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Godolphin war die erste in einer Reihe von exzellenten Novellen mit okkulten Themen und entstand im Jahr 1833.
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Seitenzahl: 592
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Godolphin oder Der Schwur
Edward Bulwer-Lytton
Inhalt:
Edward George Earl Bulwer-Lytton – Biografie und Bibliografie
Erster Band
Vorrede.
Vorrede zu der zweiten Auflage.
Erstes Kapitel.
Zweites Kapitel.
Drittes Kapitel.
Viertes Kapitel.
Fünftes Kapitel.
Sechstes Kapitel.
Siebentes Kapitel.
Achtes Kapitel.
Neuntes Kapitel.
Zehntes Kapitel.
Eilftes Kapitel.
Zwölftes Kapitel.
Dreizehntes Kapitel.
Vierzehntes Kapitel.
Fünfzehntes Kapitel.
Sechszehntes Kapitel.
Siebenzehntes Kapitel.
Achtzehntes Kapitel.
Neunzehntes Kapitel.
Zwanzigstes Kapitel.
Ein und Zwanzigstes Kapitel.
Zwei und Zwanzigstes Kapitel.
Drei und Zwanzigstes Kapitel.
Vier und Zwanzigstes Kapitel.
Fünf und Zwanzigstes Kapitel.
Zweiter Band
Erstes Kapitel.
Zweites Kapitel.
Drittes Kapitel.
Viertes Kapitel.
Fünftes Kapitel.
Sechstes Kapitel.
Siebentes Kapitel.
Achtes Kapitel.
Neuntes Kapitel.
Zehntes Kapitel.
Eilftes Kapitel.
Zwölftes Kapitel.
Dreizehntes Kapitel.
Vierzehntes Kapitel.
Fünfzehntes Kapitel.
Sechszehntes Kapitel.
Siebenzehntes Kapitel.
Dritter Band.
Erstes Kapitel.
Zweites Kapitel.
Drittes Kapitel.
Viertes Kapitel.
Fünftes Kapitel.
Sechstes Kapitel.
Siebentes Kapitel.
Achtes Kapitel.
Neuntes Kapitel.
Zehntes Kapitel.
Eilftes Kapitel.
Zwölftes Kapitel.
Dreizehntes Kapitel.
Vierzehntes Kapitel.
Fünfzehntes Kapitel.
Sechszehntes Kapitel.
Siebenzehntes Kapitel.
Achtzehntes Kapitel.
Neunzehntes Kapitel.
Zwanzigstes Kapitel.
Ein und zwanzigstes Kapitel.
Zwei und zwanzigstes Kapitel.
Drei und zwanzigstes Kapitel.
Vier und zwanzigstes Kapitel.
Fünf und zwanzigstes Kapitel.
Sechs und zwanzigstes Kapitel.
Letztes Kapitel.
Godolphin, E. Bulwer-Lytton
Jazzybee Verlag Jürgen Beck
Loschberg 9
86450 Altenmünster
ISBN: 9783849605346
www.jazzybee-verlag.de
Erster Lord L., berühmter engl. Schriftsteller und Staatsmann, der deutschen Lesewelt bekannter unter seinem früheren Namen Edward Bulwer, geb. 25. Mai 1803 in London, gest. 18. Jan. 1873 in Torquay und 25. Jan. in der Westminsterabtei bestattet. Er war der erstgeborene Sohn des Generals William Earle Bulwer; der Familienname seiner hochbegabten und reichen Mutter war L., ihr Familiensitz Knebworth. Seine Jugenderziehung erhielt er zu Hause, dann besuchte er die Universität Cambridge. Seine ersten poetischen Versuche zeugten von dem Einfluss Byrons, machten aber wenig Eindruck. Noch sehr jung, schloss er (1827) seine unglückliche Ehe mit der Irländerin Rosina Wheeler, der ein Sohn entsprang (s. unten). Mit »Pelham, or the adventures of a gentleman« (1828) gab L. die Anonymität auf und hatte gewaltigen Erfolg. Er war unterdessen durch Reisen und durch das Studium des Deutschen gereist. Seine Beliebtheit stieg mit jedem seiner neuen Romane. Hierher gehören: »The Disowned« (1829), »Devereux« (1829), »Paul Clifford« (1830). Er betrat nun die politische Laufbahn, schrieb satirische Verse: »The Siamese twins« (1831), wurde ins Unterhaus gewählt und vertrat 1832–41 die Stadt Lincoln als Liberaler. Bei der Krönungsfeier der Königin Viktoria (1838) wurde er zum Baronet geschlagen. In diese erste Periode fällt eine Reihe seiner größten schriftstellerischen Erfolge, zunächst die Romane: »Eugene Aram« (1832), eine Verbrechergeschichte, späterhin auch dramatisiert; das liebliche Buch »The pilgrims on the Rhine« (1834), »The last days of Pompeii« (1834), die Frucht einer italienischen Reise, und die großartige Wiederbelebung einer bis dahin dunkeln Geschichtsepoche in »Rienzi. the last of the tribunes« (1835); dann von ganz anderm Gehalt, an Goethes »Wilhelm Meister« sich anlehnend, der »dem großen deutschen Volk, einer Nation von Denkern und Kritikern« gewidmete Roman »Ernest Maltravers« (1837) und dessen Fortsetzung: »Alice« (1838). Von geringerer Bedeutung sind: »Godolphin« (1833); »Leila, or the siege of Granada« (1840); »Night and morning« (1841) und »Zanoni« (1842; deutsch, Leipz. 1905), worin sich der Hang zum Geheimnisvollen dartut, der späterhin großen Einfluß über L. erlangte. Überdies veröffentlichte er Bilder des Nationallebens: »England and the English« (1833), schrieb eine Reihe von sehr geschätzten kritischen Aufsätzen in »Blackwood's Magazine«, die er nachher als »The Student« (1835) zusammenstellte, leitete das »New Monthly Magazine«, schrieb sein Geschichtswerk »Athens, its rise and fall« (1837) und eine Reihe von Dramen, von denen »The lady of Lyons« (1838), »Richelieu« (1839), »Money« (1840) und auch »The Sea-captain« (1839), umgearbeitet als »The rightful heir« (1869), starke Bühnenerfolge erzielten. Bei den Neuwahlen von 1842 fiel L. durch und lebte während zehn Jahren in verhältnismäßiger Zurückgezogenheit. Damals fiel ihm (1843) durch den Tod seiner Mutter ein großes Vermögen zu; er änderte seinen Namen nun in Bulwer-L. Auf den historischen Roman: »The last of the barons« (1844) aus dem Kriege der Rosen folgte: »Harold, the last of the Saxon kings« (1845), worin das Romanhafte weit hinter das Historische zurücktritt. In »Lucretia, or the children of night« (1846) kehrte er zum eigentlichen Roman zurück, nicht mit dem frühern Erfolg. Dazwischen fallen Gedichte mit persönlichen Beziehungen: »Eve, and the ill-omened marriage« (1842); Übersetzungen aus Schiller u. d. T.: »Poems and ballads« (1844, neue Ausg. 1869), satirische Verse: »The new Timon, a romance of London« (1846), und das Heldengedicht »King Arthur« (1848). Nun wandte er sich wieder dem modernen Roman mit größtem Erfolg zu: anonym in Monatslieferungen von »Blackwood's Magazine« erschienen die »Caxtons« (1850), die in der Grundanlage den Einfluß des »Tristram Shandy« von Lawrence Sterne verraten. Auf derselben Höhe erhielt er sich in der Fortsetzung: »My novel« (1852). Mit der Flugschrift: »Letter to John Bull« (1850) vollzog er seinen Übertritt zu einem gemäßigten Konservativismus und wurde als Tory 1852 von der Grafschaft Hertford in das Unterhaus gewählt, wo er bis 1866 als großer Redner saß. Unter Derby war er 1858–59 auch Minister für die Kolonien. In diese Periode gehören seine Romane: »What will he do with it?« und »A strange story« (1861), in welch letzterm er starke Hinneigung zu dem Spiritismus unsrer Zeit an den Tag legte. Als Baron L. of Knebworth wurde er 1866 ins Oberhaus berufen, wo er Gladstones Maßregeln zur Versöhnung mit Irland unterstützte. Literarisch betätigte er sich durch die »Lost tales of Miletus« (1866), eine Übersetzung der Oden des Horaz und das Lustspiel »Walpole« (1869). Anonym veröffentlichte er: »The coming race«, eine Utopie, in der er neuere Entdeckungen der Naturwissenschaft mit dem Phantasiegebilde fliegender Menschen verquickte. Während seiner letzten Krankheit hatte er die Korrekturen seines Romans »Kenelm Chillingly« gelesen; aus seinem Nachlaß erschien sein letzter Roman: »The Parisians«, sowie der unbeendete: »Pausanias the Spartan« (1876). Seine Reden mit ausführlicher Denkschrift hat sein Sohn herausgegeben (1874, 2 Bde.), wie auch »Pamphlets and sketches« (1875). In der äußern Politik neigte er sich mehr zu Deutschland als zu Frankreich. Die letzte Gesamtausgabe seiner Werke ist die »Knebworth-Edition« in 38 Banden (1874 u. ö.).[8] Die Biographie des Dichters nebst dessen nachgelassenen Schriften veröffentlichte sein Sohn u. d. T.: »Life, letters and literary remains« (1883, 2 Bde.); doch reicht die Biographie nur bis 1832 und ist durch die Einleitung zu den Reden zu ergänzen. L. besticht durch seine Vielseitigkeit: er schreibt, um bei seiner Hauptgattung zu bleiben, sentimentale, romantische, historische, realistische und utopistische Romane. Niemals ist er bahnbrechend, immer aber hat er eine seine Witterung für die literarischen Strömungen des Tages. War er für die jeweilige Richtung auch nur Nachahmer, so bewahrte er sich doch seinen verschiedentlichen Vorbildern gegenüber die persönliche Eigenart. Das zeigt sich besonders auffällig im historischen Roman, also gegenüber dem mächtigsten Muster, W. Scott. Die Romane wurden in fast alle europäischen Sprachen, auch wiederholt ins Deutsche, übersetzt. Vgl. Planche, Portraits littéraires, Bd. 1 (Par. 1849); Jul. Schmidt, Bilder aus dem geistigen Leben unsrer Zeit (Leipz. 1870).
Seine Gattin Rosina, Lady Bulwer, geb. 1807 in Limerick, gest. 12. März 1882 in London, war die Tochter Francis Wheelers und Enkelin Lord Masseys und verheiratete sich mit Bulwer 1827. Die Ehe wurde später gelöst, und bald darauf verfaßte sie den skandalösen Roman »Cheveley, or the man of honour« (1839; deutsch, Stuttg. 1840), voll bitterer Angriffe auf ihren Gemahl. Ihm folgten gelungene Schilderungen gesellschaftlicher Zustände in »Miriam Sedley« (1851; deutsch, Wurzen 1852), »Behind the scenes« (1854), »Very successful« (1857) und »The world and his wife« (1858). Vgl. Louisa Devey, Life of Rosina, Lady L. (Lond. 1887).
Die Erzählung gründet sich auf wahrhafte Begebenheiten; der Mittheiler derselben ist weniger Verfasser, als Kompilator. Ihr Hauptzweck besteht in der Darlegung des Einflusses, welchen die große Welt auf die geistvollen, unternehmenden und phantasiereichen Personen beiderlei Geschlechts ausübt, welche mit derselben in Berührung kommen. Sie steht in einiger Verbindung mit der socialen und politischen Zeitgeschichte, und die Zeit selbst ist, mag sie noch so beschäftigt seyn, doch immer egoistisch genug, daß sie nach jedem Widerschein ihrer Züge hinblickt und an der Treue des Spiegels etwas auszusetzen findet.
Sollte vielleicht irgend ein Müßiggänger, der Muße genug hat, sie an Nichtigkeiten verschwenden zu können, in ein so unwichtiges Geheimnis dringen wollen, wie der Name des Mannes ist, dessen bescheidene Aufgabe es gewesen ist, aus einer Lebensnotiz einen Roman zusammenzusetzen, so kann ihm versichert werden, daß er seinen Scharfsinn umsonst anstrengen wird: der Verfasser hofft und glaubt, daß er dieses, nur für ihn bedeutende Geheimnis mit in das Grab nehmen wird, welches, nach den Stürmen von Sorgen und Schwächen, nahe und willkommen ihm entgegenlächelt – als der Hafen der Ruhe.
*** 23. April 1833.
Die Dichtung oder vielmehr Kompilation dieses Werkes ist verschiedenen Personen zugeschrieben worden, davon einige so viel Ruf haben, daß ich fast versucht werde, ihr ein Verdienst beizulegen, von dem ich Anfangs keine rechte Ahnung hatte. Es ziemt mir nicht, so schmeichelhaften Angaben zu widersprechen. Ich begnüge mich damit, innerlich über den Mißgriff zu lachen, mit dem man einen Fündling adoptirt hat, der nur Einen Schritt von der Wiege zum Grabe hat. Der wahre Verfasser von Godolphin ist und wird immer unentdeckt bleiben. Er freut sich, der Welt die Früchte seiner Gedanken, seiner Forschungen und seiner Erfahrungen übergeben zu können – und überläßt Andern die Verantwortlichkeit seiner Irrthümer.
Einige sagen, dieses Buch sey eine Spielerei von Herrn d'Israeli: andere, es sey entweder eine Nachahmung von Herrn Bulwer, oder ein Sprößling, zu dessen Verleugnung er seine guten Gründe habe. Ich habe gehört, daß man es dem Obersten Caradoc – der Mistreß Norton – dem Türkischen Gesandten – der vereinten Arbeit des Herrn ***, der noch am Leben ist, und der verstorbenen Lady Caroline L**** zugeschrieben hat. Ich vermuthe, daß keine dieser Behauptungen richtig ist, aber sie freuen mich dermaßen, daß ich keiner derselben entschieden widersprechen mag. So viel kann ich jedoch sagen, daß, wenn keine Frau einige Theile dieses Buches geschrieben haben könnte, so auch kein Mann es ganz geschrieben haben kann, und daß es ernstlich und in der That mehr Biographie als Roman ist. Einer, der aus Erfahrung schöpft, kann nicht nachahmen: aber dennoch kann er (Bequemlichkeit halber brauche ich den männlichen Artikel) vielleicht nicht ganz den Styl und die Manier seiner Zeitgenossen vermeiden. Dieselben Gründe, welche die Art und Weise bestimmen, in welcher sie sich ausdrücken, bildten auch seine Denk- und Schreibweise.
Ich sehe die Tendenz und Moral dieses Buches sich langsam Bahn machen. Eine Periode in ihrer Wahrheit darstellen, heißt die Ereignisse der nachfolgenden vorauszukünden. Lebe wohl, Leser: willst Du mich entlarvt sehen, mußt Du hinter die Bühne dieser Welt kommen; wenn die Lampen ausgelöscht sind, der Vorhang gefallen ist, wirst Du erfahren, wer ich bin. Aber es gibt Eine Macht, welche Dich hinter diese Coulissen führen kann, und ihr Name ist – Tod.
*** 9. August 1833.
Das Erwachen John Vernons. – Seine letzten Worte. – Beschreibung seiner Tochter, der Heldin des Buches. – Der Schwur.
– Ist die Nacht still, Konstanze?
– Sehr schön: der Mond ist aufgegangen.
– Öffne hier die Schläge weiter. Es ist wirklich eine schöne Nacht. Wie herrlich! Komm hieher, mein Kind.
Das volle Mondlicht, welches jetzt durch die Fenster strömte, traf nur wenig, dem es einen poetischen Reiz hätte geben können. Das Zimmer war klein, obgleich nicht unsauber in Aufputz und Anordnung. Die Bettvorhänge, von dunklem Indischen Kattun, waren zurückgeschlagen, und zeigten einen, durch Kissen aufgerichteten Mann, der bereits über die mittlere Lebenszeit hinaus war und auf seinem Gesichte die Spuren des nahenden Todes trug. Und doch, was war dies noch für ein Gesicht! Die blasse, breite, erhabene Stirn; die kurze, gewölbte Lippe; das volle Kinn mit seinen Grübchen; der Stempel des Genies auf jedem Zuge, jeder Linie, das Alles trotzte der Krankheit, oder entlehnte vielmehr ihrem geisterhaften Anschein eine noch eindrucksvollere Majestät. Neben dem Bette stand ein Tisch, auf dem Bücher des verschiedenartigsten Inhaltes zerstreut waren. Da lag ein dunkles Werk über finanzielle Berechnungen, dort ein Band wüster Trinklieder, hier die schwungvollen Gedanken von Plato's Phädo, dort die letzte Rede irgend eines Fants von Gesellschafts-Repräsentanten über die Malzsteuer; alte Zeitungen und bestaubte Broschüren vervollständigten dieses wissenschaftliche Durcheinander, und über ihnen erhob sich, traurig genug, die dünne, gespenstische Gestalt einer Phiole und ein mit seinem Löscher bedecktes Licht.
Ein leichter Fuß näherte sich dem Bette, und dem sterbenden Manne gegenüber stand ein Mädchen, das sein dreizehntes Jahr hinter sich haben mochte. Aber ihre Züge – die eine ausgezeichnete, man konnte sagen, fürstliche Schönheit verriethen – waren entwickelt, wie bei einem Weibe von doppelten Alter; auf ihrem Gesichte zeigte sich keine Spur von dem Dufte, der weichen Unbestimmtheit des Kindes. Ihre Farbe war bleich, wie der weißeste Marmor, aber klar und durchsichtig; und ihr schwarzes Haar, das sie auf eine damals ungewohnte Weise über der Stirn gescheitelt trug, erhöhte noch den klassischen, statuenartigen Eindruck ihrer edlen Bildung. Der Ausdruck ihrer Züge schien kalt, gemessen, etwas streng, mochte jedoch einigermaßen ihr Herz Lügen strafen, denn wenn sie sich nach dem Mondlichte wandte, konnte man sehen, daß, wenn sie auch nicht weinte, doch Thränen in ihren Augen schwammen, und das Zucken ihrer Lippe zeigte, daß sie nur darum etwas zögerte, auf die Bemerkungen des Leidenden zu antworten, weil es ihr zu schwer wurde, ihrer Bewegung Herrin zu werden.
– Konstanze, sagte der Kranke, nach einer Pause, während deren er mit ruhigem Herzen nach dem dunklen Himmel geschaut zu haben schien, den er in seiner sanften Bläue und seinen beredten Sternenglanze aus dem Fenster erblicken konnte, Konstanze, die Stunde kömmt heran; ich fühle es an Zeichen, die mich nicht trügen können. Diese Nacht werde ich sterben.
– O Gott, mein Vater! Mein theurer, lieber Vater! Sprich nicht so – ich will zum Doktor gehen –
– Mein Kind, nein. Ich verachte, ich verabscheue den Gedanken an Hülfe. Sie verweigerten mir alles, als es noch Zeit war. Sie ließen es mir frei, Hungers zu sterben, oder im Gefängnis zu verfaulen, oder mich aufzuhängen. Sie verließen mich wie einen Hund, und wie ein Hund will ich auch sterben! Die Gerechtigkeit, das tödtliche, erdrückende Gewicht meines letzten Fluches soll nicht um einen Gedanken erleichtert werden. – Heftige Krämpfe beraubten den Kranken der Sprache, und als er durch Medizin und mit Hülfe seiner Tochter wieder zu sich gekommen war, fügte er mit ruhigerer und leiser Stimme hinzu: Ist alles still unten, Konstanze? Sind Alle zu Bett? Die Wirthin – die Diener – die übrigen Miethsleute?
– Alle, Vater.
– Gut, so werde ich glücklich sterben. Gott sey gelobt, Du bist meine einzige Pflegerin. Ich denke noch an den Tag, wo ich nach einer ihrer wilden Orgien mich krank befand. Krank! Ein erbärmlicher Kopfschmerz – ein Anfall von Spleen – die Krankheit eines verwöhnten Schooßhundes. Gut! Dieselbe Nacht brauchten sie mich, um eine ihrer armseligen Maßregeln – ihrer Parlaments-Anträge – zu unterzeichnen, und da kam ein Prinz, der mir den Puls fühlte, und ein Herzog, der einen Trank mischte, und ein Dutzend Grafen schickten mir ihre Ärzte. Sie hatten mich nöthig damals. Weh mir! Lies mir das Billet dort, Konstanze, Flamborough's Brief. Du willst nicht? Ich sage Dir, lies!
Konstanze gehorchte zitternd.
»Mein theurer Vernon!
»Ich bin wirklich am désespoir über Ihren traurigen Zustand. Ich kann Ihnen nicht sagen, wie bekümmert es mich macht. Aber Sie wissen, in welcher Verlegenheit ich selbst bin. Apropos, gestern habe ich Seine Königliche Hoheit gesehen: »der arme Vernon, sagte er, ob ihm wohl ein hundert Pfund gelegen kommen?« – Sie sehen, mon cher, wir vergessen Sie nicht. Ach, wie vermißten wir Sie beim Beefsteaks-Klub! Wir werden nie wieder einen so glänzenden Bonvivant finden. Sie würden herzlich lachen, hörten Sie, wie L... Ihre alten Späße nachzubeten sucht. Aber die Zeit drängt: ich muß in das Parlament. Sie wissen, um welche Motion es sich handelt. Wollte Gott, Sie könnten sie statt des eselhaften T... einbringen. Adieu! Ich wünschte, ich könnte selbst kommen und Sie sehen, aber es würde mir das Herz brechen. Soll ich Ihnen einige Bücher von Hoookham's Bibliothek schicken? Immer der Ihrige
»Flamborough.«
– Das ist der Mann, den ich zum Staatssekretär gemacht habe, sagte Vernon. Sehr gut, sehr gut, es ist sehr gut! Laß mich Dich küssen, Mädchen. Arme Konstanze, Du wirst gute Freunde haben, wenn ich todt bin. Sie werden stolz darauf seyn, Vernon's Tochter helfen zu können, wenn der Tod ihnen gezeigt hat, was sie an Vernon verloren haben. Du bist sehr hübsch. Deiner armen Mutter Augen und Haar – meines Vaters herrliche Stirn und Lippen – und die selbst jetzt so stattliche Gestalt! Sie werden Dir den Hof machen; Du wirst Lords und große Herren genug zu Deinen Füßen haben, aber nie wirst Du diese Nacht, den Todeskampf auf dem Gesicht Deines sterbenden Vaters, das Brandmaal vergessen, das sie in sein Herz gebrannt haben. Und nun, Konstanze, gib mir die Bibel, aus der Du mir diesen Morgen vorgelesen hast – gut – tritt aus dem Licht, richte Deine Augen auf die meinigen und höre zu, als ob die Seele in Deinem Ohre wäre.
Als ich noch ein junger Mann war, und mir mühsam einen Weg am Tribunal bahnte, vorsichtig, besonnen, unermüdlich, voll Vertrauen auf den Erfolg – kamen gewisse Lords, die gehört hatten, ich besäße Genie, und mich zu ihrem Werkzeuge machen zu können glaubten, zu mir, und forderten mich auf, in das Parlament zu treten. Ich sagte ihnen, ich sey arm – kürzlich erst verheiratet – mein Ehrgeiz dünke nicht auf Kosten meines Privatvermögens befriedigt zu werden. Sie antworteten mir, sie verpflichteten sich, für mein Vermögen Sorge zu tragen. Ich ließ mich bereden, gab meinen Stand auf, willfahrte ihren Wünschen, wurde berühmt und ein zu Grunde gerichteter Mann! Sie konnten nicht ohne mich diniren, noch ohne mich soupiren, sich nicht ohne mich betrinken, nur in meiner Gesellschaft war ihnen das Vergnügen recht. Was that's, daß während ich zu ihrer Unterhaltung beisteuerte, ich gezwungen war, Schulden auf Schulden zu machen, Elend auf die Zukunft aufzuhäufen, daß ich Bankerott, und Sorgen, und Schande, und ein gebrochenes Herz und einen frühen Tod vorbereitete! Aber gib Acht, Konstanze. Hörst Du auch? Aufmerksam? Gut, merke jetzt, ich bin ein gerechter Mann. Ich tadle meine edlen Freunde, meine wackern Gönner darum nicht. Nein: vergaß ich mein Interesse, zog ich ihr Vergnügen meinem Glück und meiner Ehre vor, so war das mein Verbrechen und ich verdiene die Strafe! Aber, siehst Du die Zeit ging vorüber, und meine Gesundheit war geknickt; die Schulden wuchsen mir über den Kopf; ich konnte nicht bezahlen, man traute meinem Wort nicht mehr, mein Name verlor seinen Klang im Lande. Mit den Kräften verließ mich auch der Genius; ich war meiner Partei nicht mehr nützlich, und als ich auf das Siechbett sank – Du erinnerst Dich daran, Konstanze – kamen die Gerichtsdiener, und schleppten mich fort wegen einer armseligen Schuld – kaum vom Werthe eines jener Abendessen, die ich dem Prinzen auf seinen Wunsch zu geben pflegte. Von der Zeit an verließen mich meine Bekannten! Kein Besuch, kein freundlicher Schritt, keine Dienstleistung für den, dessen Wirkungszeit vorüber war! Der Karakter des armen Vernon war dahin! »Schrecklich in der Klemme – konnte den Gläubigern seine Versprechungen nicht halten – war immer so ausschweifend – ohne Grundsätze – müssen ihn aufgeben!«
In diesen Redensarten liegt das Geheimnis ihres Verfahrens. Sie vergaßen, daß für sie, durch sie mein Karakter vernichtet, meine Versprechungen nicht gehalten, der Ruin herbeigeführt worden! Sie bedachten nicht mehr, wie ich ihnen gedient, wie ich meine besten Jahre damit vergeudet hatte, sie zu erheben, ihre Sache in dem lügnerischen Buche der Geschichte zu adeln! An Alles dies dachte niemand: mein Leben theilte sich in zwei Epochen, die eine, in der ich ihnen – die andere, in der ich nichts nützte. Während der ersten wurde ich geehrt, während der letztern ließ man mich verhungern, verkümmern. Wer befreite mich aus dem Gefängnis? Wer erhält mich jetzt? Einer von meiner »Partei« – meine »edlen Freunde« – meine »ehrenwerten, sehr ehrenwerten Freunde?« Nein! Ein Kaufmann, dem ich einmal in meiner Glanzzeit einen Dienst geleistet, und der allein, von allen auf der Welt allein, mich in meinem Drangsal nicht vergaß. Du siehst, Dankbarkeit, Freundschaft keimt nur in den mittleren Regionen; höher hinauf gedeiht sie nicht!
Und nun tritt noch näher, denn meine Stimme erlischt, und ich will, daß Du diese Worte deutlich vernehmest. Ich sehe die Zeit kommen, wo die Aristokratie dieses Landes fallen muß. Das Volk drängt nach diesem Ziele. Es wird einst keine Grafenkronen, keine Hermelinmäntel, keine klingenden Titel, kein Erbfolgegesetz, kein Erstgeburtsrecht mehr geben. Ich bin überzeugt von dem, was ich sage, so gewiß je ein Mann von der Wahrheit des Buches überzeugt ist, das ich hier halte. Aber Du, Konstanze, bist Du auch nur ein Kind, ein Mädchen – sollst Dich verpflichten, meinen Wunsch, meinen Fluch im Auge zu behalten, ihn zu erfüllen. Lege Deine Hand auf die meinige: schwöre, daß das ganze Leben durch, bis zum Tode – schwöre! Du sprichst nicht! Wiederhole meine Worte! – Konstanze gehorchte. – Schwöre, daß Du das ganze Leben bis zum Tode, durch Glück und Unglück, durch Schwäche und Macht, dich dazu weihen willst, den Stand zu erniedrigen, zu demüthigen, von dem Dein Vater Undankbarkeit, Kränkung und den Tod empfangen hat! Schwöre, daß Du keinen armen, machtlosen Mann heirathen willst, der Dir nicht die Mittel zu der feierlichen Vergeltung schaffen kann, die ich verlange! Schwöre, daß Du Dich mit einem der Großen zu verbinden suchen willst – nicht aus Liebe, nicht aus Ehrgeiz, sondern aus Haß, aus Rache! Du sollst Dich erheben, um sie, die mich betrogen, zu erniedrigen! In den Kreisen des gesellschaftlichen Lebens sollst Du Dich daran ergötzen, ihre Eitelkeit zu vergällen; bei Staats-Intriguen wirst Du Dich jeder Maßregel anschließen, die sie zum ewigen Sturz verdammen kann. Zu diesem großen Zwecke wirst Du alle Mittel benutzen: – (Was! Du zauderst? Sprich mir nach, sprich, sprich!) Du wirst lügen, Dich schmiegen, kriechen, und das Laster nicht lasterhaft halten, wenn es Dich nur um ein Haar der Rache näher bringt. Mit diesem Fluche auf meine Feinde verbinde ich meinen Segen für Dich, meine theure, theure Konstanze, für Dich, die mich gepflegt, gewartet, alles, nur mich nicht retten konnte. Gott, Gott segne Dich, mein Kind!« – Vernon brach in Thränen aus.
Zwei Stunden nach diesem sonderbaren Auftritte, um drei Uhr Morgens, erwachte Konstanze aus einem kurzen, unruhigen Schlummer. Die graue Morgenröthe – denn es war in der Mitte des Sommers – begann schon mit den Schatten und den Sternen der Nacht zu kämpfen. Ein rauher, unbehaglicher Luftzug strich über die Erde und machte es frostig im Sterbezimmer. Konstanze saß an ihres Vaters Bett, die Augen auf ihn gerichtet, und die Wangen noch bleicher, als gewöhnlich, durch das blasse Licht der matten, unerquicklichen Dämmerung. Als Vernon erwachte, wendeten sich seine, vom Tode verglasten Augen matt und trüb gegen sie hin: sein Athem ging in Röcheln über. Einen Augenblick noch fand er die Sprache wieder; ein Strahl schoß über sein Gesicht, als er die letzten Worte von sich stieß – Worte, die schwer und unauslöschlich auf den Herzensgrund seiner Tochter fielen – Worte, welche ihr Leben bestimmten und ihr Schicksal besiegelten: »Konstanze, denk – an den Schwur – die Rache!«
Bemerkungen über die Verkettung des Lebens. – Der Sarg großer Männer wird immer geehrt. – Konstanze findet eine Zuflucht bei Lady Erpingham. – Die Vorzüge und der Karakter der Heldin. – Das intrigante Temperament.
Mein Gott, wie sonderbar ist unser Leben! Welches Puppenspiel! Welch schreckliches Räthsel ist das Geschick! Ich setze nie meinen Fuß vor die Thür, ohne daß mich das fürchterliche Dunkel erschreckt, das über dem nächsten Augenblick lagert. Welch gräßliches Ereignis kann meinem Herzen bevorstehen! Sichtbar oder unsichtbar, das Schwert hängt immer über uns.
Und mit diesem Leben – diesem Schauplatze der Finsternis und der Furcht – sollen wir so zufrieden seyn, daß wir kein anderes wünschen, verlangen? Wäre ich nicht überzeugt, daß ich unsterblich sey, so schwöre ich, daß ich, ehe eine Stunde vergeht, diese gefährliche, lästige Sterblichkeit abschütteln würde.
Konstanze hatte jetzt keine nahen Verwandten mehr auf der Welt. Aber ihr Vater hatte richtig prophezeit: die Eitelkeit ersetzte die Liebe. Vernon, der achtzehn Monate lang vor seinem Tode mit dem bittersten Leiden und Mangel gekämpft – Vernon, den im Leben Alles verlassen hatte, wurde mit dem hohnsprechenden Pompe des Reichthums begraben. Sechs Pairs trugen das Leichentuch; eine lange Reihe Wagen folgte dem Zuge; die Journale waren mit Umrissen zu seiner Biographie und mit Klagen über sein Hinscheiden angefüllt. In Westminster wurde er beigesetzt, und eine Subscription zur Errichtung eines Denkmals vom besten Marmor eröffnet. Lady Erpingham, eine entfernte Verwandte des Verstorbenen, lud Konstanze ein, bei ihr zu leben, und Konstanze willigte natürlich ein, da ihr nichts anderes übrig blieb.
Am Tage, wo sie im Hause der Lady Erpingham, in Hillstreet, ankam, waren mehrere Personen im Besuchszimmer gegenwärtig.
– Ich fürchte, sagte Lady Erpingham – man sprach von der erwarteten Ankunft Konstanzens – ich fürchte, daß das arme Mädchen ganz betreten seyn wird, wenn es, noch dazu unter so unglücklichen Umständen, eine zahlreiche Gesellschaft findet.
– Wie alt ist sie? fragte eine bekannte Schönheit.
– Dreizehn Jahre, glaube ich.
– Hübsch?
– Ich habe sie seit ihrem siebenten Jahre nicht wiedergesehen; damals versprach sie, sehr schön zu werden, aber sie war auffallend schüchtern und schweigsam.
– Miss Vernon! meldete der Kammerdiener, die Thür aufreißend.
Mit dem langsamen Schritte und der sicheren Haltung des Weibes, aber mit einem weit stolzeren und kälteren Wesen, als Frauen gewöhnlich annehmen, schritt Konstanze Vernon durch den langen Saal und grüßte ihre zukünftige Beschützerin. Obgleich Aller Blicke auf ihr ruheten, erröthete sie doch keineswegs; obgleich die Fürstinnen der Londoner Welt sie umgaben, war ihr Gang und Benehmen doch fürstlicher, als das übrige. Die Gefühle aller Anwesenden erlitten eine vollständige Umwälzung. Man war auf Mitleid gefaßt, aber Mitleid war hier nicht angebracht. Auf Lady Erpingham's Lippen erstarb jedes Wort vornehmer Gönnerschaft, und sie, nicht Konstanze, war betreten und verwirrt.
Ich denke schnell über die Jahre wegzugehen, welche verflossen, bis Konstanze zum Weibe heranwuchs. Nur Einen Blick auf ihre Erziehung. Vernon hatte sie nicht allein im Französischen und Italienischen unterrichtet, sondern, da er selbst gründlich und leidenschaftlich sich den gelehrten Studien gewidmet hatte, ihr sogar die Sprachelemente der beiden großen Völker des Alterthumes mitgetheilt. Die Schätze dieser Sprachen machte sie sich später selbst zu eigen.
Lady Erpingham hatte eine Tochter, die sich verheirathete, als Konstanze das sechszehnte Jahr erreichte. Konstanze theilte die Vortheile des Unterrichts, den Lady Eleonore Erpingham bei ihren Lehrern und ihrer Erziehung genoß. Miss Vernon zeichnete schön und sang himmlisch, aber in der Wissenschaft der Musik machte sie keine großen Fortschritte. Ihr Sinn war in der That zu ernst, und zu sehr auf andere Dinge gerichtet, als daß sie diesem eifersüchtigsten aller Talente die erforderliche ausschließende Aufmerksamkeit hätte widmen können.
Bei allen ihren Reizen und bei allen Vorzügen ihres gebildeten Geistes kam jedoch nichts der ungewöhnlichen Anmuth ihrer Unterhaltung gleich. Unbekümmert um die gewöhnliche Richtschnur, die man mit dem Ausdruck »anständiger Schüchternheit« und »geziemender Bescheidenheit« zu beschönigen pflegt – nahm sie keinen Anstand, die Diskussion über ernstere gewichtigere Gegenstände nicht bloß zu theilen, sondern selbst anzuleiten. Noch weniger vermied sie es, die gewöhnlichen Nichtigkeiten, welche das Wesen der Unterhaltung ausmachen, mit dem Zauber des Witzes selbst mit der väterlichen Quelle, von der er ererbt war, wetteifern konnte.
Es kömmt mir zuweilen sonderbar genug vor, daß man jungen Damen so eifrig Talente beibringt, nach welchen der Ehemann nichts frägt, während man gerade die vernachlässigt, welche er hochstellt. Man lehrt sie, zur Schau stellen; er bedarf einer Gefährtin. Er braucht weder ein singendes, noch ein tanzendes, noch ein zeichnendes, er braucht ein redendes Geschöpf. Reden aber lehrt man sie nicht; alles, was sie davon wissen, ist lästern, und das »verstehen sie von Natur.«
Konstanze aber sprach wirklich schön; und gar nicht wie eine Pedantin, noch wie eine Schriftstellerin, noch wie eine Französin. Ein Kind wurde eben so bezaubert von ihr, wie ein Gelehrter. Die Beredsamkeit ihres Vaters war auf sie übergegangen; aber bei ihm beherrschte sie, bei ihr nahm sie ein. Noch einen andern Zug hatte sie von ihrem Vater: Vernon hatte (wie die meisten betrogenen Menschen) der Welt durch seine Anklagen Unrecht gethan. Es war nicht seine Armuth und sein Leiden allein, welches seine Partei veranlaßt hatte, mit Kälte auf sein Hinscheiden zu blicken. Sie hatte eine scheinbare Entschuldigung für ihr Zurücktreten – sie zweifelte an seiner Aufrichtigkeit. Allerdings hatte sie keinen genügenden Grund dazu. Kein Politiker neuerer Zeit war konsequenter. Er hatte trotz seiner Armuth Bestechungen, trotz seines Ehrgeizes Stellen ausgeschlagen. Aber – und hier liegt das Geheimnis – er war durch und durch ein Intrigant. In der alten politischen Schule auferzogen, hielt er Ränke für Weisheit, und Falschheit für Kunst des Regierens. Wie Lysander liebte er die Intrigue, und verschmähte doch das eigene Interesse. Niemand war weniger offenherzig und doch rechtlicher. Dieser in allen Ländern so seltene Karakter ist es namentlich in England. Unsere derben Gutsherren, unsere Politiker von Bellamy begreifen ihn nicht. Sie bemerkten in Vernon Künste, welche die Feinde täuschten, und fürchteten, sie möchten, obgleich sie seine Freunde waren, auch getäuscht zu werden. Diese Neigung, welche für Vernon so schlimm ausschlug, hatte seine Tochter geerbt. Mit einem finstern, kühnen, leidenschaftlichen Geiste, der einen Mann zu den höchsten Unternehmungen getrieben haben würde, verband sie die weibliche Lust am Geheimnisvollen und Ränkeschmieden. Sie glaubte, um noch etwas von Plutarch und Lysander zu entlehnen, daß »wenn die Löwenhaut nicht ausreichte, man sie durch die des Fuchses ergänzen müsse.«
Einführung des Helden. – Gespräch zwischen ihm und seinem Vater. – Percy Godolphins Karakter als Knabe. – Die Katastrophe seines Schülerlebens.
– Percy, vergiß nicht, daß Du morgen wieder in die Schule mußt, sagte Herr Godolphin zu seinem einzigen Sohne.
Percy warf die Lippen auf und antwortete nach einer kurzen Pause: Mein Vater, ich denke, ich werde Herrn Saville besuchen. Er hat mich gebeten, ich möchte einen Monat bei ihm zubringen, und er sagt mit Recht, ich würde mehr bei ihm lernen, als bei Dr. Shallowell., wo ich bereits der erste in der höchsten Klasse bin.
– Herr Saville ist ein Narr, und Du bist auch einer, antwortete der Vater, der, einen alten wollenen Schlafrock an, eine abgetragene sammtne Kappe auf dem Kopf, und frostig an einem kargen Feuer hockend, kein übles Bild einer Mischung von Hypochondrie und Filzigkeit schien – sprich nicht davon, nach der Stadt zu gehen, aber –
– Vater, unterbrach ihn Percy kalt und nachlässig, indem er die Arme übereinanderschlug und trotzig seinem Vater in das Gesicht blickte, Vater, wir müssen uns einander verständigen. Mein Schulengehen, glaube ich, ist eine kostspielige Sache?
– Das will ich meinen. Kostspielig? Es ist fürchterlich, gräßlich, zum Ruiniren! Kostspielig! Zwanzig Pfund jährlich für Kost und Latein; fünf Guineen die Wäsche; fünf für Schreiben und Arithmetik. Wäre ich nicht entschlossen, Dir Bildung zu verschaffen, obgleich es Dir an Vermögen fehlen dürfte, so würde ich – ja ich würde – Was ist das? Warum lachst Du? Ist das die Achtung, die Dankbarkeit gegen Deinen Vater?
Das klare, verständige Gesicht des Knaben verdunkelte sich etwas.
– Laß uns nicht von Dankbarkeit sprechen, sagte er traurig. Gott weiß, wofür Du oder ich Dank schuldig sind. Das Schicksal hat Deinem stolzen Namen nichts als diese nackten Wände und ein Paar unfruchtbarer Felder zurückgelassen; mir gab sie die Liebe eines Vaters, nicht wie die Natur sie geschaffen hat, sondern durch Unglück verkümmert und verbittert.
Percy hielt ein und auch sein Vater schien betroffen und ergriffen. Laß, fügte dieser sonderbare Knabe, der etwas über fünfzehn Jahre alt seyn mochte, heiterer hinzu, laß sehen, ob wir die Sache nicht zu unserer gegenseitigen Zufriedenheit ausgleichen können. Du kannst mein Schuldgeld nur mit Mühe auftreiben, und ich bin entschlossen, nicht auf der Schule zu bleiben. Saville ist unser Verwandter; er hat Gefallen an mir gefunden, er hat selbst einen Wink fallen lassen, daß er mir vielleicht sein Vermögen vermachen wird; jedenfalls hat er mir versprochen, mir, so lange ich will, ein Unterkommen und seine Fürsorge zu sichern. Stelle es mir also frei, künftig nach Belieben zu kommen und zu gehen, und ich will mich dagegen verpflichten, Dich um keinen Schilling mehr zu bringen. Soll es gelten?
– Du thust mir weh, Percy, sagte der Vater mit schmerzlichem Stolze, ich habe, an Dir wenigstens, das nicht verdient. Du weißt nicht, was Alles dieses Herz verhärtet hat; aber für Dich war es nicht hart, und Hohn von Dir ist, ja, ist Schlangengift.
Percy lag denselben Augenblick zu seines Vaters Füßen, ergriff seine beiden Hände, und brach in einen Strom Thränen aus. Vergib mir, sagte er mit gebrochener Stimme, ich wollte Dich nicht kränken. Ich bin ein thörichter Knabe. Schick mich in die Schule. Thue mit mir, was Du willst.
– Ja, sagte der alte Mann, langsam den Kopf schüttelnd, Du weißt nicht, welchen Schmerz eines Kindes herbes Wort dem Herzen eines Vaters macht. Aber es ist natürlich, ganz natürlich! Du möchtest mir meine Liebe zum Gelde vorwerfen; das ist eine Sünde, gegen welche die Jugend am wenigsten Nachsicht hat. Aber wie? Kann ich einen Blick auf die Welt werfen, und nicht dessen Werth, dessen Nothwendigkeit erkennen? Jahr für Jahr habe ich seit meinem Mannesalter gestrebt und getrachtet, diese letzten Überbleibsel der Besitzungen meiner Ahnen vor dem Verkauf zu retten. Jahr für Jahr ist das Glück mir aus den Händen gewichen, und nach allen Mühen und am Ende meines langen Lebens stehe ich jetzt hart am Rande des Mangels. Aber Du verstehst nicht, und niemand, dessen Herz nicht von den Jahren zusammengeschrumpft ist, versteht oder würdigt die Gründe, welche meinen Karakter gebildet haben. Aber Du – und seine Stimme wurde weicher, indem er die Hand auf seines Sohnes Haupt legte – aber Du, der fröhliche, hochstrebende Jüngling, Du sollst Dir nicht von den Sorgen, die mich umgeben, die Stirn furchen, die Augen trüben lassen. Geh! Ich will Dich nach der Stadt begleiten; ich will selbst Saville sprechen. Ist es ein Mann, dem ich meinen Sohn, in einem so zarten Alter sicher anvertrauen kann, so sollst Du Deinen Willen haben, und ihn besuchen dürfen.
Percy wollte antworten, aber sein Herz wehrte ihm, und ehe der Abend vorüber war, hatte der Letztere sich vorgenommen, so viel als ihm gut dünkte, von der Unterredung zu vergessen.
Der ältere Godolphin war einer jener Karaktere, auf die man umsonst einen bedauernden Eindruck zu machen sucht; sein Gemüth gab, wie das Wasser, jedem Schlage nach, schloß sich aber wieder unmittelbar darauf. Es war ihm frühzeitig eingeprägt worden, daß er zum Frommen seiner Besitzungen und seines alten Familiengutes, das er, wie man ihm gelehrt hatte, als den Zweck und Ehrgeiz seines Lebens zu betrachten habe, eine reiche Erbin heiraten müsse. Seine Pläne waren vereitelt worden, aber je mehr sich ihnen entgegenstellte, desto fester klammerte er sich an sie an. Von Natur gütig, gesellig und edelmüthig, war er endlich zur Abgeschiedenheit und zum Geize herabgesunken. Alle übrigen Spekulationen, welche den Glanz seiner Ahnen darstellen sollten, waren mißglückt, und es blieb ihm nur eine, die nie fehl schlägt – die des Sparens. An sie hing er sich jetzt mit Gewalt. Zu Zeiten gab er auch seinen alten Gewohnheiten Raum, aber solche Augenblicke waren selten. Ein kalter, harter, widriger Geiz bildete seinen vorherrschenden Karakterzug. Seinen Sohn hatte er, mit achtzehn Pence in der Tasche, nach einer Schule von zwanzig Pfund jährlich geschickt, wo er, wie natürlich, nichts als Spielen und tolle Streiche lernte: trotzdem glaubte er, daß sein Sohn ihm den unauslöschlichsten Dank schuldig sey.
Zum Glück für Percy war er der besondere Liebling eines gewissen, nicht unberühmten Mannes, Namens Saville, und dieser benutzte sein Anrecht als Verwandter, um ihn mit Geld zu unterstützen und in seinem Hause aufzunehmen. Wild, leidenschaftlich, vergnügungssüchtig sehnte sich der junge Godolphin nach diesen gelegentlichen Besuchen, bei denen jedem sein schon von Natur scharfer und durchdringender Geist einen neuen Schwung nahm, und sich zu neuen Plänen erhob. Er war bereits das Oberhaupt der Schüler, die Qual des Direktors, und der Liebhaber von dessen Tochter. Er war erst fünfzehn Jahre alt, und doch schon ein ausgeprägter Mensch. Ein verstockter Stolz, eine verstockte Bitterkeit, offener Witz und unruhiges Wesen verriethen allem Anschein nach mehr Energie, als Liebe. Doch blieb ein gütiges Wort in dem Munde eines Freundes nie ohne Wirkung auf ihn, und während er die Kette zerrissen hätte, konnte man ihn an einem Faden führen. Aber das waren nur Züge des Knaben: die Welt änderte sie gar bald.
Der Zweck seines Besuchs bei Saville war nicht berührt worden. Eine kurze Überlegung zeigte Herrn Godolphin, wie unzuverlässig das Versprechen eines Schulknaben war, daß er seinem Vater keinen Schilling mehr kosten solle, und er wußte überdies, daß Saville's Haus eben nicht der Platz sey, wo man am besten Ökonomie lernen könne. Er hielt es daher für klüger, seinen Sohn nach der Schule zurückzuschicken.
So begab sich denn Percy Godolphin wieder in die Schule, und drei Wochen später wurde Percy Godolphin wieder aus der Schule ausgestoßen, weil er eine Ohrfeige, die er von Dr. Shallowell erhalten, mit bedeutendem Nachdrucke zurückgegeben hatte. Statt auf seines Vaters Ankunft zu warten, packte Percy seine Kleider zusammen, ließ sich, mit Hülfe des Bettüberzugs, aus dem Zimmer, in welches er eingesperrt worden war, herunter, und befand sich an einem schönen Sommerabend, die Brust voll von dem Gefühl der Unabhängigkeit, und Herrn Saville's letzte Gabe, zehn Guineen, in der Tasche, auf der Straße zwischen *** und London.
Percy's erstes Abenteuer als unabhängiger Mensch.
Es war eine schöne, malerisch angelegte Straße, auf welcher der junge Flüchtling, unbekümmert, wohin der Weg führe, seine Reise antrat. Seine Brust war voll von Unternehmungslust und von dem wilden Muthe der Erfahrungslosigkeit. Er war bereits mehrere Meilen gegangen, und schon brach die Abenddämmerung ein, als er nicht weit vor ihm einen Packwagen und daneben einen großen, wohlgebauten Manne gehen sah, der mit einiger Heftigkeit gestikulirte. Godolphin betrachtete ihn neugierig; der Mann drehte sich hastig um, und warf auch seiner Seits einen sprechenden Blick auf den jungen Wanderer.
– Sieh da, sagte er mit einem einnehmenden, doch etwas vertraulichen und ungenirten Wesen, wohin des Weges zu dieser Stunde?
– Das geht Euch nichts an, Freund, antwortete der Knabe mit dem stolzen Übermuth seines Alters, kümmert Euch um Eure eigenen Angelegenheiten.
– Ey, Ihr macht es ja derb, junger Herr, erwiederte der Andere; aber es ist unsere Art, gesprächig zu seyn. Wißt, Herr – der Fremde runzelte die Stirn dazu – daß wir schon manch größern Wünschen, als Ihr, und wegen einer viel kleinern Unverschämtheit, als Ihr zu begehen vermögt, zum Richtplatze geschickt haben.
Ein Gelächter aus dem Wagen richtete Godolphin's Augen auf denselben, und er sah aus der offenen Thür desselben ein muthwilliges Frauengesicht, das auf ihn herabblickte.
– Ich sehe, sagte Percy, Ihr macht Euch lustig über mich; kommt herunter, meine Schöne, und ich werde Euch nichts schuldig bleiben.
Die Dame lachte noch lauter über diese jugendliche Gallanterie des Reisenden, aber der Mann beachtete sie nicht, sondern legte seine Hand auf Percy's Schulter und sagte –
– Sir, wohnt Ihr vielleicht in ***? Er nannte die Stadt, der sie jetzt zueilten.
– Nein, antwortete Godolphin, sich losmachend.
– Ihr werdet aber dort vielleicht übernachten?
– Vielleicht.
– Ihr seid zu jung, um allein zu reisen.
– Und Ihr, entgegnete Godolphin, vor Ärger roth werdend, zu alt, solche ungezogene Bemerkungen zu machen.
– Meiner Treu, sagte der Fremde kaltblütig, ich liebe dieses Feuer, mein Heißsporn, und wenn Ihr wirklich die Nacht in *** bleibt, so dächte ich, wir äßen unser Abendbrod zusammen.
– Mit Euren wilden Thieren, Freund? Ihr seyd doch wohl so ein Bestienführer, und habt da oben in dem Wagen drei in Flanell eingewickelte Schlangen, und einen weißen Bären und ein halb Dutzend Affen als Lockspeise für einfältige Tröpfe?
– Und zu welchen dieser Thiere rechnet Ihr mich, Sir? fragte das Frauenzimmer oben sehr gravitätisch.
Percy, den das Gesicht der Fragerin – wie wir denn im fünfzehnten Jahre leicht entzündbar sind – sogleich eingenommen hatte, war im Begriff, mit vielen Komplimenten zu antworten, als plötzlich eine Stimme aus dem Innern des Karrens rief:
– Schnell, schnell! Zur Hilfe! Der Strick ist gerissen! Venedig ist heruntergefallen, und der Schneesturm wird auf der Stelle im Feuer liegen!
Den Teufel auch! rief der große Mann, sprang in die Maschine und verschwand. Das Mädchen, welches vorher an der Unterhaltung Theil genommen, blieb jedoch ganz ruhig und unbekümmert an dem Schlage sitzen, und Percy erkannte, daß hier Gelegenheit zu einigem Posiren sey.
– Ich bitte um Verzeihung, sagte er nach einer Pause, ich sehe jetzt meinen Irrthum ein; Sie sind also die Zierde eines Theaters?
– Ein Theater? antwortete das Mädchen kalt. O, wir sind nicht so kitzlich in diesem Punkte, wir sind nur eine Partie herumziehender Komödianten.
– Und ist der Herr, der sich so frei und ungezwungen bestimmt, Euer Gatte?
– Gott bewahre! Glaubt Ihr, wenn er das wäre, er würde mich hier müßig sitzen lassen, wenn er zu thun hat? Aber dummes Zeug, was versteht Ihr vom verheiratheten Leben? Nein, fügte sie mit einer artigen, affektirten Würde hinzu, ich bin die Belvidera, die Calista, die Prima Donna der Gesellschaft, stehe unter keinem Zwange, keinem Manne, und verdiene drei und dreißig Schilling die Woche.
– Auch unter keinem Liebhaber? fragte Percy mit einer frechen Miene, die er von Saville abgesehen hatte.
– Seh einer den Jungen! Nein: auch müßte mein Liebhaber wenigstens eben so groß, eben so reich, und leider auch wenigstens so alt seyn, wie ich.
– Das Leider ist nicht von Nöthen, mein Schatz, antwortete Percy, es war mir nicht eingefallen, mich in Euch zu verlieben.
– Nicht? Das ist nicht wahr, Ihr dachtet wohl daran, aber warum wollt Ihr nicht mit uns zu Nacht speisen?
– Warum sollte ich auch nicht? dachte Percy, da ihm jetzt der Vorschlag auf eine lockendere Weise gemacht wurde. Wenn Ihr mich darum bittet, sagte er, so will ich es thun.
– Gut, antwortete die Schauspielerin, so bitte ich Euch darum.
Der Held der Gesellschaft kam jetzt wieder zum Vorschein. So, so, sagte er, Ihr habt uns also noch nicht verlassen?
– Nein, und ich nehme Eure Einladung an und esse mit Euch.
– Das freut mich. Wollt Ihr aber nicht lieber einsteigen und im Wagen bleiben? Wir haben noch zwei Meilen zu machen.
Percy benutzte die Erlaubnis, und saß bald neben der hübschen Schauspielerin. Und so, schnell mit seinen neuen Gefährten befreundet und entzückt über sein Abentheuer, fuhr der Sohn des asketischen Godolphin, der Zögling des höfischen Saville, in die Stadt *** ein, und so begann einer seiner ersten unabhängigen Feldzüge in der großen Welt.
Die Komödianten. – Godolphin verliebt. – Wirkung des Spiels der Fanny Millinger auf ihn. – Die beiden Anerbietungen. – Godolphin verläßt die Schauspieler.
Unsere Reisenden hielten an dem ersten Wirthshause der Vorstadt an. Man wies ihnen dort ein großes Zimmer zur ebenen Erde an, das mit Sand bestreut war, und in dessen Mitte ein langer Tisch stand, wobei Percy Muße genug hatte, die Leute zu besehen, denen er sich angeschlossen hatte.
Da war erstens ein alter Herr, der seine drei und sechzig Jahre hatte, eine Stutzperücke trug, ziemlich beleibt war und die Liebhaber spielte. Er war eben so vortrefflich als sinniger Romeo, wie als der lebhafte Rapid. Er hatte eine böse Manier, außer der Bühne zu sprechen, was zum Theil daher rührte, daß er alle seine Vorderzähne verloren hatte, weshalb er auch gewöhnlich den Rollen auswich, in denen er viel zu lachen hatte. Dann war da ein kleines Mädchen von ungefähr vierzehn Jahren, das die Engel und die Feen spielte, aber in der Noth als altes Weib einen recht guten Effekt machte. Drittens befand sich darunter ein ziemlich ungebundener Passagier, der wegen seiner starken Stimme und kräftigen Gestalt gewöhnlich die Tyrannen verarbeitete. Er war groß als Macbeth, größer als Bombastes Furioso. Viertens seine Frau, ein artiges, etwas schlumpiges, stark geschminktes Weib. Sie spielte die zweiten Liebhaberinnen, Vertrauten und Kammermädchen, die Emilie der Desdemona. Die Fünfte war Percy's neue Geliebte, ein etwa ein und zwanzig Jahre altes Mädchen mit einer Stumpfnase, schönem braunen Haar, das immer etwas verstört aussah; Mund, Zähne, Grübchen wunderhübsch; mit natürlicher Farbe und einiger Hinneigung zur Fülle, welche den sinnlichen Männern lieber ist, als den poetischen. Fanny Millinger war ein so offenherziges, fröhliches, lebendiges Wesen, daß sie der Abgott der ganzen Gesellschaft geworden war, und selbst ihre Überlegenheit im Spiel keine Eifersucht erregte. Schauspielern steht es frei, dies zu glauben, oder nicht.
– Und ist das die ganze Gesellschaft? fragte Percy.
– Nein, antwortete Fanny, indem sie ihre Haube abnahm und mit Hülfe eines trüben Spiegels sich die Locken aufwickelte, der Rest ist in ***, wird aber noch in dieser Nacht zu uns stoßen. Wollt Ihr Euch nicht für die Bühne entschließen? Ich wollte, Ihr thätet es. Ihr würdet einen ganz anständigen – Pagen abgehen.
– Wahrhaftig? sagte Percy tief beleidigt.
– Nun, wird's bald! rief die Schauspielerin, in die Hände schlagend, ohne sich um seinen Ärger zu kümmern, warum nehmt Ihr mir nicht meinen Mantel ab? Warum bringt Ihr mir nicht einen Stuhl herbei? Warum stellt Ihr mir nicht diesen großen Koffer aus dem Wege? Warum – Gott stehe mir bei! – dabei stampfte sie ganz im Ernst mit ihrem kleinen Fuß auf den Boden – das ist mir ein sauberer Liebhaber.
– Ah! So bin ich also doch ein Liebhaber?
– Dummheit! Setzt Euch beim Essen neben mich.
Der junge Godolphin war bezaubert von der muntern Schauspielerin, und begab sich den folgenden Abend mit nicht geringer Spannung in die Theaterloge der kleinen Bühne zu ***, um seine Fanny spielen zu sehen. Man gab den Sieg der Persönlichkeit. Die nämlichen Rollen wurden im Ganzen erträglich gespielt, obgleich Percy etwas erstaunte, als er einen Mann, der erst heute bei der Gesellschaft erschienen war, und sich der edelsten Zügen von der Welt, einer schönen Römischen Nase und der Stirn eines Weisen zu erfreuen hatte, jetzt in enger Nankinhose und kurzer Jacke als Tony Lumpkin die Gallerie zum immerwährenden Lachen bringen sah. In die Rolle der Heldin legte dagegen Fanny Millinger eine Grazie, eine Zartheit, einen einfachen, und doch so würdigen Karakter wahrer Liebe, daß sie das ganze Publikum überraschte und entzückte. Der Beifall war unendlich, und Percy war ganz stolz, daß er zuerst eine Person bewundert habe, die jetzt jeder bewundern zu wollen schien.
Als das Stück zu Ende war, ging er hinter die Coulissen, und fühlte zum erstenmal die Rangstufe, welche geistiges Vermögen verleiht. Das unbedeutende Mädchen, mit dem er noch eben so vertraut gewesen war, und das ihm, dem Knaben, nur für Koketterie, Scherzen und Tändeln geschaffen schien, hatte sich jetzt zu einer solchen Höhe erhoben, daß sie ihn betreten machte und demüthigte. Er blieb scheu und linkisch in einiger Entfernung stehen, warf einen verstohlenen Blick auf sie, hatte aber den Muth nicht, sich zu nähern und ihr ein Kompliment zu machen.
Das scharfe Auge der Schauspielerin hatte die Wirkung errathen, die sie gemacht hatte. Sie fühlte sich natürlich geschmeichelt, trat auf Godolphin zu, faßte ihn bei der Schulter, und sagte ihm mit einem Lächeln, das durch die auch nicht abgewischte Schminke nur gehoben wurde: Was ist das für ein unbeholfener Schäfer! Wie, keine Schmeichelei für mich? Geht, geht, Ihr taugt nicht für mich; sucht Euch eine andere Herzenskönigin.
– Ihr habt mir Ehrfurcht für Euch angezaubert, sagte Godolphin.
Es lag eine Zartheit in dem Ausdruck, die für den Geist des Knaben, obgleich er noch nicht entwickelt war, karakteristisch genug seyn dürfte, und die niedliche Schauspielerin war für einen Augenblick ganz gerührt davon, obgleich sie, trotz ihres sinnigen Spiels, nie zu flüchtig war, als daß sie es für sehr anziehend gehalten hätte, auf die Länge nichts als Ehrfurcht einzuflößen. Da sie im zweiten Stück nichts zu thun hatte, so führte Godolphin sie nach dem Wirthshause zurück.
So lange seine zehn Guineen dauerten – und der Leser kann sich denken, daß das eben nicht lange war – blieb Godolphin bei der fröhlichen Truppe als der willkommene und glückliche Liebhaber ihres Hauptmitglieds. Ihr vertraute er seinen Namen und seine Geschichte an, und über die letztere lachte sie herzlich, denn sie war ein ächtes Kind der Venus, und voll Lust an jeder ausgelassenen Tollheit. Aber, sagte sie, ihm liebevoll die Wangen streichelnd, was hindert Euch denn nun, für eine Weile zu uns überzugehen? Ich will Euch in drei Stunden zum Schauspieler bilden. Kommt her und gebt Acht. Die ganze Kunst, die Ihr so bewundert, besteht nur aus einer Reihe von Kunststückchen.
Godolphin gerieth in Verlegenheit. Es lag ein versteckter Stolz in ihm, der nicht duldete, daß er sich dem Tadel Anderer unterwerfen sollte. Er hatte keine Neigung zur Nachahmung und bedeutende Angst vor dem Lächerlichen. Diese frühzeitig entwickelten Züge, welche im späteren Leben ihn stets hinderten, einen geeigneten Wirkungskreis für seine natürlichen Kräfte zu finden; welche ihn zu stolz machten, sich viel für seinen Zweck zu tummeln, und zu philosophisch, etwas für den Schein zu thun, waren ihm bei dieser Gelegenheit von Nutzen, und schützten ihn vor der Gefahr, die ihm drohte. Er ließ sich nicht zum Auftreten bereden, und die schöne Fanny gab den Gedanken daran hoffnungslos auf. Aber, sagte sie zärtlich, bei uns könnt Ihr doch wenigstens bleiben und meinen kleinen Verdienst theilen.
Godolphin fuhr zurück, und so wunderbar sind die Widersprüche des stolzen menschlichen Herzens, daß dieses edelmüthige Anerbieten der armen Schauspielerin ihm eine solche Unlust und Abneigung einflößte, daß er sich beinah mit dem Gedanken, von ihr zu scheiden, versöhnte. Der Vorschlag schien ihm mit Einem Male die zweideutige Lebensweise, die er begonnen hatte, zu entschleiern. Nein, Fanny, sagte er nach einer Pause, ich bin hier, weil ich mich entschlossen habe, unabhängig zu seyn, und kann also kein abhängiges Loos wählen.
– Miss Millinger soll sogleich zur Probe kommen, sagte, den Kopf in das Zimmer steckend, das kleine Mädchen, das die Feen und alten Frauen spielte.
– Mein Gott! rief Fanny aufspringend, ist es schon so spät? Ich muß gehen, Adieu! Wir sehen uns noch.
Godolphin trat düster und gedankenvoll auf die Straße, und das Erste, was ihm in die Augen fiel, war ein Anschlagzettel an der Mauer, auf welchem seine Person beschrieben und für seine Festnehmung eine Belohnung von zwanzig Guineen zugesichert wurde. »Er kehre zurück zu seinem bekümmerten Vater, hieß es am Schlusse der Aufforderung, und alles soll vergeben seyn.«
Godolphin schlich sich nach seinem Zimmer zurück, schrieb einen langen, zärtlichen Brief an Fanny, fügte seine Uhr, als das einzige Andenken, das er im Vermögen habe, bei, gab ihr seine Adresse bei Saville, wartete noch etwas, bis es dunkel wurde, ging dann wieder hinaus, und nahm einen Platz auf der Londoner Postkutsche. Er hatte zwar kein Reisegeld, aber der Kondukteur traute seinem anständigen Aussehen, und am nächsten Morgen war er unter dem Dache Saville's.
Percy als Gast bei Saville. – Er tritt in die Garde und kommt in Mode.
– Und so, sagte Saville lachend, bist Du ihnen wirklich durchgegangen. Das ist herrlich! Aber weißt Du, daß ich Dich um Dein Abentheuer mit dem Schauspieler-Volk beneide. Bei Gott, wäre ich nur einige Jahre jünger, ich würde selbst zu ihnen gehen, und den Sir Pertinax Macsycophant wundervoll geben: ich habe Anlage für das Theater. Aber sag' mir, was denkst Du nun zu thun? Bei mir zu bleiben? Ja?
– Nun, ich denke, das wäre das Beste, und jedenfalls die angenehmste Weise, mein Leben zu verbringen. Aber –
– Aber was?
– Aber ich könnte nicht zufrieden seyn: wenn ich mich von Ihrer Gunst abhängig wüßte. Ich werde deshalb meinem Vater schreiben, den ich übrigens bereits den ersten Tag meiner Ankunft in *** mit Achtung und Herzlichkeit von meinen Verhältnissen in Kenntnis gesetzt habe. Ich hatte ihn damals gebeten, seine Briefe unter Ihrer Adresse abzusenden, aber ich bedaure, daß der Anschlagzettel, der mich so in Schrecken versetzt hat, die einzige Notiz zu seyn scheint, welche er von meiner Anzeige genommen hat. Ich werde ihm daher nochmals schreiben und ihn bitten, mich in die Armee eintreten zu lassen. Es ist zwar eben kein Stand, den ich besonders lieb habe, aber es bleibt mir nichts Anderes übrig, und ich werde doch mein eigener Herr.
– Sehr gut, antwortete Saville, und hier hoffe ich Dir von Nutzen seyn zu können. Will Dein Vater die gesetzmäßige Summe für ein Patent in der Garde zahlen, so glaube ich es bewirken zu können, daß Du für dies Geld allein eine Stelle erhälst, was keine kleine Begünstigung ist.
Godolphin war entzückt über den Vorschlag, schrieb auf der Stelle an seinen Vater, stellte ihm die Sache dringend vor, und veranlaßte Saville, in einem besonderen Briefe seinen Antrag zu unterstützen. »Sie sehen, mein theurer Sir, schrieb der Letztere, daß Ihr Sohn ein wilder, entschlossener Tollkopf ist. Mit Zwang und Schulen richten Sie nichts aus, bringen Sie ihn deshalb unter die Disziplin des Königlichen Dienstes, und zwingen Sie ihn, von seinem Solde zu leben. Es ist überdies eine wohlfeile Manier, für einen Taugenichts zu sorgen, und da er das Glück haben wird, so frühzeitig in die Armee einzutreten, so kann er in seinem dreißigsten Jahre Oberst mit voller Besoldung seyn. Im Ernst, es ist das Beste, was Sie für ihn thun können, wenn Sie nicht sonst eine Pfründe in Ihrer Familie haben.«
Der alte Vater war über diesen Brief und seines Sohnes frühere Entweichung nichts weniger als erfreut, konnte sich jedoch nicht verhehlen, daß wenn er sich den Wünschen seines Sohnes widersetzte, er noch mehr Unruhe davon haben würde. Verlegenheiten und Schwierigkeiten würden sich anhäufen, und ihm nur Kummer machen und Geld kosten. Das jetzige Anerbieten verschaffte ihm dagegen einen schönen Vorwand, sich eine Zeitlang jeder Sorge für seinen Sohn entschlagen zu können, und da er sich täglich mehr in seine engherzige Gewohnheit des einsamen Zusammenscharrens einspann, so freute er sich, daß sich eine Gelegenheit fand, die ihn vor jeder künftigen Unterbrechung schützte, und es ihm möglich machte, sich mit ganzer Seele seiner Lieblingsbeschäftigung hingeben zu können.
Nach einer vierzehntägigen Überlegung schrieb er endlich mit kurzen Worten an Saville und an seinen Sohn, machte dem Letztern viele Vorwürfe, und sagte endlich, daß, wenn die Stelle wirklich für die angegebene Summe erlangt werden könne, er ein Opfer bringen und sie sich abdarben wollte. Dies rührte den Sohn, aber Saville lachte ihn aus, und bald darauf stand Percy Godolphin in den Zeitungen als Fähnrich in dem *** Garde-Regiment.
Das Leben der Soldaten im Frieden ist die Indolenz selbst. Percy fand Geschmack an den neuen Uniformen und den neuen Pferden, die sämmtlich auf Kredit gekauft waren. Er fand Geschmack an seinen neuen Kameraden; an Bällen, am Hofiren; er verschmähte auch nicht Hydepark von vier bis sechs Uhr, und langweilte sich nicht zu sehr beim Exerziren und bei der Parade. Es that seiner Stellung in der Welt großen Vorschub, daß er der Schützling eines Mannes war, welcher wegen Spiel und Ausschweifung so hoch stand, wie August Saville, und daß er unter solchen Auspizien mit einem Male mitten in die Fluth der »guten Gesellschaft« geworfen wurde, die nur darum die gute heißt, weil alles Gute sorgfältig aus ihrem Kreise verbannt ist.
Jung, romanenhaft, kühnen Geistes, mit den klassischen Zügen eines Antinous, und einem artigen Geschick, Schönheiten zu sagen und Verse zu machen – wurde Percy Godolphin, obgleich er seinen Jahren nach eher in die Kinderstube, als in die Welt gepaßt hätte, sehr bald »der lockige Liebling« jener großen Klasse vornehmer Frauen, die nichts zu thun haben, als sich den Hof machen zu lassen, und die, selbst nichts als Kunst, die Liebe am süßesten finden, die aus der natürlichsten Quelle entspringt. Sie lieben das Knabenalter, wenn es nicht blöde ist; und von unserm fünfzehnten bis zu unserm zwanzigsten Jahre ist es nur unsere eigene Schuld, wenn wir nicht allesamt den Juan spielen können.
Aber Liebe war nicht die schlimmste Gefahr, welche dem berauschten Knaben drohte. Saville, der verführerischste aller Vormünder, Saville, der durch seinen Witz, seinen guten Ton, seinem Einfluß auf die große Welt allen weniger Hochstehenden und Hochstrebenden ein Gott schien, Saville war Godolphin's beständiger Gesellschafter; und Saville war schlimmer, als ausschweifend, er war ein Spieler! Man sollte denken, daß Spielen das letzte Laster wäre, das die Jugend verstricken könnte, und daß dessen Geiz und Habsucht, seine scheußliche Selbstsucht, seine kalte, berechnende Gemeinheit alles von sich stoßen müßte, was noch andern und süßern Pflichten nachzugehen hat. Aber der Fehler der Jugend ist, daß sie selten widerstehen kann. Das Spiel ist in allen Ländern das Laster der Aristokratie. Die jungen Leute finden es in den besten Zirkeln vor, werden durch Gewohnheit Anderer hingerissen, und zu Grunde gerichtet, sobald sie dieselbe Gewohnheit angenommen haben.
– Du siehst so fieberhaft aus, Percy, klagte Saville, als er seinem Zögling im Park begegnete. Aber es ist kein Wunder bei dem höllischen Verlust, den Du gestern Abend gehabt hast.
– Es war mehr, als ich bezahlen konnte, antwortete Percy mit zuckendem Munde.
– Oh, Du sollst es morgen abzahlen, denn Du sollst heute Abend meinen Gewinn theilen. Siehst du nicht, fügte Saville mit leiserer Stimme hinzu, daß ich nie verliere?
– Wie, niemals?
– Nie, außer mit Fleiß. Ich spiele kein Spiel, wo es nur auf Zufall ankommt. Whist ist mein Lieblingsspiel. Es ist leider nicht sehr im Gange, und ich muß es daher auch mit anderen Spielen aufnehmen, aber selbst beim Rouge et noir halte ich mich an die Whistregeln. Ich berechne – ich behalte im Kopfe –
– Aber Hazard?
– Das spiele ich nie, entgegnete Saville feierlich, das ist ein Teufelsspiel und spottet jeder Kunst. Gib das Hazard auf und lerne Ecarté. Es kommt in Mode.
Saville nahm sich viel Mühe mit Godolphin, und dieser, der von Natur mehr überlegten, als übereilten Sinnes war, war kein oberflächlicher Schüler. Er wurde bald ein geschickter, glücklicher Spieler, und ergänzte so den Sold des Subalternen.
Das war die erste schwere, moralische Verschlechterung in Percy's Karakter, einem Karakter, der ein ganz anderes Wesen, als er wurde, aus ihm hätte machen sollen, aber den weder Laster, noch böses Beispiel zu verderben vermochten.
Godolphin wird entschuldigt, daß er menschliche Gefühle hat. – Godolphin sieht jemand, den er nie wieder sieht. – Die neue Schauspielerin.
Saville galt für den vollendeten Mann von Welt – für klug und herzlos. Wie kam es aber, daß er sich freiwillig so viel Mühe mit einem Knaben, wie Godolphin, gab? Erstens hat man oft bemerkt, daß abgelebte, blasirte Weltmenschen die jungen Leute lieben, in denen sie etwas – ein besseres Etwas erkennen, das ihnen angehört. In Godolphin's Anstand und Muth glaubte Saville das Spiegelbild seiner eigenen äußern Zierlichkeit und ränkevollen Ausdauer, in Godolphin's blühender Phantasie und tiefem Scharfsinn, seine Verschlagenheit und Heuchelei zu sehen. Die Beliebtheit des Knaben schmeichelte ihm, seine Unterhaltung ergötzte ihn. Auch ist niemand so herzlos, daß er nicht einer entschiedenen Zuneigung fähig wäre, wenn sie ihm nicht sehr aus dem Wege liegt, und eine solche Neigung war es, die Saville für Godolphin fühlte. Dann gab es noch einen andern Grund zu dieser Liebe, der anfangs vielleicht zu zart scheinen mochte, als daß er auf einen ausgelernten Wollüstling wirken konnte; in der Nähe besehen, schwindet jedoch diese Zartheit. Saville hatte Godolphin's Mutter geliebt, ihr wenigstens seine Hand angeboten, da man sie für eine Erbin hielt. Er dachte daher; er hätte es nur eben versäumt, Godolphin's Vater zu seyn, und seine Eitelkeit reizte ihn, dem Knaben zu zeigen, was er ihm für ein besserer Vater gewesen wäre, als der ihm von der Vorsehung bestimmte. Schon aus Groll gegen den vorgezogenen Liebhaber kitzelte es ihn, eine kleine, boshafte Rache an Godolphin's Vater zu nehmen, und darauf hin zu arbeiten, daß der Sohn den vorzöge, den die Mutter verworfen habe. Alle diese Gründe fesselten Saville an den jungen Percy, und da er reich, und trotz seiner Vorsichtigkeit und kalten Berechnung verschwenderischer Natur war, so machte ihm die pekuniäre Seite seiner Vormundtschaft keine Sorge. Aber Godolphin, der nicht prachtliebend war, verließ sich nicht zu sehr auf die launische Großmuth eines Egoisten. Fortuna lächelte ihrem jungen Verehrer, und ließ ihm während der kurzen Zeit, in der er sich um ihre Gunst bewerben mußte, wenigstens so viel zuströmen, daß er mit Anstand leben konnte.