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Das große Finale der Fantasy-Saga um den wilden Schwertkämpfer Godwin und seine blutvollen Abenteuer.
Dreimal Sword and Sorcery in einem Buch!
Der Umfang dieses Ebook entspricht 150 Taschenbuchseiten.
Dieses Ebook beinhaltet folgende Teile:
Teil 10: Die Flucht zu den Ansibarii
Teil 11: Godwin – verraten und verkauft
Teil 12: Der Wolf und die Schakale
Cover: Steve Mayer
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Teil 10 bis 12
von Pete Hackett
Ein CassiopeiaPress E-Book
© by Author
© der Digitalausgabe 2015 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen
www.AlfredBekker.de
Der Umfang dieses Ebook entspricht 150 Taschenbuchseiten.
Dieses Ebook beinhaltet folgende Teile:
Teil 10: Die Flucht zu den Ansibarii
Teil 11: Godwin – verraten und verkauft
Teil 12: Der Wolf und die Schakale
Unbeschreibliche Gefühle wallten beim Anblick der geliebten Frau in Godwin in die Höhe, sie ließen sein Herz rasen und nahmen ihm fast die Luft. Wie würde sie reagieren, wenn sie erfuhr, dass er gekommen war, um sie zu holen?
In der Zwischenzeit war sie die Frau eines anderen Mannes geworden. Der Gedanke, dass er sie in den vergangenen Wochen und Monaten in den Armen gehalten hatte, versetzte Godwin einen schmerzhaften Stich und krampfte ihm den Magen zusammen. Seine Hoffnung war, dass Hadwinga alles gegen ihren Willen mit sich geschehen ließ, dass ihr ganze Liebe nach wie vor ihm – Godwin – gehörte.
Godwin hoffte, die Antwort auf diese drängende, ihn innerlich zerfressende Frage zu erhalten, sobald Landogar zurückkehrte. Er zog auch in Erwägung, dass Hadwinga gar nichts mehr von ihm wissen wollte, und wieder verspürte er einen Stich in seinem Innern, als würde man ihm glühenden Stahl ins Herz rammen. Der Gedanke löste bei ihm ein tief sitzendes Gefühl von Frustration aus, denn er passte in die Reihe der Schläge, die ihm das Schicksal in den vergangenen Wochen verpasst hatte. Von dem strahlenden Sieger, der die Heboniter aus dem Ostreich verjagt hatte, war nicht mehr viel übrig. Er war ein Gejagter im eigenen Land – in dem Land, das er eigentlich regieren sollte. Man hatte ihm alles genommen; die Familie, die Heimat, die geliebte Frau – und irgendwann würde es sein Leben sein, das er verlor.
Viele Schakale zerfleischen den Wolf!
Er, Godwin, hatte geträumt, dass die Stammesführer, die er geschlossen in den Kampf gegen die Heboniter führte und mit denen er siegreich war, über ihn herfielen und ihn töteten.
Er versuchte, sich von diesen düsteren Gedanken zu lösen, doch sie drängten immer wieder in den Vordergrund und verursachten in ihm Unruhe und vielleicht sogar hintergründige Angst davor, dass es gar kein Traum, sondern ein Blick in die Zukunft gewesen war.
Der Abend kam, die Nacht verstrich, Godwin wurde von der Ungeduld regelrecht zerfressen. Der Tag löste die Nacht ab, im Dorf gingen die Menschen ihrem Tagwerk nach, aus den Rauchabzügen der Häuser stieg der Qualm der Kochfeuer. Kinder lärmten, Hunde tobten mit ihnen herum und bellten, Ziegen meckerten, Schafe blökten und Hähne krähten.
Godwins Blick bot sich nichts als beschauliche Dorfidylle.
Ein gesatteltes und gezäumtes Pferd wurde aus dem Stall des Anwesens geführt, das Rango gehörte und in dem Hadwinga lebte. Wenig später erschien Landogar in Begleitung Rangos und eines weiteren Mannes, von dem Godwin vermutete, dass es sich um Kunolf handelte. Landogar reichte beiden Männern die Hand, dann zog er sich auf den Pferderücken, nahm das Tier um die rechte Hand und trieb es an.
Als er durch das Hoftor ritt, trat Hadwinga aus dem Haus. Unwillkürlich musste Godwin schlucken und er räusperte sich, doch es gelang ihm nicht, sich von dem Klumpen, der ihm im Hals zu stecken schien, zu befreien.
Landogar verließ das Dorf in nördliche Richtung, wahrscheinlich um den Eindruck bei Rango zu erwecken, dass er die Richtung beibehielt, der er schon auf seinem Weg zum Dorf gefolgt war. Es dauerte über eine Stunde, bis er bei Godwin und Mutbrecht anlangte, Zeichen dafür, dass er die gebotene Vorsicht nicht außer Acht gelassen hatte. Sofort bestürmte ihn Godwin mit all den Fragen, die ihm auf den Lippen brannten und ihn mit unsichtbarer Hand würgten. Landogar schwang sich vom Pferd, reckte die Schultern und sagte: „Ich habe kurz mit Hadwinga gesprochen. Ihr Vater hat sie gegen ihren Willen mit Kunolf verheiratet, und sie hat sehnsüchtig und voll Ungeduld darauf gewartet, dass du erscheinst, um sie zu holen. Sie bittet dich, die Nacht abzuwarten. Sie wird dann aus Rangos Haus schleichen und zu uns kommen.“
Godwin konnte nur noch stoßweise atmen, denn die positive Nachricht erhöhte die Zahl seiner Pulsschläge um ein vielfaches. „Den Göttern sei Dank“, stieß er schließlich hervor. „Ich befürchtete schon, dass sie mich vergessen hat.“
Landogar legte Godwin die rechte Hand auf die Schulter. „Ich habe von deinem Sieg über die Heboniter berichtet. Rango und sein Sohn Kunolf zeigten sich wenig beeindruckt, ich denke aber, es waren nur der Neid und die Missgunst, die für ihr Desinteresse ausschlaggebend waren. In Hadwingas Augen aber konnte ich Stolz wahrnehmen – man kann es fast als ein glückliches Leuchten bezeichnen. Es sagte mir mehr als alle Worte, was ihre Gefühle für dich anbetrifft. Natürlich erzählte ich nicht, dass ich als dein Gefährte gegen die Heboniter kämpfte; ich sagte ihnen lediglich, dass die Kunde über deinen Sieg das Harierland erreicht hat und ich als Bote unterwegs sei, um sie in den entlegensten Höfen, Weilern und Dörfern zu verbreiten.“
Godwins Herzschlag und Atmung beruhigten sich. Die Gefährten warteten. Die Zeit schien stillzustehen, gesprochen wurde kaum, die Ungeduld vor allem in Godwin war von einer geradezu fiebrigen Intensität.
Nun, die Zeit stand nicht still. In ihrer Unerbittlichkeit schritt sie fort, die Sonne stieg über den Zenit, wanderte unaufhaltsam weiter, übergoss das Land mit grellem, heißem Licht und ließ alles unter einem flirrenden Hitzeschleier stöhnen, bis sie schließlich riesengroß und glutrot auf dem westlichen Horizont zu stehen schien und das Land in blutiges Rot tauchte.
Schließlich lösten sich die Schatten auf, goldene und purpurfarbene Wolken begleiteten den Sonnenuntergang und erste Sterne schimmerten am Firmament. Dann war die Sonne versunken und der ganze Westhimmel entflammte in intensiv goldenem Rot, das sich ausbreitete und weit im Norden verblasste. Die grauen Schatten der Dämmerung zogen wie Dunstschwaden aus Senken und Hügellücken, krochen die Hänge hinauf und hüllten Bäume, Felsen und Sträucher ein.
Es wurde finster. Die Vögel schwiegen, im Dorf waren die Geräusche verstummt, aus den Fenstern der Wohnhäuser fiel trübes, unruhiges Licht, das die Feuer in den offenen Herden erzeugten.
Irgendwann verloschen die Feuer und das Dorf lag in Dunkelheit; die Menschen und Tiere hatten sich zur Ruhe begeben.
Wie schon in der vergangenen Nacht und den ganzen Tag über wurde Godwin auch in dieser Nacht von der brennenden Ungeduld geradezu aufgezehrt. Er fand kaum Schlaf und wälzte sich unruhig hin und her; die kurzen Phasen, in denen ihn die Müdigkeit überwältigte, waren ausgefüllt mit wirren Träumen - mit quälenden, halluzinatorischen Aktivitäten seines überreizten Unterbewusstseins, die das eine oder andere Mal in schockierenden Albträumen gipfelten.
Im Gras zirpten die Grillen, ein lauer Nachtwind ließ die Blätter der Bäume und Sträucher rascheln, Glühwürmchen tanzten durch die Finsternis und hin und wieder waren das Heulen eines Wolfes oder der schrille Schrei eines Greifs vernehmbar.
Godwin hatte keine Ahnung, wie lange er schon zwischen Halbschlaf und Wachsein dahindämmerte, als er eine leise Stimme vernahm: „Godwin!“
Das Wort versank in der Stille, Godwin lauschte ihm hinterher, und einen Moment lang glaubte er, geträumt zu haben - als sein Name erneut gerufen wurde; unterdrückt, fast zaghaft und ängstlich.
Es war Hadwingas Stimme, die den jungen Harier regelrecht von seinem Nachtlager in die Höhe riss. „Hadwinga! Hierher!“
Auch Landogar und Mutbrecht waren aufgewacht, erhoben sich nun und versuchten mit dem Blick die Finsternis zu durchdringen. Und dann löste sich eine schattenhafte Gestalt aus der Nacht, nahezu lautlos glitt sie heran, der Schemen nahm Formen an und dann lagen sich Godwin und Hadwinga in den Armen.
„Endlich!“, entrang es sich der jungen Frau, sie lachte und weinte vor Glück und klammerte sich an Godwin, als wollte sie ihn nie wieder loslassen. „Ich – ich hatte die Hoffnung fast schon aufgegeben. Es gab keine Nachrichten, ich erhielt kein einziges Lebenszeichen von dir …“
Ihre Stimme brach, sie lehnte den Kopf an seine Brust und spürte seine Hand, die ihr sachte über die Haare und den Rücken strichen.
„Nur der Tod hätte mich aufhalten können“, flüsterte er und küsste sie dann; Besitzergreifend, lange und innig. Irgendwann aber löste sie sich mit sanfter Gewalt von ihm und murmelte:
„Ich habe nichts als das, was ich auf dem Leib trage; kein Pferd, keine Waffe, keinen Proviant – nichts. Spätestens morgen Früh werden Kunolf und sein Vater feststellen, dass ich geflohen bin, und dann suchen sie mich. Sie besitzen Bluthunde …“
„Wir brechen sofort auf“, sagte Godwin. „Mein Pferd wird uns beide tragen. Bis der Tag anbricht haben wir eine große Strecke zwischen uns und Rangos Dorf gebracht.“
Sie sattelten und zäumten die Pferde und brachen das Lager ab. Schon bald waren sie auf dem Weg nach Südosten. Hier war das Gelände nicht allzu wild und unwegsam, sodass sie nicht befürchten mussten, dass sich die Rösser in der Finsternis die Beine brachen. Hadwinga saß vor Godwin auf dem Pferd. Godwin hatte seinen rechten Arm um den Leib seiner Geliebten geschlungen, mit der linken Hand lenkte er das Tier. Er spürte die Wärme ihres Körpers und es erregte ihn. Lange Zeit schwiegen sie. Die anfängliche Glückseligkeit war der Betretenheit gewichen, denn zwischen ihnen stand etwas, das nicht hinweggedacht werden konnte: Hadwinga war die Gattin eines anderen Mannes. Sie hatte – wenn auch gezwungenermaßen – ein Eheversprechen abgegeben, und daran war sie gebunden. Ein Bruch des Gelübdes war ein todeswürdiges Verbrechen.
Irgendwann, als sich die Nacht lichtete und die Monde sowie die Sterne verblassten, brach Godwin das bedrückte Schweigen, indem er fragte: „Wie war das mit meinem Vater und meiner Familie? Erzähl mir alles, was du weißt, Hadwinga.“
„Sie sind in ihrem Haus verbrannt. Ich weiß nicht genau, was geschehen ist damals.“
„Bitte, Hadwinga, versuch nicht, deinen Vater zu schützen. Du hast keinen Grund dazu, denn er hat dir ziemlich übel mitgespielt, indem er dich zwang, diesen Kunolf zu heiraten und mit ihm die Lagerstatt zu teilen. Ich hatte eine Vision – die Götter haben mir einen Blick auf die Ereignisse jener Nacht, in der meine Familie ermordet wurde, ermöglicht. Dein Vater und einige seiner Getreuen sind in unser Haus eingedrungen und haben sie umgebracht, dann gab dein Vater den Befehl, das Haus niederzubrennen, um die Spuren der Schandtat zu beseitigen. Er ist ein Mörder und Betrüger, und er sitzt unrechtmäßig auf dem Thron des Fürsten der Harier. Die Behauptung, dass er die Tat begangen hat, reicht nicht aus, um ihn anzuklagen. Mit deiner Hilfe aber kann ich das Verbrechen wahrscheinlich beweisen.“
Lange dachte Hadwinga nach, dann antwortete sie: „Mein Vater hat mich natürlich nicht eingeweiht, aber am Abend der Nacht, in der deine Familie umkam, traf er sich außerhalb des Dorfes im Wald mit einigen Mitgliedern seiner Sippe. Er hat sein Schwert mitgenommen. Irgendwann spät in der Nacht kam er nach Hause zurück, die Klinge seines Schwerts war blutig, und aus dem Hof deines Vaters schlugen die Flammen. Ich stellte meinen Vater zur Rede, er aber gebot mir zu schweigen und am Morgen ließ er mich von seinen Knechten fortbringen.“
„Hast du mit Kunolf oder Rango über das Verbrechen an meiner Familie gesprochen?“
„Nein. Rango ist ein Vetter meines Vaters, und er steht auf seiner Seite. Ich konnte mit niemand darüber sprechen, denn alle, mit denen ich Kontakt hatte, schworen meinem Vater die Treue. Ihn des Verbrechens zu bezichtigen wäre mein sicherer Tod gewesen, denn kein Sohn und keine Tochter besitzen das Recht, den Ruf und die Ehre des Vaters in den Schmutz zu ziehen und ihn einem Verdacht auszuliefern, der durch keinerlei Beweis begründet ist.“
„Das ist wahr“, murmelte Godwin, und es klang enttäuscht, denn mit dem, was Hadwinga wusste, ließ sich nicht beweisen, dass Egmont der Mörder seiner Familie war.
„Tut mir leid, wenn ich dir nicht helfen kann, Godwin“, gab Hadwinga zu verstehen. „Aber mehr, als das, was ich dir eben erzählte, weiß ich nicht.“
„Ich muss es akzeptieren.“ Godwin atmete tief durch. „Doch ich weiß, dass Egmont, dein Vater, in unser Haus eindrang und alles Leben darin auslöschte, dass er Feuer legen ließ um seine Missetat zu vertuschen und dass er sich den Thron des Fürsten der Harier durch diesen niederträchtigen Mord aus den niedrigsten Beweggründen erschlichen hat. Ich habe geschworen, ihn dafür büßen zu lassen, und ich werde nicht eher ruhen, bis Egmont tot vor mir liegt.“
„Dann wird man dich als Mörder jagen, und wenn sie dich erwischen, versenken sie dich im Moor.“
Verächtlich stieß Godwin die verbrauchte Atemluft durch die Nase aus. „Es wird niemand mehr geben, der mich jagt und gegebenenfalls tötet.“ Seine Stimme hatte wie fernes Donnergrollen geklungen, und seine Worte waren erschreckend in ihrer Unmissverständlichkeit. Er merkte, wie Hadwingas Oberkörper versteifte, und sogleich stieg es fast entsetzt aus ihrer Kehle:
„Was hast du vor, Godwin? Im Namen der Götter! Willst du dich wirklich …“
Ihre Stimmbänder versagten, das Ungeheuerliche wollte nicht über ihre Lippen.
Landogar, der hinter ihnen ritt und alles gehört hatte, holte auf und beantwortete ihre nur halb ausgesprochene Frage:
„Er ist fest entschlossen, Hadwinga. Godwin hat starke Verbündete, und mit ihm sind die Götter. Auch Mutbrecht und ich waren entsetzt, als er uns sein Ansinnen kundtat. Wir haben uns sogar von ihm abgewandt und hätten den Tod im Moor einem blutigen Krieg gegen unser eigenes Volk vorgezogen. Aber dann sandten uns die Götter ein Zeichen …“
„Welches Zeichen?“
„Zwölf Raben“, versetzte Landogar und zerrte an den Zügeln, sodass sein Pferd wieder zurückfiel. „Zwölf Götter – zwölf Raben“, rief er Godwin und Hadwinga hinterher.
„Wohin fliehen wir?“, kam Hadwingas nächste Frage, und Ratlosigkeit stand ihr ins Gesicht geschrieben. Weil sie mit Landogars letzter Aussage nicht viel – wahrscheinlich gar nichts anzufangen wusste, wechselte sie das Thema.
„Zu den Ansibarii.“ Godwin erzählte Hadwinga von Fürst Aldemars Tod durch Ramgars Hand und dass der neue Fürst namens Rüdiger ihm gegenüber den Treueschwur geleistet habe. „Bei den Ansibarii bist du sicher, bis ich aus dem Krieg gegen die Chauboi und die Murdocks …“
„… und dein eigenes Volk!“, fiel ihm Hadwinga schroff ins Wort.
„… zurückkehre“, vollendete er unbeirrt seinen Satz. „Und dann heiraten wir. Wir bauen einen Hof auf, gründen eine Familie und werden bis an unser Lebensende in Ruhe und Frieden auf unserem Grund und Boden leben.“
„Ich kann dich nicht heiraten“, wandte die junge Frau ein, und sie sprach mit Nachdruck. „Und das weißt du auch. Erst wenn Kunolf tot ist, bin ich frei für einen anderen Mann. Das Ehegelöbnis zu brechen steht unter Todesstrafe.“
„Kunolf wird tot sein“, stieß Godwin mit fester, präziser Stimme hervor und es klang wie ein Schwur.
In der Nacht hatten sich am Himmel Wolken zusammengeschoben, und der Tag wurde nicht so richtig hell. Das diesige Grau passte zu der Stimmung der drei Gefährten, denen der Tod sicher war, wenn sie von Rango und seinen Männern geschnappt wurden. Ob auch Hadwinga des Todes sein würde, war ungewiss, aber nicht auszuschließen. Die Gesetze waren hart, sie waren unerbittlich und es gab keine Gnade.
Im Laufe des Vormittags begann es zu nieseln. Es wurde auch nicht so richtig warm, denn die Wolken ließen nicht einen einzigen Sonnenstrahl durch.
Unruhig sicherten sie immer wieder hinter sich. Schnell konnten sie nicht reiten, denn sie mussten ihre Pferde schonen, vor denen schließlich noch ein schier endloser Weg bis zu den Ansibarii lag. Etwaige Verfolger hingegen konnten ihre Rösser jagen; je schneller sie ritten, desto eher holten sie die Verfolgten ein.
Obwohl es nicht stark regnete, waren die vier bald bis auf die Haut nass. Doch die Zeit, sich irgendwo zu verkriechen, wo sich Schutz vor dem Regen bot, hatten sie nicht. Irgendwann rief Mutbrecht: „Warum kommen sie nicht? Es ist doch kaum anzunehmen, dass sie nicht versuchen, Hadwinga zurückzuholen.“
„Sie kommen!“, versetzte Hadwinga mit Entschiedenheit im Tonfall.
„Reitet weiter“, stieß Landogar hervor. „Ich bleibe zurück und halte Ausschau nach ihnen. Wenn ich sie sehe, folge ich euch, so schnell ich kann, und dann legen wir ihnen einen Hinterhalt.“
„In Ordnung“, knurrte Godwin. „Vielleicht haben die Götter Kunolf veranlasst, mit unseren Jägern zu reiten“, fügte er viel sagend hinzu.
Jeder wusste den Sinn dieser Aussage zu deuten.
Landogar zügelte sein Pferd, Godwins und Mutbrechts Rösser stampften weiter, und sie ließen in dem aufgeweichten Boden deutliche Spuren zurück.
Am frühen Nachmittag holte Landogar seine Gefährten wieder ein. „Es sind vier!“, berichtete er. „Sie kommen mit ebenso vielen Bluthunden. Und sie reiten schnell. Rango und Kunolf sind dabei.“
„Die Hunde sind auf Menschen abgerichtet“, erklärte Hadwinga.
Godwin ließ den Blick schweifen. Etwas südwestlich zogen sich sanfte Anhöhen weit nach Süden, die mit Wald und dichtem Unterholz bewachsen waren. „Wir erwarten sie dort“, gab er zu verstehen und wies mit der linken Hand auf dieses bewaldete Terrain, zugleich änderte er die Richtung.
In dem Wald war es düster und nass, die Äste und Zweige des Unterholzes waren ineinander verflochten und des Öfteren mussten sie die Schwerter zu Hilfe nehmen, um sich einen Weg zu bahnen. Zwischen den Bäumen erhoben sich sporadisch bis zu haushohe Felsen; vom Zahn der Zeit zu bizarren Formen zernagt, rissig und irgendwie porös anmutend.
Als Godwin der Meinung war, dass sie sich tief genug im Wald befanden, stieß er hervor: „Das ist der richtige Platz. Der Felsen dort bietet Schutz für die Pferde, und die Eichen und Buchen sind dick genug, um einen Mann verbergen zu können. Verstecken wir die Pferde.“
Sie saßen ab und führten die Tiere hinter den Felsen, wo sie sie an Ästen festbanden. Hadwinga sollte bei den Pferden bleiben. Die drei Gefährten nahmen ihre Schwerter, gingen ein Stück auf ihrer Fährte zurück und verbargen sich hinter Bäumen und Strauchwerk.
Nach etwa einer Stunde hörten sie die Verfolger kommen. Obwohl der Waldboden aufgeweicht war und auch der dicke Teppich aus verfaulenden Blättern die Hufschläge schluckte, waren sie nicht zu überhören; es war wie ein dumpfer Trommelwirbel, ein Vorbote von Untergang und Tod. Und dann tauchten die Bluthunde auf; es handelte sich um Doggen, die mit kraftvollen Sätzen über den Boden schnellten, als hätten sie die Schwerkraft überwunden.
Godwin wappnete sich. Fest umklammerten seine Hände den Griff des Schwerts, er hatte die Zähne zusammengebissen, hart traten die Backenknochen in seinem Gesicht hervor, in seinem Blick war unerschütterliche Entschlossenheit zu lesen.
Plötzlich aber war wütendes, aggressives Gekrächze zu vernehmen, und im nächsten Moment stürzte sich eine ganze Schar von Raben aus den Baumkronen auf die Hunde, schlugen ihnen die scharfen Krallen in die Leiber und hackten mit ihren spitzen Schnäbeln auf sie ein. Die Doggen versuchten sich zur Wehr zu setzen, fuhren herum, stürzten, überschlugen sich und schlitterten über den Boden, jaulten und bellten. Die Hundeleiber quirlten durcheinander, heftig attackiert von den Raben, die ihnen blutige Wunden rissen und nach ihren Augen hackten.
Die Götter hatten eingegriffen.
Nun tauchten die Reiter auf; brutal rissen sie die Pferde zurück, fassungslos und ungläubig starrten sie auf das Bild, das sich ihren Blicken bot.
Zwei der Hunde flohen von wilder Panik ergriffen tiefer in den Wald hinein. Die anderen beiden lagen mit aus den Höhlen hängenden, von den spitzen, scharfen Schnäbeln zerhackten Augäpfeln zuckend am Boden und winselten gequält. Einige Raben folgten den fliehenden Doggen und wurden von der Düsternis unter den Baumkronen regelrecht aufgesogen. Und plötzlich erhob sich Wolfsgeheul. Einer der Bluthunde jaulte auf – ein kurzer, jäh ersterbender Laut - der Todesschrei einer entsetzten Kreatur.