Götz von Berlichingen. Ein Schauspiel - Johann Wolfgang von Goethe - E-Book

Götz von Berlichingen. Ein Schauspiel E-Book

Johann Wolfgang von Goethe

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Beschreibung

Johann Wolfgang von Goethes berühmtes Historiendrama um den edlen Ritter Götz von Berlichingen mit der eisernen Hand.
Korrektur gelesen und in neuer deutscher Rechtschreibung.

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Johann Wolfgang von Goethe

Götz von Berlichingen. Ein Schauspiel

BookRix GmbH & Co. KG81371 München

Personen

Kaiser Maximilian

Götz von Berlichingen

Elisabeth, seine Frau

Maria, seine Schwester

Karl, sein Söhnchen

Georg, sein Bube

Bischof von Bamberg

Weislingen, an des Bischofs Hofe

Adelheid von Walldorf, an des Bischofs Hofe

Liebetraut, an des Bischofs Hofe

Abt von Fulda

Olearius, beider Rechte Doktor

Bruder Martin

Hans von Selbitz

Franz von Sickingen

Lerse

Franz, Weislingens Bube

Kammerfräulein der Adelheid

Metzler; Sievers; Link; Kohl; Wild, Anführer der rebellischen Bauern

Hoffrauen; Hofleute, am Bambergschen Hofe

Kaiserliche Räte

Ratsherrn von Heilbronn

Richter des heimlichen Gerichts

Zwei Nürnberger Kaufleute

Max Stumpf, pfalzgräflicher Diener

Ein Unbekannter

Brautvater; Bräutigam, Bauern

Berlichingsche, Weislingsche, Bambergsche Reiter

Hauptleute, Offiziere, Knechte von der Reichsarmee

Schenkwirt

Gerichtsdiener

Heilbronner Bürger

Stadtwache

Gefängniswärter

Bauern

Zigeunerhauptmann

Zigeuner, Zigeunerinnen

1. Akt

Schwarzenberg in Franken

Herberge

 

Metzler, Sievers am Tische. Zwei Reitersknechte beim Feuer. Wirt.

 

Sievers Hänsel, noch ein Glas Branntwein, und mess’ christlich.

Wirt Du bist der Nimmersatt.

Metzler(leise zu Sievers). Erzähl das noch einmal vom Berlichingen! Die Bamberger dort ärgern sich, sie möchten schwarz werden.

Sievers Bamberger? Was tun die hier?

Metzler Der Weislingen ist oben auf’m Schloss beim Herrn Grafen schon zwei Tage; dem haben sie das G’leit geben. Ich weiß nicht, wo er herkommt; sie warten auf ihn; er geht zurück nach Bamberg.

Sievers Wer ist der Weislingen?

Metzler Des Bischofs rechte Hand, ein gewaltiger Herr, der dem Götz auch auf’n Dienst lauert.

Sievers Er mag sich in Acht nehmen.

Metzler(leise). Nur immer zu! (Laut.) Seit wann hat denn der Götz wieder Händel mit dem Bischof von Bamberg? Es hieß ja, alles wäre vertragen und geschlichtet.

Sievers Ja, vertrag du mit den Pfaffen! Wie der Bischof sah, er richt’ nichts aus und zieht immer den Kürzern, kroch er zum Kreuz und war geschäftig, dass der Vergleich zustand kam. Und der getreuherzige Berlichingen gab unerhört nach, wie er immer tut, wenn er im Vorteil ist.

Metzler Gott erhalt ihn! Ein rechtschaffener Herr!

Sievers Nun denk, ist das nicht schändlich? Da werfen sie ihm einen Buben nieder, da er sich nichts weniger versieht. Wird sie aber schon wieder dafür lausen!

Metzler Es ist doch dumm, dass ihm der letzte Streich missglückt ist! Er wird sich garstig erbost haben.

Sievers Ich glaub nicht, dass ihn lang was so verdrossen hat. Denk auch: Alles war aufs Genaueste verkundschaft, wann der Bischof aus dem Bad kam, mit wie viel Reitern, welchen Weg; und wenn’s nicht war durch falsche Leut’ verraten worden, wollt er ihm das Bad gesegnet und ihn ausgerieben haben.

Erster Reiter Was räsoniert ihr von unserm Bischof? Ich glaub, ihr sucht Händel.

Sievers Kümmert euch um eure Sachen! Ihr habt an unserm Tisch nichts zu suchen.

Zweiter Reiter Wer heißt euch von unserm Bischof despektierlich reden?

Sievers Hab ich euch Red und Antwort zu geben? Seht doch den Fratzen!

Erster Reiter (schlägt ihn hinter die Ohren).

Metzler Schlag den Hund tot!

(Sie fallen übereinander her.)

Zweiter Reiter Komm her, wenn du ’s Herz hast.

Wirt(reißt sie voneinander). Wollt ihr Ruh haben! Tausend Schwerenot! Schert euch ’naus, wenn ihr was auszumachen habt. In meiner Stub’ soll’s ehrlich und ordentlich zugehen. (Schiebt die Reiter zur Tür hinaus.) Und ihr Esel, was fanget ihr an?

Metzler Nur nit viel geschimpft, Hänsel, sonst kommen wir dir über die Glatze. Komm, Kamerad, wollen die draußen bleuen.

(Zwei Berlichingsche Reiter kommen.)

Erster Reiter Was gibt’s da?

Sievers Ei guten Tag, Peter! Veit, guten Tag! Woher?

Zweiter Reiter Dass du dich nit unterstehst zu verraten, wem wir dienen.

Sievers(leise). Da ist euer Herr Götz wohl auch nit weit?

Erster Reiter Halt dein Maul! Habt ihr Händel?

Sievers Ihr seid den Kerls begegnet draußen, sind Bamberger.

Erster Reiter Was tun die hier?

Metzler Der Weislingen ist droben auf’m Schloss, beim gnädigen Herrn, den haben sie geleit.

Erster Reiter Der Weislingen?

Zweiter Reiter(leise). Peter! Das ist ein gefunden Fressen! (Laut.) Wie lang ist er da?

Metzler Schon zwei Tage. Aber er will heut noch fort, hört ich einen von den Kerls sagen.

Erster Reiter(leise). Sagt ich dir nicht, er wär’ daher! Hätten wir dort drüben eine Weile passen können. Komm, Veit.

Sievers Helft uns doch erst die Bamberger ausprügeln.

Zweiter Reiter Ihr seid ja auch zu zwei. Wir müssen fort. Adies! (Ab.)

Sievers Lumpenhunde die Reiter! Wann man sie nit bezahlt, tun sie dir keinen Streich.

Metzler Ich wollt schwören, sie haben einen Anschlag. Wem dienen sie?

Sievers Ich soll’s nit sagen. Sie dienen dem Götz.

Metzler So! Nun wollen wir über die draußen. Komm! So lang ich einen Bengel hab, fürcht ich ihre Bratspieße nicht.

Sievers Dürften wir nur so einmal an die Fürsten, die uns die Haut über die Ohren ziehen.

 

 

Herberge im Wald

 

Götz(vor der Tür unter der Linde). Wo meine Knechte bleiben! Auf und ab muss ich gehen, sonst übermannt mich der Schlaf. Fünf Tag und Nächte schon auf der Lauer. Es wird einem sauer gemacht, das bisschen Leben und Freiheit. Dafür, wenn ich dich habe, Weislingen, will ich mir’s wohl sein lassen. (Schenkt ein.) Wieder leer! Georg! Solang’s daran nicht mangelt und an frischem Mut, lach ich der Fürsten Herrschsucht und Ränke. – Georg! – Schickt ihr nur euern gefälligen Weislingen herum zu Vettern und Gevattern, lasst mich anschwärzen. Nur immer zu. Ich bin wach. Du warst mir entwischt, Bischof! So mag denn dein lieber Weislingen die Zeche bezahlen. – Georg! Hört der Junge nicht? Georg! Georg!

Der Bube(im Panzer eines Erwachsenen). Gestrenger Herr!

Götz Wo stickst du? Hast du geschlafen? Was zum Henker treibst du für Mummerei? Komm her, du siehst gut aus. Schäm dich nicht, Junge. Du bist brav! Ja, wenn du ihn ausfülltest! Es ist Hansens Kürass?

Georg Er wollt ein wenig schlafen und schnallt’ ihn aus.

Götz Er ist bequemer als sein Herr.

Georg Zürnt nicht. Ich nahm ihn leise weg und legt ihn an, und holte meines Vaters altes Schwert von der Wand, lief auf die Wiese und zog’s aus.

Götz Und hiebst um dich herum? Da wird’s den Hecken und Dornen gut gegangen sein. Schläft Hans?

Georg Auf Euer Rufen sprang er auf und schrie mir, dass Ihr rieft. Ich wollt den Harnisch ausschnallen, da hört ich Euch zwei-, dreimal.

Götz Geh! Bring ihm seinen Panzer wieder und sag ihm, er soll bereit sein, soll nach den Pferden sehen.

Georg Die hab ich recht ausgefüttert und wieder aufgezäumt. Ihr könnt aufsitzen, wann Ihr wollt.

Götz Bring mir einen Krug Wein, gib Hansen auch ein Glas, sag ihm, er soll munter sein, es gilt. Ich hoffe jeden Augenblick, meine Kundschafter sollen zurückkommen.

Georg Ach gestrenger Herr!

Götz Was hast du?

Georg Darf ich nicht mit?

Götz Ein andermal, Georg, wann wir Kaufleute fangen und Fuhren wegnehmen.

Georg Ein andermal, das habt Ihr schon oft gesagt. O diesmal! diesmal! Ich will nur hintendrein laufen, nur auf der Seite lauern. Ich will Euch die verschossenen Bolzen wiederholen.

Götz Das nächste Mal, Georg. Du sollst erst ein Wams haben, eine Blechhaube und einen Spieß.

Georg Nehmt mich mit! Wär’ ich letzt dabei gewesen, Ihr hättet die Armbrust nicht verloren.

Götz Weißt du das?

Georg Ihr warft sie dem Feind an Kopf, und einer von den Fußknechten hob sie auf; weg war sie! Gelt ich weiß?

Götz Erzählen dir das meine Knechte?

Georg Wohl. Dafür pfeif ich ihnen auch, wann wir die Pferde striegeln, allerlei Weisen und lerne sie allerlei lustige Lieder.

Götz Du bist ein braver Junge.

Georg Nehmt mich mit, dass ich’s zeigen kann!

Götz Das nächste Mal, auf mein Wort. Unbewaffnet wie du bist, sollst du nicht in Streit. Die künftigen Zeiten brauchen auch Männer. Ich sage dir, Knabe, es wird eine teure Zeit werden: Fürsten werden ihre Schätze bieten um einen Mann, den sie jetzt hassen. Geh, Georg, gib Hansen seinen Kürass wieder und bring mir Wein. (Georg ab.) Wo meine Knechte bleiben! Es ist unbegreiflich. Ein Mönch! Wo kommt der noch her?

(Bruder Martin kommt.)

Götz Ehrwürdiger Vater, guten Abend! woher so spät? Mann der heiligen Ruhe, Ihr beschämt viel Ritter.

Martin Dank Euch, edler Herr! Und bin vor der Hand nur demütiger Bruder, wenn’s ja Titel sein soll. Augustin mit meinem Klosternamen, doch hör ich am liebsten Martin, meinen Taufnamen.

Götz Ihr seid müde, Bruder Martin, und ohne Zweifel durstig! (Der Bub kommt.) Da kommt der Wein eben recht.

Martin Für mich einen Trunk Wasser. Ich darf keinen Wein trinken.

Götz Ist das Euer Gelübde?

Martin Nein, gnädiger Herr, es ist nicht wider mein Gelübde, Wein zu trinken; weil aber der Wein wider mein Gelübde ist, so trinke ich keinen Wein.

Götz Wie versteht Ihr das?

Martin Wohl Euch, dass Ihr’s nicht versteht. Essen und trinken, mein ich, ist des Menschen Leben.

Götz Wohl!

Martin Wenn Ihr gegessen und getrunken habt, seid Ihr wie neu geboren; seid stärker, mutiger, geschickter zu Euerm Geschäft. Der Wein erfreut des Menschen Herz, und die Freudigkeit ist die Mutter aller Tugenden. Wenn Ihr Wein getrunken habt, seid Ihr alles doppelt, was Ihr sein sollt, noch einmal so leicht denkend, noch einmal so unternehmend, noch einmal so schnell ausführend.

Götz Wie ich ihn trinke, ist es wahr.

Martin Davon red ich auch. Aber wir –

(Georg mit Wasser.)

Götz(zu Georg heimlich). Geh auf den Weg nach Dachsbach, und leg dich mit dem Ohr auf die Erde, ob du nicht Pferde kommen hörst, und sei gleich wieder hier.

Martin Aber wir, wenn wir gegessen und getrunken haben, sind wir grad das Gegenteil von dem, was wir sein sollen. Unsere schläfrige Verdauung stimmt den Kopf nach dem Magen, und in der Schwäche einer überfüllten Ruhe erzeugen sich Begierden, die ihrer Mutter leicht über den Kopf wachsen.

Götz Ein Glas, Bruder Martin, wird Euch nicht im Schlaf stören. Ihr seid heute viel gegangen. (Bringt’s ihm.) Alle Streiter!

Martin In Gottes Namen! (Sie stoßen an.) Ich kann die müßigen Leute nicht ausstehen; und doch kann ich nicht sagen, dass alle Mönche müßig sind; sie tun, was sie können. Da komm ich von St. Veit, wo ich die letzte Nacht schlief. Der Prior führte mich in den Garten; das ist nun ihr Bienenkorb. Vortrefflicher Salat! Kohl nach Herzens Lust! und besonders Blumenkohl und Artischocken, wie keine in Europa!

Götz Das ist also Eure Sache nicht. (Er steht auf, sieht nach dem Jungen und kommt wieder.)

Martin Wollte, Gott hätte mich zum Gärtner oder Laboranten gemacht! Ich könnte glücklich sein. Mein Abt liebt mich, mein Kloster ist Erfurt in Sachsen; er weiß, ich kann nicht ruhn; da schickt er mich herum, wo was zu betreiben ist. Ich geh zum Bischof von Konstanz.

Götz Noch eins! Gute Verrichtung!

Martin Gleichfalls.

Götz Was seht Ihr mich so an, Bruder?

Martin Dass ich in Euern Harnisch verliebt bin.

Götz Hättet Ihr Lust zu einem? Es ist schwer und beschwerlich ihn zu tragen.

Martin Was ist nicht beschwerlich auf dieser Welt! Und mir kommt nichts beschwerlicher vor, als nicht Mensch sein dürfen. Armut, Keuschheit und Gehorsam – drei Gelübde, deren jedes, einzeln betrachtet, der Natur das Unausstehlichste scheint, so unerträglich sind sie alle. Und sein ganzes Leben unter dieser Last oder der weit drückendem Bürde des Gewissens mutlos zu keuchen! O Herr! Was sind die Mühseligkeiten Eures Lebens, gegen die Jämmerlichkeiten eines Standes, der die besten Triebe, durch die wir werden, wachsen und gedeihen, aus missverstandener Begierde Gott näher zu rücken, verdammt?

Götz Wär’ Euer Gelübde nicht so heilig, ich wollte Euch bereden, einen Harnisch anzulegen, wollt Euch ein Pferd geben, und wir zögen miteinander.

Martin Wollte Gott, meine Schultern fühlten Kraft, den Harnisch zu ertragen, und mein Arm Stärke, einen Feind vom Pferd zu stechen! – Arme schwache Hand, von jeher gewohnt, Kreuze und Friedensfahnen zu führen und Rauchfässer zu schwingen, wie wolltest du Lanze und Schwert regieren! Meine Stimme, nur zu Ave und Halleluja gestimmt, würde dem Feind ein Herold meiner Schwäche sein, wenn ihn die Eurige überwältigte. Kein Gelübde sollte mich abhalten wieder in den Orden zu treten, den mein Schöpfer selbst gestiftet hat!

Götz Glückliche Wiederkehr!

Martin Das trinke ich nur für Euch. Wiederkehr in meinen Käfig ist allemal unglücklich. Wenn Ihr wiederkehrt, Herr, in Eure Mauern, mit dem Bewusstsein Eurer Tapferkeit und Stärke, der keine Müdigkeit etwas anhaben kann, Euch zum ersten Mal nach langer Zeit, sicher vor feindlichem Überfall, entwaffnet auf Euer Bette streckt und Euch nach dem Schlaf dehnt, der Euch besser schmeckt als mir der Trunk nach langem Durst: Da könnt Ihr von Glück sagen!

Götz Dafür kommt’s auch selten.

Martin(feuriger). Und ist, wenn’s kommt, ein Vorschmack des Himmels. – Wenn Ihr zurückkehrt, mit der Beute Eurer Feinde beladen und Euch erinnert: Den stach ich vom Pferd, eh er schießen konnte, und den rannt ich samt dem Pferde nieder, und dann reitet Ihr zu Euerm Schloss hinauf, und –

Götz Was meint Ihr?

Martin Und Eure Weiber! (Er schenkt ein.) Auf Gesundheit Eurer Frau! (Er wischt sich die Augen.) Ihr habt doch eine?

Götz Ein edles vortreffliches Weib!

Martin Wohl dem, der ein tugendsam Weib hat! Des lebt er noch eins so lange. Ich kenne keine Weiber, und doch war die Frau die Krone der Schöpfung!

Götz(vor sich). Er dauert mich! Das Gefühl seines Standes frisst ihm das Herz.

Georg(gesprungen). Herr! Ich höre Pferde im Galopp! Zwei! Es sind sie gewiss.

Götz Führ mein Pferd heraus! Hans soll aufsitzen. – Lebt wohl, teurer Bruder, Gott geleit Euch! Seid mutig und geduldig. Gott wird Euch Raum geben.

Martin Ich bitt um Euern Namen.

Götz Verzeiht mir. Lebt wohl! (Er reicht ihm die linke Hand.)

Martin Warum reicht Ihr mir die Linke? Bin ich die ritterliche Rechte nicht wert?

Götz Und wenn Ihr der Kaiser wärt, Ihr müsstet mit dieser vorliebnehmen. Meine Rechte, obgleich im Kriege nicht unbrauchbar, ist gegen den Druck der Liebe unempfindlich: sie ist eins mit ihrem Handschuh; Ihr seht, er ist Eisen.