Götz von Berlichingen mit der eisernen Hand - Johann Wolfgang von Goethe - E-Book

Götz von Berlichingen mit der eisernen Hand E-Book

Johann Wolfgang von Goethe

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Beschreibung

Mit dem Werkbeitrag aus Kindlers Literatur Lexikon. Mit dem Autorenporträt aus dem Metzler Lexikon Weltliteratur. Mit Daten zu Leben und Werk, exklusiv verfasst von der Redaktion der Zeitschrift für Literatur TEXT + KRITIK. Um die Freiheit muss man kämpfen. Das tut Götz sein Leben lang. Mit Erfolg? Oder ist die Welt ein Gefängnis, wie seine Frau Elisabeth sagt? Götz lebt in einer Umbruchzeit und will seine Wertvorstellungen nicht preisgeben. Sein Jugendfreund Adelbert von Weislingen hat sich anders orientiert. Seit er unter dem Einfluss der erotisch anziehenden Adelheid einen doppelten Treuebruch begangen hat, verfolgt er Götz mit tödlicher Feindschaft. Auch eine Art, mit einem schlechten Gewissen fertig zu werden, aber nicht unbedingt mit Erfolgsgarantie.

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Johann Wolfgang Goethe

Götz von Berlichingen mit der eisernen Hand

Ein Schauspiel

Drama/en

Fischer e-books

Mit dem Werkbeitrag aus Kindlers Literatur Lexikon. Mit dem Autorenporträt aus dem Metzler Lexikon Weltliteratur. Mit Daten zu Leben und Werk, exklusiv verfasst von der Redaktion der Zeitschrift für Literatur TEXT + KRITIK.

Personen

KAISER MAXIMILIAN

GÖTZ VON BERLICHINGEN

ELISABETH, seine Frau

MARIA, seine Schwester

CARL, sein Söhnchen

GEORG, sein Bube

BISCHOF VON BAMBERG

WEISLINGEN an des Bischofs Hofe

ADELHEID VON WALLDOR an des Bischofs Hofe

LIEBETRAUT an des Bischofs Hofe

ABT VON FULDA

OLEARIUS, beider Rechte Doktor

BRUDER MARTIN

HANS VON SELBITZ

FRANZ VON SICKINGEN

LERSE

FRANZ, Weislingens Bube

KAMMERFRÄULEIN der Adelheid

METZLER, SIEVERS, LINK, KOHL, WILD, Anführer der rebellischen Bauern

HOFFRAUEN, HOFLEUTE am bambergschen Hofe

KAISERLICHE RÄTE

RATSHERRN von Heilbronn

RICHTER des heimlichen Gerichts

ZWEI NÜRNBERGER KAUFLEUTE

MAX STUMPF, pfalzgräflicher Diener

EIN UNBEKANNTER

BRAUTVATER, Bauer

BRÄUTIGAM, Bauer

BERLICHING’SCHE, WEISLING’SCHE, BAMBERGSCHE Reiter

HAUPTLEUTE, OFFIZIERE, KNECHTE von der Reichsarmee

SCHENKWIRT

GERICHTSDIENER

HEILBRONNER BÜRGER

STADTWACHE

GEFÄNGNISWÄRTER

BAUERN

ZIGEUNERHAUPTMANN

ZIGEUNER, ZIGEUERINNEN

Erster Akt

Schwarzenberg in Franken. Herberge.

METZLER, SIEVERS, Bauern am Tische. Zwei REUTERSKNECHTE beim Feuer. wirt.

SIEVERS

Hänsel, noch ein Glas Branntewein, und mess christlich.

WIRT

Du bist der Nimmersatt.

METZLER (leise)

Erzähl das noch einmal, vom Berlichingen, die Bamberger dort ärgern sich sie möchten schwarz werden.

SIEVERS

Bamberger? Was tun die hier?

METZLER

Der Weislingen ist oben auf’m Schloss beim Herrn Grafen schon zwei Tage, dem haben sie das Gleit geben, ich weiß nicht wo er herkommt, sie warten auf ihn, er geht zurück nach Bamberg.

SIEVERS

Wer ist der Weislingen?

METZLER

Des Bischofs rechte Hand, ein gewaltiger Herr, der dem Götz auch auf’n Dienst lauert.

SIEVERS

Er mag sich in Acht nehmen.

METZLER

Ich bitt dich erzähl’s doch noch einmal! (Laut.) Seit wann hat denn der Götz wieder Händel mit dem Bischof von Bamberg? Es hieß ja, alles wäre vertragen und geschlichtet.

SIEVERS

Ja, vertrag du mit den Pfaffen. Wie der Bischof sah, er richt nichts aus, und zieht immer den Kürzern, kroch er zum Kreuz, und war geschäftig, dass der Vergleich zu Stand käm. Und der getreuherzige Berlichingen gab unerhört nach, wie er immer tut, wenn er im Vorteil ist.

METZLER

Gott erhalt’ ihn! Ein rechtschaffner Herr!

SIEVERS

Nun denk, ist das nicht schändlich? Da werfen sie ihm einen Buben nieder, da er sich nichts weniger versieht. Wird sie aber schon wieder dafür lausen.

METZLER

Es ist doch dumm, dass ihm der letzte Streich missglückt ist; er wird sich garstig erbost haben.

SIEVERS

Ich glaub nicht, dass ihn lang was so verdrossen hat. Denk auch, alles war aufs Genauste verkundschaft, wann der Bischof aus dem Bad käm, mit wie viel Reutern, welchen Weg; und wenn’s nicht wär durch falsche Leut verraten worden, wollt’ er ihm das Bad gesegnet und ihn ausgerieben haben.

ERSTER REUTER

Was räsoniert ihr von unserm Bischof? Ich glaub ihr sucht Händel.

SIEVERS

Kümmert euch um eure Sachen. Ihr habt an unserm Tisch nichts zu suchen.

ZWEITER REUTER

Wer heißt euch von unserm Bischof despektierlich reden?

SIEVERS

Hab ich euch Red und Antwort zu geben? Seht doch den Fratzen!

ERSTER REUTER

(schlägt ihm hinter die Ohren).

METZLER

Schlag den Hund tot.

(Sie fallen übereinander her.)

ZWEITER REUTER

Komm her, wenn du’s Herz hast.

WIRT (reißt sie voneinander)

Wollen ihr Ruh haben! Tausend Schwerenot: Schert euch ’naus, wenn ihr was auszumachen habt. In meiner Stub soll’s ehrlich und ordentlich zugehen. (Schiebt die Reuter zur Tür hinaus.) Und ihr Esel was fangen ihr an?

METZLER

Nur nit viel geschimpft Hänsel, sonst kommen wir dir über die Glatze. Komm Kamerad wollen die draus plauen.

Zwei Berlichingische REUTER kommen.

ERSTER REUTER

Was gibt’s da?

SIEVERS

Ei guten Tag Peter! Veit, guten Tag! Woher?

ZWEITER REUTER

Dass du dich nit unterstehst zu verraten, wem wir dienen.

SIEVERS (leise)

Da ist euer Herr Götz wohl auch nit weit.

ERSTER REUTER

Halt dein Maul! Habt ihr Händel?

SIEVERS

Ihr seid den Kerls begegnet draus, sind Bamberger.

ERSTER REUTER

Was tun die hier?

METZLER

Der Weislingen ist droben auf’m Schloss, beim gnädigen Herrn, den haben sie geleit.

ERSTER REUTER

Der Weislingen.

ZWEITER REUTER (leise)

Peter! das ist ein gefunden Fressen. Wie lang ist er da?

METZLER

Schon zwei Tage. Aber er will heut noch fort, hört ich einen von den Kerls sagen.

ERSTER REUTER (leise)

Sagt ich dir nicht er wär daher? Hätten wir dort drüben eine Weile passen können. Komm Veit.

SIEVERS

Helft uns doch erst die Bamberger ausprügeln.

ZWEITER REUTER

Ihr seid ja auch zu zwei. Wir müssen fort. Adies. (Ab.)

SIEVERS

Scheißkerle die Reuter, wann man sie nit bezahlt, tun sie dir keinen Streich.

METZLER

Ich wollt’ schwören sie haben einen Anschlag. Wem dienen sie?

SIEVERS

Ich soll’s nit sagen. Sie dienen dem Götz.

METZLER

So! Nun wollen wir über die draus. Komm, solang ich einen Bengel hab, fürcht ich ihre Bratspieße nicht.

METZLER

Dürften wir nur so einmal an die Fürsten, die uns die Haut über die Ohren ziehen.

Herberge im Wald.

GÖTZ vor der Türe unter der Linde.

GÖTZ

Wo meine Knechte bleiben. Auf und ab muss ich gehen, sonst übermannt mich der Schlaf. Fünf Tag und Nächte schon auf der Lauer. Es wird einem sauer gemacht, das bisschen Leben und Freiheit. Dafür, wenn ich dich habe Weislingen, will ich mir’s wohl sein lassen. (Schenkt ein.) Wieder leer! Georg! Solang’s daran nicht mangelt, und an frischem Mut, lach ich der Fürsten Herrschsucht und Ränke. Georg! Schickt ihr nur euren gefälligen Weislingen herum zu Vettern und Gevattern, lasst mich anschwärzen. Nur immerzu. Ich bin wach. Du warst mir entwischt Bischof! So mag denn dein lieber Weislingen die Zeche bezahlen. Georg! hört der Junge nicht! Georg! Georg!

Der Bub im Panzer eines Erwachsenen.

GEORG

Gestrenger Herr!

GÖTZ

Wo stickst du! Hast du geschlafen? Was zum Henker treibst du für Mummerei? Komm her du siehst gut aus. Schäm dich nicht Junge. Du bist brav! ja, wenn du ihn ausfülltest. Es ist Hansens Kürass?

GEORG

Er wollt ein wenig schlafen, und schnallt’ ihn aus.

GÖTZ

Er ist bequemer als sein Herr.

GEORG

Zürnt nicht. Ich nahm ihn leise weg, und legt ihn an, und holt meines Vaters altes Schwert von der Wand, lief auf die Wiese und zog’s aus.

GÖTZ

Und hiebst um dich herum? Da wird’s den Hecken und Dornen gut gegangen sein. Schläft Hans?

GEORG

Auf Euer Rufen sprang er auf und schrie mir, dass Ihr rieft. Ich wollt ihn ausschnallen, da hört ich euch zwei-dreimal.

GÖTZ

Geh! bring ihm seinen Panzer wieder, und sag ihm, er soll bereit sein, soll nach den Pferden sehen.

GEORG

Die hab ich recht ausgefüttert, und wieder aufgezäumt. Ihr könnt aufsitzen wann ihr wollt.

GÖTZ

Bring mir einen Krug Wein, gib Hansen auch ein Glas, sag ihm, er soll munter sein, es gilt. Ich hoffe jeden Augenblick meine Kundschafter sollen zurückkommen.

GEORG

Ach gestrenger Herr!

GÖTZ

Was hast du?

GEORG

Darf ich nicht mit?

GÖTZ

Ein andermal Georg, wann wir Kaufleute fangen und Fuhren wegnehmen.

GEORG

Ein andermal, das habt Ihr schon oft gesagt, o diesmal, diesmal. Ich will nur hintendrein laufen, nur auf der Seite lauren. Ich will Euch die verschossene Bolzen wiederholen.

GÖTZ

Das nächste Mal Georg. Du sollst erst einen Wams haben, eine Blechhaube, und einen Spieß.

GEORG

Nehmet mich mit. Wär ich letzt dabei gewesen, Ihr hättet die Armbrust nicht verloren.

GÖTZ

Weißt du das?

GEORG

Ihr warft sie dem Feind an Kopf, und einer von den Fußknechten hub sie auf, weg war sie. Gelt ich weiß.

GÖTZ

Erzählen dir das meine Knechte?

GEORG

Wohl. Dafür pfeif ich ihnen auch, wenn wir die Pferde striegeln, allerlei Weisen, und lerne sie allerlei lustige Lieder.

GÖTZ

Du bist ein braver Junge.

GEORG

Nehmt mich mit, dass ich’s zeigen kann.

GÖTZ

Das nächste Mal, auf mein Wort. Unbewaffnet wie du bist, sollst du nicht in Streit. Die künftigen Zeiten brauchen auch Männer. Ich sage dir Knabe, es wird eine teure Zeit werden, Fürsten werden ihre Schätze bieten um einen Mann den sie jetzt hassen. Geh Georg, gib Hansen seinen Kürass wieder, und bring mir Wein. (Georg ab.) Wo meine Knechte bleiben! Es ist unbegreiflich. Ein Mönch! Wo kommt der noch her?

Bruder MARTIN kommt.

GÖTZ

Ehrwürdiger Vater, guten Abend! woher so spät? Mann der heiligen Ruhe, Ihr beschämt viel Ritter.

MARTIN

Dank Euch edler Herr! Und bin vorderhand nur demütiger Bruder, wenn’s ja Titul sein soll. Augustin mit meinem Klosternamen, doch hör ich am liebsten Martin meinen Taufnamen.

GÖTZ

Ihr seid müd Bruder Martin, und ohne Zweifel durstig! (Der Bub kommt.) Da kommt der Wein eben recht.

MARTIN

Für mich einen Trunk Wasser. Ich darf keinen Wein trinken.

GÖTZ

Ist das Euer Gelübde?

MARTIN

Nein gnädiger Herr, es ist nicht wider mein Gelübde Wein zu trinken; weil aber der Wein wider mein Gelübde ist; so trinke ich keinen Wein.

GÖTZ

Wie versteht Ihr das?

MARTIN

Wohl Euch, dass Ihr’s nicht versteht. Essen und trinken mein ich, ist des Menschen Leben.

GÖTZ

Wohl!

MARTIN

Wenn Ihr gessen und trunken habt, seid Ihr wie neu geboren. Seid stärker, mutiger, geschickter zu Eurem Geschäft. Der Wein erfreut des Menschen Herz, und die Freudigkeit ist die Mutter aller Tugenden. Wenn Ihr Wein getrunken habt, seid Ihr alles doppelt, was Ihr sein sollt, noch einmal so leicht denkend, noch einmal so unternehmend, noch einmal so schnell ausführend.

GÖTZ

Wie ich ihn trinke, ist es wahr.

MARTIN

Davon red ich auch. Aber wir –

GEORG

(mit Wasser).

GÖTZ (zu Georg heimlich)

Geh auf den Weg nach Dachsbach, und leg dich mit dem Ohr auf die Erde, ob du nicht Pferde kommen hörst, und sei gleich wieder hier.

MARTIN

Aber wir, wenn gessen und trunken haben, sind wir grad das Gegenteil von dem, was wir sein sollen. Unsere schläfrige Verdauung stimmt den Kopf nach dem Magen, und in der Schwäche einer überfüllten Ruhe erzeugen sich Begierden, die ihrer Mutter leicht über den Kopf wachsen.

GÖTZ

Ein Glas, Bruder Martin, wird Euch nicht im Schlaf stören. Ihr seid heute viel gegangen. (Bringt’s ihm.) Alle Streiter!

MARTIN

In Gottes Namen, (sie stoßen an) ich kann die müßige Leut nicht ausstehen, und doch kann ich nicht sagen, dass alle Mönche müßig sind, sie tun was sie können. Da komm ich von St. Veit, wo ich die letzte Nacht schlief. Der Prior führte mich in Garten, das ist nun ihr Bienenkorb. Fürtrefflicher Salat! Kohl nach Herzenslust! Und besonders Blumenkohl und Artischocken, wie keine in Europa!

GÖTZ

Das ist also Eure Sache nicht. (Er steht auf sieht nach dem Jungen und kommt wieder.)

MARTIN

Wollte, Gott hätte mich zum Gärtner oder Laboranten gemacht, ich könnte glücklich sein. Mein Abt liebt mich, mein Kloster ist Erfurt in Sachsen, er weiß ich kann nicht ruhn, da schickt er mich herum, wo was zu betreiben ist. Ich geh zum Bischof von Konstanz.

GÖTZ

Noch eins! Gute Verrichtung!

MARTIN

Gleichfalls!

GÖTZ

Was seht Ihr mich so an, Bruder?

MARTIN

Dass ich in Euren Harnisch verliebt bin.

GÖTZ

Hättet Ihr Lust zu einem? Es ist schwer und beschwerlich ihn zu tragen.

MARTIN

Was ist nicht beschwerlich auf dieser Welt, und mir kommt nichts beschwerlicher vor, als nicht Mensch sein dürfen. Armut, Keuschheit und Gehorsam. Drei Gelübde, deren jedes, einzeln betrachtet, der Natur das unausstehlichste scheint, so unerträglich sind sie alle. Und sein ganzes Leben unter dieser Last, oder der weit drückendern Bürde des Gewissens mutlos zu keichen! O Herr! was sind die Mühseligkeiten Eures Lebens, gegen die Jämmerlichkeiten eines Stands, der die besten Triebe, durch die wir werden, wachsen und gedeihen, aus missverstandner Begierde Gott näher zu rücken, verdammt.

GÖTZ

Wäre Euer Gelübde nicht so heilig, ich wollte Euch bereden einen Harnisch anzulegen, wollt’ Euch ein Pferd geben, und wir zögen miteinander.

MARTIN

Wollte Gott, meine Schultern fühlten sich Kraft, den Harnisch zu ertragen, und mein Arm die Stärke, einen Feind vom Pferd zu stechen! – Arme schwache Hand, von jeher gewöhnt Kreuze und Friedensfahnen zu führen, und Rauchfässer zu schwingen, wie wolltest du Lanze und Schwert regieren? Meine Stimme, nur zu Ave und Halleluja gestimmt, würde dem Feind ein Herold meiner Schwäche sein, wenn ihn die Eurige überwältigte. Kein Gelübde sollte mich abhalten, wieder in den Orden zu treten, den mein Schöpfer selbst gestiftet hat.

GÖTZ

Glückliche Retour!

MARTIN

Das trinke ich nur für Euch. Wiederkehr in meinen Käfig, ist allemal unglücklich. Wenn Ihr wiederkehrt Herr, in Eure Mauren, mit dem Bewusstsein Eurer Tapferkeit und Stärke, der keine Müdigkeit etwas anhaben kann, Euch zum ersten Mal nach langer Zeit, sicher für feindlichem Überfall, entwaffnet auf Euer Bette streckt, und Euch nach dem Schlaf dehnt, der Euch besser schmeckt, als mir der Trunk, nach langem Durst; da könnt Ihr von Glück sagen!

GÖTZ

Davor kommt’s auch selten.

MARTIN (feuriger)

Und ist wenn’s kommt, ein Vorschmack des Himmels. – Wenn Ihr zurückkehrt mit der Beute Eurer Feinde beladen, und Euch erinnert: den stach ich vom Pferd, eh er schießen konnte, und den rannt ich samt dem Pferd nieder, und dann reitet Ihr zu Eurem Schloss hinauf, und –

GÖTZ

Was meinet Ihr?

MARTIN

Und Eure Weiber! (Er schenkt ein.) Auf Gesundheit Eurer Frau! (Er wischt sich die Augen.) Ihr habt doch eine?

GÖTZ

Ein edles fürtreffliches Weib!

MARTIN

Wohl dem, der ein tugendsam Weib hat! des lebet er noch eins so lang. Ich kenne keine Weiber, und doch war die Frau die Krone der Schöpfung.

GÖTZ (vor sich)

Er dauert mich! Das Gefühl seines Standes frisst ihm das Herz.

GEORG (gesprungen)

Herr! ich höre Pferde im Galopp! Zwei! Es sind sie gewiss.

GÖTZ

Führ mein Pferd heraus, Hans soll aufsitzen. Lebt wohl teurer Bruder, Gott geleit’ Euch. Seid mutig und geduldig. Gott wird Euch Raum geben.

MARTIN

Ich bitt um Euren Namen.

GÖTZ

Verzeiht mir. Lebt wohl. (Er reicht ihm die linke Hand.)

MARTIN

Warum reicht Ihr mir die Linke? Bin ich die ritterliche Rechte nicht wert?

GÖTZ

Und wenn Ihr der Kaiser wärt, Ihr müsstet mit dieser vorlieb nehmen. Meine Rechte, obgleich im Kriege nicht unbrauchbar, ist gegen den Druck der Liebe unempfindlich. Sie ist eins mit ihrem Handschuh, Ihr seht, er ist Eisen.

MARTIN

So seid Ihr Götz von Berlichingen! Ich danke dir Gott, dass du mich ihn hast sehen lassen, diesen Mann den die Fürsten hassen, und zu dem die Bedrängten sich wenden. (Er nimmt ihm die rechte Hand.) Lasst mir diese Hand, lasst mich sie küssen.

GÖTZ

Ihr sollt nicht.

MARTIN

Lasst mich. Du mehr wert als Reliquienhand, durch die das heiligste Blut geflossen ist, totes Werkzeug, belebt durch des edelsten Geistes Vertrauen auf Gott!

GÖTZ

(setzt den Helm auf und nimmt die Lanze).

MARTIN

Es war ein Mönch bei uns vor Jahr und Tag, der Euch besuchte, wie sie Euch abgeschossen ward vor Landshut, wie er uns erzählte, was Ihr littet, und wie sehr es Euch schmerzte, zu Eurem Beruf verstümmelt zu sein, und wie Euch einfiel, von einem gehört zu haben, der auch nur eine Hand hatte, und als tapferer Reutersmann doch noch lange diente. Ich werde das nie vergessen.

Die zwei Knechte kommen.

GÖTZ

(zu ihnen. Sie reden heimlich).

MARTIN (fährt inzwischen fort)

Ich werde das nie vergessen, wie er im edelsten einfältigsten Vertrauen auf Gott sprach: und wenn ich zwölf Händ hätte, und deine Gnad wollt’ mir nicht, was würden sie mir fruchten, so kann ich mit Einer –

GÖTZ

In den Haslacher Wald also. (Kehrt sich zu Martin.) Lebt wohl werter Bruder Martin. (Er küsst ihn.)

MARTIN

Vergesst mein nicht, wie ich Eurer nicht vergesse. (Götz ab.) Wie mir’s so eng ums Herz ward, da ich ihn sah. Er redete nichts, und mein Geist konnte doch seinigen unterscheiden. Es ist eine Wollust, einen großen Mann zu sehn.

GEORG

Ehrwürdiger Herr, Ihr schlaft doch bei uns?

MARTIN

Kann ich ein Bett haben?

GEORG

Nein Herr! Ich kenne Better nur vom Hörensagen, in unsrer Herberg ist nichts als Stroh.

MARTIN

Auch gut. Wie heißt du?

GEORG

Georg, ehrwürdiger Herr!

MARTIN

Georg! da hast du einen tapfern Patron.

GEORG

Sie sagen er wäre ein Reuter gewesen, das will ich auch sein.

MARTIN

Warte. (Er zieht ein Gebetbuch hervor, und gibt dem Buben einen Heiligen.) Da hast du ihn. Folge seinem Beispiel, sei brav und fürchte Gott. (Martin geht.)

GEORG

Ach ein schöner Schimmel, wenn ich einmal so einen hätte! – und die goldene Rüstung! – Das ist ein garstiger Drach – Jetzt schieß ich nach Sperlingen – Heiliger Georg! mach mich groß und stark, gib mir so eine Lanze, Rüstung und Pferd, dann lass mir die Drachen kommen.

Jagsthausen. Götzens Burg.

ELISABETH, seine Frau. MARIA, seine Schwester. CARL, sein Söhnchen.

CARL

Ich bitte dich, liebe Tante, erzähl mir das noch einmal vom frommen Kind, ’s is gar zu schön.

MARIA

Erzähl du mir’s kleiner Schelm, da will ich hören ob du Acht gibst.

CARL

Wart e bis, ich will mich bedenken – Es war einmal – ja – es war einmal ein Kind, und sein Mutter war krank, da ging das Kind hin.

MARIA

Nicht doch. Da sagte die Mutter, liebes Kind –

CARL

Ich bin krank.

MARIA

Und kann nicht ausgehn.

CARL

Und gab ihm Geld und sagte, geh hin, und hol dir ein Frühstück. Da kam ein armer Mann.

MARIA

Das Kind ging, da begegnet’ ihm ein alter Mann der war – nun Carl!

CARL

Der war – alt.

MARIA

Freilich! Der kaum mehr gehen konnte, und sagte: liebes Kind –

CARL

Schenk mir was, ich hab kein Brot gessen gestern und heut, da gab ihm ’s Kind das Geld.

MARIA

Das für sein Frühstück sein sollte.

CARL

Da sagte der alte Mann –

MARIA

Da nahm der alte Mann, das Kind –

CARL

Bei der Hand, und sagte, und ward ein schöner glänziger Heiliger, und sagte: Liebes Kind –

MARIA

Für deine Wohltätigkeit, belohnt dich die Mutter Gottes durch mich, welchen Kranken du anrührst –

CARL

Mit der Hand – es war die rechte glaub ich.

MARIA

Ja.

CARL

Der wird gleich gesund.

MARIA

Da lief ’s Kind nach Haus, und konnt für Freuden nichts reden.

CARL

Und fiel seiner Mutter um den Hals, und weinte für Freuden –

MARIA

Da rief die Mutter, wie ist mir! und war – nun Carl.

CARL

Und war – und war –

MARIA

Du gibst schon nicht Acht – und war gesund. Und das Kind kurierte König und Kaiser, und wurde so reich, dass es ein großes Kloster bauete.

ELISABETH

Ich kann nicht begreifen wo mein Herr bleibt. Schon fünf Tag und Nächte, dass er weg ist, und er hoffte so bald seinen Streich auszuführen.

MARIA

Mich ängstigt’s lang. Wenn ich so einen Mann haben sollte, der sich immer Gefahren aussetzte, ich stürbe im ersten Jahr.

ELISABETH

Dafür dank ich Gott, dass er mich härter zusammengesetzt hat.

CARL

Aber muss dann der Papa ausreiten, wenn’s so gefährlich ist?

MARIA

Es ist sein guter Wille so.

ELISABETH

Wohl muss er lieber Carl.

CARL

Warum?

ELISABETH

Weißt du noch, wie er das letzte Mal ausritt, da er dir Weck mitbrachte?

CARL

Bringt er mir wieder mit?

ELISABETH

Ich glaub wohl. Siehst du, da war ein Schneider von Stuttgart, der war ein trefflicher Bogenschütz, und hatte zu Köln auf’m Schießen das Beste gewonnen.

CARL

War’s viel?

ELISABETH

Hundert Taler. Und darnach wollten sie’s ihm nicht geben.

MARIA

Gelt, das ist garstig Carl.

CARL

Garstige Leut!

ELISABETH

Da kam der Schneider zu deinem Vater und bat ihn, er möchte ihm zu seinem Geld verhelfen. Und da ritt er aus und nahm den Kölnern ein paar Kaufleute weg und plagte sie so lang bis sie das Geld herausgaben. Wärst du nicht auch ausgeritten?

CARL

Nein, da muss man durch einen dicken dicken Wald, sind Zigeuner und Hexen drin.

ELISABETH

Is ein rechter Pursch, fürcht sich vor Hexen.

MARIA

Du tust besser Carl, leb du einmal auf deinem Schloss, als ein frommer christlicher Ritter. Auf seinen eigenen Gütern findet man zum Wohltun Gelegenheit genug. Die rechtschaffensten Ritter begehen mehr Ungerechtigkeit als Gerechtigkeit auf ihren Zügen.

ELISABETH

Schwester du weißt nicht was du redst. Gebe nur Gott dass unser Junge mit der Zeit braver wird, und dem Weislingen nicht nachschlägt, der so treulos an meinem Mann handelt.

MARIA

Wir wollen nicht richten Elisabeth. Mein Bruder ist sehr erbittert, du auch. Ich bin bei der ganzen Sache mehr Zuschauer, und kann billiger sein.

ELISABETH

Er ist nicht zu entschuldigen.

MARIA

Was ich von ihm gehört, hat mich eingenommen. Erzählte nicht selbst dein Mann so viel Liebs und Guts von ihm! Wie glücklich war ihre Jugend als sie zusammen Edelknaben des Markgrafen waren.

ELISABETH

Das mag sein. Nur sag, was kann der Mensch je Gutes gehabt haben, der seinem besten treusten Freunde nachstellt, seine Dienste den Feinden meines Manns verkauft, und unsern trefflichen Kaiser, der uns so gnädig ist, mit falschen widrigen Vorstellungen einzunehmen sucht.

CARL

Der Papa! Der Papa! Der Türner bläst’s Liedel: Heisa mach ’s Tor auf.

ELISABETH

Da kommt er mit Beute.