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Der erste Fall für die Bierstädter Reporterin Maria Grappa entwickelt sich gleich zu einer verhängnisvollen Affäre. Maria Grappa recherchiert zwei ungeklärte Todesfälle: die der Quoten-Bürgermeisterin Lisa Korn und des Gigolos Richie Mansfeld. Dabei lernt die Reporterin den zwielichtig-charmanten Edel-Kneipier Michael Muradt kennen. Macht er mit den Mördern gemeinsame Sache?
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Seitenzahl: 276
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Der erste Fall für die Bierstädter Reporterin Maria Grappa entwickelt sich gleich zu einer verhängnisvollen Affäre.
Maria Grappa recherchiert zwei ungeklärte Todesfälle: die der Quoten-Bürgermeisterin Lisa Korn und des Gigolos Richie Mansfeld. Dabei lernt die Reporterin den zwielichtig-charmanten Edel-Kneipier Michael Muradt kennen.
Macht er mit den Mördern gemeinsame Sache?
*
»Das ist Reviermilieu in voller Miefigkeit und es stimmt genau, und die Grappa ist mit einer solchen Identifikation und Selbstironie gezeichnet, dass man sie einfach lieb haben muss.«
E-Book © 2013 by GRAFIT Verlag GmbH
(korrigiert nach den reformierten Regeln deutscher Rechtschreibung)
Originalausgabe © 1994 by GRAFIT Verlag GmbH
Chemnitzer Str. 31, D-44139 Dortmund
Internet: http://www.grafit.de/
E-Mail: [email protected]
Alle Rechte vorbehalten.
Umschlagillustration: Peter Bucker
eISBN 978-3-89425-980-8
Gabriella Wollenhaupt
Gabriella Wollenhaupt, Jahrgang 1952, arbeitet als Fernsehredakteurin in Dortmund.
Als Kriminalschriftstellerin debütierte sie im Frühjahr 1993 mit Grappas Versuchung. Es folgten zahlreiche weitere Romane mit und ohne Grappa. Sämtliche Ermittlungen der rothaarigen Reporterin sind als E-Book lieferbar (hier).
www.gabriella-wollenhaupt.de
(in alphabetischer Reihenfolge)
Dr. Arno Asbach, Fraktionschef der Bunten, wandelnder Karriereknick mit erheblichen Webfehlern.
Hajo Brunne, wie alle Fotografen träumt er von blonden Models und viel Geld.
Gregor Gottwald, der Oberbürgermeister. Steckt alle in die Tasche und klebt an seinem Stuhl.
Maria Grappa, Journalistin, immer auf der Suche nach der Wahrheit. Nach mörderischen Erfahrungen muss sie sich mit der Wirklichkeit zufriedengeben.
Kurt und Lisa Korn, Bauunternehmer und Bürgermeisterin. Die Kombination der beiden Berufe des Ehepaares führt zu einem millionenschweren Geldsegen.
Richie Mansfeld, jung und tot. Und allen ist es egal.
Michael Muradt, schön und kultiviert. Lügt nur leider ein bisschen viel.
Manfred Poppe, Radiomann mit der schönsten Stimme nördlich des Äquators.
Karl Riesling, Chef des Lokalradios. Erst spät findet er zu seiner wahren Berufung.
Willy Stalinski, Chef der Mehrheitsfraktion. Hat alles und jeden im Griff.
Heinz Strickmann, Staatsanwalt, der Damen gern bei Pannen hilft.
Elfriede Strunk, eine nette alte Dame, die nicht aus ihrer Wohnung ausziehen will und dafür büßen muss.
Die Geschichte spielt in Bierstadt, einer Großstadt im Revier, die nach einer neuen Identität sucht. Fußballverein, Brauereien und Stahl bestimmen aber noch immer das Leben der Menschen, die unter Wohnungsnot und Arbeitslosigkeit leiden. Trotzdem sind die Menschen offen und freundlich und versuchen, ihr Leben zu meistern.
Ähnlichkeiten zwischen real existierenden Personen und den Personen in dieser Geschichte sind rein zufällig, auch wenn sich Übereinstimmungen manchmal geradezu aufdrängen.
Für einen Tag Anfang März war es recht mild. Vier junge Männer verließen das Gasthaus »Zum Stier« gegen 23 Uhr. Einer der vier ging nicht mehr sicher auf seinen Beinen. Die drei anderen passten auf, dass er nicht hinfiel. Die vier hatten ein Ziel. Sie wollten den dunkelgrünen alten Mercedes erreichen, der um die Ecke im Halteverbot parkte. Behutsam schoben zwei der jungen Männer den dritten auf den hinteren Sitz, so, als hätten sie Angst, dass er sich verletzen könnte. Sie fuhren nicht weit und hielten auf dem Gelände der Universität an. Um diese Zeit war hier niemand – die vielen Autos der Studenten, die tagsüber kreuz und quer parkten, waren verschwunden.
Der Mann am Steuer stoppte und stieg aus. Die anderen beiden zerrten den jungen Mann vom hinteren Sitz ins Freie. Im Schein der Straßenlaterne war zu erkennen, dass der Mann blondes Haar hatte, recht groß war und dass dunkle Streifen vom Haaransatz bis zum Adamsapfel führten. Es sah aus wie Blut, das aus einer Kopfwunde geflossen und eingetrocknet war.
»Gib deine Hände«, forderte einer barsch. Der Blonde rührte sich nicht. Sie drehten ihm die Hände auf den Rücken und fesselten sie mit einem Kabel. Dasselbe geschah mit den Füßen.
Die anderen beiden gaben dem Blonden einen Stoß. Er fiel hin.
Der Fahrer des Wagens stieg ins Auto, setzte etwa 50 Meter zurück, legte den Vorwärtsgang ein und gab Gas. Die beiden sahen ungerührt zu, wie der alte Wagen über den Mann auf dem Boden rollte.
Zehn Meter hinter dem Opfer, das sich noch bewegte und wimmerte, legte der Fahrer mit einem Ruck den Rückwärtsgang ein und fuhr noch einmal langsam über den Körper am Boden.
»Das dürfte reichen«, sagte einer der Zuschauer und zündete sich eine Zigarette an. Er zog gierig an ihr und sie glimmte auf. »Lass uns weg hier«, drängelte er.
Doch der Fahrer schüttelte den Kopf. Er hatte noch nicht genug, er wollte sicher sein. Er öffnete den Kofferraum des alten Wagens, der mit Quietschen aufsprang, und holte ein Abschleppseil heraus. Er band es um die Knöchel des Toten, verknotete es und legte das Ende des Seils um den Abschlepphaken.
Die drei stiegen ein, der Fahrer gab Gas. Der Körper wurde mitgeschleift, überschlug sich ein paar Mal, doch das Seil hielt.
Der Fahrer stoppte und stieg aus. »Jetzt ist er hin«, konstatierte er und drückte seine Zigarette auf dem Boden aus. »Packt mit an!«
Gehorsam stiegen die beiden aus und halfen, den leblosen, blutüberströmten Körper in den Kofferraum zu legen. Dann fuhren sie los in Richtung Norden. Das Auto hielt vor einer Bundesbahnbrücke und die drei schleppten den Körper die Böschung hinauf und legten ihn mitten zwischen die Schienen, so, dass Arme und Beine ausgebreitet auf den Schottersteinen lagen.
Sie hatten eine häufig befahrene Strecke ausgewählt. Hier verkehrten in regelmäßigen Abständen Güterzüge, S-Bahnen und die schnellen Intercitys.
Es dauerte deshalb auch nicht lange, bis ein Zug sein Kommen ankündigte. Einer schaute auf die Uhr. »Pünktlich! Der Intercity Basel–Dortmund.«
Die drei traten etwas zurück. Dann kam der Zug. Mit Tempo 120 überfuhr der Stahlkoloss den Körper des Blonden und zerfetzte ihn.
»Sauerei«, murrte einer der Zuschauer und wischte sich mit einem Taschentuch ein Stück blutiger Masse von der Hose. Die Hand säuberte er notdürftig und leise fluchend an dem Gras, das den Bahndamm spärlich bewuchs.
»So, das wär's«, der Fahrer drehte um und die anderen kletterten mit ihm die Böschung herunter. »Der ist tot, toter geht's nicht.« Die beiden anderen lachten. Es war ein Lachen der Zufriedenheit. Hier war ein Job schnell und ohne Spuren erledigt worden.
»Meine Kehle ist verdammt trocken, ich brauch ein kühles Blondes.«
»Und ich eine heiße Blonde«, wieherte einer der drei im Dunkeln. »Dann lass uns hier verschwinden.« Ein paar Augenblicke später lag der Bahndamm wieder verlassen und einsam da. Die Dunkelheit deckte einen Schleier über die blutigen Überreste eines jungen Mannes, dessen Leben mit ganz gewöhnlicher, fast schon alltäglicher Gewalt beendet worden war.
Das Verhältnis zwischen meinem Chef und mir ist von tiefer, gegenseitiger Achtung geprägt. Er denkt »Achtung!«, wenn er mich sieht und ich denke dasselbe, wenn er mir über den Weg läuft. Ich verließ gerade das Funkhaus, verstaute den Kassettenrekorder im Auto, als er mir entgegenrief: »Nun, Fräulein Grappa, geht's wieder auf Recherche?«
»Frau Grappa bitte, Herr Riesling. Eine Reporterin ist immer auf Achse. Aber, wem sage ich das? Ihre letzte Reportage vor 15 Jahren beeindruckt mich noch heute.«
Ich sah, wie er rot anlief. Er wusste, dass er im Funkhaus »der Schreibtischtäter« genannt wurde. Und er fand das – im Gegensatz zu mir und meinen Kollegen – überhaupt nicht komisch.
Riesling kochte. Doch Schlagfertigkeit war nie seine Stärke gewesen. Er hielt es mehr mit Schüssen aus dem Hinterhalt, die dann einschlugen, wenn sein Opfer an nichts Böses dachte.
Ich wartete ab, was er sagen würde. Denn er würde antworten, das sah ich ihm an. Sein Hals war angeschwollen, seine Mundwinkel zuckten, doch die Worte wollten nicht so recht kommen. Kleine Sprachhemmung. Gar nicht gut für einen Journalisten, den eine schnelle Reaktionsfähigkeit auszeichnen sollte.
Doch bei manchen dauern die Schrecksekunden halt minutenlang. Ich sah ihn amüsiert an. Was würde kommen? Einige Dinge aus seinem mageren Repertoire kannte ich schon.
Na endlich, er hatte eine Antwort gefunden, denn er öffnete den Mund und holte Luft. Ich schaute ihn interessiert an und legte ein mildes Lächeln in meine Züge.
»Sie und arbeiten? Ich kann mich auch noch an die drei Gebote eines Reporters erinnern«, zischte er, »tarnen, täuschen und verpissen …«
Den Spruch kannte ich wirklich schon. Schade, ich hatte was Neues erwartet. Ich schwieg, denn ich hatte mir vorgenommen, meine manchmal etwas derben Umgangsformen zu verfeinern und nicht in jedes Messer zu laufen, das mir hingehalten wurde. Sollte er mich doch kreuzweise, der Dödel.
Ich winkte ihm nur noch freundlich zu und gab Gas und machte mich auf den Weg. Eigentlich war der Schreibtischtäter kein Problem für mich. Er würde mich in Ruhe lassen, solange ich die Leichen in seinem Keller nicht ans Tageslicht zerrte.
Solange ich ihn zum Beispiel nicht daran erinnern würde, dass er vor fünf Jahren von der Stadt ein preiswertes Grundstück direkt neben einem Naherholungsgebiet erhalten hatte. Ein Grundstück, das sicherlich viele gern gekauft hätten – etwa 800 Quadratmeter für 70.000 Mark in allerbester Wohnlage.
Und das in einer Stadt wie Bierstadt, wo Grundstücke in solcher Lage mindestens 250 bis 300 Mark pro Quadratmeter kosten – wenn es sie überhaupt zu kaufen gab.
Er würde mich in Ruhe lassen, solange ich ihn nicht daran erinnern würde, warum er in einer Zeit der hohen Zinsen einen äußerst günstigen Kredit bei der Stadtsparkasse erhalten hatte. Solange ich nicht ausplaudern würde, dass er in keiner seiner bevorzugten Gaststätten in Bierstadt das Portemonnaie rausholen musste, bevor er ging. Oder – dass Bierstädter Autohäuser ihm seine Autos zu Testzwecken lieferten und er so immer in den neuesten Modellen durchs Städtchen kutschieren konnte. Machte Eindruck bei den Mädels und bei seinen Kumpanen im Rotary-Klub, der Mann von Welt mit Haus und Autos und einem Radiosender, den er stolz »mein Dampfradio« nannte.
Vor 30 Jahren hatte der Schreibtischtäter noch Sporttabellen ins Reine getippt und war gern gesehener Gast in Ortsvereinsversammlungen und bei Heimatfesten gewesen. Langsam und stetig hatte er sich hochgebuckelt und nun war unsere Redaktion mit ihm gestraft. Ich seufzte tief, während ich mit meinem Auto vom Funkhaushof rollte.
Zwischen dem Schreibtischtäter und mir gab es seit vielen Monaten einen Waffenstillstand. Nicht offiziell vereinbart, sondern unausgesprochen und trotzdem wirksam. Ich hatte außerdem das Gefühl, dass er die Zeit bis zu seiner kurz bevorstehenden Pensionierung möglichst ohne viel Stress bewältigen wollte. Es sei ihm von Herzen gegönnt, dachte ich und war stolz auf meine Großzügigkeit.
Im Gasthaus »Zum Stier« war nicht viel los, noch nicht. Das gelb getünchte Haus war durch Anbauten quer durch die Jahrzehnte verwinkelt, der Eingang zur Gaststätte lag fast versteckt an der spitzen Seite des Hauses. Die schwere Holztür stammte noch aus Kaiser Wilhelms Zeiten.
Merkwürdig, dass Kneipen immer so schrecklich riechen müssen. Nach Rauch von Zigaretten, nach schalem Bier und den großen Sprüchen, die von betrunkenen Männern jeden Abend hier geklopft wurden.
Ich musste durch einen engen Gang, bevor ich den Schankraum betreten konnte. Nicht viel los, wie gesagt. Aber es war noch früh. Pulsierendes Bierstädter Kneipenleben gab's sowieso nur im Norden der Stadt und nicht hier in diesem Stadtteil, wo alles noch ländlich-sittlich ablief und in den die Großstadt noch nicht ihre Wunden geschlagen hatte.
Es kam mir merkwürdig vor, dass ein junger, inzwischen dahingeraffter Mann hier verkehrt haben sollte … weil sie weder eine Discothek noch eine Szenekneipe für junge Leute war, diese Gaststätte »Zum Stier«.
Ich schaute mich um. Ein Stammgast hob den Blick über den Rand seines Bierglases, als ich zielstrebig zum Tresen marschierte. Den Kassettenrekorder hatte ich erst mal im Auto gelassen, denn manche Leute reagieren allergisch auf das schwarze Ding.
Der Mann hinter dem Glas erwachte langsam. »Was will'en die Frau hier«, lallte er in Richtung Wirt und versuchte sich aufzurichten.
Auf dem Tresen standen noch die ungespülten Gläser von gestern, die Aschenbecher auf den Tischen waren voller Kippen, und aus Richtung Klo zog der zarte Duft von Urinstein in meine Nase. Ich musste niesen und schüttelte mich.
Miese Atmosphäre, ich hasste solche Kneipen, aber manchmal hatte ich beruflich drin zu tun. Wie jetzt. Ich ging zur Bar. Der Wirt musterte mich schräg. »Bitte?«
»Ein Wasser, ohne Eis und Zitrone.«
»Eis ham wer sowieso nicht.«
»Na prima!«, gab ich zurück.
Es klirrte, als er die Flasche auf den Tresen knallte. Dann knallte er noch ein Glas daneben. Ich goss mir ein und setzte die Lippen vorsichtig ans Glas und nippte. Das Wasser war badwarm und schmeckte wie abgekaute Fingernägel.
»Vor zwei Wochen«, begann ich, »soll es hier eine Schlägerei gegeben haben …«
»Kloppereien gibt's hier immer. Das liegt an der Gegend.«
»Ich dachte, so was liegt eher an den Gästen … Also konkret: Skinheads gegen einen jungen Mann, blond, eins fünfundachtzig, Typ Gottschalk für Arme.«
Er knurrte. »Ich hab der Polizei schon alles gesagt. Was wollen Sie noch und wer sind Sie überhaupt, dass Sie hier reinschneien und Fragen stellen?«
»Ich bin vom Lokalradio. Ich mache eine Serie über ungeklärte Mordfälle.«
»Wieso Mord? Der hat sich doch selbst auf die Schienen gelegt. Probleme mit der Freundin, was weiß ich.«
»Also erinnern Sie sich doch?«
»Nix tu ich! Stand doch alles in der Zeitung.« Er kam hinter dem Tresen auf mich zu. »Hören Sie mal, Frollein. Ob der hier war, weiß ich nicht. Kann sein, aber kann auch nich' sein. Ich lass mir von meinen Gästen nicht den Ausweis zeigen, bevor sie ein Bier kriegen. Kapiert?«
Ich schüttelte den Kopf und versuchte es trotzdem weiter. »Da sollen noch drei Leute dabei gewesen sein, so hat es einer Ihrer Gäste der Polizei erzählt. Kannten Sie die? Waren die inzwischen wieder da? Die drei Leute, meine ich?«
»Ich weiß nicht, wen Sie meinen. Und ich will es auch nicht wissen. Wir alle müssen mal sterben und jetzt raus.«
Ich wurde wütend. Was bildete sich der Kerl ein? »Hören Sie, so können Sie mit mir nicht umspringen.«
»So?«, fragte er und kam ein bisschen näher. »Und wie wollen Sie's gerne haben, junge Frau?« Er nahm das ein, was im Polizeideutsch eine »drohende Haltung« genannt wird.
Ich machte mich abflugfertig und rutschte schnell vom Barstuhl runter. Jetzt mischte sich auch noch der besoffene Gast vom Nebentisch ein, rappelte sich hoch und wollte mich »beschützen«.
»Hömma Heinz, so kannste doch mit 'ner Dame nich' umgehen. Nich‘, wenn ich dabei bin, da bin ich ganz eigen!« Er torkelte auf uns zu, sich redlich bemühend, den Weg zu finden.
»Setz dich hin, Paul und spiel nicht den Helden«, blaffte ihn Heinz unbeeindruckt an. Das half. Paul setzte sich und spielte nicht den Helden.
Heinz kam noch näher, er stank nach altem Schweiß und frischem Spülmittel. »Wenn Sie mich anfassen, haben Sie in zehn Minuten die Polente da!«, drohte ich mit etwas kläglicher Stimme.
»Ach nee. Da schlottere ich ja vor Angst. Und jetzt raus hier und zwar plötzlich.«
Da ich klüger war als Heinz, gab ich nach und trollte mich. Nicht jeder Tag ist ein erfolgreicher. Vorher hatte ich noch locker zwei Mark auf den Bierdeckel gelegt. »Für das Wasser und Ihre Mühe.« Und in der Tür sagte ich: »Bis bald, ich komme wieder.« Auch das schien ihn nicht weiter zu erschrecken, denn er machte Anstalten, mir wieder näher auf den Pelz zu rücken.
Ich sah zu, dass ich in mein Auto kam und gab Gas. Der Wagen knallte vom Bordstein runter. Irgendwann würde ich mir die Achse bei solchen Fluchtmanövern ruinieren.
Die Sache mit dem Toten auf den Schienen war nicht ganz koscher. Mein Informant im Polizeipräsidium hatte mir etwas von Ungereimtheiten erzählt. Das viele Blut an der Böschung, Hirnmasse im Gras und Schleif- und Reifenspuren. Keiner, der sich verzweifelt vor den Zug schmeißt, haut sich vorher so eins auf den Kopf, dass der Schädel zerspringt.
Das sah nach vertuschtem Mord aus. Und dann die Sache mit den drei Typen. Alles verdammt merkwürdig.
Der Schreibtischtäter war beim Oberbürgermeister von Bierstadt zum Hintergrundgespräch eingeladen, das konnte Stunden dauern. Gregor Gottwald, der Kaiser von Bierstadt, redete gern, und es war ihm irgendwie egal, wer ihm zuhörte. Hauptsache, es war überhaupt jemand da. Er stand auf Kriegsfuß mit den deutschen Fällen, verwechselte »als« und »wie« und »mir« und »mich«, was der Aussagekraft seiner Worte dennoch keinen Abbruch tat. Er wurde von den Bürgern verstanden, denn er sprach wie sie. Ohne Schnörkel und ohne Eiertanz.
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