Grundzüge der Philosophie - Thomas Hobbes - E-Book

Grundzüge der Philosophie E-Book

Thomas Hobbes

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Beschreibung

Das Standardwerk "Grundzüge der Philosophie" beseteht aus drei Teilen: In De Corpore, dem ersten Teil der Trilogie elementa philosophiae, von 1655 entwickelt Hobbes zentrale Thesen zu naturwissenschaftlichen Fragen. Ausgehend von einer materialistischen Grundhaltung und dem - exemplarisch durch René Descartes vertretenen - mechanistischen Denken seiner Zeit schreibt er allein den Körpern und deren Bewegung Wirklichkeit zu. Im zweiten Teil, dem 1658 veröffentlichten De Homine, aber auch bereits in seinem Hauptwerk Leviathan von 1651 überträgt Hobbes seine Körpertheorie auf den menschlichen Erkenntnisapparat und entwickelt eine eigene mechanistische Erkenntnistheorie. Hobbes' staatstheoretische Lehren bilden aus heutiger Sicht den zentralen Teil seines Werkes. Sie sind es, die ihm einen herausgehobenen Platz in der Philosophiegeschichte sichern. Sie finden sich in De Cive von 1642, dem dritten Teil der Trilogie elementa philosophiae.

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Grundzüge der Philosophie

Elementorum philosophiae

Thomas Hobbes

Inhalt:

Thomas Hobbes – Biografie und Bibliografie

Grundzüge der Philosophie

Erster Teil: Lehre vom Körper

An den Leser

Erster Teil  Logik

1. Kapitel  Von der Philosophie

2. Kapitel  Von den Namen

3. Kapitel  Vom Satz

4. Kapitel  Vom Syllogismus

5. Kapitel  Von Irrtum, Falschheit und Fehlschlüssen

6. Kapitel  Von der Methode

Zweiter Teil  Grundlegung (Erste Philosophie)

7. Kapitel  Von Ort und Zeit

8. Kapitel  Von Körper und Accidenz

9. Kapitel  Von Ursache und Wirkung

10. Kapitel  Von Möglichkeit und Wirklichkeit

11. Kapitel  Von Gleichheit und Verschiedenheit

12. Kapitel  Von der Quantität

13. Kapitel*  Von der Gleichheit von Proportionen

14. Kapitel*  Von Geraden und Gekrümmten,

Winkel und Figur

Dritter Teil  Von den Gesetzen der Bewegungen und Größen

15. Kapitel*  Von der Natur, den Eigenschaften und den verschiedenen Betrachtungen von Bewegung und Conatus

16. Kapitel*  Von gleichförmiger und beschleunigter Bewegung und von Bewegung durch Zusammenprall

17. Kapitel*  Von unvollständigen Figuren

18. Kapitel*  Von der Gleichheit gerader Linien und paropolischer und solcher, die diesen ähnlich sind

19. Kapitel*  Von Einfalls- und Reflexionswinkeln und ihrer Gleichheit

20. Kapitel*  Von der Kreismessung und der Winkelteilung

21. Kapitel*  Von der Kreisbewegung

22. Kapitel*  Von weiterer Verschiedenheit der Bewegungen

23. Kapitel*  Vom Schwerpunkt und von Körpern, die nach unten in geraden parallelen Linien drücken

24. Kapitel*  Von Refraktion und Reflexion

Vierter Teil  Physik oder von den Erscheinungen der Natur

25. Kapitel  Von der Empfindung und der animalischen Bewegung

26. Kapitel*  Von der Welt und den Sternen

27. Kapitel*  Von Licht, Wärme und Farben

28. Kapitel*  Von Kälte, Wind, Halte, Eis, Elastizität, Durchsichtigkeit, Blitz und Donner und von Quellen

29. Kapitel*  Von Schall, Geruch, Geschmack und Getast

30. Kapitel*  Von der Schwere

Schluß

Anhang

Einwände gegen die Meditationen des Descartes nebst dessen Erwiderungen

Zweiter Teil  Lehre vom Menschen

1. Kapitel  Vom Ursprung des Menschengeschlechts.

Von Leben und Tod

2. Kapitel  Von den Sehstrahlen und der Wahrnehmung von Bewegungen

3. Kapitel  Vom scheinbaren Ort des Objektes im direkten Sehen

4. Kapitel  Von der Abbildung des Objektes in der Perspektive

5. Kapitel  Von dem Ort des erscheinenden Objektes bei Reflexion in ebenen und sphärisch konvexen Spiegeln

6. Kapitel  Von dem Ort des erscheinenden Objekts bei Reflexion in einem sphärisch konkaven Spiegel

7. Kapitel  Von dem scheinbaren Ort des in einfacher Brechung gesehenen Objektes

8. Kapitel  Von dem Sehen in doppelter Brechung

9. Kapitel  Von Teleskopen und Mikroskopen

10. Kapitel  Von der Sprache und den Wissenschaften

11. Kapitel  Von Begehrung und Abneigung, vom Angenehmen und Unangenehmen und ihren Ursachen

12. Kapitel  Von den Affekten oder den Störungen des Geistes

13. Kapitel  Von den Anlagen und dem Charakter

14. Kapitel  Von der Religion

15. Kapitel  Vom fingierten Menschen

Dritter Teil  Lehre vom Bürger

Widmung an Se. Exz. den Grafen Wilhelm von Devonshire, meinen hochzuverehrenden Herrn

Vorwort an die Leser

Freiheit

1. Kapitel  Vom Zustand des Menschen außerhalb der bürgerlichen Gesellschaft

2. Kapitel  Die natürlichen Gesetze in bezug auf Verträge

3. Kapitel  Von den übrigen natürlichen Gesetzen

4. Kapitel  Das natürliche Gesetz ist das Gesetz Gottes

Staatsgewalt

5. Kapitel  Von den Ursachen und der Entstehung des Staates

6. Kapitel  Von dem Recht dessen, der im Staate die höchste Gewalt hat, sei es ein einzelner oder eine Versammlung

7. Kapitel  Von den drei Formen des Staates: Demokratie, Aristokratie und Monarchie

8. Kapitel  Von dem Recht des Herrn gegen seine Sklaven

9. Kapitel  Von dem Recht der Eltern an ihre Kinder und über die patrimoniale Staatsgewalt

10. Kapitel  Eine Vergleichung der drei Staatsformen nach ihren Übelständen

11. Kapitel  Stellen und Beispiele aus der Heiligen Schrift über die Rechte der Staatsgewalt, welche das Bisherige bestätigen

12. Kapitel  Von den innern Ursachen, durch welche ein Staat sich auflöst

13. Kapitel  Von den Pflichten der Inhaber der Staatsgewalt

14. Kapitel  Von dem Gesetze und den strafbaren Handlungen

Religion

15. Kapitel  Von dem natürlichen Reich Gottes

16. Kapitel  Von dem Reich Gottes nach dem Alten Testament

17. Kapitel  Von dem Reich Gottes nach dem Neuen Testament

18. Kapitel  Von dem zum Eintritt in das himmlische Reich Erforderlichen

Fußnoten

Grundzüge der Philosophie , T. Hobbes

Jazzybee Verlag Jürgen Beck

86450 Altenmünster, Loschberg 9

Deutschland

ISBN:9783849628000

www.jazzybee-verlag.de

[email protected]

Thomas Hobbes – Biografie und Bibliografie

Philosoph, geb. 5. April 1588 in Malmesbury, gest. 4. Dez. 1679 in Hardwick, studierte seit seinem 14. Jahr in Oxford Mathematik und Aristotelische Philosophie, siedelte aus Hass gegen die 1641 ausgebrochene Revolution nach Paris über, wurde Lehrer des Prinzen von Wales (des nachherigen Königs Karl II.) und schrieb, nachdem er die Übersetzung des Thukydides (Lond. 1628) schon veröffentlicht hatte, die Werke: »De cive« (Par. 1642, Amsterd. 1647; deutsch von J. H. v. Kirchmann, Leipz.1873), »Human nature, or the fundamental elements of policy« (Lond. 1650), »Leviathan, seu de materia, forma et potestate civitatis ecclesiasticae et civilis« (engl., das. 1651; hrsg. von Waller, Cambr.1904; lat., Amsterd. 1668; deutsch, Halle 1794, 2 Bde.), denen nach seiner 1655 erfolgten Rückkehr nach England die weitern philosophischen Schriften: »Elementorum philosophiae sect.I.; De corpore« (engl., Lond. 1655), »Sect. II.: De homine« (engl., das. 1659; beide lat., Amsterd. 1668), »Human nature« und »De corpore politico« (zusammen Lond. 1650), beide u. d. T.: »The elements of law, natural and politic« (hrsg. von Tönnies, das. 1888) und »Quaestiones de libertate, necessitate et casu, contra D. Bramhallum« (verfasst 1646; engl., das. 1659) folgten.Außer diesen hat er noch historische (z. B. »Dialogue of the civil wars of England«, zuletzt u. d. T.: »Behemoth, or the Long Parliament«, hrsg. von Tönnies, das. 1889) und physikalisch-mathematische (z. B. ein »Decameron physiologicum«) verfasst, auch im hohen Alter den Homer übersetzt. Karl II. setzte ihm nach seiner Thronbesteigung (1660) eine Pension von 100 Pfd. Sterl. aus, die er auf dem Landsitz seines ehemaligen Zöglings, des Grafen von Devonshire, Hardwick, genoss. – H.' Philosophie hängt mehr mit Galileis Physik als mit Bacons Lehre zusammen. Einzige Erkenntnisquelle ist nach ihm der äußere Sinn (Sensualismus), einziger Gegenstand der Erkenntnis die Körperwelt (Materialismus). Doch unterscheidet H. zweierlei Arten von Körpern, natürliche und künstliche, unter welch letzteren der Staat der wichtigste ist. Jene machen den Gegenstand der Natur- oder theoretischen Philosophie (philosophia naturalis), diese den Gegenstand der Staats- oder praktischen Philosophie (philosophia civilis) aus. Bewegungen von außen affizieren die Sinne und pflanzen sich zum Gehirn und weiter zum Herzen fort, von dem eine Rückbewegung ausgeht, die Empfindung ist; die Farben- und Tonempfindungen, überhaupt die Empfindungsqualitäten, sind als solche nur subjektiv. Mit ihnen ist Lust oder Unlust verbunden, aus denen, wenn sie auf Zukünftiges gehen, Begehren oder Abscheu entsteht. Erinnerung wird dadurch möglich, dass die Affektion des Sinnesorgans noch fortdauert, wenn auch keine Einwirkung von außen mehr stattfindet. Alle inneren Prozesse, auch die Ideenassoziation, gehen auf rein mechanische Weise vor sich. Wie der natürliche Körper durch Zusammenwirken physischer Naturkräfte zustande kommt, so der Staat durch das menschlicher Willenskräfte. Wie die Naturordnung eine natürliche, so ist der Staat eine künstliche Sicherheitsanstalt, durch welche dem Kampf dort der Natur, hier der einzelnen Willenskräfte, dem »Krieg aller gegen alle«, ein Ende gemacht wird. Da für die menschlichen Willen eine überlegene Obergewalt, wie sie für die Naturkräfte in der Natur selbst besteht, nicht vorhanden ist, so muß eine solche durch die Menschen, um ihrer eignen Selbsterhaltung willen, mittels Übereinkunft geschaffen und ihr (dem Herrscher) die nämliche unbedingte Zwangsbefugnis gegenüber den Einzelnen (den Untertanen) eingeräumt werden, welche die Naturordnung faktisch gegen die einzelnen Kräfte in der Natur ausübt. Die Gewalt des Herrschers (der übrigens ebenso gut ein Einzelner wie eine ganze Versammlung sein kann, H. hält aber erstere Form für die vorteilhaftere), obwohl ursprünglich durch Vertrag auf diesen übertragen, ist absolut und unwiderruflich (gegen die Lehre des Grotius), die durch sie festgesetzte Ordnung (Staatsgesetzgebung) einzige Norm sowie der Staatswille selbst einzige Quelle des Rechts, jede Auflehnung gegen sie ist Revolution und als solche verbrecherisch. Auch die Religion ist dem Staatswillen durchaus unterworfen, da ihre Bekenner nicht das Recht haben können, einen Staat im Staate zu bilden. Letzteres zog ihm besonders die Feindschaft der Geistlichkeit zu, deren Folge sogar eine Anklage wegen Gottlosigkeit im Parlament war, gegen die er eine scharfsinnige Verteidigungsschrift: »Historical narration concerning heresy and the punishment thereof«, verfasste. H. hat insbes. den französischen Enzyklopädisten und späteren Positivisten vorgearbeitet, dagegen unter seinen dem Absolutismus und Materialismus abgeneigten Landsleuten wenig Anklang gefunden. Zu seinen Gegnern gehörten Sharrock, Clarke und Cumberland, unter den Deutschen Mendelssohn (in seinem »Jerusalem«) und Anselm Feuerbach (»Anti-Hobbes«, Gieß. 1798). Seine sämtlichen Werke erschienen Amsterdam 1668 in 4 Bänden, seine »Moral and political works« London 1750 (deutsch, Halle 1793 ff.).Molesworth gab seine »Complete works, with life, Latin and English« (Lond. 1839 bis 1845, 11 Bde.) und »Opera latina« (das. 1844 bis 1845, 5 Bde.) heraus.H. selbst verfasste noch als 84jähriger Greis seine Selbstbiographie in Versen; nach seinem Tod erschien seine Lebensbeschreibung von John Aubrey (Charlestown; lat. von Rich. Blackburn, das. 1681). Vgl. V. Mayer, Thomas H., Darstellung und Kritik seiner Lehren (Freiburg 1884); Robertson, Thomas H. (Lond. 1886, neue Ausg. 1901); Tönnies, H. ' Leben und Lehre (Stuttgart 1896); Lyon, La philosophie de H. (Par. 1893); L. Stephen, H. (Lond. 1904).

Grundzüge der Philosophie

Erster Teil: Lehre vom Körper

(Sectio prima: De corpore)

An den Leser

Von der Philosophie, deren Grundlagen ich hier festzustellen unternehme, darfst du, lieber Leser, nicht glauben, sie sei etwas, wodurch Steine der Weisen entstehen, noch jene Kunst, die metaphysische Lehrbücher in Aussicht stellen; sie ist vielmehr nur die natürliche menschliche Vernunft, die alle Dinge der Schöpfung sorgsam durchgeht, um über ihre Ordnung, ihre Ursachen und Wirkungen die schlichte Wahrheit zu suchen und zu berichten. Die Philosophie ist Tochter deines Denkens und der ganzen Welt und wohnt in dir selbst; zwar noch nicht in klarer Gestalt, doch ähnlich der Erzeugerin Welt in ihrem gestaltlosen Anfang. Du mußt verfahren wie die Bildhauer, die durch Bearbeitung der gestaltlosen Materie mit dem Meißel die Gestalt nicht bilden, sondern aus ihr herausholen. Ahme der Schöpfung nach. Über den verworrenen Abgrund deiner Spekulationen und Experimente möge (wofern du willens bist, dich ernstlich um die Philosophie zu mühen) dein Denken emporgetragen werden. Das Verworrene muß zerteilt und unterschieden werden und jegliches, nachdem es die ihm zukommende Bezeichnung erhalten hat, seinen festen Platz bekommen, d.h. es bedarf einer Methode, die der Schöpfung der Dinge selbst entspricht. Die Ordnung aber bei der Erschaffung war folgende: Licht, Scheidung von Nacht und Tag, Ausdehnung, Firmament, sinnlich Wahrnehmbares, der Mensch. Sodann nach der Schöpfung: das Gesetz. Die Ordnung bei der Betrachtung wird also sein: Denken, Definition, Raum, Gestirne, sinnliche Eigenschaft, der Mensch. Sodann, nachdem der Mensch geworden ist: der Bürger. Im ersten Abschnitt des vorliegenden Werkes entzünde ich unter der Überschrift Logik das Licht der Vernunft. Im zweiten, der Ersten Philosophie, sondere ich, um Zweifelhaftes und Dunkles zu beseitigen, durch genaue Begriffsbestimmungen die Ideen der allgemeinsten Dinge voneinander. Der dritte Teil beschäftigt sich mit der räumlichen Ausdehnung, d.h. mit der Geometrie. Der vierte enthält die Bewegung der Gestirne und außerdem die sinnlichen Eigenschaften.

Im zweiten Teil des ganzen Werkes soll, so Gott will, die Natur des Menschen betrachtet werden, im dritten der schon vorher betrachtete Bürger. Ich bin derjenigen Methode gefolgt, die auch du wirst benutzen können, wenn sie deinen Beifall findet; denn ich dränge dir nicht auf, was mein ist, sondern gebe alles nur als Vorschlag. Welcher Methode du dich auch immer bedienen willst, die Philosophie, d.h. das Streben nach Weisheit, deren Fehlen uns allerjüngst viel Leid verursacht hat, möchte ich dir auf jeden Fall dringend ans Herz gelegt haben. Denn selbst wer nach Reichtum strebt, liebt die Weisheit; Schätze gefallen nämlich nur als Spiegel der eigenen Weisheit. Auch wer sich zu Staatsämtern hingezogen fühlt, sucht nur nach einem Platz, um seine Weisheit zu entfalten. Sogar die Vergnügungssüchtigen vernachlässigen die Philosophie nur aus dem Grunde, weil sie nicht wissen, welch großes Vergnügen der vertraute Umgang mit der schönsten aller Welten dem Geist bieten kann. Und wenn ich schließlich keinen andern Grund hätte, dir die Philosophie zu empfehlen, so tue ich es (weil ja der menschliche Geist seiner Natur nach ebensowenig leeren Raum wie leere Zeit auszuhalten vermag), damit du mit ihr deine Muße angenehm ausfüllen kannst und beschäftigten Menschen oder gar solchen, die schlecht geruht haben, nicht ungelegen oder gar zu deinem persönlichen Schaden kommst.

Erster Teil  Logik

1. Kapitel  Von der Philosophie

1. Die Philosophie scheint mir heutzutage unter den Menschen dieselbe Rolle zu spielen, wie nach der Überlieferung in uralten Zeiten Korn und Wein in der Welt der Dinge. Im Anfang der Dinge gab es nämlich Weinreben und Kornähren nur zerstreut auf den Äckern, Aussaaten aber gab es nicht. Daher lebte man von Eicheln, und jeder, der gewagt hätte, unbekannte oder zweifelhafte Beeren zu probieren, tat dies auf die Gefahr hin, krank zu werden. Ähnlich ist die Philosophie, d.h. die natürliche Vernunft, jedem Menschen eingeboren; denn jeder einzelne stellt bis zu irgendeinem Ziele und in irgendwelchen Dingen Erwägungen an; sobald es aber einer langen Kette von Vernunftgründen bedarf, entgleisen die meisten oder schweifen ab, weil die richtige Methode, gewissermaßen die Aussaat, fehlt. Hieraus ergibt sich, daß nach allgemeiner Ansicht diejenigen, die mit der täglichen Erfahrung wie mit Eicheln zufrieden sind und die Philosophie entweder von sich weisen oder nicht erstreben, ein gesunderes Urteil besitzen als diejenigen, die nicht mit landläufigen, sondern mit zweifelhaften und leicht aufgegriffenen Ansichten ausgestattet, als ob sie recht klug wären, fortwährend disputieren und streiten. Zwar gebe ich zu, daß derjenige Teil der Philosophie, der von den Größen und Figuren handelt, vortrefflich ausgebildet ist. Aber weil ich weiß, daß man in den übrigen Teilen noch nicht in gleicher Weise fortgeschritten ist, so entschließe ich mich, soweit ich die Fähigkeit dazu besitze, die wenigen ersten Elemente der gesamten Philosophie gewissermaßen als eine Art Samenkörner, aus denen, wie mir scheint, die reine und wahre Philosophie herauswachsen kann, zu entwickeln.

Der Schwierigkeit, eingerostete, durch das Ansehen der beredtesten Schriftsteller befestigte Anschauungen aus den Köpfen der Leute auszutreiben, bin ich mir wohl bewußt. Zumal da die wahre (d.h. exakte) Philosophie nicht nur die Schminke der Worte, sondern auch fast jeglichen Schmuck vorsätzlich zurückweist; die ersten Grundlagen jeder Wissenschaft sind auch keineswegs blendend, sie erscheinen vielmehr unansehnlich trocken und fast häßlich.

Da es aber gewiß etliche, wenn auch nur wenige gibt, die in allem nach Wahrheit und Vernunft streben, halte ich dafür, für jene Wenigen diese Mühe auf mich nehmen zu müssen. So komme ich nun zur Sache und beginne mit der Begriffsbestimmung der Philosophie.

2. Philosophie ist die rationelle Erkenntnis der Wirkungen oder Erscheinungen aus ihren bekannten Ursachen oder erzeugenden Gründen und umgekehrt der möglichen erzeugenden Gründe aus den bekannten Wirkungen.

Um diese Begriffsbestimmung zu verstehen, muß man erstlich erwägen, daß Sinneswahrnehmung und Gedächtnis, die der Mensch mit allen Tieren gemeinsam hat, zwar ein Wissen sind, die aber, weil sie die Natur ursprünglich verliehen hat, nicht durch rationelles Schließen erworben, also keine Philosophie sind.

Da zweitens Erfahrung nichts anderes ist als Gedächtnis, der praktische Verstand aber oder die Voraussicht in die Zukunft nichts anderes als die Erwartung von Dingen ähnlich solchen, deren Erfahrung wir schon gemacht haben, so darf man auch den praktischen Verstand nicht für Philosophie halten.

Unter rationeller Erkenntnis vielmehr verstehe ich Berechnung. Berechnen heißt entweder die Summe von zusammengefügten Dingen finden oder den Rest erkennen, wenn eins vom andern abgezogen wird. Also ist rationelle Erkenntnis dasselbe wie Addieren und Subtrahieren; wenn jemand Multiplizieren, und Dividieren hinzufügen will, so habe ich nichts dagegen, da Multiplikation dasselbe ist wie Addition gleicher Posten, Division dasselbe wie eine bestimmte Subtraktion gleicher Posten. Aber rationelle Erkenntnis geht jedenfalls auf zwei Geistesoperationen zurück: Addition und Subtraktion.

3. Wie wir aber im Geiste ohne Worte, in schweigendem Denken, rationell zu erkennen, d.h. zu addieren und subtrahieren gewohnt sind, mag an einigen Beispielen erläutert werden. Wenn jemand von fern etwas unklar sieht, ohne daß er es noch benennen kann, so empfindet er doch schon immerhin das an dem Ding, um dessentwillen es dann Körper genannt wird. Sobald er aber näher kommt und sieht, daß dasselbe Ding sich in einer bestimmten Art bald an dem einen, bald an dem andern Orte befindet, wird er von ihm eine neue Vorstellung empfangen, um deretwillen wir ein solches Ding jetzt belebt nennen. Und wenn er sodann aus nächster Nähe seine Gestalt sieht, die Stimme hört und andere Tatsachen erkennt, die Zeichen eines Vernunftwesens sind, so hat er eine dritte Vorstellung, wenngleich sie noch nicht durch ein Wort ausgedrückt wird; nämlich dieselbe, um deretwillen wir etwas vernünftig nennen. Schließlich wenn er das ganze Ding nunmehr vollständig und genau sieht und als eines erkennt, dann ist diese Vorstellung nunmehr aus den vorhergehenden zusammengesetzt, und zwar in derselben Reihenfolge, in der in der Sprache die einzelnen Bezeichnungen: Körper, belebt, vernünftig, zu einer Benennung: vernünftiger belebter Körper oder Mensch zusammengefügt werden. Ähnlich wird aus den Vorstellungen: Viereck, gleichseitig, rechtwinklig, die Vorstellung: Quadrat zusammengestellt. Der Geist vermag nämlich das Viereck zu erfassen ohne die Vorstellung: gleichseitig und die Vorstellung: gleichseitiges Viereck ohne die Vorstellung: rechtwinklig; nachdem er dies einzeln erfaßt hat, vermag er es zu einem Begriff zu vereinigen oder zu der alleinigen Vorstellung: Quadrat. Es liegt also auf der Hand, wie der Geist das, was er vorstellt, zusammenstellt. Umgekehrt erfaßt jeder, der einen Menschen bei sich stehen sieht, seine ganze Idee, wenn er ihm aber bei seinem Fortgang nur mit den Augen folgt, so wird er die Vorstellung derjenigen Dinge verlieren, die Zeichen der Vernunft waren, doch wird die Vorstellung eines belebten Körpers in den Augen bleiben und so von der ganzen Vorstellung Mensch, d.h. vernünftiger belebter Körper, die Vorstellung: vernünftig weggenommen und übrig bleibt: belebter Körper; darauf wird ein wenig später in größerer Entfernung die Vorstellung beseelt verloren gehen, zurückbleiben wird nur Körper, und endlich, wenn nichts mehr wahrnehmbar ist, verschwindet die ganze Vorstellung aus den Augen. Durch diese Beispiele halte ich das Wesen des inneren Rechnens des Geistes ohne Worte für genügend erläutert.

Man darf also nicht meinen, daß das eigentliche Rechnen nur bei Zahlen stattfindet, als ob der Mensch von den übrigen Lebewesen (wie nach den Berichten Pythagoras angenommen hat) allein durch die Fähigkeit des Zählens unterschieden wäre; denn auch Größen, Körper, Bewegungen, Zeiten, Qualitäten, Handlungen, Begriffe, Verhältnisse, Sätze und Worte (worin jegliche Art Philosophie enthalten ist) können addiert und subtrahiert werden. Wenn wir aber hinzufügen oder wegnehmen, d.h. aufeinander beziehen, so nennen wir dies »denken«, griechisch logizesthai, das also berechnen oder rationell erkennen bedeutet.

4. Wirkungen und Erscheinungen sind Fähigkeiten oder Vermögen der Körper, durch die wir sie voneinander unterscheiden, d.h. erkennen, daß der eine dem andern gleich oder ungleich, ähnlich oder unähnlich ist; hat man sich wie in dem obigen Beispiele irgendeinem Körper hinreichend genähert, um Bewegung und Gang an ihm zu erkennen, so unterscheidet man ihn von einem Baum, einer Säule und gewissen andern unbeweglichen Körpern. Daher ist jene Bewegungsfähigkeit, die den Lebewesen eigentümlich ist, die Eigenschaft, durch die wir ihn von anderen Körpern unterscheiden.

5. Wie die Erkenntnis der Wirkung aus der Erkenntnis des erzeugenden Grundes gewonnen werden kann, ist leicht an dem Beispiele eines Kreises einzusehen. Gesetzt, man sähe eine ebene Figur, die der Figur des Kreises so nahe wie möglich kommt, dann läßt sich durch bloße Wahrnehmung nicht erkennen, ob sie in Wahrheit ein Kreis ist oder nicht; wohl aber, wenn man die Entstehung der in Frage stehenden Figur kennt. Angenommen, sie sei dadurch entstanden, daß man irgendeinen Körper, dessen eines Ende unbewegt bleibt, rings herumführt, dann können wir folgendermaßen schließen: der herumgeführte Körper, der stets dieselbe Länge behält, wird zuerst zu dem einen Radius, dann zu dem andern, zu dem dritten, vierten und der Reihe nach zu allen; daher berührt von demselben Punkte aus dieselbe Länge überall die Peripherie, d.h. alle Radien sind gleich. Man erkennt also, daß so eine Figur entsteht, von deren einzigem Mittelpunkte aus alle Punkte der Peripherie gleiche Entfernungen, die Radien, besitzen.

Ähnlich können wir von einer gegebenen Figur aus ihre Entstehung, wenn auch nicht ihre wirkliche, so doch mögliche, erschließen; denn hat man die Eigenschaften des Kreises erkannt, die wir soeben erklärt haben, so ist es leicht zu bestimmen, ob ein bewegter Körper einen Kreis entstehen läßt oder nicht.

6. Die größte Bedeutung der Philosophie liegt nun darin, daß wir die vorausgeschauten Wirkungen zu unserm Vorteil nutzen und auf Grund unserer Erkenntnis nach Maß unserer Kräfte und unserer Tüchtigkeit absichtlich zur Förderung des menschlichen Lebens herbeiführen können. Denn die bloße Überwindung von Schwierigkeiten oder Entdeckungen verborgener Wahrheiten sind nicht so großer Mühe, wie sie für die Philosophie aufzuwenden ist, wert; und vollends brauchte niemand seine Weisheit anderen mitzuteilen, wofern er damit weiter nichts zu erreichen hofft. Wissenschaft dient nur der Macht! Die Theorie (die in der Geometrie der Weg der Forschung ist) dient nur der Konstruktion! Und alle Spekulation geht am Ende auf eine Handlung oder Leistung aus.

7. Wie groß aber der Nutzen der Philosophie, besonders der der Naturphilosophie und der Geometrie ist, wird am besten eingesehen, wenn man sich die mögliche Förderung des menschlichen Geschlechts durch sie vergegenwärtigt und die Lebensweise derer, die ihrer sich erfreuen, mit anderen vergleicht, die sie entbehren. Die größte Förderung verdankt das menschliche Geschlecht der Technik, d.h. der Kunst, Körper und ihre Bewegungen zu messen, schwere Lasten zu bewegen, zu bauen, Schiffahrt zu treiben, Werkzeuge zu jeglichem Gebrauch herzustellen, die Bewegungen am Himmel, die Bahnen der Gestirne, den Kalender und so weiter zu berechnen. Welch außerordentlichen Nutzen die Menschen von diesen Wissenschaften haben, läßt sich leichter einsehen als sagen. Fast alle europäischen Völker erfreuen sich dieses Nutzens, sowie die Mehrzahl der asiatischen und einige afrikanische. Die Völker Amerikas aber und die Stämme, die den beiden Polen nahe wohnen, ermangeln seiner ganz. Warum dies? Sind etwa jene scharfsinniger als diese? Haben nicht alle Menschen Seelen von derselben Art und dieselben Seelenfähigkeiten? Was besitzen die einen, was den andern fehlt? Doch nur die Philosophie! Die Philosophie ist demnach die Ursache aller dieser Vorteile. Der Nutzen der Moralphilosophie und Gesellschaftslehre läßt sich nicht sowohl aus den Vorteilen, die wir durch sie, als vielmehr aus den Nachteilen, die wir durch ihre Unkenntnis haben, abschätzen. Denn die Wurzel aller Nachteile und alles Unglücks, die durch menschliche Erfindungen vermieden werden können, ist der Krieg, vornehmlich der Bürgerkrieg; aus ihm entspringen Mord, Verwüstung und Mangel an allen Dingen. Der Grund dafür ist nicht, daß die Menschen den Krieg wollen, denn der Wille geht immer auf das Gute oder auf das, was als solches erscheint; auch ihre Unkenntnis, daß die Folgen des Krieges Übel sind, ist nicht der Grund; denn wer spürt nicht, daß Tod und Armut große Übel seien? Der Bürgerkrieg ist daher nur möglich, weil man die Ursachen weder von Krieg noch von Frieden kennt; denn nur sehr wenige gibt es, die die Pflichten, durch welche der Friede Festigkeit gewinnt und erhalten wird, d.h. die wahren Gesetze des bürgerlichen Lebens studiert haben. Die Erkenntnis dieser Gesetze ist die Moralphilosophie. Weshalb aber hat man diese nicht studiert, wenn nicht aus dem Grunde, weil es bisher hierfür keine klare und exakte Methode gab? Oder wie ist es sonst zu verstehen, daß der Masse unerfahrener Menschen in grauer Zeit die griechischen, ägyptischen, römischen und andere Lehrmeister über die Naturen ihrer Götter unzählige Lehren überzeugend beizubringen vermochten, von denen sie selbst nicht wußten, ob sie wahr seien oder nicht, und die ganz augenscheinlich falsch und sinnlos waren; dagegen dieselbe Menge von ihren Pflichten, wofern sie diese selbst begriffen hätten, nicht hätten überzeugen können? Jene wenigen noch vorhandenen Schriften der Geometer sind hinreichend, alle Streitigkeiten in den Dingen, die sie behandeln, aufzuheben; jene zahllosen und gewaltigen Bände der Moralisten dagegen sollten gleiches nicht vermögen, wenn sie Sicheres und Bewiesenes enthielten? Was anders könnte denn die Ursache dafür sein, daß die Schriften der ersteren wissenschaftlich, die der letzteren sozusagen nur tönende Worte sind, wenn nicht der Umstand, daß jene von Wissenden, diese dagegen von Leuten hervorgebracht wurden, die von der von ihnen behandelten Wissenschaft nichts verstanden, vielmehr nur ihre Beredsamkeit oder ihren Geist herausstellen wollten? Daß es dennoch höchst erfreulich ist, Bücher dieser Art zu lesen, möchte ich nicht leugnen: sie sind zumeist sehr beredt und enthalten zahlreiche hübsche und nützliche, gar nicht alltägliche Sätze, die zwar von jenen allgemein ausgesprochen sind, aber dennoch meist nicht allgemeine Gültigkeit beanspruchen können; daher es kommt, daß sie in andern Zeiten und Orten andern Persönlichkeiten oftmals ebensogut zur Rechtfertigung böser Absichten wie zur Anleitung, zum Verständnis ihrer Pflichten gegenüber der Gesellschaft und dem Staate dienen können. Was ihnen nämlich hauptsächlich fehlt, sind genaue und feste Angaben der Grundsätze; die uns über Recht und Unrecht unserer Handlungen belehren. Bevor nicht diese Grundsätze gefunden und das Gesetz und Maß von Recht und Unrecht aufgestellt sind (was bisher noch niemals geschehen ist), ist es unnütz, in Einzelfällen zu gebieten und verbieten. Da also aus der Unkenntnis der bürgerlichen Pflichten, d.h. der wissenschaftlichen Moral- und Staatslehre, Bürgerkriege hervorgehen und diese das größte Unglück der Menschheit sind, so werden wir von ihrer wissenschaftlichen Erkenntnis mit Recht große Vorteile erhoffen dürfen. So sehen wir, wie groß der Nutzen, der Philosophie ist, zu schweigen von dem Ruhme und sonstigen Annehmlichkeiten, die sie mit sich bringt.

8. Der Gegenstand oder die Materie der Philosophie, die sie behandelt, ist jeglicher Körper, dessen Erzeugung wir begrifflich erfassen und den wir mit Rücksicht hierauf mit andern Körpern vergleichen können; oder auch, bei dem Zusammensetzung und Auflösung statt hat; d.h. jeder Körper, von dessen Erzeugung und Eigenschaften wir Kenntnis haben.

Abgeleitet wird aber dieser Satz aus der Begriffsbestimmung der Philosophie selbst, deren Aufgabe es ist, entweder die Eigenschaften der Körper aus ihrer Entstehung oder ihre Entstehung aus den Eigenschaften zu erforschen; wo es also kein Entstehen oder keine Eigenschaften gibt, hat Philosophie nichts zu tun. Daher schließt die Philosophie von sich die Theologie aus, ich meine die Lehre von der Natur und den Attributen Gottes, des Ewigen, Unerschaffenen, nicht zu Erfassenden, in welchem nichts zusammengesetzt, nichts geteilt und nichts von Entstehung erkannt werden kann.

Sie schließt ferner die Lehre von den Engeln und allen jenen Dingen aus, die man weder für Körper noch für Affektionen von Körpern hält; weil es auch bei ihnen keine Zusammensetzung oder Teilung, ebensowenig wie ein Mehr so ein Weniger, d.h. wissenschaftliche Berechnung gibt.

Sie schließt weiter die Geschichte sowohl der Natur als auch der Politik aus, wenngleich beide für die Philosophie höchst nützlich (ja vielmehr notwendig) sind, weil ihr Wissen nur auf Erfahrung oder Autorität, aber nicht auf wissenschaftliche Berechnung sich gründet.

Sie schließt ferner jegliches Wissen aus, das aus göttlicher Eingebung oder Offenbarung stammt, da dieses nicht von uns durch Vernunft erworben, sondern durch göttliche Gnade im Augenblick (gewissermaßen durch einen übernatürlichen Sinn) geschenkt ist.

Sie schließt ferner nicht nur jede falsche, sondern auch jede nicht gut begründete Lehre aus; denn was durch richtiges Schließen erkannt ist, kann weder falsch noch zweifelhaft sein; daher scheiden auch die Astrologie, wie sie heutzutage im Schwange ist, und ähnliche prophetische Künste aus.

Endlich wird von der Philosophie die Lehre von der Verehrung Gottes ausgeschlossen, da wir von ihr nicht durch die natürliche Vernunft, sondern durch die Autorität der Kirche wissen und sie Gegenstand des Glaubens, nicht der Wissenschaft ist.

9. Die Philosophie zerfällt in zwei Hauptteile. Dem, der die Entstehung der Körper und ihre Eigenschaften zu erforschen unternimmt, zeigen sich nämlich zwei wesentlich voneinander verschiedene Arten von Körpern; die eine umfaßt die Dinge, die, weil Werk der Natur selbst, als natürlich bezeichnet werden; die andere die Dinge, die durch menschlichen Willen, durch Abkommen und Verträge der Menschen zustande gekommen sind und Gesellschaft und Staat genannt werden. Hieraus ergeben sich die beiden Teile der Philosophie, die Natur- und die Staatsphilosophie. Weil aber weiter, um die Eigenschaften des Staates zu erkennen, es notwendig ist, daß man vorher die Anlagen, Affekte und Sitten der Menschen erkennt, pflegt man die Philosophie vom Staate wiederum in zwei Abteilungen zu gliedern, von denen die erste, die von den Anlagen und den Sitten handelt, als Ethik, die andere, die auf Erkenntnis der bürgerlichen Pflichten geht, als Politik oder einfach als Philosophie vom Staate bezeichnet wird. Wir werden daher (nachdem wir vorausgeschickt haben, was zur Natur der Philosophie selbst gehört) an erster Stelle von den natürlichen Körpern, sodann von der Anlage und den Sitten des Menschen und drittens von den Pflichten der Bürger handeln.

10. Da es schließlich vielleicht einige gibt, denen die oben entwickelte Begriffsbestimmung der Philosophie nicht behagt, und die, da es ihnen ja frei steht, mit eigenen willkürlichen Definitionen zu beginnen, alles mögliche aus ihnen erschließen können (obgleich ich meinen möchte, es sei nicht schwer zu zeigen, daß die gegebene Begriffsbestimmung mit der Auffassungsweise aller Menschen im Einklang ist), so bekenne ich offen, damit es weder für mich noch für jene Anlaß zum Disputieren gibt, daß ich hier nur die Grundlagen derjenigen Wissenschaft darbieten werde, welche aus den erzeugenden Ursachen die Wirkungen oder umgekehrt aus den erkannten Wirkungen die erzeugenden Ursachen eines Dinges erforschen will. Darum mögen diejenigen, die nach anderer Philosophie verlangen, sich mahnen lassen, sie anderswoher zu holen.

2. Kapitel  Von den Namen

1. Wie zerfließend und flüchtig die Gedanken der Menschen sind, wie zufällig ihre Wiederholung, weiß ein jeder aus eigenster gewissester Erfahrung. Denn niemand vermag sich einer Menge ohne sinnlich wahrnehmbare und gegenwärtige Maßeinheiten, der Farben ohne ihre sinnlich wahrnehmbaren und gegenwärtigen Urbilder, der Zahlen ohne Zahlenbezeichnungen (die zuvor geordnet und dem Gedächtnis eingeprägt sind) zu erinnern. Ohne eine derartige Unterstützung entgleitet alles, was der Mensch erfahren und erschlossen hat, sofort und vermag nur in neuer Arbeit wiedergewonnen werden. Hieraus folgt, daß, um Philosophie zu treiben, irgendwelche sinnlichen Erinnerungshilfen notwendig sind, vermittelst derer vergangene Gedanken wieder zurückgerufen und in ihrer Ordnung im einzelnen gleichsam festgehalten werden können. Solche Erinnerungshilfen wollen wir Merkzeichen nennen und darunter sinnlich wahrnehmbare Dinge verstehen, die wir willkürlich gewählt haben, um durch ihre sinnliche Empfindung Gedanken in unserem Geist zu erwecken, die denen ähnlich sind, um deretwillen wir sie zu Hilfe genommen haben.

2. Aber das genügt noch nicht; denn möchte auch ein Mensch von hervorragendem Geist alle Zeit auf Denken und die Erfindung entsprechender Merkzeichen verwenden, um sein Gedächtnis zu unterstützen und so in der Erkenntnis fortzuschreiten, so ist ersichtlich, daß der Nutzen seiner Bemühungen für ihn selbst nicht groß und für die anderen gar nichts wäre. Sind nämlich die Hilfen, die er für sein Denken sich erfand, anderen nicht mitteilbar, so dürfte all sein Wissen mit ihm untergehen. Nur wenn die Erinnerungszeichen Gemeingut vieler sind und, was einer erfand, andere übernehmen können, vermag die Wissenschaft zum Heile und Segen des gesamten Menschengeschlechts zu wachsen. Daher sind für den Aufbau und die Vermehrung philosophischer Erkenntnisse Zeichen unentbehrlich, durch welche das, was einer erdacht, anderen mitgeteilt und klargemacht werden kann. Als Anzeichen aber pflegen Dinge, welche aufeinander folgen, wechselseitig füreinander verwendet zu werden, sofern wir die Erfahrung gemacht haben, daß eine Regelmäßigkeit in ihrer Aufeinanderfolge besteht. Beispielsweise sind dunkle Wolken Zeichen bevorstehenden Regens und der Regen ein Zeichen vorangegangener dunkler Wolken, und zwar lediglich deshalb, weil wir selten dunkle Wolken ohne folgenden Regen und niemals Regen ohne Wolkenbildung beobachtet haben. Von den Zeichen aber sind die einen natürlich, wovon wir eben ein Beispiel gegeben haben, andere willkürlich, nämlich die, welche wir nach unserem Belieben wählen; dazu gehören herabhängende Efeuranken, um einen Weinverkauf anzudeuten, ein Stein, um die Grenze eines Ackers anzugeben, und bestimmt verbundene Worte, um die Gedanken und die Bewegungen unseres Geistes zu bezeichnen. Der Unterschied zwischen den Merkzeichen und den Anzeichen liegt darin, daß jene nur zu eigenem Gebrauch, diese zum Gebrauch für alle bestimmt sind.

3. Sind menschliche Laute so verbunden, daß sie Zeichen für Gedanken bilden, dann heißen sie Rede, ihre einzelnen Teile Namen. Da aber, wie erwähnt, für den Erwerb philosophischer Erkenntnisse Merkzeichen und Anzeichen notwendig sind (Merkzeichen, um uns unserer eigenen Gedanken zu erinnern, Anzeichen, um sie anderen bekannt zu machen), werden die Namen zu beiden benutzt. Doch dienen sie ursprünglich als Merkzeichen, bevor sie als Anzeichen verwendet werden. Denn wenn nur ein einziger Mensch in der Welt wäre, würden sie zur Unterstützung seines Gedächtnisses ihm nützlich sein, während sie zur Mitteilung, wenn niemand da wäre, dem etwas mitgeteilt werden könnte, nicht dienen könnten. Außerdem sind die Namen, jeder einzelne für sich, Merkzeichen, die uns auch allein unsere Gedanken zurückrufen; Anzeichen sind sie dagegen nur insoweit, als sie in Sätzen zusammengefaßt und geordnet werden, deren Teile sie bilden. So erregt etwa das Wort »Mensch« im Hörer eine Vorstellung vom Menschen, ist aber (wenn nicht hinzugefügt wird: Der Mensch ist ein lebendes Wesen oder etwas Entsprechendes) kein Anzeichen dafür, daß im Geiste des Sprechenden gerade diese Vorstellung war, sondern nur, daß er etwas sagen wollte, das mit dem Worte »Mensch-lich« hätte beginnen können. Die Namen bedeuten daher nach ihrem Wesen in erster Linie Merkzeichen zur Unterstützung des Gedächtnisses; zugleich, aber in zweiter Linie, dienen sie, um unsere eigenen Erinnerungen anderen anzuzeigen und ihnen dadurch mitzuteilen.

4. Hieraus ergibt sich folgende Definition von Namen:

Ein Name ist ein beliebig als Merkzeichen gewähltes Wort, um in unserem Geiste Gedanken zu erregen, welche früheren Gedanken ähnlich sind, und das zugleich, einem Satze eingefügt und zu Anderen geäußert, ein Anzeichen dafür ist, welche Gedanken in dem Sprechenden vorhanden oder nicht vorhanden waren. In Kürze nur merke ich an, daß ich annehme, daß der Ursprung der Namen willkürlich ist, eine Voraussetzung, welche nach meinem Urteil keinem Zweifel unterliegt. Denn niemand, der beachtet, wie täglich neue Namen entstehen, alte vergehen, wie die verschiedenen Nationen verschiedene Namen gebrauchen, wie zwischen den Namen und den Dingen keine Ähnlichkeit oder Vergleichbarkeit besteht, kann ernstlich meinen, daß die Namen der Dinge deren Natur entstammen. Denn wenn auch einige Namen von Tieren und Dingen, die unsere Stammväter benutzten, Gott selbst lehrte, so hat er auch sie doch nach seinem Ermessen festgesetzt; auch wurden sie später, beim Turmbau zu Babel und auch sonst in fortschreitender Zeit, ungewohnt und vergessen und andere traten an ihre Stelle, absichtlich von den Menschen erfunden und von ihnen verwendet. Und endlich: welches immer der Gebrauch von Namen im gewöhnlichen Leben sein mag, die Philosophen, die anderen ihr Wissen mitteilen wollten, hatten doch stets die Freiheit, die Worte zur deutlichsten Bezeichnung ihrer Lehren nach eigenem Ermessen zu wählen; ja sie sahen sich bisweilen früher dazu genötigt und werden es auch künftig sein, sofern sie diese zu vollem Verständnis bringen wollen. So sind auch die Mathematiker ganz auf sich angewiesen, wenn sie die von ihnen erfundenen Figuren Parabel, Hyperbel, Cissoide, Quadratrix benennen oder Größen mit A oder B bezeichnen.

5. Da die Namen nach Definition als geordnete Satzteile Anzeichen unserer Vorstellungen sind, ist weiter klar, daß sie nicht Zeichen für die Dinge selber sind; denn in welchem anderen Sinne könnte der Schall des Wortes Stein ein Zeichen für den Stein sein, als indem der Hörer hieraus schließt, daß der Sprechende an einen Stein gedacht habe. Die Streitfrage, ob Namen die Materie der Dinge oder etwas aus ihnen Zusammengesetztes bezeichnen, und ähnliche Subtilitäten der Metaphysiker entspringen nur irrigen Vorstellungen; wer sich auf sie einläßt, weiß nicht, worüber er streitet.

6. Zudem ist es überhaupt nicht erforderlich, daß jeder Name der Name eines Dinges ist. Zwar bezeichnen Namen wie: Baum, ein Mensch, ein Stein Dinge selbst, aber ebensogut haben die Traumbilder von Mensch, Baum, Stein ihre Namen, obwohl sie lediglich Phantasmen und bloße Einbildungen von Dingen sind. Da wir uns auch ihrer erinnern können, ist sie zu benennen für uns nicht weniger erforderlich als die Dinge selbst. So ist auch das Wort »Zukunft« ein Name, aber ein Ding Zukunft gibt es nicht, und wir wissen nicht, ob das, was wir Zukunft nennen, einstmals sein wird. Gleichwohl hat das Wort seinen guten Sinn; gewohnt, im Denken Vergangenes mit Gegenwärtigem zu verknüpfen, bezeichnen wir nunmehr eine solche Verknüpfung mit dem Namen Zukunft. Auch was niemals ist oder war oder sein wird oder sein kann, wird benannt, nämlich als das, was niemals ist oder war usw. oder kürzer als das »Unmögliche«. Endlich ist das Wort »Nichts« ein Name, bezeichnet aber unmöglich ein Ding; und doch, wie nützlich ist das Wort, wenn wir beispielsweise 2 und 3 von 5 abziehen und um das Ergebnis, daß kein Rest bleibt, dem Gedächtnis einzuprägen, die Formel anwenden: nichts bleibt Rest. Aus gleichem Grunde können wir auch, wenn ein größerer Posten von einem kleineren abgezogen wird, den Rest als ein weniger als nichts bezeichnen; solche Reste fingiert nämlich der theoretische Geist und muß sie daher, um sie erforderlichenfalls benutzen zu können, gedächtnismäßig aufbewahren. Da aber gleichwohl jeder Name einen Bezug auf das Benannte hat, können wir doch, ob dieses Benannte nun in der Natur als Ding existiert oder nicht, es, um eine einheitliche Formel zu gewinnen, als Ding bezeichnen, gleichgültig, ob dieses Ding wahrhaft existiert oder nur vorgestellt wird.

7. Die Namen unterscheiden sich zunächst nun dadurch, daß die einen positiv oder affirmativ, die anderen negativ sind und teils als privativ, teils als unendlich bezeichnet zu werden pflegen. Positiv sind die, welche wir bei Ähnlichkeit, Gleichheit oder Identität, negativ die, welche wir bei Verschiedenheit, Unähnlichkeit und Ungleichheit betrachteter Dinge anwenden. Beispiel für die ersteren sind Mensch, Philosoph; denn Mensch bedeutet aus einer Menge von Menschen, da sie alle einander ähnlich sind, einen beliebigen von ihnen, wie ein Philosoph einen beliebigen aus einer Gesamtheit von Philosophen; ebenso ist Sokrates ein positiver Name, da er stets ein und dieselbe Person bezeichnet. Beispiele negativer Namen sind etwa die, welche aus dem Positiven durch Hinzufügung der Verneinung »nicht« entstehen, wie Nichtmensch, Nichtphilosoph. Die Positiven sind aber früher als die Negativen, da ohne sie deren Bildung nicht möglich wäre. War nämlich weiß zur Bezeichnung gewisser Dinge, später schwarz, blau, durchsichtig usw. für andere verwendet, dann könnten die Verschiedenheiten aller dieser Farben gegenüber dem Weiß, die an Zahl unendlich sind, nur durch eine Verneinung des Weißen, also durch nichtweiß oder einen äquivalenten Ausdruck, in welchem das Wort weiß wiederholt wird (z.B. unähnlich dem Weiß), zusammengefaßt werden. Durch die negativen Namen geben wir für uns und andere an, was wir nicht, meinen.

8. Positive und negative Namen verhalten sich kontradiktorisch zueinander, sie können nicht beide für dasselbe Ding gelten. Von kontradiktorisch entgegengesetzten Namen ist überdies der eine auf jedes beliebige Ding anwendbar; denn alles, was ist, ist entweder Mensch oder Nichtmensch, weiß oder nichtweiß usw. Dieser Satz ist so einleuchtend, daß er eines Beweises oder einer Erklärung nicht weiter bedarf. Dunkel aber wird er, wenn man ihn dahin formuliert, daß nach ihm ein und dasselbe Ding nicht zugleich sein und nicht sein kann, absurd und lächerlich, wenn er besagen will, daß, was da ist, entweder ist oder nicht ist. Die Gewißheit des Axioms (daß nämlich von zwei kontradiktorisch entgegengesetzten Namen der eine für jedes beliebige Ding gilt, der andere nicht) ist Prinzip und Grund alles Schließens und damit aller Wissenschaft. Daher muß er so exakt formuliert werden, daß er für jedermann in sich selbst klar und deutlich ist. Wie er es denn auch in der Tat ist, nur nicht für die, die durch die Lektüre langer und gelehrter metaphysischer Abhandlungen über diesen Gegenstand dahin gebracht sind, auch das Verständlichste nicht mehr zu verstehen.

9. Einige der Namen sind nun zweifellos mehreren Dingen gemeinsam, wie: Mensch, Baum, andere einzelnen Dingen eigentümlich, wie: Der Verfasser der Ilias, Homer, Dieser, Jener. Der gemeinsame Name, der für eine Mehrheit von einzeln ausgewählten Dingen gilt (nicht aber kollektiv für alle zugleich; Mensch ist nicht der Name für das Menschengeschlecht, sondern für die einzelnen, für Petrus, Johannes und die übrigen), heißt auch universal. Dieses Wort universal bezeichnet daher weder ein in der Natur existierendes Ding, noch eine im Geist auftretende Vorstellung oder ein Phantasma, sondern ist nur der Name eines Namens. Wenn also Lebewesen, Stein, Geist oder sonst etwas universal genannt werden, so darf darunter nicht verstanden werden, daß etwa der Mensch oder der Stein ein Universale wären, sondern nur, daß diese Worte (Lebewesen, Stein usw.) universale, d. h. vielen Dingen gemeinsame Namen sind; und die Vorstellungen, die ihnen in unserem Geiste entsprechen, sind nur die Bilder und Phantasmen der verschiedenen Lebewesen und anderer Dinge. Um die Bedeutung der Universalia einzusehen, bedarf es daher keiner anderen Fähigkeit als der unserer Einbildungskraft, vermittelst derer wir uns erinnern, daß solche Namen einmal diese, einmal jene Dinge dem Geiste zuführen. Die Namen sind überdies den Dingen mehr oder minder gemeinsam. Im höheren Grade gemeinsam ist ein Name, der für mehrere Dinge gilt; im geringeren Grade der Name, der für weniger Dinge gilt. So ist »Lebewesen« im höheren Grade gemeinsamer als »Mensch« oder »Pferd« oder »Löwe«, da jenes sie alle umfaßt. Der im höheren Grade gemeinsame Name wird mit Rücksicht auf den niederen auch Gattung oder das Allgemeine genannt; der letztere aber heißt Art des ersteren oder Besonderes.

10. Und hieraus entsteht eine dritte Unterscheidung der Namen, nämlich die der ersten und der zweiten Intention. Von erster Intention sind die Namen von Dingen (Mensch, Stein), von zweiter die Namen von Namen und Sätzen (universal, partikular, Gattung, Art, Schluß und ähnliches).

Weshalb jene von der ersten, diese von der zweiten Intention heißen, läßt sich schwer angeben, wenn nicht vielleicht die zum täglichen Leben nötigen Dinge zuerst ihren Namen erhalten haben, und erst die Namengebung der wissenschaftlichen Gegenstände, d.h. die Benennung der Namen selbst, in einem späteren zweiten Akt erfolgte. Aus welchem Grunde aber dies auch immer geschehen sei, jedenfalls ist klar, daß Gattung, Art, Definition, Namen nur von Worten und Benennungen sind; die Metaphysiker haben daher geirrt, wenn sie Gattung und Art für Dinge und Definitionen für Erklärungen ihres Wesens hielten, da sie doch nur angeben, was wir von ihrem Wesen denken.

11. Viertens besitzen einige Namen bestimmte und begrenzte, andere unbestimmte und unbegrenzte Bedeutung. Von bestimmter und begrenzter Bedeutung ist ein Name, der nur ein und demselben Ding zukommt und Individualname heißt, wie: Homer, dieser Baum, jenes Lebewesen usw. Ferner gehört dazu jeder Name, dem eines der Worte: jegliches, jedes beliebige, jedes von beiden, eines von beiden oder ein ähnliches hinzugefügt ist. Ein solcher Name heißt auch universal, weil er jedes der Dinge bezeichnet, denen er gemeinsam ist; eine bestimmte Bedeutung besitzt er darum, weil der Hörer dabei an ebendasselbe Ding denkt, auf welches der Redende den Geist gerichtet wissen will. Von unbestimmter Bedeutung ist zunächst ein Name, bei dem das Wort »irgendein« oder etwas entsprechendes hinzugefügt ist; er heißt partikular. Ferner gehören dazu gewöhnliche Namen, sofern ihre Universalität oder Partikularität nicht angegeben wird, wie Mensch, Stein; sie werden indefinite Namen genannt. Partikulare und indefinite Namen haben eine unbestimmte Bedeutung, weil der Hörer nicht weiß, an welches Ding er denken soll; daher im Satz partikulare und indefinite Namen als äquivalent gelten.

Aber die Worte: alle, jeder, einige usw., welche Universalität und Partikularität andeuten, sind nicht Namen, sondern nur Teile von Namen; »jeder Mensch« und »jener Mensch, an den der Hörer denkt«, bedeuten ein und dasselbe; ebenso bezeichnen dasselbe »ein beliebiger Mensch« und »der Mensch, an den der Sprecher dachte«, woraus sich klar ergibt, daß der Gebrauch von Zeichen dieser Art nicht dem eigenen Bedürfnis oder der Vermehrung des Wissens durch eigenes Nachdenken dient (da jeder seine eigenen Gedanken auch hinreichend ohne solche Hilfe bestimmen kann), sondern dem Verkehr mit anderen dient, um unsere Ideen anderen mitzuteilen und zu lehren. Sie sind nicht erfunden, um uns in unserer Erinnerung zu unterstützen, sondern um ein Gespräch mit anderen zu ermöglichen.

12. Namen werden nun auch in eindeutige und mehrdeutige geschieden. Eindeutig sind diejenigen, die in demselben Zusammenhang immer dasselbe Ding bezeichnen; mehrdeutig, welche einmal jenes, einmal dieses meinen. »Dreieck« gilt so als eindeutig, da es stets im selben Sinne genommen wird; »Parabel« dagegen ist mehrdeutig, da der Name einmal eine Allegorie oder einen Vergleich, zum anderen ein gewisse geometrische Figur bezeichnet. Jede Metapher ist absichtlich mehrdeutig. Indessen geht diese Unterscheidung nicht auf die Namen, sondern auf die, die sie verwenden, da nicht alle ihrer sich in rechter und genauer Weise zur Ermittlung der Wahrheit bedienen, vielmehr manche ihren Sinn zum Schmuck oder Trug fälschen.

13. Einige der Namen werden fünftens als absolut, andere als relativ unterschieden. Relative bezeichnen einen Vergleich, wie Vater, Sohn, Ursache, Wirkung, ähnlich, unähnlich, gleich, ungleich, Herr, Diener usw.; absolut sind die, welche keinen Vergleich enthalten. Aber was oben bemerkt wurde, daß die Universität nur den Worten und Namen, nicht den Dingen zukommt, gilt auch von anderen Unterscheidungen der Namen; denn Dinge sind weder eindeutig und mehrdeutig noch relativ und absolut. Eine weitere Unterscheidung der Namen ist die in konkrete und abstrakte; aber da abstrakte Namen Urteil und Bejahung voraussetzen, ist erst später von ihnen zu handeln.

14. Sechstens gibt es einfache und zusammengesetzte Namen. Hierbei ist aber wichtig zu betonen, daß nicht wie in der Grammatik jedes einzelne Wort in der Philosophie als ein Name gilt, sondern auch die Zusammenfügung einer beliebigen Zahl von Worten, die ein Ding bezeichnen, als ein Name genommen werden darf. Im philosophischen Sprachgebrauch gilt der Ausdruck »fühlender belebter Körper« als ein Name, der jedes Lebewesen bezeichnet, während die Grammatiker ihn in drei Namen zerlegen. Auch die Hinzufügung einer Präposition macht nicht wie in der Grammatik aus einem einfachen einen zusammengesetzten Namen. Ich nenne vielmehr einen Namen einfach, der innerhalb einer Gattung der allgemeinste und von weitestem Umfang ist; zusammengesetzt denjenigen, der durch die Verbindung mit einem anderen in seiner Allgemeinheit eingeschränkt wird und damit auf mehrere Vorstellungen im Sprechenden verweist, um derentwillen er den anderen Namen hinzugefügt hat. Zum Beispiel enthält die im ersten Kapitel entwickelte Vorstellung Mensch als erste Vorstellung die Idee von etwas Ausgedehntem, für dessen Bezeichnung das Wort Körper gebraucht wird. Körper ist daher ein einfacher Name, der für diese ursprüngliche Vorstellung und für sie allein gebraucht wird; später entsteht auf Grund der Wahrnehmung von Bewegungen dieses Körpers eine andere Vorstellung, um dererwillen er ein belebter Körper genannt wird; einen solchen Ausdruck bezeichne ich als zusammengesetzten Namen, wie übrigens auch das Wort Lebewesen dem Ausdruck belebter Körper äquivalent ist. Noch zusammengesetzter ist der Ausdruck »belebter vernünftiger Körper« oder das ihm äquivalente Wort »Mensch«. So sehen wir, wie der Zusammensetzung von Vorstellungen im Geist die Zusammensetzung von Worten entspricht; wo im Geist Ideen oder Phantasmen aufeinander folgen, werden sukzessive verschiedene Namen zueinander hinzugefügt, die insgesamt dann einen zusammengesetzten Namen ausmachen.

Indessen müssen wir uns vor der Annahme, die von vielen Philosophen geteilt wurde, hüten, als wären nun die außerhalb des Geistes befindlichen Körper in derselben Weise zusammengesetzt, so daß in der Natur zunächst ein Körper oder irgendein anderes denkbares Ding existierte, das zunächst keine Größe besitzt, sondern erst durch ihre Hinzufügung ein Quantum erhält und je nach deren Menge Dichtigkeit oder Dünnheit, welcher Körper dann durch die Hinzufügung von Figuren Gestalt erhält und weiter durch Beleuchtung leuchtend oder farbig wird.

15. Die Logiker haben versucht, die Namen aller Arten von Dingen durch Unterordnung der Namen von geringerem Umfang unter die von größerem in bestimmte Reihen oder Stufen einzuteilen. So setzen sie beispielsweise in der Klasse der Körper einfach Körper an die erste und oberste Stelle, darunter die Namen von geringerem Umfang, durch welche der erstere bestimmter und begrenzter wird, etwa beseelt und unbeseelt usw., bis man schließlich zu den Individuen gelangt; in ähnlicher Weise setzen sie in der Klasse der Quantitäten Quantität an die erste Stelle, sodann Linie, Oberfläche, Körper, Namen, die weniger umfassend sind. Und diese Ordnungen und Reihen von Namen pflegen sie Prädikamente und Kategorien zu nennen. Dergestalt können nicht nur positive, sondern auch negative Namen eingeordnet werden.

Folgende Schemata geben etwa ein Beispiel einer solchen Tafel der Prädikamente.

Schema der Prädikamente für den Körper

Nicht-Körper oder Accidenz

Körper

- nicht beseelt

- beseelt

- - unbelebt

- - belebt

- - - Nicht Mensch

- - - Mensch

- - - - Nicht Peter

- - - - Peter.

Schema der Prädikamente der Quantität

Quantität

- nicht stetig: Zahl

- stetig

- - stetig an sich

- - - Linie

- - - Oberfläche

- - - Körper

- - stetig vermittelst eines Accidenz

- - - Zeit vermittelst der Linie

- - - Bewegung vermittelst der Linie und der Zeit

- - - Kraft vermittelst der Bewegung und des Körpers.

Hierzu ist zu bemerken, daß zwar Linie, Fläche, Körper quantitativ bestimmt werden können, da zu ihrer eigensten Natur Gleichheit und Ungleichheit gehören; aber Größenunterschiede oder Gleichheit oder irgendwelche quantitative Bestimmungen können von Zeit nur vermittelst Linie und Bewegung, von Bewegung nur vermittelst Linie und Zeit, von Kraft nur vermittelst Bewegung und Körper ausgesagt werden.

Schema der Prädikamente der Qualität

Qualität

- Sinnliche Wahrnehmung

- - primär

- - - Gesicht

- - - Gehör

- - - Geruch

- - - Geschmack

- - - Gefühl

- - sekundär

- - - Phantasie

- - - Affekte

- - - - erfreuliche

- - - - beschwerliche

- Sinnlich Wahrgenommenes

- - durch das Gesicht, Licht und Farbe

- - durch das Gehör, Ton

- - durch den Geruch, Geruch

- - durch den Geschmack, Geschmack

- - durch das Gefühl, Härte, Hitze, Kälte usw.

Schema der Prädikamente der Relation

Relation

- der Größen wie Gleichheit und Ungleichheit

- der Qualitäten wie Ähnlichkeit und Unähnlichkeit

- der Ordnung

- - zusammen

- - - nach Ort

- - - nach Zeit

- - nicht zusammen

- - - nach Ort

- - - - früher

- - - - später

- - - nach Zeit

- - - - früher

- - - - später

16. Bezüglich dieser Prädikamente ist zunächst zu bemerken, daß die Scheidung in kontradiktorische Gegensätze, wie sie in dem ersten Schema erfolgt, auch bei den übrigen durchgeführt werden kann. Wie Körper in beseelt und nichtbeseelt geteilt ist, so könnte in dem zweiten Schema die stetige Quantität in Linie und Nichtlinie und weiter die Nichtlinie in Fläche und Nichtfläche usf. geteilt werden, was aber nicht nötig ist.

Zweitens ist zu beachten, daß bei positiven Namen der vorangehende den folgenden in sich faßt, während es bei den negativen umgekehrt ist. So ist Lebewesen zum Beispiel der Name eines jeden Menschen und faßt daher auch den Namen Mensch in sich; Nichtmensch ist dagegen jedes Ding, das kein Lebewesen ist; und dieses kein Lebewesen, das voransteht, ist so in dem folgenden Namen Nichtmensch enthalten.

Drittens müssen wir uns vor der Annahme hüten, daß durch Unterscheidungen dieser Art nicht nur die Namen, sondern auch die Unterschiede der Dinge selbst erkannt und bestimmt werden. Sie beweisen natürlich auch nicht (wie man lächerlicherweise geschlossen hat), daß die Arten der Dinge nicht zahllos sind.

Viertens möchte ich nicht, daß die oben gegebenen Schemata als die wahre und wirkliche Ordnung der Namen angesehen werden; nur eine vollkommene Philosophie könnte dies erstreben. Und wenn ich beispielsweise das Licht zu den Qualitäten rechne, ein anderer es zu den Körpern zählt, so entscheidet eine solche Einteilung nichts über unsere Auffassung von der Sache; denn diese beruht auf Gründen und Beweisen und nicht auf Klassifikationen von Wörtern.

Schließlich bekenne ich, daß ich eine besondere Verwertung dieser Prädikamente in der Philosophie noch nicht gesehen habe. Ich glaube, daß Aristoteles auf seine eigenmächtige Ordnung von Wörtern nur kam, weil er zu den Dingen selber nicht gelangte. Ich, gab aber die obenstehende Klassifikation der Namen nur, um das Wesen einer solchen Einteilung zu erläutern, als wahr könnte sie erst nach erbrachtem Beweise gelten.

3. Kapitel  Vom Satz

1. Verbindungen und Zusammenstellungen von Namen ergeben die verschiedenen Arten von Redeform. Einige von ihnen dienen nur zum Ausdruck von Wünschen und Gemütsbewegungen. Dahin gehören zunächst die Fragen, welche den Wunsch zu wissen bekunden. In diesen, wie etwa in dem Beispiel: »Wer ist ein guter Mensch?« wird der eine Name vom Sprecher ausgedrückt, den anderen wünscht und erwartet er von dem Gefragten. Sodann gehören dazu Bitten, welche den Wunsch nach Besitz von etwas bezeichnen; ferner Versprechungen, Drohungen, Wünsche, Befehle, Klagen und andere Bezeichnungen anderer Stimmungen. Gesprochenes kann auch ganz absurd und nichtssagend sein; dies ist der Fall, wenn einer Wortfolge keine Folge von Vorstellungen im Geiste entspricht. Es widerfährt dies oft Menschen, die ohne Verständnis einer schwierigen Materie sich dadurch den Anschein einer genauen Kenntnis geben wollen, daß sie Worte zusammenhanglos über sie äußern. Denn auch die Verbindung unzusammenhängender Worte ist ein Sprechen, wenn sie auch den Zweck des Sprechens (nämlich den sinnvollen Ausdruck) verfehlt. Metaphysiker haben davon reichlichen Gebrauch gemacht. In der Wissenschaft ist aber nur eine Art von Sprechen berechtigt, die bisweilen Aussage, Ausdruck oder ähnlich benannt, zumeist als Satz bezeichnet wird; in ihm wird bejaht oder verneint, Wahrheit oder Falschheit behauptet.

2. Ein Satz ist eine sprachliche Äußerung, welche aus zwei durch eine Kopula verbundenen Namen besteht und durch welche der Sprechende ausdrücken will, daß er den zweiten Namen als Namen für dasselbe Ding versteht, das auch der erste bezeichnet; oder (was dasselbe ist) daß der erste Name in dem zweiten enthalten ist. Die Äußerung beispielsweise: »Der Mensch ist ein Lebewesen«, in welcher zwei Namen durch die Kopula »ist« verbunden sind, ist ein Satz, weil der Sprecher dabei sowohl Lebewesen und Mensch für Namen desselben Dinges hält oder den ersteren Namen, Mensch, in dem letzteren, Lebewesen, enthalten denkt. Der erste Name pflegt Subjekt, Antecedens oder der mitbegriffene Name, der letzte Prädikat, Konsequens oder der umfassende Name genannt zu werden. Das Zeichen der Verknüpfung ist bei den meisten Nationen entweder ein Wort wie jenes »ist« in dem Satze: »Der Mensch ist ein Lebewesen«, oder irgendein Wortfall oder eine Wortendung, wie in dem Satze: »Der Mensch geht« (was gleichbedeutend ist mit: »Der Mensch ist ein Gehender«); die Endung (er geht, statt er ist ein Gehender) gibt an, daß diese beiden Namen (er und Gehender) verbunden, und als Namen desselben Dinges verstanden werden sollen.

Es gibt nun aber oder es könnte wenigstens Völker geben, welche kein unserem »ist« entsprechendes Wort besitzen, die aber gleichwohl Sätze durch einfache Hintereinanderstellung von Namen (also statt »Der Mensch ist ein Lebewesen« nur »Mensch Lebewesen«) bilden; denn die bloße Ordnung der Namen kann ihre Verbindung hinreichend kenntlich machen; für die Wissenschaft sind sie wegen des Mangels dieses Wörtchens nicht weniger geeignet.

3. Drei Dinge sind sonach bei jedem Satz zu betrachten: die beiden Namen, die das Subjekt und das Prädikat bilden, und ihre Verbindung durch die Kopula. Die beiden Namen erwecken in uns die Vorstellung ein und desselben Dinges, während die Kopula uns an den Grund erinnert, weswegen diese Namen diesem Dinge beigelegt wurden. Wenn wir zum Beispiel sagen: »Ein Körper ist beweglich«, begnügen wir uns nicht mit der Einsicht, daß dasselbe Ding durch diese beiden Namen bezeichnet wird, sondern wir forschen weiter, was es heißt, ein Körper oder beweglich sein, d.h. worin der Unterschied zwischen diesen und anderen Dingen besteht und warum diese so und andere nicht so benannt worden sind. Wer aber zu wissen verlangt, was es bedeutet, etwas zu sein, beweglich zu sein, heiß zu sein, sucht in den Dingen die Ursachen für ihre Benennung.

Hieraus entspringt die im letzten Kapitel berührte Unterscheidung in konkrete und abstrakte Namen. Denn konkret ist der Name eines jeden Dinges, von dem wir ein Sein annehmen; ein solches wird Subjekt (das Unterliegende, hypokeimenon) genannt; zum Beispiel: Körper, das Bewegliche, das Bewegte, das Geformte, das, was eine Elle hoch ist, Warmes, Kaltes, Gleiches, Ungleiches, Appius, Lentulus und ähnliches. Ein Abstruktum bekundet, daß in einem Subjekt eine Ursache für einen konkreten Namen ist, wie: Körper sein, beweglich sein, bewegt sein, räumlich begrenzt sein, Größe habend, warm sein, kalt sein, ähnlich sein, gleich sein, Appius oder Lentulus sein und ähnliches; Namen, die diesen Ausdrücken äquivalent sind, werden abstrakte genannt, wie Körperlichkeit, Beweglichkeit, Bewegung, Figur, Quantität, Wärme, Kälte, Ähnlichkeit, Gleichheit und (wie sich bei Cicero findet) Appiutät und Lentulität. Von derselben Art sind auch die Infinitive; denn leben und sich bewegen bedeutet dasselbe wie Leben und Bewegung oder lebendig und bewegt sein. Aber abstrakte Namen bezeichnen nur die Ursache konkreter Namen, nicht die Dinge selbst. Wenn wir beispielsweise ein Ding sehen oder ein sichtbares Ding uns vorstellen, so erscheint das Ding oder seine Vorstellung nicht in einem Punkt, sondern seine Teile besitzen eine Entfernung voneinander, das Ganze erscheint mithin als ausgedehnt und raumerfüllend. Da wir aber ein so vorgestelltes Ding Körper nennen wollten, ist die Tatsache, daß das Ding ausgedehnt ist, oder seine Ausdehnung oder Körperlichkeit die Ursache für diese Benennung. Und wenn wir ein Ding bald hier, bald dort erscheinen sehen und es als bewegt bezeichnen, so ist die Ursache für diese Benennung, daß es bewegt ist, oder seine Bewegung.

Die Ursachen der Namen sind die gleichen wie die Ursachen unserer Vorstellungen, nämlich eine gewisse Kraft oder Tätigkeit oder Beschaffenheit des wahrgenommenen Dinges, die von einigen seine Modi, meistens aber doch Accidenzien genannt werden. Ich verstehe aber das Wort Accidenz nicht in dem Sinne eines Gegensatzes zum Notwendigen, sondern bezeichne damit etwas, das, obwohl es nicht das Ding selbst noch einen seiner Teile bezeichnet, es trotzdem stets das Ding derart begleitet, daß es (wenn man von der Ausdehnung absieht) wohl verschwinden und zerstört, aber nie von ihm losgelöst werden kann.

4. Ein weiterer Unterschied zwischen konkreten und abstrakten Namen liegt darin, daß die ersteren (weil sie erst einen Satz bilden können) vor den Sätzen, die letzteren aber (weil sie nur nach der Bildung von Sätzen möglich sind, aus deren Kopula sie entstehen) später erzeugt wurden. Im Leben, besonders aber in der Wissenschaft, werden abstrakte Namen beständig gebraucht, freilich vielfach auch mißbraucht. Unentbehrlich sind sie, weil wir ohne sie die Eigenschaften der Dinge nicht genau bestimmen können. Denn wenn wir beim Rechnen uns der konkreten Namen bedienen müßten, also beispielsweise das Warme oder das Leuchtende oder das Bewegte verdoppeln, würden wir nicht sowohl die Eigenschaften als vielmehr die warmen, leuchtenden, bewegten Körper selbst doppelt setzen, was wir gar nicht wollen. Ihr Mißbrauch liegt aber in folgendem: weil man Hitze und andere Accidenzien für sich betrachten (d.h. wie oben gesagt wurde, ihr Wachstum quantitativ feststellen) kann, ohne dabei ihre Träger, die Körper, in Betracht zu ziehen - ein Vorgang, den man Abstraktion nennt -, glaubte man von den Accidenzien sprechen zu können, als könnten sie von dem Körper überhaupt getrennt werden. Hieraus entspringt einer der Grundirrtümer gewisser metaphysischer Systeme. Weil man das Denken ohne Rücksicht auf den Körper betrachten kann, hat man gefolgert, daß zum Denken der Körper nicht nötig sei; und weil man die Größen ohne Rücksicht auf Körper betrachten kann, hat man geglaubt, daß Größen ohne Körper und Körper ohne Größen möglich sind, ja, daß ein Körper seine Größe durch, die Hinzufügung von Größe zu ihm erhält. Aus gleicher Quelle entspringen so sinnlose Bezeichnungen wie: abstrakte Substanzen, gesonderte Wesenheiten und ähnliche. Ebenso töricht sind die von dem lateinischen Wörtchen »est« abgeleiteten Wortbildungen, wie Essenz, Essenzialität, Entität, Entitativität; das gleiche gilt für Realität, Quiddität usw., welche nie bei Völkern hätten entstehen können, die die Kopula »ist« im Satze nicht verwenden, sondern ihre Namen durch verbale Formen, wie läuft, liest usw. (oder durch die bloße Hintereinanderstellung) verbinden. Da aber solche Völker auch denken und rechnen können, ist ersichtlich, daß die Philosophie solcher Worte wie Essenz oder Entität oder ähnlicher barbarischer Termini nicht bedarf.

5. Die Sätze werden vielfach eingeteilt. Eine erste Scheidung ist die in universale, partikulare, indefinite und singulare, eine Scheidung, welche allgemein als die der Quantität bezeichnet wird. Universal ist ein Satz, dessen Subjekt das Kennzeichen eines allgemeinen Namens trägt (etwa: »Jeder Mensch ist ein Lebewesen«). Partikular ist ein Satz, dessen Subjekt das Kennzeichen eines partikularen Namens trägt (»Ein bestimmter Mensch ist gelehrt«). Indifinit ist ein Satz, dessen Subjekt ein Gemeinname ohne besonderes Zeichen ist (»Der Mensch ist ein Lebewesen«, »Der Mensch ist gelehrt«). Singular ist ein Satz, dessen Subjekt ein singularer Name ist (»Sokrates ist ein Philosoph«, »Dieser Mensch ist schwarz«).

6. Eine zweite Unterscheidung, welche die der Qualität genannt wird, ist die in affirmative und negative Sätze. Affirmativ ist ein Satz, dessen Prädikat ein positiver Name ist (»Der Mensch ist ein Lebewesen«), negativ ist ein Satz, dessen Prädikat ein negativer Name ist (»Der Mensch ist kein Stein«).