße Feuer jetzt Teil meines Fleisches und meiner Knochen, das wäre zumindest eine Theorie. Vielleicht gehört es inzwischen einfach als integraler Bestandteil zu mir, wie ein Arm oder ein Bein. Ich spüre, wie sich mein Körper bei dieser Kraft bedient, um mein Herz aufzubauen.«
Elena fiel auf, dass das weiße Feuer flackerte und spuckte, während Raphael sprach. Sie sah ihm tief in die blauen Augen, mit denen er bis in ihre Seele schauen konnte. »Es wird nicht reichen.« Er durfte jetzt nicht versuchen, ihr die Wahrheit zu verschweigen, um sie zu schützen. Das konnte sie ihm nicht durchgehen lassen. »Dazu ist seit Beginn der Kaskade zu viel Verrücktes in Umlauf. Alle anderen Erzengel besitzen neue Fähigkeiten und Kräfte.« Raphael würde verletzlich sein, als schwach gelten, als leichte Beute.
Der Erzengel wollte gerade antworten, als Elena spürte, wie ein heller Blitz durch ihre Adern fuhr. Erschrocken keuchend starrte sie zusammen mit Raphael auf ihre Hand, wo eben noch eine Ranke der goldenen Energie getanzt hatte. »Habe ich da gerade …«
»Die Energie ist in dich gefahren.« Raphael zog die Brauen hoch. »Meine Elena, mir scheint, du sollst meine Kaskadefähigkeiten erben.«
»Wenn ich dann also der Gefährte des ersten erschaffenen Erzengels werden soll«, fuhr Raphael fort, während Elena die Vorstellung, all diese tödliche Energie in ihrem Leib zu haben, erst noch verarbeiten musste, »dann verspreche ich hier und jetzt, meine Pflichten gern und genau zu erfüllen. Ich werde wunderbare Bälle veranstalten, zu denen ich alle einlade, die …«
»Wage es!« Sie versetzte ihrem überaus belustigten Erzengel einen Stoß. »Darüber macht man keine Witze!« Diese Kraft gehörte nicht ihr, da war sich Elena sicher, auch wenn gerade eine kleine Ranke davon in sie eingefahren war. Die Kraft schmeckte nach Raphael, war ein Teil von ihm, der sich von seinem Körper gelöst hatte.
Der Energiestoß dieser einzelnen Ranke hallte noch in ihr nach, ließ ihr Blut anscheinend mit erhöhter Intensität glühen. Ihre Haut fühlte sich elektrisiert an. »Stehen meine Haare hoch wie die von Einstein?«
»Dass ich diesen Sterblichen nicht davon überzeugen konnte, Vampir zu werden! Ich werde es immer bedauern.«
»Du hast Einstein gekannt? Nein, Moment – nicht ablenken!« Sie keuchte erneut.
Gerade hatte sich aus dem Gewitter über ihnen eine zweite Ranke gelöst, um sich in ihre Blutbahn zu bohren.
Raphael zog die Brauen zusammen. »Als du vorhin zum ersten Mal die Augen aufgemacht hast, glichen sie flüssigem Silber. Das verblasst jetzt um die Pupillen herum zu einem menschlicheren Farbton, aber nach wie vor liegt ein tiefer Glanz in deinen Augen.«
»Eine Jägerin, die im Dunkeln leuchtet und deren Augen man schon von Weitem erkennen kann und die höchstwahrscheinlich radioaktives Blut hat. Wirklich toll! Genau das, wovon ich immer schon geträumt habe.«
Ohne ihrem erbosten Grummeln Beachtung zu schenken, reckte Raphael den Kopf, um Elena noch genauer in die Augen sehen zu können. »Um die Augen herum scheinst du auch einen Hauch Blau erworben zu haben. Ein ganz spezielles Blau, sehr schwach noch. Ein winziger Fleck, gleich am Rand vom Schwarzen.«
»Du musstest mir ja auch unbedingt ein Stück von deinem Herzen geben!« Bei der Erinnerung daran, dass sich Raphael tatsächlich das eigene Herz aus dem Leib gerissen hatte, wurde Elena jetzt noch der Mund trocken. Sie schlug ihm gegen die Brust. »Mach so etwas noch einmal, und du endest als Zielscheibe beim Messerwerfen.«
Raphaels Gesichtsausdruck verwandelte sich in ein Lächeln und ließ in den außergewöhnlichen Augen ein Licht aufleuchten, das heller strahlte als die goldenen Blitze, die um sie herum immer schneller tanzten und sich zu einem Wirbelsturm zusammenzubrauen schienen. »Ich kaufe dir die Messer dazu.«
Elena versuchte sich an einem zornigen Schnauben, das leider an ihren zuckenden Lippen scheiterte. »Wahrscheinlich gibt es Schlimmeres, als ein leuchtendes Klappergestell zu sein«, befand sie ebenfalls lächelnd. »Ich wette, damit könnte ich bei jeder Menge Talkshows gutes Geld verdienen.«
Raphaels Lächeln vertiefte sich. »Ja, du bist wirklich meine Elena!«
Und ob sie das war. »Lass mich deine Augen betrachten«, bat sie jetzt. »Ich möchte den Schaden einschätzen können.« Bis jetzt war ihr nichts aufgefallen, was Anlass zur Sorge gegeben hätte, aber sie fragte sich schon, was er außer Kraft noch eingebüßt haben könnte. Für einen schwachen Erzengel war die Welt voll von tödlichen Bedrohungen. Doch seine Augen waren nach wie vor von einem so tiefen Blau, als blickte sie in die Ewigkeit.
Sofort atmete Elena leichter. »Deine Augen sind wie immer nicht von dieser Welt.«
»Ich bin ein Erzengel.« Damit wollte er nicht angeben, er stellte lediglich eine Tatsache fest.
Elenas gerade erst unsterblich gewordener Körper war durch das geschenkte Stückchen unsterblichen Herzens grundlegend verändert worden. Raphaels Körper, das begriff Elena nun, war viel zu stark und kräftig, als dass ein kleines Menschenherz dort großen Einfluss haben konnte. »Warum hast du es behalten?«
Er wusste sofort, was sie meinte. »Um für dich ein bisschen sterblich zu bleiben.«
Elena brannten die Augen. Sie schmiegte sich noch enger in die schwere Wärme seiner Flügel und strich ihm eine Haarsträhne aus dem Gesicht. Raphaels Haar schimmerte dunkler als die Nacht. Das Legionsmal an seiner Schläfe wirkte jetzt flach und matt. Während Elena bei dem Gedanken an das, was er alles verloren hatte, um sie zu retten, leicht übel wurde, fiel eine dritte Ranke der aus der Kaskade geborenen Kraft auf ihren Handrücken und verschwand in ihr.
»Tut das weh?« Raphael lächelte nicht mehr. »Du beißt die Zähne so zusammen.«
»Wenn die Kraft in mich fährt, fühlt es sich an wie tausend Nadelstiche überall auf meinem Körper.« Elena bewegte die Hand, die zuletzt getroffen worden war, und streckte sie ganz bewusst nach dem zunehmend stürmischen Gewitter aus. Weitere feurige Tropfen drangen in sie ein. »Zehn«, stellte sie schließlich fest, denn sie hatte jede Ranke gezählt, die sich in ihren Körper gebohrt hatte.
Dann hörte es auf.
Die Kraft tanzte über ihre Haut, schlang sich um ihr Handgelenk, wob sich in ihr Haar, drang jedoch nicht mehr durch die Haut in den Körper. Nachdenklich beobachtete sie das Gewitter, hatte das Gefühl, gleich etwas Wichtiges zu begreifen. Noch nicht jetzt sofort, noch lag die Erkenntnis gerade so außerhalb ihrer Reichweite … »Ich fühle mich – satt, voll. Die Kraft findet jetzt keinen Platz mehr in mir, nirgendwo.«
Raphaels Stimme klang hart wie Stein. »Bevor ich den Prozess unterbrach, hat die Kaskade versucht, dich in ein Energiereservoir zu verwandeln.«
»Dann bin ich jetzt ein Teilreservoir?« Elena dachte kurz nach, zuckte die Achseln. »Ich habe immer ein Tröpfchen Wildfeuer oder zwei für dich bereitgehalten.« Sie hielt ihm die Hand hin, die Handfläche nach oben. Raphael ging sofort auf die stumme Einladung ein und legte seine Hand hinein. »Es macht mir nichts aus, noch ein bisschen mehr Kraft in Reserve zu halten.« In einer Schlacht würde es Raphael zu einem kleinen Vorteil verhelfen. Wobei zehn Tropfen ihr nicht gerade weltbewegend vorkamen, angesichts der Tatsache, dass er soeben seine ganze Kraft eingesetzt hatte.
Obwohl … mit einem Mal war Elenas Hals staubtrocken, und ihr Herz schlug tief und dunkel wie ein Bass. »Raphael!«
Raphael war urplötzlich von elektrisch geladenen goldenen Blitzen überwältigt worden, die auf seiner Haut tanzten, seinem Haar, seinen Flügeln. Das Preußischblau seiner Iris verwandelte sich in Gold, als die Energie darüber huschte. Und dann bohrte sich diese Energie ohne Vorwarnung mit solcher Kraft in ihn, dass sein Körper erstarrte und aus seinem Rückgrat ein Stab aus Eisen wurde. Elena wollte dagegen angehen, auch wenn sie nicht wusste wie, aber er nahm ihre Hand und drückte sie gegen den Boden.
Obwohl die Panik in ihrem Kopf flatterte wie ein gefangener Schmetterling, legte sie die andere Hand auf seine und hielt sich an ihrem Erzengel fest, während die Kraft um ihn und in ihm heulte. Gewitterwinde ließen sein Haar waagerecht nach hinten abstehen, auf seiner Haut brachen goldene Venen auf, heilten zu, brachen wieder auf. Jetzt hatte sich sogar sein Haar unter der ungeheuren Menge der in ihm fließenden Energie in Gold verwandelt, und auch seine Augen wurden zu geschmolzenem Gold, immer wieder aufgebrochen durch neue Blitze.
Als Elena versuchte, ihr Bewusstsein mit dem seinen zu verbinden, empfing sie nichts als statisches Rauschen, als stünde Raphael in einem Windkanal und die Worte würden ihm aus dem Mund gerissen, ehe sie bei ihr ankommen konnten. Auch ihr wurde das Haar aus dem Gesicht geweht, und Blitze trafen auf ihre Haut, um daran abzuprallen, während sie so dicht wie möglich an Raphael heranrückte. Nie würde sie ihn loslassen.
Eine blendende Flamme, die sie zwang, die Augen zu schließen, ein heftiges Dröhnen in den Ohren, das mit einem »Plopp« abschloss, als das Ohr den Druckausgleich vornahm, und es war vorbei. Als Elena blinzelnd die Augen aufschlug, herrschte um sie herum Stille. Die Erde glühte weiterhin, aber nicht mehr golden, sondern pulsierend rot, als wäre so viel Energie freigesetzt worden, dass auch Dinge, die eigentlich nicht brennen dürften, jetzt Feuer gefangen hatten. Die goldene, aus der Kaskade geborene Energie wirbelte nicht mehr überall herum. Sie befand sich jetzt in Raphael.
Elena hatte es die Sprache verschlagen. Sie konnte nur staunen.
Als die tosende See in ihr Bewusstsein drang, salzig und so vertraut, fühlte sich das unendlich viel kälter an als sonst. Bis sich in ihren Adern Eis bildete und ihr der Atem vor dem Mund gefror.
Und?, wollte ihr Erzengel wissen.
Elena stieß ein leicht hysterisches Kichern aus. »Das nenn ich mal im Dunkeln funkeln!« Raphaels Haut wurde von innen erleuchtet, seine Augen waren ein lebhaftes, lebendiges Gold, seine Haare Spitzen aus Flammen. Als sie nach diesen Flammen schlug, hüpfte die Energie einfach nur auf ihre Hand, um dort auf ihrer Haut zu tanzen. »Auf dich ohne Kraft scheint die Kaskade nicht scharf zu sein.« Elenas Magen war ein einziger, dicker Knoten.
»Die Kaskade strebt nach Chaos, und Chaos ist bei einer einzigen Kraft nicht möglich.« Raphael wiederholte die Worte Handschwinges langsam und konzentriert, als sei es eigentlich unter seiner Würde, etwas so Simples wie Worte zu formen. Als hätte er sich über seine Existenz als Erzengel erhoben.
Mist, verdammter!
Elena trieb die geballte Faust durch das Eis in ihren Adern, trat die Angst, die ihren Magen zu einem Klumpen werden ließ, resolut in den Boden. Sie hatte nicht den schrecklichen Kokon überlebt, der sie verzehren wollte, und war auch nicht mit einem Erzengelherz in der Brust und einem quälend empfindlichen Tattoo auf dem Rücken ins Leben zurückgekehrt, um dann ihren Raphael an eine Kraft zu verlieren, die ihn zu einem Wesen umformen wollte, das Monster genug war, um es mit Lijuan aufnehmen zu können.
Die verdammte Kaskade würde sie nicht kleinkriegen!
Sie befreite ihre Hände, packte seinen Kopf und drückte ihre Lippen auf seinen Mund. Sofort durchzog sie ein wohliges Gefühl des Nachhausekommens, das ihren Körper schwach werden ließ. Hierher gehörte sie, genau hierher. Du hast mir gefehlt, Erzengel. Sie schlang ihm die Arme um den Hals, hielt ihn fest und küsste ihn noch inniger.
In diesem leidenschaftlichen Kuss brauchte Raphaels Bewusstsein nicht eine Sekunde, um wieder klar zu werden. Sobald er Elena schmecken konnte, schob sich ihr Geschmack mit enormer Kraft vor die schneidende Kälte. Raphael war noch nie so stark, so mächtig gewesen, noch nicht einmal in der Zeit direkt vor dem Kokon. Er hatte das Gefühl, mit seinem Bewusstsein auch noch in den hintersten Winkel seines Territoriums dringen zu können, wie ein Gott. Ja, wie ein Gott.
Elena ließ ihre Zunge mit seiner spielen.
Reine körperliche Begierde und herzzerreißende Liebe kamen zusammen, und Raphael wurde erneut ganz Mann, erdverbunden und sehr von dieser Welt. Er war kein Erzengel mehr, der sich anmaßen wollte, ein Gott zu sein. Er war nicht Lijuans Spiegelbild. Er war Raphael, Gefährte dieser starken, dickköpfigen, gefährlichen Geliebten. Zu seiner Jägerin gab es keine Distanz, würde es nie eine geben.