Glauben mit Herz und Verstand - Ulrich Schlittenhardt - E-Book

Glauben mit Herz und Verstand E-Book

Ulrich Schlittenhardt

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Beschreibung

"Es gibt nichts Neues unter der Sonne" hat vor langer Zeit der weise Salomo resümiert. Er konnte nicht wissen, dass diese Erkenntnis eines Tages überholt sein würde. Denn durch Jesus Christus ist definitiv etwas "neues unter der Sonne" geschehen. Selbst als Christen haben wir das noch nicht hinreichend realisiert. Der Römerbrief kann uns helfen, im Blick auf den Auferstandenen neue Perspektiven zu gewinnen. Dieses Buch lädt zu einer Studienreise ein. Es ist sowohl für das Selbststudium, als auch für Kleingruppen geeignet.

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Stimmen zum Buch

„Der Römerbrief fasziniert – seine Tiefe, seine Gedankenführung, die Verbindung von Altem und Neuem Bund. Martin Luther schrieb in seiner Vorrede zur Auslegung dieses größten aller Paulusbriefe: Wer diese Epistel im Herzen hat, der hat des Alten Testaments Licht und Kraft bei sich. Ulrich Schlittenhardt gelingt es, mit der Auslegung dieses tiefschürfenden Entwurfs gesamtbiblischer Theologie nicht nur den Verstand heraus zu fordern, sondern das lebendige biblische Wort an den Ort einzuladen, wo es durch die Kraft des Heiligen Geistes zur lebensverändernden Kraft wird, nämlich im Herzen des Menschen.“

Ekkehart Vetter

Präses des Mülheimer Verband Freikirchlich-Evangelischer Gemeinden

Erster Vorsitzender der Evangelischen Allianz in Deutschland

„Diese Studienreise durch den Römerbrief will kein neuer Römerbrief-Kommentar sein. Hier findet sich vielmehr eine spannende Mischung aus Orientierung und Anregung zum Selberdenken. Ulrich Schlittenhardt teilt mit uns die sich stellenden Fragen. Zugleich traut er dem Wort Gottes zu, dass es eine persönliche Begegnung mit Gott möglich macht. Diese Studienreise wird nicht mit einem Zertifikat abgeschlossen, sie nimmt uns vielmehr in die Lebensschule mit Jesus Christus hinein.“

Hartmut Steeb

Generalsekretär der Deutschen Evangelischen Allianz i.R.

„Der Römerbrief verleitet dazu, ihn in erster Linie mit dem Verstand lesen und begreifen zu wollen. Ulrich Schlittenhardt aber nimmt auch unser Herz mit auf eine Reise durch diesen Paulusbrief.

Er ermutigt uns dazu, unsere eigenen Antworten auf die großen Fragen des Lebens und des Glaubens zu finden: angeregt durch die herausfordernden Aussagen des Paulus, aber zum Leben erweckt für uns ganz persönlich durch den Dialog mit dem dreieinigen Gott.“

Annette Schalk

Coaching – Begleitung – Beratung; www.textwelten-wuerzburg.de

Seit unserem gemeinsamen Theologiestudium kenne ich Ulrich Schlittenhardt als sorgfältigen und streitbaren Theologen, dem das biblische Wort und dessen korrekte Anwendung wichtig ist. Allein das Inhaltsverzeichnis des vorliegenden Buches begeistert mich. Es gibt dem Römerbrief eine bemerkenswerte Struktur, die diesen so wichtigen Brief für mich in einem neuen Licht erscheinen lässt. Das vorliegende Buch soll eine Art Reiseführer sein, schreibt der Autor, den ich als begeisternden Saxofonisten in Erinnerung habe. Uli, das gelingt dir wirklich! Du markierst einige besondere Sehenswürdigkeiten des zu entdeckenden Landes und bringst das Wesentliche auf den Punkt, ohne den Leser mit Details zu überfordern. Die darf man ja auch beim Besuch eines Landes selbst entdecken. Und du „bläst“ ein klares Signal für die Autorität und Anwendbarkeit des Wortes Gottes, sowohl mit dem Herzen, als auch mit dem Verstand. Das gefällt mir.

Frank Uphoff

Pastor der Christus Gemeinde Velbert

Vizepräses des Bundes Freikirchlicher Pfingstgemeinden KdöR

Studienkollege des Autors auf dem Theologischen Seminar Erzhausen (1980-83)

„Wir sind verlorener,

als wir zugeben wollen,

und wir sind tiefer erlöst,

als wir zu hoffen wagen.“

Søren Kierkegaard

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Einführung

...

zum Römerbrief

… zur Auslegung

… zu Aufbau und Gebrauch

I.

Briefanfang

(1,1-17)

Der Auftrag (1,1-14)

Das Thema (1,16-17)

II.

Empfangender Glaube

(1,18-4,25)

Wir werden Gott nicht gerecht ... (1,18-2,3)

sind aber dennoch selbstgerecht ... (2,4-16)

und gesetzlich (2,17-3,20).

Wir werden unverdient gerecht ... (3,21-31)

durch Vertrauen auf Gott (4,1-25).

III.

Liebender Glaube

(5,1-8,17)

Weil wir Gottes Liebe empfangen ... (5,1-10)

erleben wir einen Neubeginn (5,12-21).

Die Sünde hat ihre Macht verloren ... (6,1-23)

weil wir nicht mehr auf uns selbst gestellt sind ... (7,1-25)

sondern Gottes Geist uns beisteht (8,1-17).

IV.

Hoffender Glaube

(8,18-11,36)

Gottes Geist schenkt Hoffnung ... (8,18-39)

auch dort, wo alles verloren scheint (9,1-33)

Weil Gott treu ist ... (10,1-21)

und menschliche Erwartungen übertrifft (11,1-36)

V.

Praktizierter Glaube

(12,1-15,13)

Innere Verwandlung wird sichtbar (12,1-2)

...

in der Gemeinde (12,3-8)

...

in Beziehungen (12,9-21)

...

im gesellschaftlichen Leben (13)

...

im Umgang mit Gewissensfragen (14-15,13)

VI.

Briefschluss

(15,14-16,27)

Nachwort

Anhang

Anregungen für Gruppenleiter

Literaturangaben

Dank

VORWORT

Eine Reise ist etwas anderes als ein Urlaub. Im Urlaub suchen wir vor allem Entspannung. Auf einer Reise wollen wir etwas erleben. Sie beginnt mit sorgfältiger Planung. Wir sprechen mit Leuten, die eine ähnliche Reise bereits unternommen haben. Wir greifen zu einem Reiseführer und setzen uns mit Kultur und Sprache auseinander. Dann wählen wir Ziele aus, prüfen anhand einer Landkarte mögliche Routen und organisieren die notwendigen Mittel, um sie zu erreichen. Schließlich verlassen wir die ausgetretenen touristischen Routen und nehmen in Kauf, dass wir nun in mancher Hinsicht auf uns selbst gestellt sind. Das Abenteuer kann beginnen.

Mit diesem Buch möchte ich Sie zu einer Studienreise durch den Römerbrief einladen. Ja, man kann auch während einer Studienreise Bedeutsames erleben. Vielleicht fragen Sie sich jedoch, wozu es dafür dieses Buch braucht. Kann man nicht auf den originalen Text zurückgreifen? Man muss die Bibel doch nur an der richtigen Stelle aufschlagen. Stimmt, auch das ist möglich! Doch fragen Sie einmal Christen in Ihrer Umgebung, ob sie den Römerbrief schon einmal komplett durchgelesen haben. Vielleicht werden Sie dann besser verstehen, warum ich dieses Buch geschrieben habe. Manche haben aufgegeben, weil sie den roten Faden nicht mehr erkennen, andere bleiben an weniger zentralen Aussagen hängen und wieder andere verstehen den Sinn eines ganzen Kapitels nicht, weil sie den kulturellen Graben zwischen sich und dem Text weder spüren noch einschätzen können.

Deshalb ist dieses Buch nicht nur als Einladung zu verstehen, sondern auch als Reiseführer, der Sie begleiten will. Er möge Ihnen nicht nur Orientierung bieten und Hintergründe erhellen, sondern auch dazu beitragen, dass Sie während Ihrer Studienreise einen inneren Prozess durchlaufen. Die Inhalte des Römerbriefs mögen für Sie zu einem Spiegel werden, der Sie Ihre innere Welt besser erkennen lässt.

In "Reisebilder und Reisebriefe" sinniert Heinrich Heine, dass jeder einzelne Mensch eine Welt in sich trägt, die mit ihm geboren wurde und mit ihm sterben wird. Deshalb sei unter jedem Grabstein eine Weltgeschichte verborgen. Auch der französische Schriftsteller François-René meint, dass jeder Mensch in sich eine Welt trägt, die sich aus allem zusammensetzt, was er gesehen und geliebt hat und dass er in diese innere Welt immer wieder zurückkehren muss, selbst wenn er viele fremde Welten durchstreift hat.

Heute können wir mit vergleichsweise geringem Aufwand fremde Welten durchstreifen. Manchmal frage ich mich, wie vertraut uns noch unsere innere Welt ist. Für manche von uns mag diese innere Welt einladend wie ein warmes Zuhause sein. Für andere mag sie eher einem modrigen Keller gleichen, dessen Existenz sie noch nicht einmal wahrhaben wollen.

Der Brief des Paulus an die Römer wird Sie mit grundlegenden Fragen konfrontieren. Was bedeutet es, Mensch zu sein? Wie bestimme ich meine Identität? Auf welcher Grundlage kann Gott zu meinem Gegenüber werden? Wie kann ich ein Leben im Bewusstsein seiner Gegenwart führen? Wohin geht die Reise meines Lebens?

Diese Studienreise wird Sie deshalb als ganze Person herausfordern. Manchmal werden Sie Ihren Kopf anstrengen müssen, als sei Glaube nur eine Theorie. Zu anderen Zeiten werden Sie nur dann weiterkommen, wenn Sie alle Ihre Gedanken loslassen, um vor Gott wie ein Kind zu werden.

Wenn Sie am Ende dieser Studienreise mit Paulus bekennen können: „Es gibt nichts, was mich von Gottes Liebe trennen kann“ - hat sich dieses Unternehmen mehr als gelohnt.

EINFÜHRUNG

... zum Römerbrief

Als Paulus den Römerbrief um das Jahr 56 n. Chr. schrieb, war er gerade dabei, seine dritte Missionsreise zum Abschluss zu bringen. In Judäa hatten sich religiöse Fanatiker gegen ihn formiert, die ihm unter anderem vorwarfen, er verbreite eine anti-jüdische Lehre und verachte das mosaische Gesetz. Sein Leben stand auf dem Spiel. Als Paulus den Römerbrief schrieb, war er ähnlich umstritten wie gut zwei Jahrzehnte zuvor Jesus Christus selbst. Er verstand sich als dessen Bote und vertrat dessen Botschaft so leidenschaftlich, dass er keiner Konfrontation aus dem Wege ging, wenn ihre Leuchtkraft auf dem Spiel stand. Einblick in seine missionarische Tätigkeit vermittelt uns das neutestamentliche Buch "Apostelgeschichte".

Der Römerbrief wird gerne als geistliches Vermächtnis des Paulus gelesen. Schon bei den Kirchenvätern stand er in hohem Ansehen. Schließlich hat er die Reformation maßgeblich beeinflusst. Der englische Bibelübersetzer William Tyndale schrieb im Jahre 1534 in seinem Vorwort zum Römerbrief, dass dieser „ein Licht und ein Weg in die Schrift insgesamt“ sei. Wie Martin Luther hielt er es für angemessen, dass jeder Christ ihn nicht nur gelesen habe, sondern „seinen Text auswendig wisse“ und damit umgehe „wie mit dem täglichen Brot“. Auch Johannes Calvin sagte über den Römerbrief: “... wenn jemand diesen Brief versteht, so steht ihm die Tür zum Verständnis der ganzen Schrift offen.“

Welche Wirkung vom Römerbrief ausgehen kann, sehen wir an diesen und weiteren prägenden Gestalten der Kirchengeschichte, die durch seine Botschaft zum Glauben kamen. Ausgelöst durch Verse aus Römer 13 erlebte Augustinus eine tiefgreifende Lebenswende. Luthers Vorstellung von Gott wurde grundlegend verändert, als er aus Römer 1,17 verstand, dass ihn „Gottes Gerechtigkeit“ nicht bedroht, sondern befreit. John Wesley erfuhr die Freiheit des Glaubens, nachdem ihm das Vorwort Luthers zum Römerbrief vorgelesen worden war. Karl Barth widerstand zur Zeit des Nationalsozialismus der Versuchung, seine Theologie der herrschenden politischen Ideologie zu unterwerfen. Seine Auslegung des Römerbriefs wurde zum Meilenstein in der Theologiegeschichte.

Man kann behaupten, dass der Römerbrief entscheidende Veränderungen ausgelöst und begleitet hat. Heute jedoch scheint vielen die Geduld zu fehlen, sich mit so sperrigen Texten auseinanderzusetzen, wie wir sie im Römerbrief finden. Im Informationszeitalter werden wir ja regelrecht zugetextet. Deshalb neigen wir dazu, nur solche Informationen aufzunehmen, die sich uns schnell erschließen. Wir praktizieren geistiges Doping und hüpfen von einer oberflächlichen Inspiration zur nächsten. Aber ist unser Glaube auch krisenfest?

Karl Barth ging einen anderen Weg. In einem Brief an seinen Kollegen Eduard Thurneysen schrieb er: „Im Römerbrief knorze ich an den Felsklötzen (Römer 3,20 ff). Was steckt da alles dahinter! … Hätten wir doch früher uns zur Bibel bekehrt, damit wir jetzt festen Grund unter den Füßen hätten!“1

Paulus erklärt nicht viel. Zumindest erklärt er nicht so, wie wir es gewohnt sind. Doch setzt er anscheinend vieles voraus. Um nachvollziehen zu können, was er voraussetzt, brauchen wir das Alte Testament. Es ist also in der Tat notwendig, sich zur ganzen Bibel zu bekehren, um den Zugang zum ganzen Reichtum seines Briefs zu finden. Verstehen wir ihn, können wir umgekehrt die ganze Bibel mit einem tieferen Verständnis lesen. Scheuen wir also nicht die Auseinandersetzung mit diesem gewichtigen Teil des Neuen Testaments. Es geht dabei um nichts weniger, als um „festen Grund unter unseren Füßen“.

… zur Auslegung

Über die Auslegung biblischer Bücher ist viel geschrieben worden. Ich möchte mich hier auf zwei grundlegende und zugleich einleuchtende Aspekte beschränken. Der eine fordert unseren Verstand, der andere unser Herz.

Wenn wir einen Brief verstehen wollen, sollten wir ihn komplett lesen. Diese Einsicht ist so naheliegend, dass man eigentlich gar nicht darauf hinweisen müsste. Jeder ist sich dessen bewusst, dass man einen Brief erst dann kennt, wenn man ihn komplett gelesen hat. Doch was im alltäglichen Umgang mit Briefen, Artikeln und Büchern selbstverständlich ist, scheinen viele Christen im Umgang mit der Bibel zu vergessen. Nicht selten begnügen sie sich mit der Kenntnis einiger Verse, die üblicherweise in Predigten gebraucht werden. Gerade im Blick auf den Römerbrief lohnt sich die Mühe, den Aufbau der Gedanken über Sätze, Absätze und Sinneinheiten hinweg nachzuvollziehen. Vieles wird verständlich, wenn wir die einzelnen Aussagen im Zusammenhang des Ganzen wahrnehmen. Wir sollten also beim Lesen der Bibel unseren Verstand nicht vernachlässigen. Jesus hat einmal gesagt: „Wenn jemand die Botschaft vom Himmelreich hört und nicht versteht, ist es wie mit der Saat, die auf den Weg fällt. Der Böse kommt und raubt, was ins Herz dieses Menschen gesät worden ist.“

Die ersten Christen wussten um die Bedeutung des Verstandes. Philippus fragte den äthiopischen Finanzminister, der gerade in einer Schriftrolle las, ganz unverblümt „Verstehst du auch, was du liest?“

Aus diesem Grund sollten wir keine Angst davor haben, die Bibel, ihr kulturelles Umfeld, historische Zeugnisse und Sprachen zu erforschen. Wissenschaft muss sich mit Fakten auseinandersetzen. Der überlieferte Text selbst ist Fakt und ich meine, dass er wichtiger ist als Theorien darüber, unter welchen zeitgeschichtlichen Umständen er entstanden ist. Dies ist für die Auslegung zwar nicht unwesentlich, für das Verständnis einzelner Textstellen ist jedoch die Wahrnehmung der Zusammenhänge wichtiger. Denn wenn ein Text nicht aus sich selbst heraus zu verstehen ist, ist es unwahrscheinlich, dass er sich uns auf einer tieferen Ebene erschließt.

Damit habe ich bereits den zweiten Aspekt angedeutet, den wir im Umgang mit biblischen Texten beachten müssen, nämlich uns selbst. Der Titel dieses Buches lautet ja nicht zufällig „Glauben mit Herz und Verstand“. Wobei an dieser Stelle ergänzt werden muss, dass der Glaube eigentlich gar nicht in unserem Verstand, sondern in unserem Herzen entsteht. Erst wenn unser Herz glaubt, kann sich unser Verstand die entsprechenden Inhalte bewusst machen und sie zu einer in sich stimmigen Überzeugung formen.

Ist Ihnen schon einmal aufgefallen, dass Sie öfter, als Ihnen lieb ist, Ihre Überzeugungen verraten? Dass Sie zuweilen sogar destruktiv handeln, obwohl Sie sich damit selbst verletzen? Das hat nichts mit Ihrem Verstand zu tun. Der weiß schon, was richtig ist. Das hat sehr viel mehr mit Ihrem Herzen zu tun.

Ihr Herz reagiert letztlich nicht auf Logik, sondern auf Liebe. Es sucht Trost, Zuspruch, Wärme, Geborgenheit, Hoffnung, Bedeutung und Sinn. Es folgt Ihrer inneren Sehnsucht und lässt sich von Ihrem Verstand nicht unter Druck setzen.

Besonders in unserer schnelllebigen Zeit schenken wir unserem Herzen zu wenig Aufmerksamkeit, während unser Verstand Überstunden macht, um mit der Komplexität des Lebens fertig zu werden. Deshalb stelle ich Ihnen hier einen Zugang zur Bibel vor, der Ihnen helfen wird, mit ausgewählten Textstellen auf die tiefer liegende Ebene Ihres Herzens zu gelangen:

Nehmen Sie Geschwindigkeit aus Ihrem Leben und gönnen Sie Ihrem Verstand ein wenig Ruhe. Schenken Sie Ihrem Herzen die Aufmerksamkeit, die es verdient.

Erster Schritt: Lesen Sie langsam einen Vers oder einen kurzen Abschnitt, der Sie innerlich angesprochen hat. Schenken Sie diesem Vers oder Abschnitt Ihre volle Aufmerksamkeit. Lassen Sie ihn einfach auf sich wirken. Lesen Sie sich den Text mehrmals laut vor. Lassen Sie sich Zeit.

Zweiter Schritt: Richten Sie nun Ihre Aufmerksamkeit auf sich selbst. Was regt sich da in Ihnen? Spüren Sie Hoffnung oder Freude? Spüren Sie einen inneren Auftrieb? Oder kommen Sie mit negativen Gefühlen in Berührung? Alles darf sein. Bitte analysieren Sie nicht, was da passiert. Grübeln Sie auch nicht. Beschränken Sie sich darauf, einfach nur wahrzunehmen.

Dritter Schritt: Kommen Sie darüber, was sich da gerade in Ihnen ereignet hat, mit dem dreieinigen Gott ins Gespräch. Danken Sie ihm für das, was Sie zu ihm hinbewegt. Vertrauen Sie ihm alles andere an: Ihre Zweifel, Ihre Fragen, Ihren Schmerz.

Vierter Schritt: Verweilen Sie noch eine gewisse Zeit aufmerksam vor Gott. Lassen Sie den Satz, der Sie besonders berührt hat, in sich nachklingen. Genießen Sie Ihr Dasein vor Gott.

Dieser meditative Zugang zur Bibel wurde bereits in den ersten Jahrhunderten des christlichen Glaubens praktiziert und ist heute unter der Überschrift „Lectio Divina“ bekannt.

1 Bautz: Barth, Karl. 1990, S. 384–396

… zu Aufbau und Gebrauch

Der Römerbrief ist in diesem Buch in sechs Sinneinheiten (I-VI) gegliedert, die jeweils mehrere Abschnitte enthalten. Die Überschriften dieser Abschnitte sind in sich unvollständig, weil sie zusammen mit anderen Überschriften einen vollständigen Satz ergeben. Verstehen Sie diese außergewöhnliche Form bitte als Einladung, den größeren Zusammenhang niemals aus den Augen zu verlieren. Das Inhaltsverzeichnis vermittelt Ihnen einen schnellen Überblick, damit Sie den roten Faden nachvollziehen können, an dem entlang Sie sich durch den Römerbrief bewegen.

Die nach den Überschriften in Klammern angegebenen Textabschnitte lesen Sie möglichst vollständig in Ihrer eigenen Bibel. Ich gebe sie in Anlehnung an gängige Bibelübersetzungen gekürzt wieder, damit sie mit ihren tragenden Aussagen präsent sind. Wenn Sie sich zum ersten Mal mit dem Römerbrief befassen, dürfen Sie sich gerne darauf beschränken, da genügend Informationen auf Sie zukommen werden.

Mein Anliegen beim Schreiben meiner Ausführungen war es, Ihnen ein Gesamtbild des vorliegenden Abschnitts zu vermitteln und aufzuzeigen, was sein spezieller Beitrag zum übergreifenden Thema des Römerbriefs ist. Wenn Sie das große Bild sehen, können Sie einzelne Verse viel leichter einordnen und verstehen. Ich lege also großen Wert auf Zusammenhänge. Manchmal erläutere ich die Denkweise von Paulus anhand seiner anderen Briefe oder spiele auf dessen Denkhorizont an, zu dem auch die Evangelien und die Apostelgeschichte wertvolle Informationen liefern. Nicht zuletzt erläutere ich den Zusammenhang mit dem Alten Testament, aus dem Paulus häufig zitiert. Darüber haben die Christen in Rom lebhaft diskutiert. Paulus setzt bei ihnen offenbar gute Kenntnisse voraus, Kenntnisse, die wir uns erst einmal aneignen müssen.2

Was bestimmte Schlüsselbegriffe angeht, knüpfe ich am Sprachgebrauch genauerer Bibelübersetzungen an. Sie haben eine lange Geschichte und sind deshalb reich an Bedeutung. Von ihrer Grundbedeutung ausgehend, entwickelt man mit der Zeit ein Gefühl dafür, welcher Akzent in unterschiedlichen Zusammenhängen im Vordergrund steht. Paulus gebraucht auch gerne Begriffspaare oder Namen, um sich gegenseitig ausschließende Prinzipien deutlich zu machen: Gesetz und Gnade, Tod und Leben, Werke und Glaube, Fleisch und Geist, Adam und Christus. Würden wir die verwendeten Begriffe jeweils mit eigenen Worten umschreiben, würden wir das Gefühl für die Spannung verlieren, die Paulus bewusst aufgebaut hat.

Den Erläuterungen zum biblischen Text folgen Anregungen für die persönliche Vertiefung. Wenn Sie dieses Buch alleine durcharbeiten, empfehle ich Ihnen insbesondere die Praxis der „Lectio Divina“, die ich auf Seite 15 beschrieben habe. Im Rahmen der Vertiefung gebe ich mehrere Bibelstellen an, die sich dafür besonders eignen. Gönnen Sie Ihrem Verstand eine Auszeit und nehmen Sie Ihre inneren Regungen wahr. Die angegebenen Fragen können dann ihr eigenständiges Weiterdenken oder auch das Gespräch in Kleingruppen anregen. Was Letzteres betrifft, sei auf die Anregungen für Gruppenleiter im Anhang verwiesen.

2 Die Bezeichnung „Altes Testament“ ist heute so üblich wie umstritten, weil manche „alt“ mit „veraltet“ assoziieren. Ich bleibe dennoch beim gängigen Sprachgebrauch. Manchmal werde ich das „Alte Testament“ alternativ als „hebräische Bibel“ bezeichnen. Juden nennen sie „Tanach“. Dieses Wort wurde aus den hebräischen Anfangsbuchstaben der darin enthaltenen Textgruppen gebildet: Gesetz, Propheten und Schriften.

I. BRIEFANFANG (1,1-17)

Der Auftrag (1,1-14)

Textauszug (1-7): 1 Paulus, Diener Jesu Christi, den er zum Apostel auserwählt hat, das Evangelium Gottes bekannt zu machen, 2 das er durch seine Propheten verheißen hat, wie uns die heiligen Schriften bezeugen. 3 Das Evangelium nämlich von Jesus als seinem Sohn, der seiner natürlichen Abstammung nach Nachkomme Davids war, 4 den Gott seinem himmlischen Ursprung gemäß machtvoll als Sohn Gottes eingesetzt hat, nachdem er von den Toten auferstanden ist. 5 Durch ihn haben wir sowohl die Gnade Gottes als auch unser Apostelamt empfangen. Damit wir in seinem Auftrag Menschen aller Nationen in den Gehorsam gegenüber Gott führen, der aus dem Glauben kommt. 6 Darum gilt mein Auftrag auch euch in Rom, die ihr von Jesus Christus berufen seid. 7 Ich schreibe allen Geliebten Gottes, den berufenen Heiligen in Rom: Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater und dem Herrn Jesus Christus.

Der Römerbrief ist der grundlegendste und längste Brief von Paulus. Aufgrund seiner Bedeutung führt er zu Recht die Reihe der apostolischen Briefe im Neuen Testament an. Er ist an die Christen der römischen Hauptstadt gerichtet. Paulus will sie für seine Mission in Spanien gewinnen und wirbt um ihre Unterstützung. Um sich der Gemeinde vorzustellen, die er nicht selbst gegründet hat, legt Paulus dar, wie er die Zeitenwende versteht, die durch das Kommen Jesu eingetreten ist. Er bemüht sich, mögliche Vorbehalte gegenüber seiner Person und seiner Mission auszuräumen. Sein großes Thema ist die Gerechtigkeit Gottes, die sich in Jesu Tod und Auferstehung zum Heil aller offenbart hat.

Briefe waren schon in der antiken Welt ein beliebtes Kommunikationsmittel, das Menschen auch über große Distanzen hinweg verbinden konnte. Wir haben heute viel schnellere Kommunikationsmittel. Doch ist unsere Kommunikation auch flüchtiger und oberflächlicher geworden. Völlig zu Recht gilt deshalb ein Brief auch heute noch als etwas Besonderes. Der Verfasser eines Briefs nimmt sich Zeit, um sich in den oder die Briefempfänger hineinzudenken. Er wählt seine Worte mit Bedacht, gibt Persönliches preis, investiert Vertrauen. Er achtet sorgfältig auf Inhalt und Stil seiner Formulierungen. In der Antike war der Prozess des Schreibens noch viel aufwendiger. Man schrieb auf Papyrus. Zuweilen wurden Briefe auch diktiert.3Der fertige Brief wurde als Buchrolle befördert. Ein Bote überbrachte ihn persönlich. Zu diesem Zweck musste oft eine lange Reise angetreten werden. War der Bote zugleich ein Mitarbeiter des Absenders, konnte dieser den Inhalt persönlich erläutern. Würde der Römerbrief heute in dieser Art geschrieben und überbracht, kämen erstaunliche Kosten zusammen. Wir können uns denken, dass ein solcher Brief auch in der Antike ein Zeichen hoher Wertschätzung war und entsprechend beachtet wurde. Für die neutestamentlichen Briefe ist weiter zu bedenken, dass sie zwar einen konkreten Empfänger hatten, ihr apostolischer Charakter sorgte aber für ihre weite Verbreitung. Sie galten bald als Allgemeingut der jungen Christenheit.

Paulus folgt der damals üblichen Form. In der Einleitung (dem Präskript) erfahren wir etwas über den Absender, der die Adressaten mit einem Segenswunsch grüßt: „Gnade sei mit euch und Friede von Gott“. Dieser Segenswunsch ist typisch für Paulus. Während Gnade in der griechischen Sprache an das in Briefen übliche Wort für grüßen anknüpft, nimmt das Wort Friede den traditionellen Friedensgruß jüdischer Briefe auf. Die Einleitung und der Briefschluss (das Postskript) vermitteln uns einen Einblick in die damaligen Verhältnisse. Sie sind der Rahmen für den Hauptteil, in dem das Thema des Briefs entfaltet wird.

Biblische Schriften sind einerseits vom Heiligen Geist inspiriert.4Andererseits nehmen wir darin auch menschliche Züge wahr. Wie gehen wir damit um? Was bedeutet das für unsere Auslegung?

Um das Wesen der Bibel besser begreifen zu können, ist es hilfreich, sie im Hinblick auf Jesus zu lesen. Jesus selbst hat uns das nahegelegt.5Wie bei ihm menschliche und göttliche Natur vereinigt sind, so sind in der Bibel göttliche Offenbarung und menschliche Sprache miteinander vereint. Genauso wenig, wie wir göttliche und irdische Natur Jesu voneinander trennen können, können wir göttliche Offenbarung aus menschlicher Sprache herausdestillieren und für sich selbst betrachten. Beide Dimensionen begegnen uns in der Bibel als ineinander verflochtenes Ganzes.

Die Inspiration der Bibel kann man sich schwerlich als Diktat Gottes denken. Hätte er sie diktiert, müssten wir ja in jedem biblischen Buch dieselbe Sprache und denselben Stil antreffen. Weil Inspiration im Einklang mit Menschen geschah, die sich Gott zur Verfügung gestellt haben, ist es jedoch angemessen, menschliche Merkmale in den Schriften der Bibel zu erwarten.6Gott hat die Eigenschaften seiner Boten in seinen Dienst gestellt. Ähnliches gilt für zeitgeschichtliche Umstände und kulturelle Gegebenheiten. All das bringt Gottes Botschaft zum Klingen. Das Licht göttlicher Offenbarung bekommt so eine menschliche Färbung, wird dadurch aber auch für andere Menschen zugänglich. In der Bibel geht es nicht um abgehobene Wahrheiten, die mit der Wirklichkeit nichts zu tun haben, sondern um Wahrheiten, die sich in der Wirklichkeit dieser Welt bewährt haben.

Wenn wir einen Brief verstehen wollen, macht es deshalb auch Sinn, nach den “Gesprächspartnern” zu fragen. Denn beim Schreiben eines Briefs vollzieht sich ja ein innerer Dialog zwischen Absender und Briefempfänger. Deshalb wollen wir uns zunächst einmal mit den ursprünglichen Empfängern des Römerbriefs befassen.

Die Wurzeln der römischen Gemeinde gehen mit großer Wahrscheinlichkeit auf das Pfingst-Ereignis zurück.7In der Apostelgeschichte lesen wir, dass einige römische Bürger die Ausgießung des Heiligen Geistes miterlebt hatten. Diese römischen Bürger werden dort näher als Juden und Proselyten bezeichnet.8Juden waren zu jener Zeit überall in den Städten des Römischen Reichs zu Hause. Insgesamt lebten zeitweise bis zu 50.000 Juden in Rom.9Zusammen mit den Proselyten pilgerten sie zu den großen jüdischen Festtagen nach Jerusalem. Das waren Menschen nicht-jüdischer Herkunft, die sich dem jüdischen Glauben angeschlossen hatten. In Rom gab es davon so viele, dass diese Bevölkerungsgruppe sogar das Misstrauen der römischen Oberschicht erregte.

Das Römische Reich war zu jener Zeit ein multireligiöser Raum, der geprägt war von geheimen Kulten und der Verehrung unzähliger Götter. Spekulative Philosophien und unterschiedliche Moralvorstellungen konkurrierten miteinander. Das Judentum war für viele Menschen anziehend, weil dort nur ein Gott verehrt wurde. Die Verehrung dieses Gottes war mit einem klar geregelten Kultus verbunden. Die Ordnungen für den Gottesdienst und das persönliche Leben konnten an einer für alle verbindlichen Schrift nachvollzogen werden.10Nun hörten also diese römischen Bürger (Juden und Proselyten) in Jerusalem die Botschaft von Jesus und seiner Auferstehung. Sie wurden Zeugen kraftvoller Wirkungen des Heiligen Geistes. 3000 Menschen kamen an jenem Tag zum Glauben an Jesus und wurden Teil der urchristlichen Gemeinde. Sicher blieben einige von ihnen für eine gewisse Zeitspanne in Jerusalem und hatten so die Gelegenheit, sich mit der Lehre der Apostel auseinanderzusetzen.11Dort konnten sie die Gute Nachricht von Jesus mit ihrer Kenntnis des jüdischen Glaubens verbinden. Es ist also gut nachvollziehbar, dass diese Gruppe römischer Bürger, die das Evangelium von Jesus aus erster Hand empfangen hatte, Grundstock für die Gründung der christlichen Gemeinde in Rom war. Auch die moderne Archäologie bringt heute die Anfänge des christlichen Glaubens in Rom mit der dortigen jüdischen Kolonie in Verbindung. So wurde nachgewiesen, dass die Bestattung in Katakomben zuerst in der jüdischen Kolonie Brauch war, bevor diese Art der Bestattung auch für das römische Urchristentum charakteristisch wurde.12Die jüdische Kultur war in Rom also ausgesprochen präsent, was erklärt, warum Paulus bei den Empfängern seines Briefs vieles voraussetzen kann.

Die Christen in Rom trafen sich damals nicht in einem zentralen Gebäude, sondern in geräumigen Wohnhäusern. Der Römerbrief wurde dort vorgelesen und besprochen. Deshalb halte ich es für eine gute Idee, auch heute über seine Inhalte miteinander ins Gespräch zu kommen.

Der Römerbrief wirkt auf Theologen wie ein Lehrgespräch unter Juden. Wenn wir berücksichtigen, dass Paulus zu einer Gemeinde schreibt, die eine stark juden-christliche Prägung hatte, dann verstehen wir, warum er so viel über das Gesetz schreibt und auf rabbinische Weise argumentiert.13Sicher wollte Paulus gerade auch seine Landsleute für sein missionarisches Anliegen gewinnen. Er wusste aus früheren Erfahrungen nur zu gut, dass der Stellenwert, den einige von ihnen dem Gesetz zusprachen, seine Mission durchaus gefährden konnte.14

Als Nicht-Juden sollten wir allerdings nicht meinen, seine Ausführungen über das Gesetz seien für uns überflüssig. Die Kirchengeschichte hat gezeigt, dass auch für die Christenheit ein Leben im Geist des Evangeliums nicht zur Selbstverständlichkeit wurde. Immer wieder wurde die Kraft eines solchen Lebens gegen selbst auferlegte Prinzipien und Äußerlichkeiten ausgetauscht. Deshalb lohnt sich die Auseinandersetzung mit den Fragen rund um das Gesetz auch für uns. Beim Lesen der Bibel würden wir ohnehin früher oder später auf sie stoßen. Im Römerbrief begegnet uns ein kompetenter Autor, der diese Fragen so gründlich und konsequent wie kein anderer durchdacht hat. Im Blick auf Jesus hatte sich seine eigene Haltung zum Gesetz grundlegend verändert, was seinem Leben eine völlig neue Richtung gab.

Persönliche Vertiefung

Wir haben uns in diesem Abschnitt mit den ursprünglichen Empfängern des Römerbriefs auseinandergesetzt. Wer aber war sein Absender? Paulus war ein eifriger Pharisäer, der das Gesetz über alles gestellt hatte. Er wurde zunächst zum Verfolger der jungen Christenheit. Nach einer persönlichen Begegnung mit Jesus Christus änderte sich der Kurs seines Lebens grundlegend. Lernen Sie seine Geschichte kennen, die Lukas in Apostelgeschichte 9 erzählt.

Lectio Divina: Römer 1,7b; Johannes 5,39; Jesaja 40,6-8;

Jesaja 55,10-11

Welche Erfahrungen haben Sie mit dem Schreiben von Briefen gemacht? Haben Sie schon einmal einen Brief empfangen, der Ihnen viel bedeutet hat?

Wie würden Sie Ihr Wissen über das Alte Testament einschätzen (gut, mittelmäßig, schlecht)?

Wie würden Sie den Unterschied zwischen dem Alten und dem Neuen Testament beschreiben?