Grenzenloses Verlangen nach dir - Joss Wood - E-Book

Grenzenloses Verlangen nach dir E-Book

Joss Wood

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Beschreibung

Sexy, muskelbepackt und verboten attraktiv! Darby Brogan ist nicht leicht zu begeistern, doch der Anblick von Milliardär Judah Huntley raubt selbst der smarten Architektin den Atem. Aber mit ihrem Konkurrenten zusammenarbeiten? Nein danke! Erst ein Engpass in ihrer Firma zwingt Darby, sich mit Judah zu arrangieren - und das nicht nur beruflich. Gemeinsam müssen sie sich auch noch um seine kleine Nichte kümmern. Plötzlich zeigt sich der Playboy von einer Seite, die ein grenzenloses Verlangen in Darby weckt …

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Seitenzahl: 206

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IMPRESSUM

BACCARA erscheint in der HarperCollins Germany GmbH

Redaktion und Verlag: Postfach 301161, 20304 Hamburg Telefon: +49(0) 40/6 36 64 20-0 Fax: +49(0) 711/72 52-399 E-Mail: [email protected]
Geschäftsführung:Jürgen WelteLeitung:Miran Bilic (v. i. S. d. P.)Produktion:Jennifer GalkaGrafik:Deborah Kuschel (Art Director), Birgit Tonn, Marina Grothues (Foto)

© 2018 by Joss Wood Originaltitel: „The Rival’s Heir“ erschienen bei: Harlequin Enterprises Ltd., Toronto in der Reihe: DESIRE Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

© Deutsche Erstausgabe in der Reihe BACCARABand 2103 - 2019 by HarperCollins Germany GmbH, Hamburg Übersetzung: Charlotte Gatow

Abbildungen: Harlequin Books S. A., alle Rechte vorbehalten

Veröffentlicht im ePub Format in 10/2019 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 9783733725433

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:BIANCA, JULIA, ROMANA, HISTORICAL, TIFFANY

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PROLOG

Callie Brogan sah sich im überfüllten Ballsaal des Lockwood Country Clubs um und bahnte sich dann einen Weg Richtung Balkon. Sie hatte hier schon an vielen Partys teilgenommen und selbst welche veranstaltet und kannte deshalb alle Fluchtwege.

Noch ein paar Schritte – und sie stand an den Glastüren. Sie schob sich auf den schmalen Balkon und schloss die Tür hinter sich. Dunkelheit und Kälte machten ihr nichts aus. Im Gegenteil. Alles war besser als laute Musik, Gelächter und ununterbrochenes Geplapper. Angesichts des bevorstehenden neuen Jahres brauchte sie ein paar Minuten Ruhe zum Nachdenken.

Ray, ihr geliebter Mann, war seit vielen Jahren tot. Es wurde Zeit, ihn loszulassen. Sie konnte nicht an ihm festhalten, während sie eine Affäre mit dem Mann hatte, mit dem sie heute Abend hier war. Es war beiden gegenüber ungerecht.

Callie betrachtete den Ring, den ihr Ray vor mehr als dreißig Jahren über den Finger gestreift hatte. Es war an der Zeit, ihn abzunehmen. Sie gehörte nicht mehr zu Ray. Und obwohl sie mit Mason schlief – und zwar temperamentvoll und hitzig –, gehörte sie auch nicht zu ihm. Sie brauchte ein neues Leben, eins, das nur ihr gehörte. Sie wollte nicht mehr die sein, die sie war.

Aber wer war sie? Sie musste sich neu erfinden. Nur wie?

Bevor sie den Gedanken zu Ende denken konnte, wurde ihr ein weicher Mantel über die Schultern gelegt. Breite Hände umfassten ihre Hüften.

„Alles okay?“, fragte Mason. Sein warmer Atem strich über ihr Ohr.

„Ja“, antwortete Callie.

Sie schlang die Arme um Masons Nacken und setzte ein Lächeln auf. „Lass uns reingehen, uns einen Drink schnappen und tanzen“, sagte sie bemüht fröhlich.

Mason schüttelte den Kopf. „Ich beobachte dich seit zehn Minuten und habe gesehen, wie du mit deinem Ring gespielt hast.“

Callie blickte stirnrunzelnd auf ihre Hand, und der große Diamant blinzelte zurück. „Ja?“, erwiderte sie verwirrt.

Mason zwickte sich in den Nasenrücken. „Nur ein einziges Mal möchte ich irgendwohin gehen, Callie, wo es keine Erinnerungen an deinen Mann gibt.“ Bevor Callie sagen konnte, dass sie nicht an Ray gedacht hatte, fuhr Mason fort: „Wird es die nächsten Jahre so weitergehen? Ich frage, weil ich wissen möchte, wie lange ich mit ihm um deine Aufmerksamkeit konkurrieren muss.“

Callie erschrak, dann wurde sie ärgerlich. „Das ist unfair.“

„Nein, unfair ist, dass du innerlich weggehst, um mit ihm zusammen zu sein, während ich hier bin. Unfair ist, dass du diesen Ring trägst und ein Foto deines Mannes umgedreht in einer Schublade neben deinem Bett liegt, während ich dich zum Orgasmus bringe. Holst du ihn raus, wenn wir fertig sind, Callie? Stellst du ihn an seinen Platz zurück, nachdem ich gegangen bin?“

Genau das tat sie. Gott! Und Mason wusste es.

Abwehrend hob Callie die Hände. „Warum wirfst du mir das jetzt vor? Ich dachte, das zwischen uns sei nur eine Affäre. Warum klingst du so besitzergreifend und eifersüchtig?“

Mason öffnete den Mund, um zu antworten. Und fluchte. Dann wurde sein Blick kühl. „Du hast recht. Verzeih mir!“ Seine tiefe Stimme klang frostig.

Drinnen begann der Silvester-Countdown, und während die Menge brüllte, beugte sich Mason vor und küsste Callie auf die Wange. „Ein glückliches neues Jahr, Callie!“

Als Callie wenig später hineinging, war Mason verschwunden.

1. KAPITEL

Darby Brogan hörte nur mit halbem Ohr bei der Präsentation zu. Anders als die anderen Architekten im Raum, die aufmerksam zuhörten, war sie mit ihren Gedanken meilenweit entfernt vom Projekt ihres Lebens. Das neue Kunstmuseum für Boston zu entwerfen war plötzlich das Letzte, woran sie denken wollte.

Darby schlug die Beine übereinander, klopfte ungeduldig mit ihrem Handy auf ihrem Knie herum und feuerte den Sprecher innerlich an, sich zu beeilen. Modern, frisch, unverwechselbar, ökologisch … Ja, sie hatte es kapiert. Es stand alles in der Ausschreibung.

Ihr Handy vibrierte. Rasch las Darby die Nachricht, die in der Gruppe gepostet worden war, zu der außer ihr ihre Zwillingsschwester Jules und ihre beste Freundin und Geschäftspartnerin DJ gehörten.

Wo bist du? Warum kommst du nicht zurück? Wie war dein Treffen mit Dr. Mackenzie?

Schnell tippte Darby eine Antwort.

Bin bei der Präsentation für die Museumsausschreibung. In etwa einer Stunde müsste ich zurück sein.

Darby wartete auf Jules’ Antwort. Wie erwartet hatte sie nichts mit der Arbeit zu tun, sondern mit Darbys Arzttermin.

Erzähl es uns!

Darby wünschte sich, sie hätte DJ nicht erst neulich gebeten, offener und mitteilsamer zu sein. Das machte es für Darby schwerer, Geheimnisse vor ihrer besten Freundin und ihrer Zwillingsschwester zu haben.

Sieht nicht gut aus. Mir läuft die Zeit davon. Wenn ich ein Kind will, sollte ich die künstliche Befruchtung im nächsten halben Jahr machen lassen.

Sie wartete kurz und fügte dann hinzu:

Das ist also die schwere Entscheidung, die ich treffen muss. Und zwar schnell.

Weil nicht sofort eine Antwort kam, ging Darby davon aus, dass die beiden nachdachten.

Darby wollte Kinder. Mutter zu werden war ihr größter Wunsch. Aber obwohl sie wusste, dass sie Probleme bekommen würde, ein Kind auszutragen, hatte sie immer geglaubt, sie müsste sich mit dem Thema ihrer Unfruchtbarkeit nicht auseinandersetzen. Sie hatte geglaubt, sie hätte Zeit. Aber nein … Ihr Zustand war von „bedenklich“ zu „ernst“ hochgestuft worden, und sie hatte erfahren, dass ihre Gebärmutter in den nächsten Jahren entfernt werden musste.

Und sie war noch nicht mal dreißig!

Ich dachte, ich hätte einen Mann oder wenigstens einen Partner, wenn ich dahin gehen muss. Ich hätte nie geglaubt, dass ich es allein machen muss – wenn ich es machen lasse.

Du wirst nie allein sein!

Was Jules sagt, stimmt!

Die letzte Nachricht kam von DJ.

Die beiden waren großartig, und Darby liebte sie. Doch sie stellte sich starke Arme, eine breite Brust, eine männliche Perspektive vor. Man bezeichnete sie als schön, stark und smart. Aber sie ging jeden Abend allein ins Bett.

Es mit einer Alphafrau zu tun zu haben war schon schlimm genug für die meisten Männer. Eine Alphafrau mit einem Fruchtbarkeitsproblem schien zu viel für sie zu sein. Die Wahrheit war, dass Darby es sich nicht leisten konnte, noch länger auf einen Mann zu warten, der ebenfalls von einer Familie träumte. Sie konnte nicht noch mehr Zeit verschwenden. Wenn sie ein Kind wollte, musste sie es mit medizinischer Hilfe jetzt und allein bekommen.

Wieder poppte DJs Name auf ihrem Handy auf.

Wie können wir dir helfen?

Darby lächelte. Sie war so froh, dass sie diese beiden Frauen hatte. Sie ignorierte ihre brennenden Augen und straffte die Schultern. Natürlich waren es schlechte Nachrichten, aber sie hatte kein Todesurteil erhalten. Betrachte es nüchtern, Brogan! Humor – das wusste sie – war ein gutes Gegenmittel bei negativen Gedanken. Sie begann zu tippen.

Ich erwarte, dass ihr mir bei der Suche nach einem Samenspender helft.

Jules’ Antwort erschien auf dem Display.

Ein guter Grund, Kerle in der Öffentlichkeit zu begaffen. Ich bin dabei!

DJ schloss sich Jules an und fügte noch einige Emojis mit herzförmigen Augen hinzu. Darby wusste, dass die beiden nur nett sein wollten. Sie waren beide glücklich und bis über beide Ohren in smarte, erfolgreiche, unfassbar sexy Männer verliebt.

Darby war nicht neidisch … Nun ja, vielleicht ein bisschen.

Alle, sogar ihre Mutter, hatten heiße Typen im Bett. Jules war mit ihrem Jugendfreund verlobt; DJ und ihr On-off-Liebhaber hatten erst neulich beschlossen, endgültig zusammenzubleiben. Und Darbys Mutter Callie? Sie hatte eine Affäre mit einem heißen Mann, der zehn Jahre jünger war als sie.

Darby hätte nichts dagegen gehabt, einem sexy tätowierten Mann näherzukommen, mit dem man Spaß haben konnte. Ihr Leben hatte im vergangenen Jahr vor allem aus Arbeit und wenig Spaß bestanden. Eigentlich beschrieb das ihr gesamtes Leben. Sie machte überhaupt selten etwas aus Spaß, genau genommen fast nie.

Neulich war sie in der jüngsten Ausgabe einer bekannten Design-Publikation unter den vierzig aufregendsten Architekten unter vierzig genannt worden. Sie war Partnerin in einem der erfolgreichsten Architektenbüros in Boston, vielleicht sogar der gesamten Ostküste. Sie war ziemlich attraktiv, wohlhabend und gesund. Nun, jedenfalls abgesehen von ihren nervigen Fruchtbarkeitsorganen.

Und sie war alleinstehend. Ausgesprochen alleinstehend.

Sie fühlte Panik in sich aufsteigen. Was war, wenn sie nicht fähig war, jemanden zu lieben und Teil einer Beziehung zu sein? Was, wenn sie zu unabhängig, zu willensstark, zu konkurrenzbewusst war, um sich ein Leben mit einem Mann aufzubauen?

Ein Alleingang in Sachen Mutterschaft? Konnte sie das schaffen?

Darby setzte sich auf ihrem Platz zurecht. Sie wollte keine negativen Gedanken hegen. Sie wollte ein Kind und konnte als alleinerziehende Mutter klarkommen. Es war in Ordnung, dass sie ihrem Traummann bisher nicht begegnet war. Sie war froh, dass sie ihre wertvolle Zeit nicht mit einem Übergangskandidaten verbracht hatte.

Wenn sie sesshaft wurde, wollte sie jemanden, der sie unterstützte – und zwar in allem: Kinder, Karriere. Sie wollte eine stabile, respektvolle Beziehung.

Weltfrieden, ein Ende des Hungers …

Darby fiel auf, dass der Direktor der Organisation nicht mehr sprach. Sie sah sich im Ballsaal um und bemerkte, dass die Teilnehmer ihre Aufmerksamkeit jetzt dem anderen Ende des Raums zugewandt hatten. Als sie sich umdrehte, sah sie die einsame Gestalt an der Wand lehnen.

Oh!

Oh!Wow!

Judah Huntley sah in echt noch besser aus als auf den Bildern, die sie online von ihm gesehen hatte. Er war auch größer. Selbst groß gewachsen, schätzte sie ihn auf eins siebenundachtzig oder sogar eins neunzig, und unter seinem dunkelgrauen, offenbar von einem italienischen Designer stammenden Anzug wirkte sein Körper fester, härter und muskulöser, als sie erwartet hätte. Der Mann hatte eine trainierte Brust, lange Beine, starke Arme und ein maskulines Gesicht. Bartstoppeln bedeckten Wangen und Kinn; seine Nase wirkte, als sei sie ein- oder zweimal gebrochen gewesen, und sein dichtes, gewelltes espressofarbenes Haar sah aus, als würde er es nur mit den Fingern kämmen.

Sexy, muskelbepackt und der schlaueste Kopf seiner Generation.

Darby schluckte und spürte ihren trockenen Mund, ihr pochendes Herz. In ihrem Innern breitete sich eine ungewohnte Wärme aus. Willkommen zurück, Libido! Verdammt, es würde ihr nichts ausmachen, mit Judah Huntley um die Häuser zu ziehen.

Also Brogan, das klingt überhaupt nicht nach dir!

Die Männer, mit denen sie ausging und – sehr selten – schlief, mussten verdammt viel dafür tun, um sie dazu zu bringen. Judah Huntley hingegen hätte nur den kleinen Finger krümmen müssen, und sie würde angerannt kommen.

Vielleicht lag es an ihrer überdrehten Gemütsverfassung. Jedenfalls lechzte sie nach dem Mann da drüben.

Darby konnte die Augen nicht von Huntleys Gesicht abwenden, das dem eines gefallenen Engels glich.

Sei vernünftig, Brogan! Diese heftige Anziehung war nur eine kleine Abweichung, nichts, worum man sich Sorgen machen musste. Sie war von Judah Huntley nur deshalb beeindruckt, weil er ein phänomenaler Architekt war, weil er dieses brillante Ökohaus in Dänemark entworfen hatte und die ebenso brillante Skihütte in Davos sowie die neue Hauptverwaltung für eines der führenden Softwareunternehmen in Austin. Er war kreativ und innovativ, verband unterschiedliche Materialien und Techniken, was wunderbar funktionierte.

Und er war so sexy, dass es ihr in der Seele wehtat.

Ein Blick aus dunklen Augen – schwarz … blau? – unter starken Brauen traf sie.

Darby hatte das Gefühl, als schwanke der Boden unter ihr.

Ein kleines Lächeln erschien auf seinen Lippen. Sie legte sich die Hand aufs Herz. Gott, er sah sie an, als würde er überlegen, wie sie nackt aussah!

Er stellte sich gerade hin, schob die Hände in die Taschen seiner Anzughose, und sie sah, dass er einen flachen Bauch hatte. Sie erinnerte sich an ein Foto von ihm, auf dem er an einem zypriotischen Strand entlangjoggte. Dieser muskulöse definierte Bauch. Ihn nur anzusehen bereitete ihr mehr Vergnügen als alles, was sie in letzter Zeit erlebt hatte.

Ungebeten tauchte vor ihrem inneren Auge das Bild einer Petrischale in einem Labor auf, in dem sich ihre Eier und Huntleys Samen vereinigten und ein Baby erschufen. Die Vorstellung, wie sie miteinander im Bett lagen und auf altmodische Weise ein Baby machten, hätte fast ihren Slip explodieren lassen.

Darby unterdrückte den Drang aufzustehen, zu ihm zu gehen, die Hand auszustrecken und ihn mit sich fortzuziehen. Er würde sicher nicht Nein sagen. Verdammt, sie war in größter Versuchung.

„Miss Brogan? Miss Brogan!“

Darby drehte den Kopf, als sie die irritierte Stimme des Direktors hörte. Was wollte er? Stirnrunzelnd sah sie sich um und bemerkte die amüsierten Blicke ihrer Kollegen.

„Darf ich fortfahren?“

Darby nickte mit tiefrotem Gesicht. Sie hörte unterdrücktes Kichern. Verdammt, alle hatten gesehen, wie sie Judah Huntley anstarrte. Und weil man in ihrem Gesicht lesen konnte wie in einem offenen Buch, wie ihr ihre Familie dauernd sagte, wussten nun alle, dass sie sich Huntley nackt vorgestellt hatte.

Darby rutschte auf ihrem Stuhl nach unten und unterdrückte den Impuls, ihr Gesicht mit den Händen zu bedecken. Selbst wenn sie den Mut aufbrachte, ihn anzusprechen – ein sehr großes „Selbst“ –, war es keine Option, mit Judah Huntley zu schlafen. Vor allem, weil sie jetzt unfassbar verlegen war.

Darby wandte den Blick nicht vom Sprecher ab, während sie das Bedürfnis, sich umzusehen, unterdrückte. Ja, tolle Idee, mach dich nur weiter zum Affen, Brogan! Gieß noch etwas Öl ins Feuer!

Es kostete sie ihre gesamte Willenskraft, ihren Blick nach vorn gerichtet zu lassen. Erst als die Präsentation vorbei war, die längsten zehn Minuten der Welt, stand Darby auf und sah sich so beiläufig wie möglich um.

Judah Huntley war weg.

Sechs Wochen später

Judah Huntley trank einen Schluck des viel zu lieblichen Champagners und versuchte, nicht zusammenzuzucken. Gott, er hasste diese Veranstaltungen. Er glaubte an die Macht einer altmodischen Mail, in der ihm mitgeteilt wurde, ob er den Auftrag bekommen hatte oder nicht. Einen Anzug anzuziehen, eine Krawatte umzubinden und Small Talk zu machen, kam seiner Vorstellung von der Hölle äußerst nah.

Aber Jonathan, sein Bereichsleiter, hatte für ihn geantwortet, dass er sich freuen würde, die Cocktailparty der Stiftung zu besuchen. Jonathan hatte außerdem zugesagt, dass – sollten Huntley & Co. den Auftrag für den Bau des neuen Kunstmuseums bekommen – Judah einen lokalen Architekten als Verbindungsmann beauftragen würde.

Es war sinnvoll, jemanden aus der Gegend einzubinden, der die Routinearbeiten wie den Besuch der Planungsbüros und die Recherche machen konnte. Der in Boston ansässige Architekt würde weder an den Zeichnungen noch an den Entwürfen beteiligt sein. Judah hatte ein erfahrenes Team in New York, das seine Ideen umsetzte. Es bestand aus den besten und hellsten Köpfen und erfüllte seine hohen Standards.

Judah wusste, dass sein Interesse daran, das Kunstmuseum zu bauen, unerwartet kam. Immerhin war er der Gewinner von zweien der weltweit prestigeträchtigsten Architekturpreise. Das Museum war weder ein großes Projekt noch besonders lukrativ. Weil das Projekt von einer gemeinnützigen Gesellschaft finanziert wurde, würde sein Honorar lachhaft niedrig sein. Doch dank internationaler Geschäftsleute mit tiefen Taschen, die seinen Namen mit ihren Gebäuden verbunden sehen wollten, hatte Judah ein fettes Bankkonto und konnte es sich leisten, ein Projekt zum Selbstkostenpreis zu übernehmen.

Er baute rund um die Welt, wollte aber jetzt etwas in seiner Heimatstadt Boston bauen. Er wollte etwas entwerfen, was gleichzeitig schön und funktional war, etwas, was die Menschen in Boston liebten. Er war für seine innovativen Firmengebäude und bis an die Grenzen des Machbaren gehenden Häuser bekannt. Aber ein Gebäude, in dem Kunst und andere Schätze gezeigt wurden, war etwas Berauschendes. Das Gehäuse musste ebenso aufregend und elektrisierend sein wie der Inhalt.

Und deshalb stand er jetzt hier in diesem muffigen Ballsaal und wartete darauf, dass jemand bekannt gab, was alle schon wussten: Er würde den Auftrag für das Projekt bekommen.

Die guten Seiten an der Sache waren ein umwerfender Bauplatz und ein interessantes Projekt. Die schlechte Seite? In Boston zu sein. Der Geruch, die Luft, die Gebäude, alles erinnerte ihn an früher. Erdrückend. Anstrengend. Eng. Viele Verpflichtungen und wenig Freude.

Judah war dankbar für die Frauenhand auf seinem Arm, die ihn in die Gegenwart zurückholte. Eine attraktive Frau stand vor ihm: blondes Haar, rote Lippen, klarer Blick. Freundlich plauderte er mit ihr. Doch sie war nicht die Frau, die ihm zuerst in den Sinn gekommen war.

Als er das letzte Mal in diesem Raum gestanden hatte, hatte er mit einer jüngeren, begehrenswerteren Blondine Blicke getauscht, die seinen Puls in die Höhe getrieben hatten. Zuerst hatte sie ihn mit ihren blitzenden Augen und ihrer zarten Gestalt an Cinderella erinnert. Doch dann waren ihm ihr Blick und ihr Gesicht ins Auge gesprungen, und er hatte beschlossen, dass sie eher einer Herzogin glich als einer Prinzessin, eher komplex war als schlicht.

Er fragte sich, ob sie auch heute Abend hier war.

Aber wenn ja, welche Rolle spielte es? Obwohl ihn die gegenseitige Anziehung aufgerüttelt hatte – wann hatte ihn zum letzten Mal jemand so interessiert? –, schien ihm der Gedanke an Small Talk und den Verabredungskram zu viel Aufwand.

Eine Frau anzusprechen, sie mit in sein Hotel zu nehmen und mit ihr zu schlafen, glich in seinen Augen einer Achterbahnfahrt. Zuerst war Geduld beim Anstehen gefragt, danach kam ein kurzer Augenblick des Genusses, und dann folgte unausweichlich die Enttäuschung, wenn der Wagen zum Halten kam.

Nach Carla war er so oft wie möglich Achterbahn gefahren. Ein Jahr und zu viele Frauen später war ihm aufgefallen, dass hirnloser Sex mit hirnlosen Frauen nicht zu ihm passte. Er machte eine radikale Entziehungskur. In den vergangenen achtzehn Monaten war er zum Mönch geworden.

Judah seufzte. Während kein anderer Mann, der sich seinem vierzigsten Geburtstag näherte, gerne Solo-Sex hatte, mochte er es, ein Leben ohne Drama zu führen.

Aber diese Blondine, die er hier gesehen hatte – groß, schlank, unglaublich aufreizend –, war seit Monaten die erste Frau, die sein Interesse geweckt hatte. Sie hatte das Gesicht eines frechen Kobolds, den Körper eines Lingerie-Models und die Augen einer Wassernymphe. Als er sie angesehen hatte, war die Wirklichkeit verschwunden. Er hatte nur noch sie gesehen, ausgestreckt auf einem Teppich vor einem flackernden Kaminfeuer, nackt am weißen Strand von Tahiti oder auf dem kühlen Marmor einer Designerküche. Er begehrte sie.

Und weil er so verflucht in Versuchung gewesen war, ihre Hand zu nehmen und den nächstgelegenen ungestörten Ort zu finden, wo er seine Hände auf diesen Körper legen konnte, hatte er sich wie der Erwachsene verhalten, der er zu sein behauptete: Er war gegangen. Er wollte keinen hirnlosen Sex mehr, aber der Gedanke an mehr – sich gefühlsmäßig auf jemanden einzulassen und eine Verbindung herzustellen – erschreckte ihn.

Halbwegs konzentriert auf das Gespräch mit der Frau vor ihm blickte Judah auf und sah den Direktor der Stiftung zum Podium gehen. Er stand zwar im hinteren Teil des Raums, doch weil er die meisten anderen Gäste überragte, hatte Judah einen guten Überblick über die Anwesenden. Er verfluchte sich, als ihm auffiel, dass er nach hellblondem Haar und außergewöhnlich langen Beinen Ausschau hielt.

„Meine Damen und Herren, als Vertreter der Grantham-Ford-Foundation …“

Judah schob die Hände in die Hosentaschen und sah zur Tür. Ein älterer Mann im Anzug und mit gebräuntem Gesicht hatte seine Aufmerksamkeit geweckt. Der Mann suchte offenbar jemanden. Er sah irgendwie vertraut aus.

Neugierig bahnte sich Judah einen Weg näher zur Tür. Dem Mann fiel die Bewegung auf, und Judah sah, dass der Fremde erleichtert wirkte. Der Mann suchte ihn. Aber warum hier? Judah hatte ein Büro und einen Assistenten, der sich um seinen Terminplan kümmerte.

Seltsam.

„Die Entscheidung ist uns schwergefallen …“

Der Mann bedeutete Judah, er solle ihn im Korridor treffen. Judah zog die Tür nicht ganz hinter sich zu. Falls er gebraucht wurde, würde ihn sicher jemand holen.

„Mr. Huntley! Ich bin ja so froh, dass ich Sie gefunden habe!“

Judah sank der Mut, als er die männliche Version von Carlas schwerem italienischem Akzent hörte. Seine Ex, die Opern singende Erbin, hatte einen neuen Tiefpunkt erreicht, wenn sie jetzt schon ihre Lakaien schickte, um ihm Nachrichten zu überbringen. Judah hatte weder ihr noch ihren Angestellten etwas zu sagen. Sie hatte ihn betrogen. Ihr Liebhaber und sie hatten in seinem Bett, in seiner Wohnung gelegen. Nackt auf seinen Laken.

Judah teilte nicht. Nie. Und er war noch immer sauer, dass er sich genötigt gesehen hatte, ein neues Bett zu kaufen und die teuren Laken in einen Secondhandladen zu geben. Er hatte auch darüber nachgedacht, sein Apartment zu verkaufen. Aber das ging zu weit. Carla war es nicht wert, ihr den sensationellen Blick über den Central Park zu opfern.

Judah hob die Hand. „Nicht interessiert.“

„Warten Sie, Mr. Huntley!“

„Sie haben dreißig Sekunden, und ich gebe Ihnen nur deshalb so viel Zeit, weil es diesem Abend an Unterhaltungswert mangelt.“

Dürre Schultern wurden zurückgezogen, und eine elegante Hand strich eine silberne Locke aus der Stirn. „Ich bin Massimo Rossi, Carlas Anwalt.“

Okay. Und was wollte Carlas Anwalt? Carla war die einzige Erbin des Milliardenvermögens ihres Vaters und hatte – abgesehen von einem sinnlichen Körper und einem atemberaubenden Gesicht – mehr Geld als Gott. Außerdem besaß sie die Stimme eines Engels. Sie hatten seit Monaten keinen Kontakt mehr. Warum also jetzt? Judah spürte, wie sich sein Magen zu einem gordischen Knoten verschlang. Das konnte nichts Gutes bedeuten.

Er zwang sich, ruhig zu bleiben. „Geht es Carla gut?“

„Meistens.“

Oh Gott! Er sah die Müdigkeit im Blick des Älteren, die Frustration, die man sich einhandelte, wenn man es mit Carla zu tun bekam. Der Mann hatte vermutlich ein Magengeschwür und Bluthochdruck. Judah bekam Mitleid. Carla bedeutete harte Arbeit.

„Was heißt das?“, wollte Judah wissen.

„Bertolli hat eine neue Oper geschrieben, nur für sie.“

Bertollis Musik klang, als hätte man einer Katze auf den Schwanz getreten. Aber was verstand Judah schon davon? Doch selbst er als Kunstbanause begriff, dass es eine große Sache war, wenn Bertolli, der aufregendste Komponist der Welt, eine Oper für Carla schrieb.

„Es geht darin um Tugendhaftigkeit. Carlas Rolle führt einen Kreuzzug für die moralische Erneuerung.“

Judah verstand zwar die Ironie dieser Konstellation, wusste aber nicht, warum Rossi hier war und ihm das erzählte. Was ging es ihn an, was Carla machte? Er hatte sie mehr als anderthalb Jahre nicht gesehen.

Judah wollte sich gerade entschuldigen und gehen, als er den Aufzug kommen hörte. Die Türen öffneten sich, und ein langes Bein, das in einem roten High Heel endete, wurde sichtbar. Ein duftiges pfefferminzfarbenes Kleid umtanzte schlanke Schenkel.

Sie war hier, sie war zurück!

Er vergaß Rossi und ließ den Blick aufwärts wandern, bemerkte den schmalen Gürtel um die schlanke Taille, sah die zierliche Brust. Ihre Brüste waren fantastisch, klein, aber keck. Ihr Körper war athletisch, aber nicht zu sehr. Fit, aber dennoch feminin. Und Gott, dieses Gesicht!

Judah spürte sein Herz pochen, während sein Blut gen Süden floss. Ein breiter Mund, der fürs Küssen geschaffen war, hohe Wangenknochen, graue Augen unter bogenförmigen Brauen. Blondes Haar, zu einem seidig glänzenden Pferdeschwanz zusammengebunden.

Das letzte Mal hatte er sie vor Wochen in einem vollen Saal gesehen. Damals hatte er sie für sexy gehalten. Jetzt korrigierte er sein Urteil. Sie war überwältigend heiß.

Er begehrte sie. Jetzt sofort, an der Wand, seine Hände auf diesen gebräunten Schenkeln, seine Zunge auf ihrem Hals, ihren Brustwarzen. Ab morgen konnte er wieder Mönch sein …

Vorher musste sie ihn noch zur Kenntnis nehmen. Ihre Aufmerksamkeit galt aber den anderen Leuten im Aufzug: einem schwarzhaarigen dunkeläugigen Baby im Arm einer Frau in mittleren Jahren mit einem harten Gesicht. Die Frau hielt das Baby, als sei es eine Packung Gift. Er konnte das nachvollziehen, er selbst war auch kein Fan von Kindern.

Er war es früher gewesen. Doch das war lange her.

Rossi räusperte sich. „Das ist meine Assistentin. Das Kind heißt Jacquetta Huntley. Carla möchte, dass sie es für mindestens sechs Monate nehmen. Sie kann sich nicht darum kümmern und sich gleichzeitig auf den größten Auftritt ihrer Karriere konzentrieren.“

Während Judah zu begreifen versuchte, was der Mann gerade gesagt hatte, schallte eine dröhnende Stimme aus dem Saal: „Ich freue mich anzukündigen, dass Judah Huntley das Grantham-Ford-Museum entwerfen wird. Judah, bitte kommen Sie herauf!“