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Spätestens seit seiner Wiederauferstehung im Jugendbuch flattert der Vampir wieder durch sämtliche Bestsellerlisten. Johann Wolfgang von Goethe war einer der ersten Dichter, der das Potenzial der Vampirfigur als Symbolträger genutzt hat. Seine 1798 entstandene Ballade „Die Braut von Korinth“ bildet eine der wichtigsten literarischen Umsetzungen des Stoffes in der Hochliteratur. Dieser Band enthält den Originaltext der Goetheschen Ballade sowie drei Analysen zur Darstellung von Sexualität, Emanzipation und des grundlegenden Spannungsverhältnisses zwischen Lust und Tod. Die ambivalente Vampirfigur wird hier im Kontext des Goetheschen Humanitätsdenkens untersucht. Zudem bietet sich dem Leser ein kulturhistorischer Überblick zum faszinierenden Thema „Vampir“. Aus dem Inhalt: Genese des Vampirglaubens und des literarischen Vampirmotivs; Mythologische Ursprünge; Der Einfluss der Kirche; Erklärungsversuche und Abwehrmaßnahmen; Antike Quellen in „Die Braut von Korinth“; Der Vampir bei Goethe als anti-christliche Rächergestalt?
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Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
Impressum:
Dritte, erweiterte Auflage; Copyright © 2017 ScienceFactory
Erstausgabe; Copyright © 2013 ScienceFactory
Ein Imprint der GRIN Verlags GmbH
Druck und Bindung: Books on Demand GmbH, Norderstedt, Germany
Goethe und die Vampire
Goethes Ballade „Die Braut von Korinth“ und die Ursprünge der Vampirliteratur
Johann Wolfgang Goethe: Die Braut von Korinth
Laura Helm (2008): Der Vampir. Genese des literarischen Motivs
Einleitung
Der mythische Vampir
Der pathologische Vampir
Der fiktionale Vampir am Beispiel Johann von Goethes „Die Braut von Korinth“
Der reale Vampir
Resümee
Literaturverzeichnis:
Rebecca Tille (2010): Goethes Ballade „Die Braut von Korinth“. Eine Suche nach vampiristischen Motiven
Einleitung
Vampirismus im 18. Jahrhundert
Antike Quellen der Goetheschen Braut von Korinth
Der Vampir in Goethes Ballade Die Braut von Korinth
Kontrastierende Interpretationsansätze
Fazit
Literaturverzeichnis
Nathalie Kónya-Jobs (2005): Goethes ‚Vampirisches Gedicht’: Die Ballade „Die Braut von Korinth“
Gegenstand und Zielsetzung der Arbeit
Die Bedeutung der literarischen Form Ballade für den Autor Goethe
Textanalyse
Die Erzählinstanz
Die metrisch-stilistischen Aspekte
Bezüge zur Literatur
Das vampirische Gedicht
Zusammenfassung und Schlussbetrachtung
Literatur
Einzelpublikationen
Nach Korinthus von Athen gezogen Kam ein Jüngling, dort noch unbekannt. Einen Bürger hofft' er sich gewogen; Beide Väter waren gastverwandt, Hatten frühe schon Töchterchen und Sohn Braut und Bräutigam voraus genannt.
Aber wird er auch willkommen scheinen, Wenn er teuer nicht die Gunst erkauft? Er ist noch ein Heide mit den Seinen, Und sie sind schon Christen und getauft. Keimt ein Glaube neu, Wird oft Lieb' und Treu Wie ein böses Unkraut ausgerauft.
Und schon lag das ganze Haus im stillen, Vater, Töchter, nur die Mutter wacht; Sie empfängt den Gast mit bestem Willen, Gleich ins Prunkgemach wird er gebracht. Wein und Essen prangt, Eh er es verlangt; So versorgend wünscht sie gute Nacht.
Aber bei dem wohlbestellten Essen Wird die Lust der Speise nicht erregt; Müdigkeit läßt Speis' und Trank vergessen, Daß er angekleidet sich aufs Bette legt; Und er schlummert fast, Als ein seltner Gast Sich zur offnen Tür herein bewegt.
Denn er sieht, bei seiner Lampe Schimmer Tritt, mit weißem Schleier und Gewand, Sittsam still ein Mädchen in das Zimmer, Um die Stirn ein schwarz- und goldnes Band. Wie sie ihn erblickt, Hebt sie, die erschrickt, Mit Erstaunen eine weiße Hand.
Bin ich, rief sie aus, „so fremd im Hause, Daß ich von dem Gaste nichts vernahm? Ach, so hält man mich in meiner Klause! Und nun überfällt mich hier die Scham. Ruhe nur so fort Auf dem Lager dort, Und ich gehe schnell, so wie ich kam.
Bleibe, schönes Mädchen! ruft der Knabe, Rafft von seinem Lager sich geschwind: Hier ist Ceres', hier ist Bacchus' Gabe, Und du bringst den Amor, liebes Kind! Bist vor Schrecken blaß! Liebe, komm und laß, Laß uns sehn, wie froh die Götter sind!
Ferne bleib’, o Jüngling! bleibe stehen, Ich gehöre nicht den Freuden an.
Schon der letzte Schritt ist, ach! Geschehen Durch der guten Mutter kranken Wahn, Die genesend schwur:'Jugend und Natur Sei dem Himmel künftig untertan.'
Und der alten Götter bunt Gewimmel Hat sogleich das stille Haus geleert. Unsichtbar wird Einer nur im Himmel Und ein Heiland wird am Kreuz verehrt; Opfer fallen hier, Weder Lamm noch Stier, Aber Menschenopfer unerhört.
Und er fragt und wäget alle Worte, Deren keines seinem Geist entgeht. Ist es möglich, daß am stillen Orte Die geliebte Braut hier vor mir steht? Sei die Meine nur! Unsrer Väter Schwur Hat vom Himmel Segen uns erfleht.
Mich erhälst du nicht, du gute Seele! Meiner zweiten Schwester gönnt man dich. Wenn ich mich in stiller Klause quäle, Ach! in ihren Armen denk an mich, Die an dich nur denkt, Die sich liebend kränkt; In die Erde bald verbirgt sie sich.
Nein! bei dieser Flamme sei's geschworen, Gütig zeigt sie Hymen uns voraus, Bist der Freude nicht und mir verloren, Kommst mit mir in meines Vaters Haus. Liebchen, bleibe hier! Feire gleich mit mir Unerwartet unsern Hochzeitschmaus!
Und schon wechseln sie der Treue Zeichen: Golden reicht sie ihm die Kette dar, Und er will ihr eine Schale reichen, Silbern, künstlich, wie nicht eine war. Die ist nicht für mich; Doch, ich bitte dich, Eine Locke gib von deinem Haar.
Eben schlug dumpf die Geisterstunde, Und nun schien es ihr erst wohl zu sein. Gierig schlürfte sie mit blassem Munde Nun den dunkel blutgefärbten Wein; Doch vom Weizenbrot, Das er freundlich bot, Nahm sie nicht den kleinsten Bissen ein.
Und dem Jüngling reichte sie die Schale, Der, wie sie, nun hastig lüstern trank. Liebe fordert er beim stillen Mahle; Ach, sein armes Herz war liebekrank. Doch sie widersteht, Wie er immer fleht, Bis er weinend auf das Bette sank.
Und sie kommt und wirft sich zu ihm nieder: Ach, wie ungern seh' ich dich gequält; Aber, ach! berührst du meine Glieder, Fühlst du schaudernd, was ich dir verhehlt. Wie der Schnee so weiß, Aber kalt wie Eis Ist das Liebchen, das du dir erwählt.
Heftig faßt er sie mit starken Armen, Von der Liebe Jugendkraft durchmannt: Hoffe doch bei mir noch zu erwarmen, Wärst du selbst mir aus dem Grab gesandt! Wechselhauch und Kuß! Liebesüberfluß! Brennst du nicht und fühlest mich entbrannt?
Liebe schließet fester sie zusammen, Tränen mischen sich in ihre Lust; Gierig saugt sie seines Mundes Flammen, Eins ist nur im andern sich bewußt. Seine Liebeswut Wärmt ihr starres Blut; Doch es schlägt kein Herz in ihrer Brust.
Unterdessen schleichet auf dem Gange Häuslich spät die Mutter noch vorbei, Horchet an der Tür und horchet lange, Welch ein sonderbarer Ton es sei: Klag- und Wonnelaut Bräutigams und Braut Und des Liebestammelns Raserei.
Unbeweglich bleibt sie an der Türe, Weil sie erst sich überzeugen muß, Und sie hört die höchsten Liebesschwüre, Lieb' und Schmeichelworte mit Verdruß: Still! der Hahn erwacht!- Aber morgen Nacht Bist du wieder da?“ - und Kuß auf Kuß.
Länger hält die Mutter nicht das Zürnen, Öffnet das bekannte Schloß geschwind: Gibt es hier im Hause solche Dirnen, Die dem Fremden gleich zu Willen sind?- So zur Tür hinein. Bei der Lampe Schein Sieht sie - Gott! sie sieht ihr eigen Kind.
Und der Jüngling will im ersten Schrecken Mit des Mädchens eignem Schleierflor, Mit dem Teppich die Geliebte decken; Doch sie windet gleich sich selbst hervor. Wie mit Geists Gewalt Hebet die Gestalt Lang und langsam sich im Bett' empor.
Mutter! Mutter! spricht sie hohle Worte, So mißgönnt ihr mir die schöne Nacht! Ihr vertreibt mich von dem warmen Orte, Bin ich zur Verzweiflung nur erwacht? Ist's Euch nicht genug, Daß ins Leichentuch, Daß Ihr früh mich in das Grab gebracht?
Aber aus der schwerbedeckten Enge Treibet mich ein eigenes Gericht. Eurer Priester summende Gesänge Und ihr Segen haben kein Gewicht; Salz und Wasser kühlt Nicht, wo Jugend fühlt; Ach! die Erde kühlt die Liebe nicht.
Dieser Jüngling war mir erst versprochen, Als noch Venus' heitrer Tempel stand. Mutter, habt Ihr doch das Wort gebrochen, Weil ein fremd, ein falsch Gelübd' Euch band! Doch kein Gott erhört, Wenn die Mutter schwört, Zu versagen ihrer Tochter Hand.
Aus dem Grabe werd' ich ausgetrieben, Noch zu suchen das vermißte Gut, Noch den schon verlornen Mann zu lieben Und zu saugen seines Herzens Blut. Ist's um den geschehn, Muß nach andern gehn, Und das junge Volk erliegt der Wut.
Schöner Jüngling! kannst nicht länger leben; Du versiechest nun an diesem Ort. Meine Kette hab' ich dir gegeben; Deine Locke nehm' ich mit mir fort. Sieh sie an genau! Morgen bist du grau, Und nur braun erscheinst du wieder dort.
Höre, Mutter, nun die letzte Bitte: Einen Scheiterhaufen schichte du; Öffne meine bange kleine Hütte, Bring in Flammen Liebende zu Ruh; Wenn der Funke sprüht, Wenn die Asche glüht, Eilen wir den alten Göttern zu.
„... vom hässlichen Dämon und wilden Tier über den unappetitlichen, frühen menschlichen Vampir bis zum charismatischen Übermenschenvampir. Damit wird zugleich der Wandel von der Natur- bis zur Industriegesellschaft aufgezeigt.“[1]
Seit nunmehr drei Jahren sind sie wieder einmal zurück: Vampire sind in sämtlichen Literatur-Bestsellerlisten auferstanden[2], um die Herzen vieler Teenager – in erster Linie die der weiblichen – höher schlagen zu lassen. Dem prominenten Motiv der Untoten, die des Nachts ihrem Grab entsteigen, um sich auf die Suche nach Nahrung zu begeben – dem menschlichen Blut wurde einmal mehr neues Leben eingehaucht. In diesem aktuellen Fall von der amerikanischen Jugendbuch-Autorin Stephenie Meyer und ihrer preisgekrönten „Bis(s) zum ...“-Serie[3], welche die abenteuerliche Liebe zwischen einer Highschool-Schülerin und einem Vampir erzählt. Und das außerordentlich erfolgreich, so sind inzwischen drei Bände erschienen, ein vierter in Arbeit und einer wird bereits verfilmt.
Offenbar ist trotz einer wahren Flut von Vampir-Literatur, -Filmen und -Figuren, die in den letzten zwei Jahrhunderten rollte, das blutige Potential dieser Geschöpfe noch nicht vollends erschöpft. Vielmehr scheint es so, als würde sich die Figur des Blutsaugers immer wieder neu erfahren bzw. erfinden lassen, sich fortentwickeln – und dabei eben unsterblich sein.
Der Vampir ist zur Legende geworden. Aus Mythen geboren, erhielt er als Symbol und Mythos eine derart starke Suggestionskraft, dass er für die Menschen des Mittelalters und weit bis in das 18. Jahrhundert hinein zur fassbaren Realität avancierte, zur Tatsache wurde. Um schließlich bis zum heutigen Zeitpunkt in seine Existenz als vielschichtiges Symbol immer wieder zurückzukehren.
Er kann negative wie positive Bedeutungen tragen, tod- oder unsterblichkeitbringend sein, als Mörder oder Held agieren – die Varianten sind so mannigfaltig wie seine Darstellung in der medialen Welt. Diese Wandlungsfähigkeit ist es auch, der die Nachtgeschöpfe ihre immer wiederkehrende Aktualität verdanken.
In dieser Arbeit soll ansatzweise herausgearbeitet werden, wie aus dem frühgeschichtlichen Dämon über die vermeintliche tatsächliche Existenz des Vampirs über die Jahrhunderte Geistesgeschichte die Menschen begleitete, sich zur Legende (mit-)entwickelte und Eintritt in die Literatur fand. Ferner sollen anhand einer Klassifizierung der verschiedenen Typen von Vampiren die Wirkung sowie Wirkungsgenese auf den Menschen und das psychologische sowie symbolische Potential erschlossen werden. Anhand eines Meilensteins der Vampirliteratur, Johann Wolfgang Goethes „Die Braut von Korinth“ soll schließlich exemplarisch die Reichhaltigkeit der Varianten des Symbolträgers Vampir dargestellt werden.