Gundermann und Freunde - Marianne Dafflon - E-Book

Gundermann und Freunde E-Book

Marianne Dafflon

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Beschreibung

Entdecke die scheinbar unspektakuläre Pflanzenwelt vor deiner Haustür - Ein erfrischend anregendes Einsteigerbuch mit Kurzgeschichten, einer Zeitreise durch die Heilpflanzengeschichte und einfachen, kulinarischen Kostproben! Dieses Buch ist ein Schatz für alle, die sich nach Ruhe, Entspannung und Inspiration sehnen. Die unterhaltsamen Kurzgeschichten zu Wildpflanzen nehmen dich mit auf eine Reise zu dir selbst und zur Natur, die uns umgibt. Mit achtzehn Pflanzenporträts und wundervollen Bildern erweiterst du mühelos und ohne Vorkenntnisse dein Verständnis für die Pflanzenwelt in deiner Umgebung. Öffne die Tür und entdecke sie selbst, nimm ihre geheimnisvolle Kraft wahr und erfreue dich ihrer Formenvielfalt. Tauche ein in die Jahrtausende alte Tradition der Heilpflanzen. Erfahre mehr zu faszinierenden, alten Dokumenten, zu Hexen, Schamanen und zur Bedeutung von Klöstern für die Kräuterkunde. Lerne, wie du die reichhaltige Naturapotheke vor deiner Haustür nutzen kannst, um dein Wohlbefinden zu steigern und Zufriedenheit in den Leben zu bringen. Dieses Buch nimmt dich Schritt für Schritt mit zurück zur Natur.

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Inhalt

01

Geschichten zur inspirierenden Wildnis vor deiner Haustüre

Mache dich vertraut mit: Löwenzahn, Brennnessel, Quendel, Gundermann, Schafgarbe, Wegerich, Gänseblümchen, Vogelmiere, Bärlauch, Verbene, Giersch, Hundspetersilie, Frauenmantel, Johanniskraut, Mispel, Zimbelkraut, Beifuss, Mädesüss

02

Perlen aus der Geschichte der Heilpflanzenkunde

Tauche ein in frühere Zeiten: Der Papyrus Ebers, der St. Galler Klosterplan, der erste Heilpflanzengarten, Hildegard von Bingen, Herbarien und Buchdruck, Druiden, Schamanen, Hexen, Pharmaindustrie

03

Natur neu lernen

Probiere aus: Lernen und umsetzen, sammeln, verarbeiten, trocknen, kochen und geniessen

04

Service

Literatur

Bildnachweise

Porträt Autorin

Ich bedanke mich von Herzen bei all den wunderbaren Menschen, die mich auf meinem Weg unterstützt und inspiriert haben. An erster Stelle bei denjenigen, die mir im Alltag stets hilfsbereit und freundschaftlich zur Seite stehen, mich motivieren, mich etwas Neues lehren und mich in die Natur begleiten.

Danke der Natur und dem Leben für kleine Momente der Verbundenheit und Faszination, die mich immer wieder auffordern, Augen und Herz zu öffnen und die Welt bewusst und vorurteilslos wahrzunehmen.

Ein spezielles Dankeschön für die grosse Hilfsbereitschaft bei der Umsetzung an Dr. Beat Wolf und an Barbara Hess. Natürlich auch an die Klasse B 22/23 des Kräuterseminars Inforama. Die Begegnungen in diesem Kurs waren unglaublich bereichernd, humorvoll und lehrreich. Ohne euch wäre dieses Buch nicht entstanden.

Herzlichst, Marianne

Vorwort

Liebe Leserin,

Lieber Leser,

Magst du die Natur, aber Alltag, Stress und Hektik haben dich etwas stark im Griff? Gönne dir einen Spaziergang im Grünen und versuche, dich für wohltuende Erlebnisse zu öffnen.

Dieses Buch mit Kurzgeschichten zu Wildpflanzen soll dir eine kleine Auszeit vom Alltag ermöglichen und dich dazu inspirieren, die Natur in deiner Umgebung bewusster wahrzunehmen. Hast du schon einmal am Wegrand das sonnige Gemüt eines Löwenzahns oder eines Gänseblümchens bewundert? Kennt deine Nase den würzigen Duft von Thymian, Bärlauch oder Wegerich? Wenn nicht, lass dich bereichern, lass dir diese Erfahrung nicht entgehen!

Ist es nicht sonderbar, wie wir täglich an der Natur vorbeigehen, ohne wirklich hinzuschauen, geschweige denn zu verstehen, was wir da sehen? Irgendwie findet unser Leben anderswo statt, im Kopf, in der Vergangenheit, der Zukunft, aber selten dort, wo unsere Füsse stehen. Das mag dir genügen. Wenn nicht, oder ganz besonders in schwierigen Zeiten, kann dir die Beschäftigung mit Wildpflanzen unerwartet neue Energie und Inspiration geben – wenn du gelernt hast, sie zu verstehen. Unzufriedenheit, Einsamkeit, Liebeskummer, schwierige Übergänge, Verlust? Mein Herz ist bei dir und dasjenige der Natur auch, aber den Schritt hinaus, den musst du selber machen. Öffne die Haustür und schaue, was dir da begegnet.

Dieses Buch ist für alle gedacht, die sich für die Natur als unsere Lebensgrundlage interessieren, für diejenigen, denen Natürlichkeit am Herzen liegt und die sich und ihrer Gesundheit etwas Gutes tun möchten. Vielleicht findest du in diesen Geschichten auch ein kleines Stück Ruhe und Entspannung.

TEIL EINS

«In der Hoffnung, den Mond zu erreichen, vergisst der Mensch auf die Blumen zu schauen, die zu seinen Füssen blühen.»

Albert Schweitzer

Geschichten zur inspirierenden Wildnis vor deiner Haustüre

Weisst du, warum Gänseblümchen bei Liebeskummer trösten können? Warum Giersch den Kontakt mit den Nachbarn belebt oder krause Petersilie sicherer ist als glatte?

Nur wenige Generationen vor uns hat man sich nicht nur Geschichten erzählt, man hat sie auch selber erlebt. Weil die Natur zum Leben dazu gehörte, dessen Grundlage war und man Verbundenheit mit sich und der Umwelt ganz selbstverständlich spürte, sie zu schätzen und zu nutzen wusste.

Das tun wir heute auch, aber anders. Die Natur ist Plattform für Sport und Freizeit: Wir lüften den Kopf, bezwingen Berge, sonnen im weissen Sand, suchen auf Reisen nach grandiosen Landschaften und jagen nach ultimativ romantischen oder freiheitsverheissenden Instagram Bildern. Die Verbundenheit ist uns jedoch etwas abhandengekommen. Wir sind hier, der andere dort, die Natur unter uns und eine etwas traurige Leere in uns. Zwar ungern spürbar, manchmal aber dennoch, wenn es gerade nicht so läuft und uns endlose Bedürfnisse quälen.

Dann sehnen wir uns insgeheim nach Einfachheit, nach einem Gefühl von Freude oder gar Liebe, oder mindestens nach etwas Inspiration.

Kannst du dir vorstellen, dass der Weg dahin direkt vor der Haustür sein könnte? Dass dein Leben berührender und dein Alltag bunter werden könnten, wenn du mit Aufmerksamkeit auf das achtest, was du üblicherweise mit Füssen trittst? Die Natur ist immer auf deiner Seite, nur hast du verlernt in Ruhe dein Herz zu öffnen, mit Interesse deine Sinne zu beleben und dich auf das einzulassen, was unmittelbar vor dir wächst und gedeiht.

Kann eine Brennnessel interessant sein? Lass dich mittragen von ein paar Geschichten mitten aus dem Alltag, wie sie jedem Menschen passieren können, unspektakulär aber lebensnah. Und dann öffne die Tür und schaue dir die Pflanze an, um die es geht. Beobachte, beschreibe, frage dich, was ihr Wesen ist, und wer weiss, vielleicht spricht sie zu dir. Höre aufmerksam zu, wer weiss, vielleicht hat sie dir wirklich etwas zu sagen.

Ein Leben lang Löwenzahn

Welche Farbe hat der Frühling für dich? Bei uns im Schweizer Vorgebirge ist er gelb, ein klares, leuchtendes Gelb. Verstreut in einer sanften Hügellandschaft stehen Bauernhöfe, und rundherum liegen ihre satten Wiesen. Im April verwandeln sie sich wundersam zu gelben Teppichen. Die ganze Landschaft wirkt sonnig und kraftvoll und lädt dazu ein, nach draussen zu gehen. Wenn man durch die liebliche Gegend wandert, schweift der Blick immer wieder über diese Matten, wie man sie bei uns nennt. Verschwunden ist der bräunlich weisse Matsch des endenden Winters. Die Natur ist erwacht - und sie ist stark.

Röbu sitzt am frühen Morgen auf dem Holzbrett vor dem Stall. Heute hat er nicht so gut geschlafen, die Hüfte schmerzt. Der Arzt meinte, er sollte sie operieren lassen, aber er findet mit seinen vierundsiebzig Jahren habe das doch keinen Sinn mehr. Er lag noch nie in einem Spitalbett – und dann noch zur Kur ins Oberland, so wie Ferien, er hatte nie Ferien. Ein paar Ausflüge und das war es, mehr wollte er gar nicht. Sein Herz gehört sowieso diesen sanften Hügeln, es will nirgends anders hin. Was sollte er denn in Russland oder Amerika? Dort ging es nur um Krieg und Geld, so stand es in der Zeitung. Ja, im Militärdienst, da war er in der französischen Schweiz. Es bleibt ein unvergessliches Abenteuer, aber das ist lange her. Ein wenig spannend fand er damals noch Hollywood, aber Hollywood ist nun auch vorbei. Als junger Bursche hatte er davon geträumt, von dieser Landschaft und der Prominenz, den attraktiven Schauspielerinnen, aber nur ganz kurz. Es gab ja dann TV, das reichte auch. Und jetzt, solange er dem jungen Bauer noch im Stall beim Ausmisten helfen kann, ist doch alles gut. Mehr braucht er im Leben nicht. Natürlich ist sein Tempo verlangsamt, er kann nicht mehr so zupacken wie früher. Auch sein geliebtes Moped hat er nicht mehr – das war seine Art von Ferien, «Töfflibueb» sagt man dem heute. Jawohl, das waren er und seine Kumpel, Töfflibuebe, quer über die Hügel und besonders gerne im Frühling, da war alles gelb, das ganze Emmental. Eggen und Chrachen fahren, sagten sie dem. Das gibt es heute auch noch, aber es heisst E-Bike-Herzroute und Mountainbike-Trail. Manchmal, wenn er über die gelben Felder schaut, denkt er: «So ein E-Bike, ob das noch gehen würde?».

Er ist nicht ein Mann von vielen Worten, und er hatte es nur einer einzigen Person anvertraut. Diese gelben Blumen im Frühling, die waren für ihn voller Energie und Lebensfreude. Ein sonniges Gemüt, das ihn anstrahlte, das sich nie unterkriegen liess. Er brauchte keinen Detox-Saft, diese Blumen reichten auch. Ab und zu isst er ein paar junge Blätter, aus den Wurzeln macht er einen Tee, das hatte er von der alten Bäuerin gelernt. Seine Kühe haben das Kraut auch zum Fressen gerne, die werden davon ganz schön kräftig. Eine Freude, diese Felder einfach nur so anzuschauen, am frühen Morgen vor dem Arbeitstag. Es ist nirgends schöner als hier, auf diesem alten Brett aus Holz.

Einmal sass jemand neben ihm. So lange her ist es doch noch gar nicht, vielleicht fünfzehn Jahre. Sie mochte den Löwenzahn weniger. Er sei eine Plage im Garten und ausserdem ein Zeichen, dass die Felder alle überdüngt seien, mit Gülle und sonstigen Sachen. Die Landwirtschaft sei da nicht mehr zeitgemäss. Deshalb haben sie sich ab und zu ein wenig gestritten, aber dazu oft auch gelacht. Sie nannte ihn neckisch den «Söiblumemutzli». Er hatte sie manchmal sein «Magerwiesentussi» genannt, doch vorsichtigerweise nur im Kopf, denn Frauen sind ja bei Bezeichnungen manchmal etwas empfindlich. Frauen schienen ihm auch sonst empfindlich zu sein, Röbu verstand aber meistens nicht wirklich, was er falsch machte.

Sie wollte ihn in die Stadt mitnehmen, weil er ja schon bald pensioniert würde. Sie verstand nicht, dass ein Knecht niemals pensioniert ist. Er blieb da, er blieb stur. Das war nicht gut und das wusste er, aber er konnte nicht anders. Er blieb einfach da, und sie war weg. Die Karte, die sie ihm zum Abschied geschrieben hatte, hat er immer noch. Sie zeigte ein Bild von einem Löwenzahnfeld und darunter der Spruch:

«Schöne Momente kannst du nicht festhalten, sie fliegen davon wie eine Pusteblume. Doch die Erinnerung daran bleibt, manchmal eine Weile, manchmal auch für immer.»Autor unbekannt

Röbu wird immer an sie denken, aber auch an seine Töfflikumpel, an die viele Arbeit, an seine Kühe, an das gute Essen, das ihm die Bäuerin immer aufstellte, an die Feste, an denen er immer dabei sein durfte, an seine unzähligen, ruhigen Stunden auf seiner alten Holzbank. «Röbu, bist du am Meditieren?» Der Bauer steht beim Stall in der Tür. «Am Erinnerungen wälzen», sagt Röbu und stemmt sich mit Hilfe der Arme auf. Der junge Bauer sieht zu, wie Röbu leicht stöhnend die Mistgabel packt und dann im Stall mit einem Lachen die Kühe begrüsst.

Später beim Frühstück wird er ihm etwas sagen: Rita und er haben Röbu im Spital angemeldet. Die Unterschrift von Röbu fehlt noch auf dem Formular und es steht noch etwas Überzeugungsarbeit vor ihnen. Aber vielleicht könnte das E-Bike helfen, das sich Rita gestern gekauft hat. Es steht im Tenn, und Röbu könnte ja nach der Kur einmal ausprobieren, ob das etwas wäre. Seine Töfflikarriere würde ihm sicher gut helfen, damit zurechtzukommen. Wer weiss, vielleicht werden Knechte doch einmal pensioniert, wenigstens in Teilzeit.

Gewöhnlicher Löwenzahn entdecken

Wo er reichlich blüht, kennt ihn sozusagen jedes Kind. Er kann im Frühling ganze Felder und Gärten mit seinen leuchtend gelben Korbblüten bedecken, die sich ein paar Wochen später in weisse, flauschige Bällchen mit unzähligen Fallschirmen verwandeln. An jedem Schirmchen hängt ein länglich zugespitzter Samen, der darauf wartet, vom Wind irgendwo hingetragen zu werden. Wo er seltener ist, kann man ihn allerdings gut mit anderen gelben Wiesenblumen verwechseln. Deshalb sollte man auf einige Merkmale achten.

Löwenzahn wächst aufrecht aus einer grundständigen Rosette. Die zungenartigen Blätter sind tief eingeschnitten und sehen ein wenig wie Zähne aus. Eine einzelne Blüte sitzt auf einer blattlosen, unverzweigten, hohlen Röhre. Diese Röhre enthält einen Milchsaft, der beim Abreissen sehr gut sichtbar ist und bei empfindlicher Haut zu Reizungen oder braunen Flecken führen kann.

Die drei bis fünf Zentimeter grosse, kräftig gelbe Blüte besteht aus vielen Zungenblüten, die auf einem Körbchen sitzen. Die Blüte öffnet sich während mehreren Tagen bei Sonnenlicht und schliesst sich in der Nacht und bei Regen und Kälte. Schliesslich schliessen sich die Kelchblätter, es bildet sich ein Fruchtstand, der sich dann wieder zur Pusteblume öffnet.

Wer Löwenzahn im Garten ausstechen will, kennt auch seine lange, dunkelbraune Pfahlwurzel, die sich bis zu vierzig Zentimeter tief im Boden verankert. Ausstechen ist mühsam. Die Wurzel ist nicht nur mehrjährig, sondern kann sich auch aus kleinen, im Boden verbliebenen Teilchen wieder regenerieren.

Die weitaus häufigste Art ist der gewöhnliche Löwenzahn. Es gibt jedoch weitere Sorten wie: Sumpf-Löwenzahn, Schröters Löwenzahn, Glatter Löwenzahn, Alpen-Löwenzahn, Kapuzen-Löwenzahn.

Löwenzahn verstehen

Löwenzahn ist eine sehr häufige Pflanze, die jedoch im Gegensatz zu anderen Heilpflanzen in alten Papierrollen und Büchern nicht erkennbar auftaucht. Heute fühlt sich die Pflanze auf den landwirtschaftlich genutzten Feldern besonders wohl, weil der Stickstoffgehalt dort hoch konzentriert ist.

Sie hat sich stark ausgebreitet. Das liegt unter anderem daran, dass sie sich eines grossflächigen, einfachen Verbreitungsprinzips bedient: Sie nutzt den Wind, der ihre Samen in alle Himmelsrichtungen trägt. Wohl jeder hat schon einmal eine wunderschön flauschig kugelige, verblühte Löwenzahnblume gepflückt und sie angepustet. Daher auch der treffende Name Pusteblume. Es reicht jedoch auch schon ein feiner Windstoss, um die Fallschirmchen mit den winzigen, windschnittig geformten Samen wegzutragen. Der Wind ist natürlich ein ausgesprochen wahlloser Kurier und trägt die Samen auch auf Strassen oder andere ungeeignet Plätze. Deshalb produzieren Pflanzen, die sich des Windes bedienen, eine riesige Menge an Samen. Beim Löwenzahn sind es an die dreihundert pro Blume. Ein Hektar dichtes Löwenzahnfeld, das bei guten Bedingungen mehrfach blüht, produziert gegen 97'000’000 Samen pro Jahr. Fällt das Korn an die richtige Stelle, kann es dank der Längsrippen gut in den Boden eindringen und schon nach vierzehn Tagen keimen. Und wenn die Bedingungen nicht stimmen, kann es warten, bis zu zehn Jahren. So lange bleiben die Samen keimfähig.

Der Milchsaft im Stängel des Löwenzahns enthält den leicht giftigen Bitterstoff Taraxacin und Tataxasterol. Diese Milch ist von einer eher dickflüssigen Konsistenz und härtet in der Luft aus. Die Pflanze produziert damit ein Sekret, welches ihr hilft, bei Verletzungen sofort ihre Wunde zu schliessen. Der Milchsaft wird danach direkt wieder nachgebildet. Saft, Stängel und Blätter sind bitter. Die Pflanze schützt sich damit erfolgreich gegen Tierfrass.

Löwenzahnblüte mit Knospen

typisch gezähnte Löwenzahnblätter

verblühter Löwenzahn "Pusteblume"

Gesunder Löwenzahn

Die jungen Blätter des Löwenzahns sind im Frühling eine sehr schöne Bereicherung im Salat. Seine Bitterstoffe regen die Verdauungssäfte an und helfen dem Körper bei der Frühjahrskur.

Aus den Blüten des Löwenzahns lässt sich ein Honig machen. Dazu die Blüten kochen, abkühlen, ziehen lassen und absieben. Den Saft mit Zucker und Zitronensaft aufkochen, bis eine sirupartige Flüssigkeit entsteht, die man in Gläser abfüllen kann.

In früheren Zeiten nutzte man Löwenzahnwurzeln als Ersatz für den teuren Kaffee. Die getrockneten, geschnittenen Wurzeln werden dazu in einer alten Kaffeemühle gemahlen. Ein Teelöffel wird dann mit einer Tasse Wasser aufgekocht. Sehr rasch abfiltern, sonst wird’s wirklich ausgesprochen bitter. Aus den getrockneten Wurzeln lässt sich ein stärkender Tee zubereiten, zuvor werden die Wurzeln eine Nacht lang in Wasser eingeweicht.

Steckbrief

Name:

Löwenzahn

(Taraxacum officinale)

Synonym:

Pusteblume, Saublume, Kuhblume, Milchblume, Mönchsköpflin, gelber Sonnenwirbel, Weiefäcke, Pissenlit

Pflanzenfamilie:

Korbblütler

(Asteraceae)

Hauptblütezeit:

April/Mai, oft bis Oktober

Wuchshöhe:

3 – 30cm

Fundorte:

Fettwiesen, Wegränder, Äcker, lichter Wald

Erntezeit:

Wurzeln: Frühjahr und Herbst Blätter, Blüten: Frühjahr

Häufige Inhaltsstoffe:

Bitterstoffe, Kalium, Inulin, Vitamine

Zugeschriebene Eigenschaften:

stoffwechselanregend, harntreibend, appetitanregend, krampflösend

Wer ist Gundermann?

Wenn Christian morgens alleine seinen Kaffee trank und die Zeitung las, ertappte er sich manchmal dabei, dass er so kurz vor sieben Uhr besonders gut darauf lauschte, wann sein Nachbar den Schlüssel drehte und die Treppe runter eilte. Florian ging zur Arbeit und Christian drückte an der Maschine den Knopf für seinen zweiten Kaffee. Er erinnerte sich, wie stressig es früher manchmal gewesen war, wie er von Termin zu Termin geeilt war und sich zwischendurch richtig geärgert hatte, wenn die verlangte Excel-Tabelle immer noch nicht fertig war. Diese Abhängigkeit von den Kollegen und deren Unzulänglichkeiten, für die er dann vor seiner Chefin gradestehen musste, hatte ihm sogar ab und an den Schlaf geraubt. Er dachte darüber nach, wie er abends noch rasch joggen, am Wochenende Skifahren gegangen war und zwischendurch die Vereinsbuchhaltung nachgeführt hatte oder die Zahlung von Mitgliederbeiträgen für einen anderen Verein angemahnt hatte. Wie er sich damals wiederholt ausgemalt hatte, wie schön die Ruhe und Freiheit sein würde, wenn er dann einmal pensioniert sein würde.

Als die Zeit gekommen war, hatte er sich nach einer ganz kurzen Pause auf alles gestürzt, was er bisher wohl versäumt hatte. Er war zumindest körperlich noch aktiver als zuvor, vielleicht dennoch nicht richtig glücklich, aber beschäftigt auf jeden Fall. Er genoss es sogar, mit Wanderschuhen, Rucksack und einem leichten Lächeln morgens im Pendlerzug mitzufahren. Die blöde Idee, dass Rentner erst um neun Uhr ausser Haus sollten, hatte er auch mal gehabt. Dazumal hatte er aber gänzlich unterschätzt, wohin die fahren und dass sie womöglich Touren von fünf und mehr Stunden Wanderzeit unternahmen. Nach neun Uhr starten, wirklich absurd, diese Idee! Dann kam eines Tages diese Krankheit, schlich sich ein, ging nicht mehr weg. Seine Bewegung ist heutzutage auf Spaziergänge reduziert und seine Moral in Teile zerlegt, die er immer wieder zusammensuchen muss. Was kann ein Leben vor der Haustür denn noch bieten. Ihm, der überall war, nur selten daheim. Hier, wo er jedes Haus, jeden Weg und jeden Baum kennt?

An einem dieser unspektakulären Tage begegnete er auf seinem üblichen Spaziergang Karin mit einem Sträusschen selbst gepflückter Blumen, die sie verkaufen wollte. Wie das Kinder manchmal tun, wenn sie genug haben von Krämerläden und richtig Verkäuferlis spielen wollen. Sie machte das gut, mit einem überzeugenden Lächeln und dem Hinweis, dass ihm dieses Sträusschen etwas Farbe in die Wohnung bringen würde und ihr etwas Geld für das Mikroskop, das sie sich kaufen wolle. «Ich kaufe sie», sagte Christian, «wenn du mir jede Blume beim Namen nennen kannst.» Früher war er Abteilungsleiter in der Industrie und Wissen war ihm wichtig. Wie ihm schien, war den Jungen Lernen nicht mehr so wichtig, Hauptsache Geld und Fun. Das störte ihn, weil er fürchtete, dass die Errungenschaften seiner Generation einfach «flöten gingen», wie er das ausdrückte. In seiner Vorstellung bedeutete Leben neben Arbeit auch gute Kenntnisse, wie das, was erschaffen wird, funktioniert.

Karin zeigte auf die Blumen und sagte: «Hahnenfuss, Margerite, Wiesensalbei, Rotklee, Schafgarbe und… hm.. Grashalme.» Das hatte Christian nicht erwartet. Er bezahlte sofort, rundete noch etwas auf und lobte Karins Wissen. Sie war noch so jung und wusste schon so viel, noch dazu schien es ihr Freude zu machen. Es gab also auch junge Menschen, die etwas wussten, in diesem Gebiet sogar mehr als er, Christian, der ehemalige Abteilungsleiter. Karin schien die Situation intuitiv zu erfassen. Beim Weggehen lachte das Kind. «Ich kenne noch mehr und du nicht! Kennst du Gundermann?» Christian kannte ihn nicht. Wer ist Gundermann? Gundermann, jemand aus der Nachbarschaft?

Christian betrachtete das Sträusschen und dachte an Gundermann, heute war ein guter Tag. Einzig störte ihn, dass er Gundermann nicht kannte. Was hatte Karin mit Gundermann zu tun und was wollte sie ihm sagen? War es ihr Lehrer? Ein Freund der Eltern? Oder vielleicht doch etwas anderes?

In der Nacht kam Christian auf die an sich naheliegende Idee, das Internet zu befragen. Er stand auf und tippte «Gundermann» in den Browser. Unglaublich praktisch, was man da alles erfahren kann. In seinem Hinterkopf schlich sich sogar die Frage ein, ob es vielleicht sogar richtig war, dass junge Menschen nicht mehr so viel Wissen im Kopf ansammeln, wenn es doch google, bing, ChatCPT und noch so einiges gibt. Andere Zeiten halt. Wie erhofft, wusste das Internet auch über Gundermann Bescheid. Eine Pflanze ist es! Klar, Karin ist ja nicht nur eine kleine Verkäuferin, sie will ein Mikroskop kaufen. Gundermann scheint eine ziemlich unscheinbare Pflanze zu sein. In einen Blumenstrauss passte sie jedenfalls nicht. Da blieben also schon noch Fragen offen.

Christian war mehr draussen als sonst. Er hatte sogar leicht schmunzelnd das Gefühl, dass er etwas herumlungere. Er wollte Karin begegnen. Als sie ihm endlich über den Weg lief, fragte er sie, wieso sie Gundermann kenne und wo man ihn denn finden könnte. Karin sagte: «Ich mag Gundermann er ist hübsch und zudem fein.» «Fein? Was heisst fein, kann man den essen?», fragte Christian. «Sicher», entgegnete Karin. «Vater macht damit einen feinen Kräuteraufstrich und – du stehst grade mit dem Fuss darauf.» Etwas erschrocken hob Christian den Fuss und sah eine kleine, rebenartige Pflanze neben dem Weg wachsen. Er war bestimmt siebzig Jahre älter als Karin und hatte die Pflanze noch nie beachtet. Er, der doch so viel erklären konnte, und er, dem Wissen so wichtig war. War es wirklich so, dass er vor seiner Haustür alles kannte?

Auf seinem nächsten Spaziergang an einem Frühlingstag, der gerade die letzten Nebelbänke vertrieb, sah Christian auf einmal all die anderen Dinge: Schnecken in verschiedenen Farben, einen Vogel zwischen den Ästen, das grüne Moos, von dem es offensichtlich verschiedene Arten gab, die ganz unterschiedlichen Steine im Fluss, die keimenden Buchensamen. Er setzte sich auf einen Baumstamm, spürte den noch etwas kühlen Wind in seinen schütteren grauen Haaren und verstand, dass Gundermann noch viele Freunde hat, die er alle noch kennenlernen konnte. Sie warteten vor seiner Haustüre, unscheinbar und unentdeckt. Und weil Christian Wissen immer noch so wichtig war, weil er gerne systematisch alles dokumentierte, war das nächste Stichwort, das er in seinen Browser eintippte: «ein Herbarium anlegen».

Wenn du in dir selbst ein wenig von Christian spürst, wenn es dir langweilig ist, und sich das Leben ein wenig depressiv anzufühlen beginnt, wenn du keine grossen Sprünge mehr machen kannst, und die Kraft oder das Geld nicht mehr so weit reichen, hilft es dir dann, wenn du dein Glück in dem vermutest, was du nicht mehr erreichen kannst?

Deine frühere Entdeckerfreude und die Natur helfen dir da raus. Dreh die Sparflamme ein wenig auf und mache nur ein paar Schritte vor die Haustüre, nur bis zur ersten grünen Ecke. Was siehst du da? Kennst du das wirklich? Schau es an, schau nicht nur hin, schau es richtig an. Das feine Pflänzchen schafft es durch die Spalte im Asphalt herauszuragen. Der Baum ein wenig weiter vorne links steht wohl schon fast so lange wie du selber lebst immer am selben Platz. Es scheint ihm dort zu gefallen. Du weisst sicher, wer er ist, oder?

Wenn du erkennst, dass deine Spaziergänge mit ein bisschen mehr Aufmerksamkeit in Zukunft intensiver und spannender werden könnten, dann magst du vielleicht auch Gundermann suchen. Auf dem Papier oder dem Handy weisst du, wie er aussieht, wo er vorkommen könnte auch. Ihn finden, das wirst du selber, das ist das Spiel, das ist dein erster Schritt, mit neuer Aufmerksamkeit in die Natur zu gehen.

Der eher unscheinbare Gundermann hat die Fähigkeit, die Türe zum Interesse an Wildpflanzen zu öffnen. Wenn man wie Christian erkennt, dass Gundermann überall zu finden ist, welche beschützende Aufgabe die Pflanze erfüllt und welche guten Eigenschaften sie uns zu bieten hat, wird man sich fragen, wie es möglich ist, dass man sie bisher nie beachtet hat. Unter unseren Füssen, direkt vor der Haustür. Gundermann?

Gundermann entdecken

Gundermann ist ein Lippenblütler mit einem kriechenden Wuchs. Auf den ersten Blick fällt der Bodendecker in der Wiese deshalb nicht unbedingt auf. Besonders gerne mag er frische und feuchte Böden, ganz egal ob mit praller Sonne oder tiefstem Schatten. Er ist äusserst stark und kann sich den Jahreszeiten anpassen. Sogar im Winter kann man unter dem Schnee grüne, herz- und nierenförmige Gundermannblätter entdecken. Sie sind grob und stumpf gezähnt und werden bis zu vier Zentimeter breit.

Von nahem betrachtet ist die Gundelrebe, wie der Gundermann auch heisst, eine zarte, hübsche Pflanze. Ganz besonders, wenn zeitig im Frühjahr die kleinen violetten Lippenblüten den Stängel bedecken und wunderbar mit den dunkelgrünen Blättern harmonieren. Wer nachmessen will: Die Blüten sind lediglich fünfzehn bis zweiundzwanzig Millimeter gross und richten sich etwas auf. Auf der oberen, kurzen Lippe trägt die Blüte dreieckige Zähne, die Unterlippe ist punktiert.

Gundermann verstehen

Wer einen Garten hat, wird ihn wohl kennen. Vielleicht nicht seinen Namen und nicht seine wohlwollende Eigenschaft, aber seine bis zu zweihundert Zentimeter langen Triebe mit vielen kleinen Wurzeln, die sich sogar in den Rasen bohren. Körbe voll dieses Unkrauts werden ausgejätet, was zum Glück bei der dünnen Pflanze recht einfach geht. Gundermann muss man wohl jäten, es hat einfach viel zu viel. Wenn man die Pflanze ansieht, bevor man sie wegwirft, fällt es einem ein klein wenig schwerer.