Die letzten Tage von Pompeji. Gesamtausgabe - Edward Bulwer-Lytton - E-Book

Die letzten Tage von Pompeji. Gesamtausgabe E-Book

Edward Bulwer Lytton

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Beschreibung

Pompeji, 79. n. Chr.: Der junge und reiche Grieche Glaukus führt ein dekadentes Leben in Ausschweifungen und Laster. Er verbringt seine Zeit in der müßigen Gesellschaft von neureichen und nichtsnutzigen Tagedieben, wie dem Patrizier Clodius und dem Freigelassenen Diomed. Doch als er der schönen Ione begegnet und sich in diese verliebt, wird ihm die Sinnlosigkeit seines bisherigen Lebenswandels schlagartig bewusst. Seine Gedanken kreisen nur noch um die junge Frau, die seine Gefühle erwidert. Aber Ione ist ein Mündel des ägyptischen Isispriesters Arbaces, der sie seinerseits begehrt. Und während die Einwohner Pompejis ihren menschlichen Verwicklungen und Interessen folgen, deuten erste Beben eine unvorhergesehene Katastrophe an. Das 1834 erschienene große Werk von Edward Bulwer-Lytton war bei seinem Erscheinen eine literarische Sensation. Die imposanten Naturschilderungen, die authentisch gezeichneten Figuren und die Darstellung des römischen Lebens in Pompeji kurz vor Ausbruch des Vesuvs wurden mehrfach verfilmt.

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EDUARD LYTTON BULWER

 

 

DIE LETZTEN TAGE VON POMPEJI

 

HISTORISCHER ROMAN

 

 

 

GESAMTAUSGABE

 

 

DIE LETZTEN TAGE VON POMPEJI wurde in der zugrundeliegenden Übersetzung von Wilhelm Schöttlen zuerst von Scheibe, Riegler & Sattler veröffentlicht, Stuttgart 1845.

Diese Ausgabe wurde aufbereitet und herausgegeben von

© apebook Verlag, Essen (Germany)

www.apebook.de

2024

 

V 1.0

 

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über www.dnb.d-nb.de abrufbar.

 

 

ISBN 978-3-96130-611-4

Buchgestaltung: SKRIPTART, www.skriptart.de

 

 

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Inhaltsverzeichnis

Die letzten Tage von Pompeji. Gesamtausgabe

Impressum

Erstes Buch.

Erstes Kapitel.

Zweites Kapitel.

Drittes Kapitel.

Viertes Kapitel.

Fünftes Kapitel.

Sechstes Kapitel.

Siebentes Kapitel.

Achtes Kapitel.

Zweites Buch.

Erstes Kapitel.

Zweites Kapitel.

Drittes Kapitel.

Viertes Kapitel.

Fünftes Kapitel.

Sechstes Kapitel.

Siebentes Kapitel.

Achtes Kapitel.

Neuntes Kapitel.

Drittes Buch.

Erstes Kapitel.

Zweites Kapitel.

Drittes Kapitel.

Viertes Kapitel.

Fünftes Kapitel.

Sechstes Kapitel.

Siebentes Kapitel.

Achtes Kapitel.

Neuntes Kapitel.

Zehntes Kapitel.

Elftes Kapitel.

Viertes Buch.

Erstes Kapitel.

Zweites Kapitel.

Drittes Kapitel.

Viertes Kapitel.

Fünftes Kapitel.

Sechstes Kapitel.

Siebentes Kapitel.

Achtes Kapitel.

Fünftes Buch.

Erstes Kapitel.

Zweites Kapitel.

Drittes Kapitel.

Viertes Kapitel.

Fünftes Kapitel.

Sechstes Kapitel.

Siebentes Kapitel.

Achtes Kapitel.

Neuntes Kapitel.

Sechstes Buch.

Erstes Kapitel.

Zweites Kapitel.

Drittes Kapitel.

Viertes Kapitel.

Fünftes Kapitel.

Sechstes Kapitel.

Siebentes Kapitel.

Achtes Kapitel.

Neuntes Kapitel.

Zehntes Kapitel.

Letztes Kapitel.

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Zu guter Letzt

Erstes Buch.

Quid sit futurum eras, fuge quaerere;Quem sors dierum cunque dabit, lueroAppone: nec dulces amoresSperne puer, neque tu choreas.

Hor. lib. I. od. 9.

Erstes Kapitel.

Die zwei edlen Pompejaner.

»Ha, Diomed, gut, daß ich Dich treffe. Speisest Du diesen Abend bei Glaukus?« sagte ein junger Mann von kleinem Wuchse, der seine Tunika in jenen lockern und weibischen Falten trug, die in ihm einen vornehmen und eleganten Herrn erkennen ließen.

»Ach nein, mein lieber Klodius, er hat mich nicht eingeladen,« antwortete Diomed, ein Mann von mittleren Jahren und stattlichem Aussehen. »Beim Pollux! er hat mir da einen schlechten Streich gespielt; man sagt, seine Abendessen seien die besten in Pompeji.«

»Sie sind nicht schlecht, aber es gibt für mich nie Wein genug dabei. Das wahre Blut der alten Griechen rollt in Glaukus' Adern nicht; denn er behauptet, wenn er des Abends Wein getrunken habe, besitze der den andern Tag keinen Verstand mehr.«

»Seine Sparsamkeit hat nach meiner Meinung nach einen andern Beweggrund,« sagte Diomed, seine Augenbrauen runzelnd; »trotz seiner Eitelkeit und Verschwendung halte ich ihn nicht für so reich, als er zu sein vorgibt, und er schont vielleicht lieber seine Amphoren, als seinen Verstand.«

»Das ist ein Grund mehr, seine Gastereien zu besuchen, so lange seine Sestertien dauern. Im nächsten Jahre, Diomed, werden wir uns einen andern Glaukus suchen müssen.«

»Er soll auch ein Freund vom Würfelspiele sein.«

»Er liebt alle Vergnügungen; und so lange er es liebt, Abendessen zu geben, werden wir Alle auch ihn lieben.«

»Schön, mein Klodius, das ist gut gesagt! aber, gelegentlich gesprochen, hast Du meinen Keller nie gesehen?«

»Ich erinnere mich dessen nicht, mein guter Diomed.«

»Nun, so mußt Du an einem der nächsten Abende mit mir zu Nacht speisen; ich habe MuränenA1 in meinem Behälter und werde den Aedil Pansa auch einladen.«

»Oh! mache keine Umstände mit mir! – Persicos odi apparatus. Ich bin leicht zufrieden zu stellen. Aber der Tag neigt sich; ich habe im Sinne, in's Bad zu gehen – und Du?«

»Ich gehe zum Quästor – Staatsangelegenheiten; – hierauf in den Isistempel. Lebe wohl!«

»Was ist das für ein prahlsüchtiger, anscheinend bis über den Kopf beschäftigter und schlecht erzogener Bursche!« sagte Klodius leise zu sich, während er sich langsam entfernte; »er denkt uns mit seinen Festen und seinem Keller vergessen zu machen, daß er der Sohn eines Freigelassenen ist; und was wollen wir auch, so oft wir ihm die Ehre erweisen, ihm sein Geld abzugewinnen; diese reichen Plebejer sind für uns verschwenderische Patrizier eine wahre Ernte.«

Unter diesem Selbstgespräche gelangte Klaudius in die Via Domitiana, die, voll von Fußgängern und Equipagen, ganz dieselbe übermäßige Lebendigkeit, Rührigkeit und Fröhlichkeit zeigte, wie man sie noch heutzutage in den Straßen von Neapel findet.

Die Schellen der schnell an einander vorbeifahrenden Wägen drangen lustig zum Ohre, und Klodius grüßte die Eigentümer der Equipagen, die sich durch ihre Eleganz oder Eigentümlichkeit am meisten bemerklich machten, mit einem Lächeln oder Kopfnicken; – denn es gab in der Tat keinen jungen Mann in ganz Pompeji, der eine so ausgebreitete Bekanntschaft gehabt hätte.

»Ah! Du bist es, Klodius! und wie hast Du auf Dein Glück geschlafen?« rief mit angenehmem und sanftem Tone ein junger Mann, der in einem herrlich und anmutig gebauten Wagen saß. Auf der bronzenen Außenseite waren von griechischer Künstlerhand Basreliefs angebracht, welche die olympischen Spiele vorstellten. Die an seinem Wagen befindlichen Pferde waren von der seltensten parthischen Rasse; ihre schlanken Glieder schienen die Erde zu verachten und in der Luft zu schweben, und doch standen sie bei der leisesten Bewegung des Kutschers, der sich hinter dem Herrn der Equipage befand, unbeweglich still, wie wenn sie plötzlich in Stein verwandelt worden wären, scheinbar leblos, aber lebensähnlich, wie eines der Wunderwerke des Praxiteles. Auch der Herr selbst war von jener schlanken und schönen Symmetrie, welche die athenischen Bildhauer zu ihren Modellen wählten; an seinen leichten, in Büscheln herabfallenden Locken und an der vollkommenen Harmonie, die in seinen Zügen herrschte, verriet sich seine griechische Abkunft. Er trug keine Toga – ein Kleidungsstück, das zu den Zeiten der Kaiser kein unterscheidendes Merkmal der römischen Bürger mehr war, und über das sich alle Tonangeber in der Mode lustig machten; aber seine Tunika glühte im reichsten Schimmer des tyrischen Purpurs und die Fibulä oder Schnallen, die sie zusammenhielten, waren mit Smaragden geschmückt. Um den Hals trug er eine goldene Kette, die sich in der Mitte der Brust in die Gestalt eines Schlangenkopfs verflocht, aus dessen Munde ein Siegelring von ausgesuchter Arbeit hing. Die Ärmel seiner Tunika waren weit und am Handgelenke mit goldenen Fransen geziert, und ein mit Arabesken gestickter, von demselben Stoffe wie die Fransen, gefertigter und um den Leib geschlungener Gürtel diente ihm statt der Taschen, um Sacktuch, Beutel, Griffel und Schreibtafel darin aufzubewahren.

»Mein lieber Glaukus,« sagte Klodius, »ich freue mich, daß Dein Verlust auf Dein Aussehen so wenig Einfluß geübt hat. Du siehst ja aus, als ob Du von Apollo begeistert worden wärest, und Dein Gesicht strahlt wie eine Glorie von dem Glanze des Glücks. Jedermann würde Dich für den glücklichen Spieler und mich für den Verlierenden halten.«

»Ach! mein Klodius, was liegt denn in dem Gewinn oder Verluste dieses elenden Metalls, das unsere Heiterkeit stören sollte? Beim Jupiter, so lange wir noch jung sind und die vollen Locken mit Kränzen bedecken können, so lange die Töne der Zithara noch zu ungesättigten Ohren dringen und das Lächeln Lydia's oder Chloe's über unsere Adern hinfliegt, in welchen das Blut so schnell fließt, müssen wir auch beim Anblick des Sonnenlichts uns freuen, und sogar die Zeit zwingen, nur die Schatzmeisterin unserer Vergnügungen zu sein. Du weißt wohl, daß Du diesen Abend bei mir speisest?«

»Wer vergäße je eine Einladung von Glaukus!«

»Wohin gehst Du jetzt?«

»Ich dachte ins Bad zu gehen; aber es ist noch eine ganze Stunde bis zur gewöhnlichen Zeit.«

»Gut, da will ich meinen Wagen zurücksenden und Dich begleiten. So, so, mein Philias,« fuhr er fort, indem er das Pferd liebkoste, das ihm zunächst stand und durch ein leichtes Wiehern und durch ein Zurücklegen seiner Ohren die Zärtlichkeit spielend heimgab; »du hast heute Feiertag. Ist dies nicht ein schönes Tier, Klodius?«

»Des Phöbus würdig,« antwortete der edle Parasit, »oder des Glaukus.«

 

Muränen: Muränen – Lampreten

Zweites Kapitel.

Das blinde Blumenmädchen und die Modeschönheit. – Geständnis des Atheners – Der Leser macht die Bekanntschaft des Arbaces von Ägypten.

Während sich die beiden jungen Männer über tausenderlei verschiedene Gegenstände flüchtig besprachen, durchwandelten sie die Straßen der Stadt mit leichtem Schritte. Sie waren in das Quartier der reichsten Kaufläden gelangt, deren offenstehendes Innere von der flimmernden, aber harmonischen Pracht der Fresken strahlte, die in Geschmack und Zeichnung von unsäglicher Mannigfaltigkeit waren. Die sprudelnden Springbrunnen, die, wo sich ein freier Anblick darbot, ihren kühlenden Schaum in die Sommerluft schleuderten; die Menge der Vorübergehenden oder vielmehr der Umherschlenderer, von denen der größere Teil in Gewänder von tyrischem Purpur gekleidet war, die um die reizendsten Läden versammelten Haufen, die hin und her wandelnden Sklaven mit bronzenen Gefäßen von den anmutigsten Formen auf dem Kopf; die da und dort stehenden jungen Landmädchen mit Röcken voll hochroter Früchte oder Blumen, welche für die alten Bewohner Italiens reizender waren, als für ihre Nachkommen, denen in der Tat latet anguis in herba – in jedem Veilchen oder jeder Rose eine Krankheit zu lauern scheint.F4 Die verschiedenen Versammlungsörter, die bei diesem geschäftslosen Volke unsere Kaffeehäuser und Clubs ersetzen; die Schuppen, in welchen auf Marmortafeln Gefäße mit Wein und Öl aufgestellt waren, und vor deren Schwellen Bänke, die man durch ausgespannte Purpurdecken gegen die Sonne geschützt hatte, die Müden zum Ausruhen, die Müßiggänger zum Verweilen einluden – Alles dieses bildete eine so bunte, belebte und belebende Scene, daß der athenische Geist des Glaukus wegen seiner Empfänglichkeit für die Freude dadurch wohl entschuldigt wurde.

»Sprich mir nicht mehr von Rom,« sagte er zu Klodius. »In seinen mächtigen Mauern sind die Vergnügungen zu prunkvoll und schwerfällig. Sogar in dem Kreise des Hofes, in dem vergoldeten Hause des Nero, inmitten der beginnenden Pracht des für Titus bestimmten Palastes liegt eine gewisse Schwerfälligkeit. Das Auge leidet darunter und der Geist wird dadurch ermüdet. Überdies macht es uns angenehm, mein lieber Klodius, den unermeßlichen Luxus und Reichtum Anderer mit der Mittelmäßigkeit unserer eigenen Zustände vergleichen zu müssen. Hier hingegen überlassen wir uns ganz behaglich den Vergnügungen und genießen den vollen Glanz des Luxus ohne das Ermüdende seines Pompes.«

»Aus diesem Grunde also hast Du Pompeji zu Deinem Sommeraufenthalt gewählt?«

»Ja wohl; ich ziehe Pompeji Bajä vor. Zwar lasse ich den Reizen von Bajä Gerechtigkeit widerfahren; aber ich hoffe die Pedanten, die es bewohnen und jedes ihrer Vergnügungen nach Drachmen abzuwägen scheinen.«

»Und doch bist Du ein Freund der Gelehrten, und was Poesie betrifft, so sind ja Äschylus und Homer, das Epos, wie das Drama, bei Dir zu Hause.«

»Ja, aber diese Römer, die meine athenischen Vorfahren nachahmen, benehmen sich bei Allem so schwerfällig! Selbst wenn sie auf die Jagd gehen, lassen sie sich die Werke Plato's von ihren Sklaven nachtragen; und wenn sie die Fährte des wilden Schweines verlieren, greifen sie nach ihren Büchern und ihrem Papyrus, um nicht auch die Zeit zu verlieren. Während die Tänzerinnen in dem ganzen Zauber persischer Tänze vor ihren Augen hingleiten, liest ihnen ein Freigelassener mit einem Marmorgesichte ein Kapitel aus Cicero de officiis vor. Ungeschickte Parmazisten! Vergnügen und Studium, sind keine vereinbare Elemente; man muß sie getrennt genießen; die Römer aber verlieren beide Genüsse durch diese vorwitzige Affektation von Versteinerung, und beweisen dadurch, daß sie weder für den einen noch für den andern Sinn haben. Oh! mein lieber Klodius, wie wenig verstehen Deine Landsleute von der wahren Geschmeidigkeit des Perikles, von den wahren Zauberkünsten einer Aspasia! Gestern besuchte ich Plinius. Er saß in seinem Sommerhause und schrieb, während ein unglücklicher Sklave Flöte blies. Sein Neffe, (ach! Ohrfeigen möchte ich solchen philosophischen Zierbengeln geben!) sein Neffe las die Beschreibung der Pest von Thucybides, begleitete bisweilen die Musik mit einem Nicken seines dünkelhaften Köpfchens, während seine Lippen all die Ekel erregenden Details dieser schrecklichen Schilderungen vortrugen. Dieser junge Windbeutel fand es ganz in der Ordnung, zu gleicher Zeit ein Liebeslied und die Beschreibung der Pest zu lernen.«

»Nun, sie sind auch ziemlich dasselbe!« meinte Klodius.

»Dies sagte ich auch wirklich zu ihm, um seine Abgeschmacktheit zu entschuldigen; aber mein junger Philosoph sah mich vorwurfsvoll an, und antwortete mir, ohne den Spott zu verstehen, die Musik ergötze nur den Sinn des Gehörs, während das Buch (wohl zu bedenken, die Beschreibung der Pest!) das Herz erhebe. ›Ach!‹ sagte der dicke Oheim, ›mein Neffe ist ein ganzer Athenienser, der das utile mit dem dulci zu vereinigen weiß.‹ Bei der Minerva, wie lachte ich in die Faust hinein. Ich war noch da, als man dem philosophischen Schulknaben meldete, daß sein liebster Freigelassener eben am Fieber sterbe. ›Unerbittlicher Tod!‹ rief er, ›bringet mir meinen Horaz. Wie schön weiß dieser liebenswürdige Poet auch in solcherlei Unglücksfällen zu trösten!‹ Oh, können solche Leute lieben, mein Klodius? Kaum mit den Sinnen! Wie selten hat ein Römer ein Herz! Er ist nur eine geistige Maschine, der Fleisch und Blut fehlt.«

Obschon Klodius sich im Geheimen etwas verletzt fühlte, als er seine Landsleute so herabwürdigen hörte, so stellte er sich doch, als ob er derselben Meinung sei, wie sein Freund; teils weil er von der Natur ein Parasit, teils weil es damals unter den leichtsinnigen jungen Römern Sitte war, gegen dieselbe Abkunft, die sie in Wirklichkeit so anmaßend machte, einige Verachtung zu affektieren. Es gehörte zur Mode, die Griechen nachzuahmen und sich zugleich über diese ungeschickte Nachäfferei lustig zu machen.

Während dieses Gesprächs wurden ihre Schritte von der Menge aufgehalten, die sich an einem offenen Platze, wo drei Straßen zusammenliefen, versammelt hatte. Hier, im Schatten der Säulenhalle eines Tempels von graziöser und leichter Architektur, stand ein junges Mädchen, am rechten Arm ein Blumenkörbchen, in der linken Hand ein kleines, dreisaitiges Instrument, zu dessen schwachen und angenehmen Tönen sie ein halb barbarisches Lied sang. Bei jeder Ruhepause in der Musik bot sie mit Anmut den Zuschauern ihr Körbchen dar, und lud sie zum Kaufe der Blumen ein; und mehr als ein Sesterz fiel in den Korb, entweder zur Belohnung des Gesanges, oder als ein Beweis der Teilnahme an der Sängerin – denn sie war blind.

»Es ist meine arme Thessalierin,« sprach Glaukus stille stehend. »Ich habe sie seit meiner Rückkehr nach Pompeji nicht wieder gesehen. Sie hat eine angenehme Stimme; wir wollen ihr zuhören.«

Das Lied des blinden Blumenmädchens

1.

Kauft meine Blumen, hört meine Klagen,Ich komm' aus der Ferne, ich bin blind;Wenn die Erde so schön ist, wie sie sagen,Die Blume hier ist der Erde Kind!Ihr seht noch die Schönheit, die sie ihr lieh?Sie kommt so eben von ihrem Schooß;Vor einer Stunde erst riß ich sieAus dem Schlafe in ihren Armen los,Mit der Kunst, die ihr zarter Odem ist,Die ihr zarter, lieblicher Odem ist,Und tosend sich über sie ergoß!

Seht, wie auf den Lippen ihr Kuß noch schwebt,Wie auf den Wangen die Träne noch bebt,Denn sie weinet, die zärtliche Mutter weinet,(Wenn sie, Sorge und Sehnsucht im Herzen geeinet,Morgens und Abends die Wache bezieht) –Sie weinet, weil der Liebling so schön erblüht,Sie weinet, sie weinet aus Liebe,Und der Tau ist die Träne der Liebe,Die aus dem Brunnen des Herzens quillt.

2.

Ihr lebet in eitler Welt voll Licht,Wo Liebe sich in dem Geliebten spiegelt,Das Ohr allein ist der Blinden Gesicht,Und ihr ist der Tag für immer verriegelt.

Wie drunten ein abgeschied'ner GeistSteh' ich am Strome der Qual verwaist;Ich höre die Schatten vorüberziehenUnd fühle nur ihres Odems Wehen.

Und ich möchte so gern die Geliebten schauenUnd ich recke die Arme nach ihnen all,Doch ich fasse nur hohler Stimmen Schall,Das Leben ist mir ein Gespenst voll Grauen.

Kauft meine Blumen, o seht sie weinen,O hört sie seufzen die lieblichen Kleinen(Sie haben auch eine Stimme wie wir);»Die Blinde,« klagen die Blätterlosen,»Versengt mit ihrem Odem die Rosen;»Wir sind vom Lichte ans Licht gebracht,»Wir schauern zurück vor dem Kinde der Nacht.»O lasset uns uns're Erlösung erflehen;»Wir schmachten nach Augen, die uns sehen.»Wir sind zu heiter für diese Nacht,»O gönnt uns den Tag, der aus Euch lacht,»O kaufet, o kaufet die Blumen!«

»Ich muß diesen Veilchenstrauß haben, liebenswürdige Nydia,« sagte Glaukus, sich durch die Menge hindurchdrängend und eine Handvoll kleiner Münzen in das Körbchen werfend; »Deine Stimme ist reizender als je.«

Die junge Blinde fuhr rasch vor, als sie die Stimme des Atheners hörte, aber plötzlich stand sie still, und Hals, Wangen und Stirne überzog schnell eine hohe Röte.

»Du bist also wieder zurückgekehrt?« sagte sie mit leisem Tone; hierauf wiederholte sie, gleichsam wie im Selbstgespräche: »Glaukus ist zurückgekehrt!«

»Ja, mein Kind, ich bin erst seit wenigen Tagen wieder in Pompeji. Mein Garten bedarf Deiner Pflege wie früher; ich rechne darauf, daß Du ihn morgen besuchest. Ich versichere Dich, daß in meinem Hause keine andere Hand Kränze flechten soll, als die der hübschen Nydia.«

Nydia lächelte, antwortete aber nicht; Glaukus stecke die ausgesuchten Veilchen an seine Brust und begab sich vergnügt und gleichgültig aus der Menge fort.

»Dieses Kind ist also eine Art Klientin von Dir?« sagte Klodius.

»Ja; – nicht wahr, sie sing recht brav? Diese arme Sklavin interessiert mich. Überdies ist sei aus dem Lande des Götterberges; der Olympus hat auf ihre Wege geschaut – sie ist aus Thessalien.«

»Dem Lande der Zauberinnen.«

»Allerdings; aber ich meines Teils finde, daß alle Frauenzimmer Zauberinnen sind, und bei der Venus! in Pompeji scheint die Luft sogar einen Zaubertrank eingesogen zu haben, so viele Reize findet hier mein Auge auf jedem bartlosen Gesichte.«

»Ach! da geht gerade eine der schönsten Gestalten von Pompeji vorüber, die Tochter des alten Diomed, die reiche Julia,« rief Klodius, während eine junge Dame, das Gesicht mit einem Schleier verhüllt und von zwei Sklavinnen begleitet, auf dem Wege ins Bad sich ihnen näherte.

»Schöne Julia! wir grüßen Dich,« sagte Klodius.

Julia lüftete ihren Schleier weit genug, um mit einiger Koketterie ein schönes römisches Profil, ein dunkles, feuriges Auge und eine Wange zu zeigen, über deren natürliche Olivenfarbe die Kunst ein schöneres und sanfteres Rosenrot ausgegossen hatte.

»Und Glaukus ist auch wieder zurückgekehrt?« begann sie, dem Athener einen ausdrucksvollen Blick zuwerfend. »Hat er,« setzte sie beinahe halblaut hinzu, »seine Freunde vom letzten Jahre vergessen?«

»Reizende Julia, Lethe selbst, wenn er an einem Teil der Erde verschwindet, taucht wieder an einem andern auf. Jupiter erlaubt uns nie länger als einen Augenblick zu vergessen, die strengere Venus aber gestattet selbst die Vergessenheit eines Augenblicks nicht.«

»Glaukus ist nie um schöne Worte verlegen.«

»Wer könnte es sein, wenn der Gegenstand derselben so schön ist?«

»Werden wir Euch Beide bald in meines Vaters Villa sehen?« fragte Julia, sich zu Klodius wendend.

»Wir werden den Tag, an dem wir Dich besuchen, mit einem weißen Steine bezeichnen,« antwortete der Spieler.

Julia ließ ihren Schleier wieder zurückfallen, aber langsam, so daß ihr letzter Blick mit erheuchelter Schüchternheit und wahrhaftiger Kühnheit auf dem Athener heftete. Dieser Blick drückte Zärtlichkeit und Liebe zumal aus.

Die Freunde setzten ihren Weg fort.

»Julia ist in der Tat sehr schön,« sagte Glaukus.

»Im verflossenen Jahre hättest Du dieses Geständnis mit mehr Wärme abgelegt.«

»Das ist wahr; beim ersten Anblicke war ich verblendet und hielt für einen kostbaren Stein, was nur Nachahmung war.«

»Ach,« meinte Klodius, »im Grunde gleichen sich alle Weiberherzen. Glücklich der Mann, der bei seiner Gemahlin Schönheit mit reicher Mitgift gepaart findet! Was kann er mehr wünschen?«

Glaukus seufzte.

Sie traten eben in eine weniger besuchte Straße, an deren Ende sie das breite und liebliche Meer unterschieden, das an diesen herrlichen Küsten auf sein Privilegium, Schrecken einzuflößen, verzichtet zu haben scheint; so sanft sind die über seine Oberfläche hinhauchenden Lüftchen, so glänzend und mannigfaltig die Farben, die es von den rosigen Wolken annimmt, so duftend die Wohlgerüche, die der Landwind über seine Tiefen hinstreut. Einem solchen Meere ohne Zweifel entstieg Anadyomene, um das Scepter der Welt zu ergreifen.

»Es ist noch zu früh ins Bad,« sagte der Grieche, der einem poetischen Antriebe nie zu widerstehen wußte; »wir wollen uns vom Geräusche der Stadt entfernen und die See betrachten, während die Mittagssonne sich auf ihren Wellen spiegelt.«

»Mit allem Vergnügen,« antwortete Klodius; »überdies ist die Bucht der lebhafteste Teil der Stadt.«

Pompeji bot ein Miniaturgemälde der Civilisation jener Zeit. In dem engen Kreise seiner Mauern fand sich so zu sagen ein Muster jeder Gabe vor, die der Luxus dem Reichtume lieferte. In seinen kleinen, aber strahlenden Verkaufsgewölben, seinen niedlichen Palästen, seinen Bädern, seinem Forum, Theater und Circus, in der Energie wie in der Verdorbenheit, in der Verfeinerung wie in der Lasterhaftigkeit seiner Einwohner sah man ein Muster des ganzen Reiches. Dies war gleichsam ein Spielzeug, ein Schaukästchen, worin die Götter zu ihrem Vergnügen ein Ebenbild der großen Monarchie der Erde aufzustellen schienen, und das sie später der Zeit entzogen, um der Bewunderung der Nachwelt die Wahrheit des Grundsatzes ans Herz zu legen: daß es nichts Neues unter der Sonne gebe.

Die spiegelglatte Bucht war mit Handelsschiffen und vergoldeten Galeeren, die den reichen Bürgern zum Vergnügen dienten, angefüllt. Die Fischernachen glitten rasch nach allen Seiten hin und in der Ferne zeigten sich die hohen Masten der von Plinius befehligten Flotte. Am Ufer saß ein Sicilianer, der unter heftigem Geberdenspiele und unter äußerster Beweglichkeit seiner Gesichtszüge eine Gruppe von Fischern und Landleuten eine sonderbare Geschichte von Schiffbruch leidenden Matrosen und liebreichen Delphinen erzählte, gerade so wie man sie heutzutage noch in der modernen Nachbarschaft auf dem Molo von Neapel hören kann.

Der Grieche zog seinen Gefährten aus der Menge fort und lenkte seine Schritte gegen einen einsamen Teil des Ufers, wo sich die beiden Freunde auf einem kleinen Felsstücke, das sich aus den glatten Kieselsteinen erhob, niedersetzten, und die wollüstige und kühle Luft einsogen, die, über die Wasser hintanzend, eine liebliche Musik bildete. Es lag vielleicht etwas in dieser Scene, das sie zum Stillschweigen und zu Träumereien einlud. Klodius hielt die Hand vor die Augen, um diese gegen den brennenden Himmel zu schützen, und überrechnete seinen Gewinn von der vorigen Woche; der Grieche aber stützte sich auf seinen Ellenbogen, ohne Scheu vor der Sonne, der Schutzgöttin seines Vaterlandes, deren strömendes Licht sein Herz mit Poesie, Liebe und Glück erfüllte, seine Blicke hafteten fest auf der ungeheuer großen Meeresfläche und beneideten vielleicht jedes Lüftchen des Mittags, das seine Schwingen nach den Küsten Griechenlands hintrug.

»Sage mir, Klodius, bist Du nie verliebt gewesen?«

»Jawohl, sehr oft.«

»Wer oft geliebt hat,« antwortete Glaukus, »hat nie geliebt. Es gibt nur einen Eros, obwohl viele Nachbildungen von ihm.«

»Diese Bilder sind, im Ganzen genommen, keine bösen Götterchen,« sagte Klodius.

»Ich gebe es zu,« versetzte der Grieche; »ich bete sogar den Schatten der Liebe an, sie selbst aber noch viel mehr.«

»Bist Du also ernstlich und nüchtern verliebt? empfindest Du dieses von den Dichtern geschilderte Gefühl, das uns dahin bringt, unsere Abendessen zu vernachlässigen, das Teater zu verschmähen und Elegien zu schreiben? Ich hätte es nie geglaubt; Du kannst Dich recht verstellen.«

»So weit bin ich noch nicht,« sagte Glaukus lächelnd; »ich spreche vielmehr mit Tibull:

Wen sanfte Liebe lenket, der ist,Wo er auch geht, geschützt und heilig.

In der Tat, ich bin nicht verliebt; aber ich könnte es werden; wenn ich nur Gelegenheit hätte, den Gegenstand meiner Liebe zu sehen. Eros möchte gerne seine Fackel anzünden; aber die Priester haben ihm kein Öl gegeben.«

»Soll ich den Gegenstand Deiner Wahl erraten? Ist es nicht Diomeds Tochter? Sie betet Dich an, und gibt sich nicht einmal die Mühe, es zu verbergen, und, beim Herkules, ich wiederhole es, sie ist so schön und reich zugleich. Sie wird die Türpfosten ihres Gatten mit goldenen Bändern umwinden.«

»Nein, verkaufen will ich mich nicht. Die Tochter Diomeds ist schön, das gebe ich zu, und es gab eine Zeit, wo ich, wenn sie nicht die Enkelin eines Freigelassenen wäre, vielleicht – Aber nein, sie trägt all ihre Schönheit auf dem Gesichte; ihr Benehmen ist nicht wie das eines Mädchens, und ihr Verstand kennt keine andere Sorge, als die für das Vergnügen.«

»Du bist undankbar. Sage mir doch, wer die glückliche Jungfrau ist.«

»Vernimm denn, mein teurer Klodius. Vor einigen Monaten befand ich mich in Neapel, einer Stadt, ganz nach meinem Herzen; denn sie bewahrt noch das Wesen und den Stempel ihres griechischen Ursprungs, und verdient durch ihr himmlisches Klima und ihre herrlichen Gestade noch immer den Namen der Parthenope. Eines Tages trat ich in den Minervatempel ein, um die Göttin nicht sowohl für mich selbst, als für die Stadt, auf welche Pallas nicht mehr lächelt, anzuflehen. Der Tempel war einsam und verlassen; die Erinnerungen an Athen drängten sich schnell und erweichend auf mich ein; da ich mich allein glaubte und in meine ernsten und frommen Betrachtungen versunken war, drang ein Gebet aus meinem Herzen hervor, schwebte über meine Lippen und betend vergoß ich Tränen. Plötzlich wurde ich hierbei durch einen tiefen Seufzer unterbrochen; ich wandte mich um und sah dicht hinter mir ein Frauenzimmer. Sie hatte ihren Schleier aufgehoben und betete gleichfalls; als sich unsere Augen begegneten, schien mir aus diesen dunkeln und leuchtenden Sternen ein himmlischer Strahl in die innerste Seele zu dringen. Nie, mein lieber Klodius, sah ich ein schöner geformtes Menschenangesicht; eine gewisse Melancholie milderte und erhob zugleich seinen Ausdruck; jenes unaussprechliche Etwas, das der Seele entspringt und das unsere Bildhauer in das Gesicht der Psyche übertrugen, verlieh ihrer Schönheit einen erhabenen und himmlischen Charakter. Tränen entströmten ihren Augen. Ich ahnete augenblicklich, daß sie athenischer Abkunft war, und daß bei meinem Gebete für Athen ihr Herz dem meinigen geantwortet hatte. Ich fragte sie mit bewegter Stimme: ›Bist Du nicht auch eine Athenerin, schöne Jungfrau?‹ Beim Klange meiner Stimme errötete sie, bedeckte ihr Gesicht zur Hälfte mit dem Schleier und antwortete: ›Die Asche meiner Väter ruht an den Ufern des Ilissus; ich wurde zu Neapel geboren, allein mein Herz ist athenisch, wie meine Abkunft.‹ – ›Wir wollen also unsere Opfer miteinander darbringen,‹ sagte ich zu ihr. In diesem Augenblick war der Priester hereingekommen, und wir sprachen nun, nebeneinanderstehend, ihm das Gebet nach; miteinander berührten wir die Kniee der Göttin, miteinander legten wir unsere Olivenkränze auf den Altar nieder. Bei dieser gemeinschaftlichen Handlung empfand ich ein eigentümliches Gefühl einer fast geheiligten Zärtlichkeit. Fremd, aus einem entfernten und gefallenen Lande hergekommen, standen wir hier bei einander und allein in diesem der Gottheit unseres Vaterlandes geheiligten Tempel. War es da nicht natürlich, daß mein Herz sich zu ihr hingezogen fühlte, die ich doch gewiß mit Recht meine Landsmännin nennen konnte? Mir war, als ob ich sie seit langer Zeit kenne, und dieser einfache Gottesdienst schien mir wie durch ein Wunder die Sympathie der Herzen bewirkt und die Bande der Zeit ersetzt zu haben. Wir verließen den Tempel in tiefem Stillschweigen, und als ich sie eben fragen wollte, wo sie wohne und ob ich mir nicht einen Besuch bei ihr erlauben dürfe, kam ein Jüngling, dessen Gesichtszüge einige Ähnlichkeit mit den ihrigen hatten, und der auf den Stufen des Tempels stand, herbei und erfaßte ihre Hand. Sie wandte sich noch einmal um und gab mir den Abschiedsgruß. In diesem Augenblicke trennte uns die Menge und ich sah sie nicht wieder. Bei meiner Nachhausekunft fand ich Briefe vor, die mich zur Reise nach Athen nötigten, wo mir Verwandte meine Erbschaft streitig zu machen drohten. Nach Gewinnung meines Prozesses kehrte ich nach Neapel zurück; ich ließ in der ganzen Stadt Nachforschungen anstellen, ohne jedoch irgend eine Spur von meiner Landsmännin auffinden zu können, und in der Hoffnung, im Schooße der Vergnügungen jede Erinnerung an diese liebliche Erscheinung zu vergessen, eilte ich mich in die Herrlichkeiten Pompeji's zu versenken. Dies ist meine ganze Geschichte. Ich liebe nicht, aber ich erinnere und sehne mich.«

Klodius wollte eben antworten, als ein langsamer und gemessener Schritt sich auf den Kieselsteinen vernehmen ließ; bei diesem Geräusch wandten sie sich Beide um und erkannten augenblicklich den neuen Ankömmling.

Es war ein Mann, der kaum vierzig Jahre zählte, von hohem Wuchse und magerem aber kräftigen und sehnigen Körperbau. Seine dunkle und bronzierte Haut verriet seinen orientalischen Ursprung und seine Züge hatten etwas Griechisches in ihren Umrissen, besonders an Kinn, Lippen, Stirne und Hals; nur war seine Nase etwas groß und gebogen, während seine harten und hervorstechenden Knochen jene fleischlichen Conturen nicht gestatteten, die einer griechischen Physiognomie selbst im Mannesalter die runden und schönen Linien der Jugend erhielten. Seine Augen waren groß und schwarz, wie die tiefste Nacht, und strahlten von einem beständigen festen Glanze. Eine tiefe, nachdenkende und beinahe melancholische Ruhe schien in ihrem majestätischen und imposanten Blicke ihren steten Wohnsitz aufgeschlagen zu haben. Sein Gang und seine Miene waren auffallend gesetzt und stolz, und der sonderbare Schnitt und die einfachen Farben seines langen Gewandes erhöhten den gewaltigen Eindruck der ruhigen Physiognomie und der stattlichen Gestalt. Die beiden jungen Männer machten, da sie ihn grüßten, maschinenmäßig ein leichtes Zeichen mit den Fingern, das sie jedoch sorgfältig vor dem Fremden verhehlten; denn Arbaces, der Ägypter, galt dafür, daß er die Gabe eines unheilvollen Blickes besitze.

»Die Scene muß wirklich herrlich sein,« sagte Arbaces mit kaltem, aber höflichem Lächeln, »die den lebenslustigen Klodius und den allbewunderten Glaukus aus den volkreichen Straßen der Stadt wegzulocken vermag.«

»Ist denn die Natur im Allgemeinen so religiös?« fragte der Grieche.

»Für die Zerstreuten – ja.«

»Diese Antwort ist streng, aber ich halte sie nicht für richtig. Das Vergnügen liebt die Gegensätze; die Zerstreuung lehrt uns die Reize der Einsamkeit, die Einsamkeit die der Zerstreuung schätzen.«

»So denken die jungen Philosophen,« antwortete der Ägypter; »sie halten Erschöpfung für Nachdenken, und glauben, weil sie der Welt satt sind, den Reiz der Einsamkeit zu kennen. Aber nicht in so abgematteten Herzen kann die Natur jenen Enthusiasmus erregen, der allein ihrer keuschen Zurückhaltung ihrer unaussprechlichen Schönheit zu entlocken vermag; sie fordert keineswegs Ausrottung der Leidenschaft von Euch, sondern jene ganze Glut, der Ihr Euch, indem Ihr sie anbetet, zu entschlagen suchet. Wisse, junger Athener, als sich Luna dem Edymion im geheimnisvollen Licht enthüllte, geschah dies nicht etwa nach einem in den unruhigen Wohnungen der Menschen verlebten Tag, sondern auf dem stillen Gipfel der Berge und in den einsamen Tälern des Jägers.«

»Das Gleichnis ist schön!« rief Glaukus, »aber die Anwendung falsch. Erschöpfung, sagst Du! Oh! die Jugend erschöpft sich niemals, und was mich wenigstens betrifft, so habe ich nie einen Augenblick der Sattheit kennen gelernt.«

Wiederum lächelte der Ägypter; aber diesmal war sein Lächeln frostig und schneidend, und sogar Klodius, dessen Einbildungskraft nicht sehr lebhaft war, empfand ein kleines Frieren dabei. Arbaces gab übrigens auf den leidenschaftlichen Ausruf des Glaukus keine Antwort, sondern sprach nach einer Pause mit sanftem und melancholischem Tone: »Im Ganzen genommen tust Du wohl daran, das Leben zu genießen, so lang es Dir lächelt. Die Rose welkt schnell, das Parfüm verdunstet – und was uns betrifft, o Glaukus, die wir in diesem Lande fremd und hier ferne von unserer Väter Asche sind, – welche andere Wahl bleibt uns, als sinnliches Vergnügen oder Sehnsucht? Jenes für Dich, für mich vielleicht die letztere.«

Die glänzenden Augen des Griechen füllten sich plötzlich mit Tränen.

»Ach! Arbaces,« rief er aus, »sprich nicht von unsern Voreltern. Vergiß, daß es je andere Freiheiten gegeben hat, als die Roms! – und eine andere Herrlichkeit – ach, vergebens würden wir ihren Schatten auf den Feldern von Marathon und Thermopylä wieder zu erwecken suchen.«

»Dein Herz tadelt Dich, während du sprichst,« sagte der Ägypter, »und bei den Freunden dieser Nacht wirst Du mehr an Leäna,F5 als an Lais denken. Vale!«

Mit diesen Worten hüllte er sich in seinen Mantel und entfernte sich langsam.

»Ich atme wieder freier,« sagte Klodius. »Um die Ägypter nachzuahmen, stellen wir bisweilen ein Skelett bei unsern Gastmählern auf; fürwahr die Gegenwart eines solchen Ägypter's wäre wohl gespenstisch genug, um die herrlichste Falerner Traube zu verbittern.«

»Ein sonderbarer Mann!« sagte Glaukus mit nachdenkender Miene; »obwohl er abgestorben ist für das Vergnügen und gleichgültig gegen die Güter der Welt scheint, so könnten doch, wenn das öffentliche Gerede nicht lügt, sein Haus und Herd andere Geschichten erzählen.«

»Ja man spricht von ganz andern Orgien, als von denen des Osiris, die in seiner düstern Wohnung gefeiert werden sollen. Man versichert überdies, daß er reich sei. Sollten wir ihn nicht an uns locken und die Reize des Würfelspiels lehren können? O du größtes aller Vergnügen! Du glühendes Feuer der Hoffnung und Furcht! in Leidenschaft, die nie ermüdet! O Spiel, wie fürchterlich schön bist du!«

»Welche Begeisterung!« rief Glaukus lachend; »das Orakel spricht durch den Mund des Klodius. Welches Wunder werden wir da noch erleben?«

 

Die neueren Italiener, besonders die in den südlichen Teilen Italiens, haben einen eigentümlichen Abscheu gegen Parfümerie; sie betrachten dieselben als besonders ungesund; und die römischen und neapolitanischen Damen bitten ihre Gäste, sich derselben nicht zu bedienen. Sonderbar genug aber ist der gegen Wohlgerüche so empfindliche Geruchsinn ganz stumpf für das Gegenteil. Man kann Rom wörtlich – Sentina gentium – nennen.

Als Leäna, die heldenmütige Geliebte Aristogeitons, gefoltert wurde, biß sie sich die Zunge ab, damit sie nicht der Schmerz verleiten möge, die gegen die Söhne des Pisistratos angesponnene Verschwörung zu verraten; die ihr zu Ehren errichtete Statue einer Löwin sah man in Athen zur Zeit des Pausanias.

Drittes Kapitel.

Die Verwandtschaft des Glaukus – Beschreibung der Häuser von Pompeji – Ein klassisches Fest.

Der Himmel hatte Glaukus mit allen seinen Wohltaten überschüttet, eine einzige ausgenommen; er hatte ihn mit Schönheit, Gesundheit, Vermögen, Talent, vornehmer Geburt, einem feurigen Herzen und einem poetischen Geiste begabt; aber er verweigerte ihm das Erbe der Freiheit. Glaukus war zu Athen geboren, der Untertanin Roms. Frühe in den Besitz eines beträchtlichen Vermögens gelangt, hatte er sich dem bei jungen Leuten so natürlichen Geschmacke für's Reisen überlassen und im Schooße pomphafter Feste am kaiserlichen Hofe in langen Zügen aus dem berauschenden Becher des Vergnügens geschlürft. Glaukus war ein Alcibiades ohne Ehrgeiz; er war, was ein Mann, der Einbildungskraft, Vermögen, Jugend und Talente besitzt, wenn man ihm die Begeisterung für den Ruhm entzieht, leicht wird. Sein Haus zu Rom war das Tagesgespräch der Lüstlinge, aber auch der Freunde der schönen Künste; die Bildhauer Griechenlands fanden ein Vergnügen daran, die Portiken und die Exedra eines Atheners auszuschmücken. Seine Wohnung zu Pompeji – ach! ihre Farben sind jetzt erbleicht und ihre Mauern ihrer Gemälde beraubt; ihre Hauptschönheit, die vollendete Ausführung und Anmut ist entschwunden – und doch, als sie wieder an's Tageslicht gefördert wurde, welche Lobreden, welche Ausrufe der Verwunderung erweckten da ihre niedlichen Dekorationen, ihre Gemälde, ihre Mosaikarbeiten! Glaukus hatte, als ein leidenschaftlicher Verehrer der Poesie und des Drama's, die ihn an den Geist und Heldenmut seiner Vaterstadt erinnerten, seine herrliche Wohnung mit Darstellungen aus Äschylus und Homer geschmückt; und Altertumsforscher, die aus dem Geschmacke auf das Gewerbe schließen, haben den Kunstfreund in einen Künstler verwandelt; und obgleich seitdem ihr Irrtum anerkannt ist, nennen sie dennoch die ausgegrabene Wohnung des Atheners Glaukus fortwährend das Haus des dramatischen Dichters.

Ehe wir dieses Haus beschreiben, wollen wir dem Leser einen allgemeinen Begriff von der Art der Einteilung der Häuser in Pompeji geben, die, wie er finden wird, im Wesentlichen den Schilderungen des Vitruvius gleichen; im Einzelnen aber alle jene Verschiedenheiten der Laune und des Geschmacks entfalten, die dem Menschen angeboren sind und die Altertumsforscher zu allen Zeiten in Verwirrung gebracht haben. Wir wollen versuchen, unsere Beschreibung so deutlich und so wenig pedantisch als möglich zu geben.

Man tritt gewöhnlich durch einen kleinen Gang, das sogenannte Vestibulum, in eine Halle, bisweilen mit, noch öfters aber ohne Säulen. Auf drei Seiten dieser Halle sind Türen angebracht, die zu den verschiedenen Schlafzimmern führen, unter denen sich auch das des Pförtners befindet, und von welchen die besten gewöhnlich zu Wohnungen fremder Gäste bestimmt sind. Am äußersten Ende der Halle, und zwar zu beiden Seiten, rechts und links, wenn das Haus groß ist, befinden sich zwei kleine Zimmer oder vielmehr Vertiefungen, die gewöhnlich für die Frauen des Hauses bestimmt sind; mitten auf dem gewürfelten Fußboden der Halle zeigt sich unabänderlich ein viereckiger, nicht tiefer Behälter zum Sammeln des Regenwassers, das durch eine Öffnung in dem Dache hereinfiel, welche nach Belieben durch ein Schirmdach geschlossen werden konnte. In der Nähe dieses Impluviums, das in den Augen der Alten besonders heilig war, stellte man (in Pompeji, jedoch nicht so häufig als in Rom) die Bilder der Hausgötter auf; jener gastfreundliche Herd, von dem die römischen Dichter häufig sprechen, und der besonders den Laren geweiht war, bestand in Pompeji fast durchgehends in einer beweglichen Kohlenpfanne. In einem, und oft in dem am meisten in die Augen fallenden Winkel war eine große, hölzerne Kiste bemerklich, die bronzene oder eiserne Bänder schmückten und stärker machten, und die durch starke Haken an ein steinernes Piedestal so sehr befestigt war, daß sie allen Anstrengungen eines Räubers, sie von der Stelle zu rücken, Trotz bieten konnte. Diese Kiste hielt man für die Kasse des Hausherrn; da man indessen in keiner der zu Pompeji aufgefundenen Kisten Geld fand, so ist es wahrscheinlich, daß sie häufiger zum Zierrate als zum Gebrauche dienten.

In dieser Halle (oder Atrium, um klassisch zu reden) empfing man gewöhnlich die Clienten und Besuche niederen Standes. In den Häusern der vornehmeren Einwohner wurde durchgängig ein Atriensis gehalten – ein Sklave, der mit dem Dienste in dieser Halle besonders beauftragt war und unter seinen Kameraden einen hohen und wichtigen Rang einnahm. Der Behälter im Mittelpunkte muß eine etwas gefährliche Verzierung gewesen sein; aber die Mitte der Halle war den Hin- und Hergehenden verboten, die ja an beiden Seiten noch hinreichend Raum fanden. Gerade dem Eingange gegenüber, an dem andern Ende der Halle, war ein Gemach (tablinum), dessen Fußboden gewöhnlich mit reichen Mosaikarbeiten geschmückt, und dessen Wände mit herrlichen Gemälden bedeckt waren. Hier wurden die Familienpapiere oder Urkunden über das öffentliche Amt, das der Hausherr bekleidet hatte, aufbewahrt. Auf einer der Seiten dieses Salons, wenn man ihm diesen Namen geben darf, befand sich häufig ein Speisezimmer (triclinium), und auf der andern Seite bisweilen ein Stübchen, das wir heutzutage ein Raritätenkabinet nennen würden, da es eine Menge solcher Gegenstände enthielt, die man für die seltensten und kostbarsten achtete; und immer endlich ein kleiner Gang für die Sklaven, um sich in die verschiedenen Teile des Hauses begeben zu können, ohne die oben erwähnten Gemächer betreten zu müssen. Alle diese Zimmer öffneten sich auf eine viereckige oder längliche Kolonnade, die man mit einem technischen Ausdrucke Peristyl nannte. War das Haus klein, so endete es mit diesem Säulengang, und in diesem Falle bildete sein Mittelpunkt, so klein er auch sein mochte, immer einen Garten, der mit auf Piedestalen stehenden Blumenvasen geschmückt war; unter der Kolonnade führten rechts und links Türen zu den Schlafzimmern,F6 zu einem zweiten Triclinium oder Speisezimmer,F7 und wenn der Hausherr ein Freund der Literatur war, zu einem mit dem Titel einer Bibliothek geehrten Kabinet; ein sehr kleiner Raum nämlich reichte hin, um die Papyrusrollen aufzunehmen, welche die Alten für eine beträchtliche Büchersammlung hielten.

Die Küche befand sich gewöhnlich am Ende des Peristyls. War das Haus recht geräumig, so hörte es nicht mit dem Peristyl auf, und in diesem Falle war dessen mittlerer Raum kein Garten, sondern bald mit einem Springbrunnen, bald mit einem Fischbassin geschmückt, während an dem dem Tablinum entgegengesetzten Ende sich in der Regel ein zweites Speisezimmer befand, dessen beide Seiten an Schlafzimmer oder auch bisweilen an eine Gemäldegalerie oder PinathecaF8 stießen. Diese Gemächer sodann standen in Verbindung mit einem viereckigen oder oblongen Raume, der gemeiniglich auf drei Seiten mit einer Kolonnade geschmückt war, wie das Peristyl, das er an Länge übertraf, mit dem er aber sonst viele Ähnlichkeiten hatte. Dies war das eigentliche Viridarium oder der Garten, in dem sich häufig ein Springbrunnen, Statuen und eine große Menge schöner Blumen befanden. Am äußersten Ende stand die Gärtnerswohnung, und an den beiden Seiten waren unter der Säulenhalle, noch weitere Zimmer eingerichtet, wenn die Größe der Familie dies nötig machte.

Das erste und zweite Stockwerk hatten zu Pompeji selten eine Wichtigkeit, da sie nur über einen kleinen Teil des Hauses hingebaut waren und nur Sklavenkammern enthielten. In den prächtigeren Gebäuden Roms hingegen war dies nicht der Fall; dort lag nämlich der Hauptspeisesaal (coenaculum) gewöhnlich im zweiten Stockwerke. Die Zimmer selbst waren gemeiniglich klein; denn so oft man in diesem herrlichen Klima zahlreiche Gäste hatte, empfing man sie in dem Peristyl (oder Porticus), in der Halle oder im Garten. Die Festsäle selbst waren, obwohl mit Fleiß ausgeschmückt und mit Sorgfalt gewählt, doch von sehr kleinem Umfange; denn die klugen Alten hielten weniger auf die Zahl, als auf die Wahl der Gäste, und speisten selten mehr als neun Personen auf einmal, so daß also große Speisesäle bei ihnen nicht so notwendig waren, als bei uns.F9 Aber die Reihe von Zimmern, die man sofort beim Eintritte gewahrte, mußte in der Tat einen sehr imposanten Eindruck hervorgebracht haben. Man sah da auf einen Blick die reich betäfelte und herrlich bemalte Halle, das Tablinum, das anmutige Peristyl, und wenn das Haus etwas geräumiger war, den gegenüberliegenden Festsaal und den Garten, der mit einem Springbrunnen oder einer Mamorstatue die Aussicht begrenzte.

Der Leser wird sich jetzt von den Häusern Pompeji's einen ziemlich richtigen Begriff machen können, die in manchen Beziehungen der griechischen, noch mehr aber der römischen Bauart glichen. Die allgemeine Einrichtung ist in sämmtlichen Häusern dieselbe, obgleich bei allein einige Verschiedenheit im Einzelnen stattfindet. In allen findet man die Halle, das Tablinum und das Peristyl, die mit einander in Verbindung stehen; in allen sind die Wände reich bemalt, und alle endlich liefern die Beweise von einem den verfeinerten Lebensgenuß liebenden Volke. Indessen ist zu zweifeln, ob der Geschmack der Einwohner von Pompeji in Bezug auf Dekorationen so ganz rein war. Sie liebten die auffallenden Farben und die seltsamsten Zeichnungen; den unteren Teil ihrer Säulen malten sie oft hochrot, und ließen den übrigen Teil unbemalt; war der Garten klein, so pflegten sie, um das Auge zu täuschen, Bäume, Vögel, Tempel u.s.w. perspektivisch an die Mauer zu malen – ein plumper Kunstgriff, den der liebenswürdige Pedantismus des Plinius mit wohlgefälligem Stolze in Anwendung brachte.

Obgleich das Haus des Glaukus zu den kleinsten gehörte, so war es doch eines der geschmücktesten und vollendetsten aller Privatgebäude in Pompeji.

Man tritt in das Haus durch ein langes und enges Vestibulum, dessen Fußboden in Mosaikarbeit die Abbildung eines Hundes darstellte, mit dem wohlbekannten »cave canem« (nimm dich vor dem Hunde in Acht). Auf jeder Seite befindet sich eine ziemlich geräumige Kammer; denn da das Haus nicht groß genug war, um die zwei gewöhnlichen Abteilungen in Privat- und öffentliche Zimmer zu enthalten, so waren diese zwei Zimmer besonders zum Empfange von Personen bestimmt, die weder durch Rang, noch durch genaue Bekanntschaft mit dem Hausherrn berechtigt waren, in das Innere des Hauses zugelassen zu werden.

Wenn man aus dem Vestibulum herauskommt, so tritt man in ein Atrium, das bei der ersten Auffindung mit Gemälden bereichert war, deren sich, hinsichtlich des Ausdrucks, ein Rafael nicht hätte schämen dürfen. Jetzt sieht man dieselben im Museum von Neapel, wo sie noch von Kennern bewundert werden; – sie stellen den Abschied des Achilles von der Briseis vor. Wer sollte die Kraft, Lebhaftigkeit und Schönheit in den Gesichtern und Gestalten des Achilles und der unsterblichen Sklavin die Anerkennung versagen?

Auf einer anderen Seite des Atriums führte eine kleine Treppe zu den im zweiten Stockwerke gelegenen Sklavenzimmern. Dort befanden sich auch zwei oder drei andere kleine Schlafzimmer, auf deren Wänden der Raub der Europa, die Amazonenschlacht u.s.w. dargestellt waren.

Von da aus gelangt man in das Tablinum, an dessen äußersten Enden reiche, halb zurückgezogene Draperien von tyrischem Purpur herabhingen.F10 Auf seinen Wänden war ein Dichter abgebildet, der seinen Freunden seine Verse vorliest, und der Fußboden zeigte eine kleine, höchst ausgesuchte Mosaikarbeit, einen Theaterdirektor darstellend, wie er seinen Schauspielern Belehrungen gibt.

Aus diesem Salon gelangte man in das Peristyl, und hier ging auch dieses Haus (was, wie schon gemeldet, bei kleineren Wohnungen in Pompeji gewöhnlich der Fall war) zu Ende. Von jeder der sieben diesen Hof schmückenden Säulen, hingen Blumengewinde. Der Mittelpunkt, der die Stelle des Gartens vertrat, war mit den seltensten Blumen angefüllt, die in weißen, auf Piedestalen ruhenden Marmorvasen aufgestellt waren. Am Ende dieses Gärtchens befand sich ein kleiner Tempel, der einer jener Kapellen glich, wie man sie in katholischen Ländern an den Landstraßen findet; er war den Penaten geheiligt und vor ihm stand ein eherner Dreifuß. Auf der linken Seite der Säulenreihe befanden sich zwei kleine Cubicula oder Schlafzimmer, und rechts lag das Triclinium, wo die Gäste eben versammelt waren.

Die Altertumsforscher von Neapel pflegen dieses Gemach das Zimmer der Leda zu nennen, und in dem herrlichen Werke des Sir William Gell findet man einen Kupferstich nach einem zarten und anmutigen Gemälde der Leda, wie sei ihrem Gemahle ihren Neugeborenen darbietet. Dieses prächtige Gemach öffnete sich gegen den balsamduftenden Garten. Um den Tisch von Citronenholz,F11 , der glatt, poliert und mit Arabesken in Silber ausgelegt war, standen drei Ruhebetten, die zu Pompeji gebräuchlicher waren, als der halbrunde Sitz, der seit kurzer Zeit in Rom Sitte geworden; auf diesen bronzenen Ruhebetten, die mit kostbaren Metallen beschlagen waren, lagen dicke, reich mit sorgfältiger Stickerei versehene Matratzen, die dem Drucke des Körpers elastisch nachgaben.

»Ich muß gestehen,« sagte der Aedil Pansa, »daß Dein Haus, obgleich kaum größer als das Gehäuse für eine Fibula, doch ein wahrer Edelstein in seiner Art ist. Wie herrlich ist der Abschied des Achilles von der Briseis dargestellt! Welcher Styl! welche Köpfe! welche – hm!«

»Das Lob Pansa's über einen derartigen Gegenstand ist in der Tat unschätzbar,« erwiderte Klodius ernst; »was für Gemälde trifft man an seinen Wänden! dort ist fürwahr die Hand des Zeuxis sichtbar.«

»Du schmeichelst mir in der Tat sehr, mein lieber Klodius,« versetzte der Aedil, der in ganz Pompeji für den Besitzer der schlechtesten Gemälde von der Welt galt; denn aus übertriebenem Patriotissmus wollte er nur pompejanische Maler beschäftigen. »Du schmeichelst mir! Indessen muß man gestehen, daß die Gemälde ihr Lob verdienen – Ädepol! – in den Farben, der Zeichnung nicht zu gedenken ... Und die Küche, meine Freunde – ach! Alles ist ganz nach meinem Geschmacke.«

»Was für eine Malerei ist dort?« fragte Glaukus; »ich habe Deine Küche noch nicht gesehen, obgleich ich mehr als einen Beweis von der Vortrefflichkeit Deiner Speisen habe.«

»Ein Koch, mein Athener, opfert dort die Meisterwerke seiner Kunst auf dem Altare der Vesta, während eine herrliche Muräne (nach dem Leben gemalt) in der Ferne an dem Spieße bratet. Du wirst zugeben, daß hierin viel Erfindung liegt.«

In diesem Augenblicke erschienen die Sklaven, ein Brett mit den ersten Einleitungsspeisen zum Mahle tragend. Zwischen köstlichen Folgen waren kleine Becher eines verdünnten, schwach mit Honig vermischten Weines aufgestellt. Nachdem dies auf die Tafel niedergesetzt war, reichten junge Sklaven jedem der fünf Gäste (es waren ihrer nicht mehr) das silberne Becken mit wohlriechendem Wasser und mit Purpurfransen besetzte Handtücher. Der Aedil jedoch zog prahlsüchtig sein eigenes Handtuch hervor, das zwar nicht von so feiner Leinwand, dessen Franse aber doppelt so breit war, und wischte seine Hände mit dem Gepränge eines Mannes, der fühlt, daß er Bewunderung erregt.

»Da hast Du eine schöne Mappa,« sagte Klodius; »die Franse ist so breit als ein Gürtel.«

»Eine Kleinigkeit, mein Klodius, nur eine Kleinigkeit! Dies soll der neueste Geschmack in Rom sein; Glaukus versteht sich jedoch auf solche Dinge besser als ich.«

»Sei uns günstig, o Bacchus!« sprach Glaukus, indem er sich ehrerbietig gegen ein herrliches Bild des Gottes neigte, das mitten auf dem Tische stand, an dessen Ecken die Lamen und die Salzfässer aufgestellt waren. Die Gäste sprachen das Gebet nach und brachten durch Besprengung des Tisches mit Wein die gebräuchliche Libation dar.

Nach Beendigung dieser Ceremonie ließen sich die Gäste auf ihre Ruhebetten nieder und das Mahl begann.

»Dies soll mein letzter Becher sein,« rief der junge Sallust, als die Sklaven die ersten zur Erweckung des Appetits aufgetragenen Gerichte entfernten und substantiellere Speisen auf den Tisch stellten, und ihm der aufwartende Sklave einen bis an den Rand gefüllten Becher überreichte, »dies soll mein letzter Becher sein, wenn ich je besseren Wein in Pompeji getrunken habe!«

»Bring die Amphora herbei,« sagte Glaukus, »und lies Jahrzahl und Namen vor.«

Der Sklave beeilte sich, der Gesellschaft zu melden: »nach dem an den Stöpsel angehefteten Zettel stammt der Wein aus Chios und sei fünfzig Jahre alt.«

»Wie köstlich ihn der Schnee gekühlt hat,« sagte Pansa, »gerade das richtige Verhältnis.«

»Er gleicht,« rief Sallust, »der Erfahrung eines Mannes, der seine Vergnügungen hinlänglich mäßigt, um sie doppelt reizend zu machen.«

»Oder vielmehr dem Nein eines Frauenzimmers,« fügte Glaukus hinzu, »er kühlt, aber nur, um desto mehr zu entflammen.«

»Wann wird unser nächstes Tiergefecht statthaben?« fragte Klodius den Pansa.

»Es ist auf den nächsten Idus des Augusts festgesetzt,« entgegnete der Aedil, »den Tag nach den Vulkanalien. Wir haben für dieses Fest einen der schönsten jungen Löwen.«

»Wer wird ihm vorgeworfen werden?« fragte Klodius. »Gegenwärtig herrscht ein großer Mangel an Verbrechern. Pansa, Du wirst diesmal jedenfalls einen Unschuldigen zum Löwen verurteilen müssen.«

»Ich gestehe Dir, daß ich neulich darüber nachgedacht habe,« versetzte der Aedil gravitätisch. »Ein schändliches Gesetz, das uns verbietet, unsere eigenen Sklaven den wilden Tieren vorzuwerfen. Uns mit unserm Eigentum nicht nach unserem Belieben schalten zu lassen, ist ein gegen den Besitz selbst gerichteter Angriff.«

»In den guten Zeiten der Republik war es nicht so,« seufzte Sallust.

»Diese angebliche Großmut gegen die Sklaven beraubt überdies das Volk einer seiner größten Vergnügungen. Ach! welche Freude hat es an einem hartnäckigem Kampfe zwischen Menschen und Löwen, und wegen dieses verdammten Gesetzes wird es auf dieses unschuldige Vergnügen verzichten müssen, wenn uns die Götter nicht bald einen großen Verbrecher zusenden.«

»Was kann unpolitischer sein,« sagte Klodius mit affektierter Ernsthaftigkeit, »als dem Volk sein Hauptvergnügen zu verkümmern?«

»Dank dem Jupiter und dem Fatum, daß wir gegenwärtig keinen Nero mehr haben,« sagte Sallust.

»Der war in der Tat ein Tyrann, denn er ließ unser Amphitheater zehn Jahre lang schließen.«

»Ich wundere mich,« sagte Sallust, »daß es keinen Aufstand zur Folge hatte.«

»Beinahe wäre es dazu gekommen,« versetzte Pansa, der den Mund voll Wildschweinbraten hatte.

Hier wurde die Unterhaltung für eine kurze Zeit durch einen Flötentusch unterbrochen, und zwei Sklaven traten mit einer einzelnen Schüssel ein.

»Welchen Leckerbissen hast Du da für uns aufbewahrt, mein lieber Glaukus?« fragte der junge Sallust mit funkelnden Augen.

Sallust war erst vierundzwanzig Jahre alt, aber er kannte keinen größeren Lebensgenuß, als das Essen; vielleicht hatte er alle übrigen bereits erschöpft. Doch fehlte es ihm nicht an Verstand, und er hatte, so weit es ihm möglich war, ein vortreffliches Herz.

»Beim Pollux!« rief Pansa, »ich seh's ihm an; es ist ein ambracisches Zicklein! Ho!« fuhr er fort, (mit den Fingern schnippend, was das übliche Zeichen war, um die Sklaven herbeizurufen), »wir müssen dem neuen Ankömmling eine zweite Libation darbringen.«

»Ich hoffte, Euch mit brittischen Austern bewirten zu können,« sagte Glaukus traurig, »aber die Winde, die gegen Cäsar so ungünstig waren, haben es nicht zugelassen.«

»Sind sie wirklich so köstlich?« fragte Lepidus, indem er seine Tunika, deren Gürtel bereits gelöst war, auseinanderschlug, um es sich noch bequemer zu machen.

»Ach! ich kann mich der Vermutung nicht erwehren, daß nur die Entfernung ihren hohen Preis bestimme; sie haben den feinen Geschmack der brundysischen Austern nicht, aber in Rom glaubt man, ohne diese Austern sei kein Abendessen vollständig.«

»Dir armen Britten!« meinte Sallust. »Sie haben doch etwas Gutes an sich! Ihr Land liefert Austern.«

»Ich wünschte, sie verschafften uns einen Gladiator,« sagte der Aedil, dessen mit der Zukunft beschäftigter Geist unaufhörlich an die Bedürfnisse des Amphitheaters dachte.

»Bei der Pallas!« rief Glaukus, als sein Lieblingssklave einen frischen Kranz um seine dunstende Stirne wand, »ich bin wohl ein großer Freund solcher wilden Schauspiele, wenn Tiere gegen Tiere kämpfen; wenn aber ein Mensch mit Fleisch und Blut, wie wir, kaltblütig in die Arena getrieben, und ihm ein Glied um das andere abgerissen wird, so ist die Teilnahme allzuschrecklich. Mir wird übel, ich kann kaum mehr atmen; es treibt mich an, mich hinabzustürzen und zu seiner Verteidigung hin zu eilen. Die Freudenrufe des Volkes kommen mir schrecklicher vor, als das Geschrei der dem Orestes verfolgenden Furien. Es freut mich, daß wir, allem Anscheine nach bei den nächsten Festspielen dieses blutige Schauspiel nicht haben werden.«

Der Aedil zuckte die Achseln. Der junge Sallust, der für den gutmütigsten Menschen Pompeji's galt, sah ganz erstaunt darein; der anmutige Lepidus, der aus Furcht, seine Gesichtszüge zu entstellen, selten sprach, rief: »Beim Herkules!« Der Parasit Klodius murmelte: »Ädepol!« und der sechste Teilnehmer am Feste, der Schatten des Klodius,F12 dessen Pflicht es war, in Allem das Echo seines reichen Freundes zu sein, wenn er sein Lob nicht singen konnte, – der Schmarotzer eines Schmarotzers – murmelte wie dieser »Ädepol!«

»Ihr Italiener seid an solche Schauspiele gewöhnt; wir Griechen hingegen sind mitleidiger. Oh! Schatten des Pindar! der Reiz wahrhaft griechischer Spiele, das Ringen Mann gegen Mann – der großartige Kampf – der halb traurige Sieg – Stolz, einen würdigen Feind zu bekämpfen – Wehmut, ihn besiegt zu sehen! ... Aber Ihr versteht mich nicht!«

»Das Zicklein ist vorzüglich,« sagte Sallust.

Der mit dem Vorschneiden beauftragte Sklave, der auf sein Talent stolz war, hatte eben sein Geschäft an dem Zicklein nach dem Takte der Musik vollendet.

»Dein Koch ist natürlich ein Sicillianer?« sagte Pansa.

»Ja, aus Syrakus.«

»Laß uns um ihn spielen,« sagte Klodius; »wir wollen zwischen den Gerichten eine Partie machen.«

»Ich bin zwar allerdings von einem derartigen Kampfe ein größerer Freund, als von den Kämpfen mit den wilden Tieren; aber doch kann ich einen Sicillianer nicht auf's Spiel setzen, Du könntest nichts so Kostbares dagegen setzen.«

»Meine Phillida – meine schöne Tänzerin.«

»Ich kaufe mir Weiber,« sagte der Grieche, indem er seinen Blumenkranz gleichgültig zurechtschob.

Die in dem Portikus aufgestellten Musikanten hatten zu spielen angefangen, als man das Zicklein zerteilte. Ihre Melodie nahm bald einen sanfteren und heiteren, zugleich aber etwas geistvollen Charakter an. Sie sangen die Ode von Horaz: »Persicos odi,« die unmöglich zu übersetzen ist, und von der sie glaubten, sie eigne sich für ein Fest, das, so üppig es uns scheinen muß, doch in der Tat bei dem zügellosen Luxus jener Zeit ziemlich bescheiden war. Wir wohnen hier – wohl zu beachten – dem Gastmahl eines Privatmannes, keinem fürstlichen bei – dem Gastmahle eines Privatmannes von gutem Geschmacke, und nicht dem eines Kaisers oder Senators.

»Ah! guter, alter Horaz,« sagte Sallust mit teilnehmendem Tone; »er besang die Feste und Mädchen ziemlich gut, aber nicht, wie unsere neueren Dichter.«

»Wie der unsterbliche Fulvius. z.B.,« sagte Klodius.

»Ach! der unsterbliche Fulvius z.B.,« wiederholte der Schatten.

»Und Spuräna und Gajus Mutius, der innerhalb eines Jahres drei epische Gedichte schrieb: konnten Horaz und Virgil so etwas?« warf Lepidus hin.

»Diese alten Dichter haben insgesamt den Fehler begangen, lieber die Bildhauerei, statt die Malerei nachzuahmen. Einfachheit und Ruhe, dies war ihr Ideal; aber wir neueren haben Feuer, Leidenschaft, Kraft, wir schlafen nie, ahmen die Farben der Malerei, ihr Leben und ihre Handlung nach. Unsterblicher Fulvius!«

»Beiläufig gesprochen,« sagte Sallust, »habt Ihr die neue Ode Spuräna's zu Ehren unserer ägyptischen Isis schon gehört? Sie ist herrlich und voll wahrhaft frommer Begeisterung.«

»Isis scheint eine Lieblingsgottheit in Pompeji zu sein,« fiel Glaukus ein.

»Ja,« entgegnete Pansa, »sie steht besonders gegenwärtig in hohem Ansehen; ihre Bildsäule hat die außerordentlichen Orakel ausgesprochen. Ich bin nicht abergläubisch, und doch muß ich gestehen, daß sie mir schon mehr als einmal in meinem öffentlichen Amte herrliche Ratschläge erteilt hat. Auch sind ihre Priester so fromm! Keine stolzen Diener des Jupiters und der Fortuna – sie gehen baarfuß, genießen kein Fleisch und verbringen den größten Teil der Nacht in der Einsamkeit mit Gebet zu.«

»In der Tat ein Beispiel für unsre andere Priesterschaften. Der Jupitertempel bedarf einer großen Reform,« sagte Lepidus, der bei Andern, aber auch nur bei Andern, ein gewaltiger Reformator war.

»Der Ägypter Arbaces soll den Priestern der Isis einige ganz neue Mysterien mitgeteilt haben,« bemerkte Sallust; »er rühmt sich, von Ramases abzustammen, und behauptet, seine Familie sei im Besitze der Geheimnisse des entferntesten Altertums.«

»Unstreitig ist er im Besitze der Gabe des bösen Auges,« sagte Klodius; »so oft ich dieser Medusenstirne begegne, ohne mich durch einen Zauber dagegen geschützt zu haben, verliere ich unfehlbar ein Lieblingspferd oder werfe die canesF13 neunmal hintereinander.«

»Letzteres wäre in der Tat merkwürdig,« sagte Sallust ernsthaft.

»Wie meinst Du das?« erwiderte der Spieler errötend.

»Ich meine, was Du mir ließest, wenn ich oft mit Dir spielte, nämlich – Nichts.«

Klodius antwortete nur durch ein verächtliches Lächeln.

»Wenn Arbaces nicht so reich wäre,« sagte Pansa mit wichtig tuender Miene, »so würde ich mein Amt ein wenig gebrauchen und untersuchen, ob das Gerede, das ihn zu einem Magier und Sterndeuter macht, Grund hat. Als Agrippa Aedil von Rom war, verbannte er alle diese gefährlichen Bürger. Aber ein reicher Mann! – Es ist die Pflicht der Aedile, die Reichen zu beschützen.«

»Was denket Ihr von jener neuen Sekte, die sogar in Pompeji einige Proselyten gemacht haben soll, – von jenen Verehrern des hebräischen Gottes – Christus?«

»Oh! dies sind bloß spekulative Träumer,« sagte Klodius, »und es befindet sich kein einziger angesehener Mann unter ihnen. Ihre Proselyten sind arme, unbedeutende und unwissende Leute!«

»Die man jedoch für ihre Gotteslästerungen kreuzigen sollte,« erwiderte Pansa hastig; »sie verleugnen die Venus und den Jupiter! Nazarener ist bloß ein anderer Name für Gottesleugner. Lasset sie nur unter meine Hände kommen!«

Der erste Gang war vorbei; die Gäste hatten sich auf ihre Ruhebetten zurückgelegt, es trat eine kurze Stille ein, während der sie auf die sanften südlichen Stimmen und auf die Töne des arkadischen Rohres hörten. Glaukus war am meisten entzückt und zur Brechung des Stillschweigens am wenigsten geneigt; aber Klodius meinte schon, daß man die kostbare Zeit verderbe.

»Bene vobis! (auf Deine Gesundheit!) mein Glaukus!« sagte er, indem er mit der ganzen Leichtigkeit eines erfahrenen Trinkers auf jeden Buchstaben in dem Namen seines Freundes einen Becher leerte. »Willst Du Dich wegen Deines gestrigen Unglücks nicht rächen? Sieh! die Würfel lächeln uns an.«

»Wie es Dir gefällig ist,« sagte Glaukus.

»Im August Würfel spielen, und ich Aedil!«F14 sprach Pansa mit einer Amtsmiene; »dies ist gegen alles Gesetz.«

»Nicht in Deiner Gegenwart, würdiger Pansa,« sagte Klodius, indem er in einer langen Büchse die Würfel schüttelte; »Deine Gegenwart wird jede Übertretung verhindern. Nicht die Sache selbst, sondern nur der Mißbrauch ist schädlich.«

»Welche Weisheit!« flüsterte der Schatten.

»Gut! so will ich nach einer andern Seite sehen,« sagte der Aedil.

»Noch nicht, guter Pansa, wir wollen warten, bis das Essen zu Ende ist,« sagte Glaukus.

Klodius gab unwillig nach und verbarg seinen Ärger unter einem Gähnen.

»Er gähnt, um das Gold zu verschlingen,« sagte Lepidus leise zu Sallust, indem er eine Stelle aus der Aulularia des Plautus anführte.

»Oh, wie gut kenne ich diese Polypen, die Alles festhalten, was sie berühren,« antwortete Sallust in demselben Tone und aus demselben Stücke.