Gott macht unruhig - Pater Philipp Meyer - E-Book

Gott macht unruhig E-Book

Pater Philipp Meyer

0,0

Beschreibung

Pater Philipp Meyer liebt die offenen Worte und so sagt er es direkt am Anfang seines Buches: Ich bin verwirrt. Verwirrt und auf der Suche nach den Quellen seiner Spiritualität, die ihn durch das Leben trägt. Der junge Benediktinerpater begibt sich im Buch anhand eines Gebets auf die Suche nach diesen Quellen und taucht immer tiefer ein in das Geheimnis Gott. Er spürt, wie Gott dynamisch macht, einen beschäftigt, herausfordert und antreibt. Der begeisterte Musiker hört auf die Dissonanzen seines Glaubens und die tiefen und hohen Töne seines Lebens. Ein Buch, das den Reichtum einer uralten Tradition aus Sicht eines jungen Mönchs für heute entdeckt. Fromm und unbequem zugleich, süffig geschrieben und trotzdem tiefschürfend.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 176

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Philipp Meyer

Gott macht unruhig

Die Dynamik meines Glaubens

Mit einem Vorwort von Rainer Maria Kardinal Woelki

Meinen Laacher Mitbrüdern und allen, die Gott suchen und nach ihm fragen.

Originalausgabe

© Verlag Herder GmbH, Freiburg im Breisgau 2020

Alle Rechte vorbehalten

www.herder.de

Die Bibeltexte sind entnommen aus:

Die Bibel. Die Heilige Schrift

des Alten und Neuen Bundes.

Vollständige deutsche Ausgabe

© Verlag Herder, Freiburg im Breisgau 2005

Umschlaggestaltung: Verlag Herder

Umschlagmotiv: Philipp Meyer

E-Book-Konvertierung: Daniel Förster, Belgern

ISBN E-Book 978-3-451-81967-4

ISBN Print 978-3-451-38621-3

Inhalt

Vorwort von Rainer Maria Kardinal Woelki

Vorwort

1. Herr Jesus Christus

Angenommen vom Herrn

Woher kommt mir Frieden?

Mit Gott verwoben

2. Wir danken dir, dass du uns dein Herz geöffnet hast

Von Herzen

Ein böses Herz

Das Herz behüten

Von ganzem Herzen

Das Herz aufreißen

Ein brennendes Herz

Aus Jesu Fülle leben

Mit glaubendem Herzen

3. Durch deinen Tod und deine Auferstehung bist du zur Quelle des Lebens geworden

Der Weg zur Quelle

Die Quelle des Lichtes

Die Quelle in der Wüste

Die Quelle der Wahrheit

4. Hilf uns, lebendige Menschen zu sein, die aus deiner Quelle schöpfen

»So geh nun«

Den Kopf verdreht

Die Traurigkeit Gottes

»Hier bin ich, sende mich!«

»Ich bin…«

Das Abbild des Vaters

5. Schenke uns die Gnade, dass auch wir selbst zur Quelle werden, um unserer Zeit Wasser des Lebens zu geben

Simeons Hoffnung

Wir haben seinen Stern gesehen

Bekehrung vom Gierigen zum Geber

Bruch und Heilung

Momente der Hoffnung

Das Ja der Maria

6. Wir danken dir für die Gnade des priesterlichen Dienstes

Reich beschenkt

Fataler Rollentausch

Vom Rechthaben

Zeichen der Gottesgegenwart

Die Kirche als Zeichen

Probleme und Herausforderungen

Beichte als Neuausrichtung

Die Chance der Sakramente

7. Herr, segne uns und alle Menschen, die auf der Suche nach dir sind

Gut sprechen

Segen als Wegbegleiter

Verwirrte Hinweisschilder

Über den Autor

Vorwort von Rainer Maria Kardinal Woelki

Ruhestörung gilt in Deutschland als Ordnungswidrigkeit. Nach geltendem Recht kann sie empfindliche Sanktionen nach sich ziehen, die in Geldstrafen oder gegebenenfalls sogar in Freiheitsstrafen bis zu fünf Jahren bestehen (§ 325a StGB). Begründet wird dies damit, dass Lärm je nach seiner Intensität dazu angetan ist, »die Gesundheit eines anderen« (Abs. 1) oder dessen Hab und Gut (Abs. 2) zu schädigen.

Allerdings kennen wir auch eine positive, gesunde Unruhe. »Wer rastet, der rostet«, sagt der Volksmund. Und in der Tat ist der Mangel an Bewegung heute eine Volkskrankheit, die gemäß einer aktuellen Studie mehr als die Hälfte aller Bundesbürger betrifft. Schließlich gibt es noch eine Unruhe, die nicht nur gesund, sondern sogar buchstäblich heilsam ist. Der Brief an die Hebräer erblickt diese in den Aufbrüchen großer alttestamentlicher Glaubensgestalten wie Abraham, Isaak und Jakob. Er interpretiert sie dahingehend, dass die Patriarchen auf ihren Wegen letztendlich nicht nach einem irdischen Ziel strebten, sondern »nach einer besseren Heimat, das heißt nach der himmlischen« (11,16).

Eine solche heilsame Unruhe verordnet uns P. Philipp, Mönch der Benediktinerabtei Maria Laach und Autor des hier vorgelegten Buchs Gott macht unruhig. Freilich will er uns gerade nicht nervös oder besorgt zurücklassen; ihm geht es vielmehr darum zu zeigen, »dass Liebe immer Bewegung ist«, wie er selbst in seinem Vorwort schreibt. Dabei stellt er uns Gott nicht als den Fernen vor Augen, als metaphysisches Prinzip, als unbewegten Beweger oder als Primärursache, welche die Sekundärursachen zum Handeln ermächtigt. Wir begegnen in P. Philipps Zeilen (um es mit Blaise Pascals Mémorial zu formulieren) nicht in erster Linie dem »Gott der Philosophen und Gelehrten«, sondern dem »Gott Abrahams, Gott Isaaks, Gott Jakobs«, der weniger Gegenstand geruhsamer Spekulationen ist als »Feuer«, das brennt und uns entflammen will.

Das Zweite Vatikanische Konzil bekennt, dass Christus uns »mit einem menschlichen Herzen geliebt« hat (Gaudium et spes 22). Dazu passt die Tiefe und Breite, in der P. Philipp den Begriff des Herzens aufgreift, erläutert und um den Aspekt der Liebe und Zuneigung erweitert, der uns heute vertraut erscheint und auch der Vorstellungswelt der Bibel nicht völlig fremd ist, schwerpunktmäßig jedoch der altgriechischen Poetik entspringt. Von diesem Punkt aus eröffnet sich der Weg des lebendigen Miteinanders, der uns Menschen an der Hand Christi, des Ebenbildes Gottes, zum Quell des Lebens führt – und letztlich sogar selbst dazu macht.

»Herr, segne uns und alle Menschen, die auf der Suche nach dir sind.« Mit diesen Worten endet ein Gebet Benedikts XVI., das P. Philipp in diesem Buch meditiert. So wird diese Bitte folgerichtig auch zur Überschrift des siebten und letzten Kapitels. Damit schließt sich in gewisser Weise ein Kreis, der durch den Buchtitel eröffnet wurde. Gott macht unruhig: Damit lässt der Verfasser bewusst ein Zitat des heiligen Augustinus anklingen. »Du selbst veranlasst, dass es Freude bereitet, dich zu loben, denn du hast uns auf dich hin geschaffen, und unruhig ist unser Herz, bis es ruht in dir«, schreibt dieser zu Beginn seiner Bekenntnisse. Und tatsächlich ist es kein Privileg hehrer Glaubenszeugen, sich nach Gott auszustrecken. Als Erzbischof von Köln verweise ich gerne auf die Heiligen Drei Könige, die ja nicht dem Gottesvolk Israel angehörten. Und doch hörten sie auf ihre innere Unruhe, folgten dem in die menschlichen Herzen eingepflanzten Sehnen und Streben nach Gott. Nur in ihm werden wir nach all der rastlosen, aber auch heilsamen Unruhe unseres Lebens endlich die ewige Ruhe finden, die wir allein in unserer wahren Heimat erlangen können.

Ich wünsche dem hier vorgelegten Werk, dass es viele interessierte Leser findet, deren Herz offensteht und brennt, sodass sie sich mitnehmen lassen auf den manchmal mühsamen, oft spannenden, immer aber lohnenden Weg zu Gott.

Rainer Maria Kardinal WoelkiErzbischof von Köln

Vorwort

Ich bin beunruhigt. Ja, so kann man es ausdrücken. Vieles in der heutigen Zeit, in der aktuellen Lage unserer Gesellschaft und vor allem auch der Kirche beunruhigt mich. Und ich glaube, damit stehe ich nicht allein da. Ich bin beunruhigt über das, was im Fokus steht und was aus dem Fokus herausfällt. Was Schlagzeilen macht und was in der Öffentlichkeit keine Rolle spielt. Vieles in der heutigen Zeit beunruhigt mich – und doch bin ich kein Reaktionär. Bin ich konservativ? Bin ich progressiv? Manchmal neige ich eher zu der einen, dann wieder zu der anderen Seite, vor allem aber ärgert mich jeweils die eine oder die andere Seite durch radikale Meinungen oder durch polarisierende Stellungnahmen und Personen. Und dann erwische ich mich bei der Frage, was eigentlich bei mir selbst im Fokus steht, in meinem Leben, in meinem Glaubensleben. Mir fällt ein Wort des heiligen Benedikt ein, nach dessen Ordensregel ich lebe. Er spricht davon, dass man, wenn ein junger Mann ins Kloster eintreten möchte, zuerst prüfen soll, ob er wirklich Gott sucht (RB 58). Als Benediktiner muss ich mich also fragen: Suche ich Gott? Sucht meine Gemeinschaft Gott? Und suchen die Menschen in den Pfarreien Gott, die Kirche in unserem Land und auf dieser Welt? Manchmal finde ich die Formen der Gottsuche jedenfalls ziemlich abstrus, zumindest so, wie sie in der Öffentlichkeit erscheinen oder sich darstellen. Sind wir noch eine Kirche oder schon eine Partei? Von den internen Kämpfen, die ich erlebe, im Kleinen wie im Großen, fühle ich mich oftmals viel eher an die Politik erinnert als an das, was kirchliche Gemeinschaft sein soll. Natürlich ist in der Apostelgeschichte davon die Rede, dass die Gemeinde ein Herz und eine Seele war (vgl. Apg 4,32). Diese Situation sollte auch immer das letzte Ziel kirchlicher Gemeinschaft darstellen, weil sie von Gott her gedacht ist, der in sich Gemeinschaft, Kommunikation und Zuwendung ist. Er kommuniziert sich in unsere Gemeinschaften hinein, spricht zu uns das Wort des Lebens, damit wir es einander weitersagen. Nicht von ungefähr sagt Jesus: »Denn wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen« (Mt 18,20). Doch viel öfter als von Einmütigkeit ist in der Bibel ehrlicherweise vom Ringen und Suchen nach Überzeugungen und Ansichten, nach Konsens und einem gemeinsamen Weg die Rede, dann und wann sogar von Streit. Ich glaube, das hat sich bis heute auch nicht verändert. Doch wie kommunizieren wir dieses Ringen, auch das Streiten über die Möglichkeiten, einen gemeinsamen Weg zu finden?

Was ist eigentlich die primäre Aufgabe der Kirche und wodurch wird diese deutlich? In einem großen Werk über den Heiligen Geist beschreibt der Kapuziner und Prediger des Papstes Raniero Cantalamessa, dass eine Aufgabe der Kirche sei, sich die Aufgabe des Parakleten, des Tröster-Geistes zu eigen zu machen und den Trost, den Gott seiner Kirche durch die Ausgießung des Heiligen Geistes schenkt, weiterzugeben an die Menschen.1 So wie Jesus durch sein Leben das Handeln Gottes an der Welt konkret umsetzte, so sind wir berufen, unsere Köpfe und Hände und Füße dem Geist als Werkzeuge anzubieten. Doch wie oft versagen wir ihm unsere Mitarbeit? Auch Jesus kannte das schon. Im Garten Getsemani bat er seine Jünger nur um ein wenig Trost, ein wenig Beistand, ein wenig Gebet, sie aber schliefen immer wieder ein (vgl. Mt 26,36–46). Jesus weinte, und es ist ja auch zum Weinen – und eine Realität bis zum heutigen Tag. Es ist doch schlimm, dass Jesus Trost suchte und dieser ihm durch seine engsten Freunde verweigert wurde; schlimm auch, wenn Menschen Vertrauen in die Kirche setzen, in die Kompetenz von Christinnen und Christen, und so oft bittere Enttäuschung und sogar Verletzung und Erniedrigung erfahren haben. So oft haben die Jüngerinnen und Jünger Jesu sich dessen Geist verweigert und ihre Köpfe, Hände und Füße nicht ihm zur Verfügung gestellt, sondern für sich behalten und ihm entzogen und vergessen, es Jesus gleichzutun und zu trösten, zu heilen und zu retten, was verloren ist (vgl. Lk 19,10).

Und worauf liegt der Fokus der Kirche in der Wahrnehmung des öffentlichen Lebens heute? Die immer wieder so unwahrscheinlich brandaktuellen Themen wie die Ehe für wen und mit wem auch immer, der kirchliche Umgang mit geschiedenen und wiederverheirateten Menschen und ihrer Sehnsucht nach der Kommunion, das Frauenpriestertum oder der Zölibat sind Themen, die in der Gesellschaft und somit auch in der Mitte der Kirche verankert sind, das kann ich gut einsehen – wobei ich den Eindruck habe, dass über dieses Thema viel mehr Menschen sprechen, die nicht den kirchlichen Pflichtzölibat leben, als Menschen, die den Zölibat versprochen haben. Was aber vernachlässigt wird, ist eine Betrachtung dieser Themen vom Evangelium her. Es fehlt oft die Basis des Glaubens, oder das Evangelium wird einseitig oder gar ideologisch betrachtet und für die jeweils nötige Grundlegung der eigenen These ausgeschlachtet. Auch wird sehr schnell auf die Barmherzigkeit Gottes rekurriert, um die persönlichen Lebens- und Glaubensumstände biblisch zu legitimieren, oft weit ab von der persönlichen Verantwortungsübernahme vor Gott und sich selbst. Ich beobachte, dass viele Menschen deshalb nicht mehr mit dem mithalten können, was die Kirche sagt, weil sie schlicht und einfach nicht mehr wissen, was Jesus sagt – und das gilt auch für viele Menschen innerhalb der Kirche, auch unter den sehr engagierten und beruflich tätigen Christinnen und Christen und auch unter Priestern und Ordensleuten.

Davon ganz abgesehen werfen diese Fragen natürlich auch ein Licht auf das Wie heutiger Verkündigung, die sich oft in Extremen bewegt, anstatt da, wo Jesus sie gewollt hat, also nah beim Menschen, in aller Klarheit und Deutlichkeit – Jesus nimmt an keiner Stelle ein Blatt vor den Mund. Wäre es nicht vielmehr die Aufgabe der Kirche, das zu verkünden, was Jesus sagt (und da, wo er es sagt, eben bei den Menschen), und nicht einfach nur das aufzugreifen, was die Politik oder die Gesellschaft gerade bewegt? Ich will nicht nur klagen, das steht mir nicht zu und ich glaube auch, dass es nicht hilfreich ist. Ich stelle nur Fragen und suche für mich nach Antworten auf die Themen, die mich und die Menschen um mich herum bewegen – denn auch ein Mönch kennt »normale Leute«.

Ich bin dankbar für Orte und Personen, mit denen ich meine Fragen und das, was mich beunruhigt, besprechen kann. Vor allem bin ich aber dankbar für eine Person, mit der ich die Themen des Lebens, die natürlich auch meine Themen sind, durchbeten kann. Neue Gedanken und manchmal auch Antworten finde ich vor allem bei dem, dem ich als Mönch und Priester mein Leben versprochen habe, mit dem ich meinen Weg gemeinsam gehe, um ihn ringe – und mit dem ich ihn auch immer wieder neu suchen kann. Auf dieser Suche und auf meinem Weg fiel mir vor einiger Zeit ein Gebet in die Hände, das der damalige Papst Benedikt XVI. aus Anlass seines 60-jährigen Priesterjubiläums 2011 verfasst hat.

»Herr Jesus Christus, wir danken dir, dass du uns dein Herz geöffnet hast. Durch deinen Tod und deine Auferstehung bist du zur Quelle des Lebens geworden. Hilf uns, lebendige Menschen zu sein, die aus deiner Quelle schöpfen. Schenke uns die Gnade, dass auch wir selbst zur Quelle werden, um unserer Zeit Wasser des Lebens zu geben. Wir danken dir für die Gnade des priesterlichen Dienstes. Herr, segne uns und alle Menschen, die auf der Suche nach dir sind. Amen.«

Dieses Gebet bewegt mich tief, weil es mich im Herzen anspricht und ich mich damit geistlich identifizieren kann. Vor allem beeindruckt es mich aber, dass ein Papst dieses Gebet formuliert hat, der in seinem Dienst nun wahrlich viele Probleme hatte, viele Probleme kannte und dem ein großer Teil der Sorge für die Kirche aufgetragen war. Er wälzt in diesem Gebet nicht die Probleme, macht Politik oder hält einen gesellschaftlichen Diskurs. Er stellt Jesus in die Mitte seines Tuns und seiner Gedanken und tut damit etwas, das wir alle machen sollten, wenn wir den Willen Jesu tun wollen oder wenigstens nach diesem fragen. Dieses Gebet soll der Ausgangspunkt meiner Gedanken sein: Was heißt es, an die Quelle zu gehen, und wie kann ich sie finden? Kann ich selbst zu einem Hinweisschild werden, das anderen Menschen die Richtung zur wahren Quelle zeigt, die Jesus Christus ist? Ich finde es großartig, dass Jesus uns nicht nur einlädt, zu ihm zu kommen, sondern uns gleichzeitig auch zutraut, für andere zur Quelle zu werden und zu Wegweisern, um zu ihm zu finden. Wir sind alle gemeinsam unterwegs und können uns auch gegenseitig stützen und begleiten auf dem Weg mit dem Herrn.

Der heilige Hieronymus hat einmal gesagt, dass, wer die Bibel nicht kennt, Christus nicht kennen kann. Darum möchte ich der Bibel und ihren Personen und Erzählungen Raum geben, denn sie ist der wichtigste Weg, der uns zu Jesus Christus und damit zu Gott, dem Vater, führt. Jesus hat seinen Jüngern vor seinem Leiden den Heiligen Geist verheißen (vgl. Joh 16,7) und versprochen, dass dieser ein Beistand für sie und für alle Menschen ist, der uns niemals allein lassen wird; Jesu Geist ist zu uns gekommen, und zwar gewaltig, wie es die Apostelgeschichte beschreibt (vgl. Apg 2,1–13). Wir sollten also als pfingstliche, als geisterfüllte Menschen leben. Darum müsste das Pfingstfest heute für die Kirche eigentlich immer wichtiger werden, der Heilige Geist sollte einen ganz anderen Stellenwert in der Kirche haben. Oft habe ich den Eindruck, dass wir den Heiligen Geist nur an Pfingsten kurz aus der Schublade holen und hinterher möglichst schnell wieder ignorieren, weil wir nicht so recht etwas mit ihm anfangen können. Doch Jesus hat uns seinen Geist geschenkt, damit er wirkt. Diesem Wirken möchte ich nachgehen, denn die Frage nach dem Heiligen Geist treibt mich um auf meinem geistlichen Weg.

Mir in meinem kleinen Leben und der Kirche in ihrer weltweiten Größe wünsche ich den Heiligen Geist, damit er uns jeden Tag erfülle mit seinen Gaben, seinen Charismen, seinem Feuer und seiner Liebe, damit wir erkennen, dass und wofür seine Gnade in uns ausgegossen ist (vgl. Röm 5,5). Dieses Feuer ist es, das uns antreibt, den Weg hinter Jesus herzugehen und ihm zu folgen, so gut wir es eben können. Bei allen Höhen und Tiefen kann ich sagen, dass ich diesen Weg liebe! Ich möchte also etwas über die Grundlage meines Suchens erzählen, die mein Leben ausmacht und immer wieder an Punkte führt, an denen sich Beunruhigung zu lösen beginnt und ich ein Stück mehr Klarheit bekomme.

Auch wenn die babylonische Sprachverwirrung (vgl. Gen 11,1–9) durch das Pfingstwunder (vgl. Apg 2,1–13) überwunden und durch Gottes Geist wiedergutgemacht worden ist, bleiben Fragen im Hinblick auf das Geheimnis des Glaubens. Fragen dürfen sein, auch wenn wir damit leben müssen, dass das Geheimnis Geheimnis bleibt und Fragen in diesem Leben womöglich unbeantwortet bleiben. Doch ich bin mir sicher, dass Klarheit wenn überhaupt nur auf dem Weg in Richtung Gott und nie in der entgegengesetzten Richtung zu finden ist.

In Bezug auf seine Mönche schreibt der heilige Benedikt, dass alles, was auch in einem Kloster an Unruhe und Irregularitäten auftreten kann, nur durch Christus und auf ihn hin gelöst werden kann. Das ist keine Theologie, die am Schreibtisch entstanden ist; vielmehr weiß Benedikt um den Menschen und das Leben in Gemeinschaft. Dabei ist es meines Erachtens egal, ob es um Menschen in einer Zweierbeziehung, in einer Klostergemeinschaft, in der Kirche oder in der Gesellschaft geht, insofern kann die Benediktusregel inspirierend für jede Gemeinschaftsform sein. Der heilige Benedikt wusste, wie nötig es ist, die Brüder immer wieder auf die Mitte hinzuweisen, die Christus ist. Er ist der allen gemeinsame Fokus, die eine gemeinsame Blickrichtung; seinetwegen und für ihn hat man sich schließlich als Individuum einer konkreten Gemeinschaft angeschlossen. Und für den Fall, dass der Fokus aus dem Blick gerät, dass das Individuum zum Individualisten wird und sich absondert, schreibt er am Ende seiner Regel eine Hilfestellung, um die innere Kompassnadel wieder einzunorden: »Die Mönche sollen einander in gegenseitiger Achtung zuvorkommen; ihre körperlichen und charakterlichen Schwächen sollen sie mit unerschöpflicher Geduld ertragen; im gegenseitigen Gehorsam sollen sie miteinander wetteifern; keiner achte auf das eigene Wohl, sondern mehr auf das des anderen; die Bruderliebe sollen sie einander selbstlos erweisen; in Liebe sollen sie Gott fürchten; ihrem Abt seien sie in aufrichtiger und demütiger Liebe zugetan. Christus sollen sie überhaupt nichts vorziehen« (RB 72).

Der Titel dieses Buches ist eine Anspielung auf ein Zitat des heiligen Augustinus,2 aber er ist vor allem ein Ausdruck der Tatsache, dass Liebe immer Bewegung ist: Aus Liebe bewegt sich Gott, kommt durch einen Menschen in die Welt und wird Mensch; aus Sehnsucht machen sich Menschen auf den Weg, um Gott zu suchen und in ihm ihre Sehnsucht zu stillen. Die Erfahrung meines Glaubensweges zeigt mir aber, dass diese Suche nach Erfüllung meiner Sehnsucht nicht nur ein aktives Geschehen ist – dass ich Gott suchen will –, es ist auch ein passives Geschehen – eine Art des sich Überlassens, denn Gott zieht auch, er zieht den Menschen an sich durch sein Licht, seinen Glanz und sein Gut-sein. Und wer will nicht da sein, wo es gut ist? Und jetzt wird es dynamisch, wenn ich rebelliere gegen Gott, wo mir sein Licht zu stark ist, wo ich Angst habe, zu kurz zu kommen, wo ich ihm nicht glaube, dass er mir wirklich Frieden schenken kann, kurz: wo ich mich selbst zu Gott aufschwingen will.

Diese Dynamik meines Glaubens macht mich unruhig, denn natürlich frage ich mich, zumal als Mönch und Priester, warum es mich auch wegzieht von Gott. Doch gerade dann ist es so wichtig zu versuchen, sich Gott zu nähern, in der Eucharistiefeier, in unserem klösterlichen Stundengebet oder in der Anbetung, und ihm meine Zerrissenheit hinzuhalten, das hat für mich bisweilen große Sprengkraft. Doch ich habe festgestellt, dass es genau diese Momente sind, wo ich innerlich weit weg bin, in denen er mir wiederum ganz nahe ist. Es sind Momente, in denen mir plötzlich und unerwartet große Geschenke des Glaubens gemacht werden durch eine tiefe Gewissheit im Gebet oder in Begegnungen, in denen Jesus ganz dabei ist, aber auch in der konkreten Seelsorge, bei der Feier der Sakramente, wo mir klar wird, dass mein Weg genau so sein soll, dass ich bei Gott richtig bin und nirgendwo anders. Ich muss allerdings akzeptieren lernen – wohl eine Lebensaufgabe –, dass diese Momente nicht kontinuierlich sind, sondern eben dynamisch, weil kraftvoll, bewegend, vorwärtsbringend und nicht immer in gleicher Intensität da. Ja, auch im Leben mit Gott gibt es einen Alltag wie in jeder Beziehung, an dem man arbeiten und den man immer wieder überwinden muss, um die Beziehung dynamisch zu halten.

Der Titel des Buches ist aber auch eine ernst gemeinte Aufforderung an mich und alle, die dieses Buch zur Hand nehmen. Ich bin immer tiefer davon überzeugt, dass wir, in Anlehnung an ein Jesuswort, vor einer Zeitenwende in unserer Kirche stehen, denn es sind unruhige Zeiten: Wenn wir uns nicht hinwenden zu Jesus und uns bemühen, ihm nachzufolgen und zu werden wie er, werden wir nicht in das Himmelreich kommen (vgl. Mt 18,3). Und dieser Weg zum Himmelreich ist ein dynamischer Weg, ein Weg, der auf- und abgeht, durch schöne Gegenden und trostlose Täler (vgl. Ps 23).

Alle, die vor Jesus geglaubt haben, zeigen auf ihn, alle, die nach ihm geglaubt haben, beziehen sich auf ihn, an erster Stelle seine Mutter Maria. Sie ist lebendige Exegese der Botschaft Jesu, an ihr können wir beispielhaft ablesen, wem all unsere Verehrung und unsere Zuwendung gehören soll, nämlich Jesus. Und auf ihr Beispiel schauend können auch wir unseren Platz finden – im Leben, in der Kirche, im Glauben – und feststellen, dass, wenn wir wirklich und aufrichtig Jesus suchen, unser Platz schon an seiner Seite ist und wir da sind, wo wir hingehören, dorthin nämlich, wo er uns haben will.