Gute Nacht - Sophie Andresky - E-Book

Gute Nacht E-Book

Sophie Andresky

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  • Herausgeber: Heyne
  • Kategorie: Erotik
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2014
Beschreibung

Männer, die auf Zicken starren

Sexy, witzig, scharf – Andresky kommt immer auf den (G-)Punkt. Wenn Sie wissen wollen, wie Lovedolls Dollsex machen, warum der Spanier »Ich gehe!« schreit, wenn er kommt, ob der Cockring wirklich klappert oder wo der Weihnachtsmann seinen Zipfel hat – hier sind Sie an der richtigen Adresse. Sophie Andresky durchstreift mit ihrer sinnlichen Sprache den ganzen erotischen Kosmos und lässt keine Wünsche offen.

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Seitenzahl: 213

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»Als die Titanic am Eisberg entlangschrammte und das Schiff daraufhin versank, gab es dafür zwei Gründe: Erstens wusste man nicht so genau, dass dort ein gewaltiger Eisberg lag, denn nur ein Siebtel davon war über Wasser zu erkennen. Man dachte wohl, so wichtig wird das Ding schon nicht sein. Und zweitens war die Geschwindigkeit zu hoch. Ist es ein Wunder, dass ich neulich Nacht an diese grandiose Katastrophe denken musste, als ich Jörg abschleppte und in mein Bett ließ, der volle Fahrt aufnahm und mangels Sachkenntnis an meiner Klitoris und ihren Bedürfnissen zerschellte und die Lust gegen die Wand fuhr? Dabei hatte ich ihn nur deshalb aufgegabelt, weil sein Vorname mich an meine Teeniezeit in den Achtzigern erinnerte. Jörg und meine Klitoris, das war der Kampf zwischen Kapitän und Eisberg, aber diesmal verlor leider der Berg.«

Aus der Kolumne: Welt-Muschi-Tag oder Achtung, Klitoris voraus!

Die Autorin

Sophie Andresky, geboren 1973, lebt als freie Autorin in Berlin. Mit ihren Kurzgeschichtenbänden und dem Roman Vögelfrei wurde sie zur erfolgreichsten Erotik-Autorin Deutschlands. Ihre Artikel erschienen in zahlreichen Magazinen, derzeit ist sie Kolumnistin beim Playboy, der JOY sowie joyclub.de.

Besuchen Sie die Autorin im Internet unter www.andresky.com

SOPHIE ANDRESKY

GUTE NACHT

WOVON FRAUENWIRKLICH TRÄUMEN

WILHELM HEYNE VERLAGMÜNCHEN

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.
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Der vorliegende Band enthält Kolumnen von www.joyclub.de aus den Jahren 2012–2014 und aus dem Playboy-Magazin (2014)
Unter www.heyne-hardcore.de finden Sie das komplette Hardcore-Programm, den monatlichen Newsletter sowie unser halbjährlich erscheinendes CORE-Magazin mit Themen rund um das Hardcore-Universum.
Weitere News unter www.facebook.com/heyne.hardcore.de
Copyright © 2014 by Sophie Andresky Copyright © 2014 by Wilhelm Heyne Verlag, München, in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH,Neumarkter Str. 28, 81673 München. Umschlaggestaltung: yellowfarm GmbH, S. Freischem, unter Verwendung eines Motivs von © istockphoto / matty2x4 Satz: Schaber Datentechnik, Wels ISBN: 978-3-641-12283-6V003
www.heyne-hardcore.de

Inhalt

Allet Plaste Elaste

Das Fliewatüüt im Kopf

Der Himmel muss warten, die Jungfrau nicht

90-60-90, 08/15 und 4711

Schattierungen von Grau: steingrau, mausgrau, asphaltgrau?

Oishi heißt köstlich: Sightseeing in einem Land voller Lust

Auf allen weißen Wipfeln seh ich safe Zipfel sitzen

Yee-haw beim Sperma-Rodeo

Das Lysistrata-Prinzip

Welt-Muschi-Tag oder: Achtung, Klitoris voraus!

Plus 19 Prozent Mehrwertsteuer oder: Babybad mit Spüli

Wacken is where your heart is. Oder: Schrei vor Glück!

Der Grinch in meinem Bett

Wenn die Gondeln Touris tragen. Oder: Kürbisse aus Schleswig-Holstein

Gute Nacht!

Mein Leben als Sexgöttin. Oder: Die Pawlow’sche Vagina

Arriba, arriba! Warum der eine geht, wenn der andere kommt

Schieben, schrauben, würgen – vögelst du schon, oder möbelst du noch

Muschi-Talk – Ein Gespräch mit der Schauspielerin Christiane Leuchtmann

Allet Plaste Elaste

Was sind das für Männer, die es mit Gummipuppen treiben? Kriegen die nicht mal diejenigen Frauen zum Vögeln ab, die so hässlich sind wie aufblasbare Attrappen? Die Latte liegt ja nicht sehr hoch.

Gesichtsmäßig sind die holden Maiden eine Mischung aus dem Scream-Gespenst und einem Botox-Unfall. Etwas zu straff geliftet, und die Augen glupschen über dem Staubsaugermund. Auch der Körper würde es nicht zu Germany’s next Topmodel schaffen, wie diverse User in Rezensionen eines sehr großen, sehr bekannten Buchversandhauses beklagen. Dort werden neben Büchern inzwischen auch Teebeutel, Dörrautomaten und Taschenmuschis angeboten, also lauter Dinge, die der Mensch zum Leben braucht.

»Man sollte sich schon im Klaren sein, dass so was nur ein Sexspielzeug ist, ne echte Frau kommt da nicht aus der Schachtel, also keine zu hohen Ansprüche stellen«, bereitet ein Endverbraucher potenzielle Neukunden auf die Bestellung vor.

Detaillierter wird ein anderer: »Aber vorsichtig, die Muschi ist anfällig, sie geht nach ner Zeit leider sehr leicht kaputt und ist daher vorsichtig zu benutzen. Sonst ist das Teil eigentlich ganz brauchbar, wenn man die Alte net zu hart anpackt.«

Hilfreich auch die vielen anatomischen Produkthinweise: »Die großen Brüste sind auf den Körper geklebt, und man sieht die Schnittstellen deutlich. (…) Die angeblich behaarte Vagina spottet jeder Beschreibung und hat nichts mit Haaren zu tun.«

Und manch ein Rezensent macht sich wirklich viele Gedanken über seine Gespielin: »Eine wirklich sehr schöne Liebespuppe mit sexy Haltung, in der viel möglich ist, sehr große Brüste mit schönen weichen, aber auch harten Brustwarzen, (…) nur dass sich hier die Brustwarzen NICHT ablösen wie bei den anderen beiden teuren, sondern fest ansitzen. Außerdem ist der Mund (Lippen, Zähne und Zunge) wirklich wunderschön weich, wenn man sie küsst, fühlt es sich fast wie echt an.« Ich stelle mir das Küssen einer Gummipuppe vor, als würde ich ein Kondom lutschen. Aber gut, auch für dieses Vergnügen wird es Liebhaber geben.

Ein anderer bemängelt die Lage der Körperöffnungen: »Anatomisch sind Vagina und Po zu weit auseinander (…), so dass der Penis auf 90 Grad nach oben ›verbogen‹ werden muss.« Das klingt eher nach Weichteilyoga als nach Ekstase.

Ekstatisch werden kann es mit den Gummi-Girls aber durchaus. Der Fan einer japanischen Liebespuppe widerlegt, dass das Ficken einer Luftmatratze generell freudlos ist: »Ihr müsst es mal zu zweit machen mit Muzuki – echt klasse.« Ich mag mir nicht vorstellen, wie gleich zwei Männer dieselbe Plaste-Tante durchfiedeln.

Mein Lieblingstipp für das naturnahe Sexerlebnis: »Das Ganze mit Kartoffelbrei füllen, und das beste Feeling ist gewährleistet.« Da denke ich sofort an die Pfanni-Werbung: »Oma stampft nicht mehr!« Jetzt wissen wir, warum.

Sehr pragmatisch geht es ein anderer an: »Die Schamlippen wurden verkaufsfördernd rosa gefärbt, leider wäscht sich die schöne rosa Färbung bei der Reinigung und Benutzung ab.« Hier sind echte Frauen wirklich im Vorteil. Ich wasche meine Muschi seit achtunddreißig Jahren, und die Schamlippen sind immer noch schön rosa. Schönheitsbedenken hat auch dieser Griechen-Fan: »Leider ist Alicia sehr blond, was für eine Griechin eher ungewöhnlich ist. Sie zwickt auch etwas und guckt doof.«

Wieso umweht Sexpuppen immer noch dieser Hauch von Verzweiflung und Armseligkeit? Frauen kaufen ihre Dildos (immerhin Penisattrappen) inzwischen gut gelaunt in bonbonfarbenen Erotikboutiquen, erzählen ihren Freundinnen davon, und eigentlich wundert man sich, wenn eine berichtet, dass sie kein Toy zu Hause hat. Aber ein Mann, der in lockerer Runde von seiner aufblasbaren Silikon-Susi erzählt?

In dem tollen Film Lars und die Frauen lebt der gestörte Lars mit einer lebensechten Sexdoll zusammen, und aus therapeutischer Nettigkeit spielt das ganze Dorf mit. Die Puppe wird zu Partys eingeladen, bekommt einen Job und ist nach einer Weile besser in die Gemeinschaft integriert als gewisse Leute, die neben mir wohnen und zur Begrüßung gern mal mit Schmackes auf den Gehweg rotzen. Aber im wahren Leben? Undenkbar.

Ich habe noch nie Post von einem Puppenfan bekommen oder bin auf dieses Thema angesprochen worden, obwohl es immer wieder passiert, dass Leser sich spezielle und sehr spezielle Spielarten in künftigen Büchern wünschen oder fragen, wo sie dieses oder jenes finden können. Ein Mann war dabei, der seine Schäferhündin auf Fellatio abrichten lassen wollte. Ich verweigerte jede Unterstützung, denn Sex mit Tieren ist ekelhaft, und bitte, Jungs, hört auf, lebende Hühner zu ficken. Kauft sie bereits abgemurkst im Biomarkt und macht dann damit, was ihr wollt. Einem Mann, der sich Pipi-Spiele mit Lesben wünschte, habe ich immerhin freundlich geantwortet, und die Frau, die von Gruppensex in einem Spinnennetz aus elastischen Bändern träumte, wird sich über mein neues Buch freuen. Aber Sexdoll-Fans waren noch nie dabei. Lesen die einfach nicht, oder trauen die sich nicht? Ist es diskriminierend, ihnen soziale Inkompetenz und eine allgemein lächerliche Existenz zu unterstellen?

Die großen Sextoy-Firmen versuchen, die Lücke zwischen Lifestyle-Toy und suizidalem Plastiktütensex zu schließen und präsentieren zunehmend Taschenmuschis für den Mann, der nicht gern selbst Hand anlegt. Auf der letzten Venus-Messe habe ich so viele Pimmel-Staubsauger gesehen wie noch nie. Je abstrakter sie aussehen, desto unproblematischer und lifestyliger sind sie.

Ich glaube, das Abschreckende an Sexdolls ist nicht die künstliche Muschi oder die Tatsache, dass da jemand stöhnend ein Stück Kautschuk besamt – sondern das Gesicht. Dieser Munch-Mund, die Glotzaugen. Wie kann es einem kommen, während man in diese Jigsaw-Maske schaut?

Sie lebensechter zu machen ist keine wirkliche Lösung. Die luxuriösen Androiden, die lebensgroß sind und mit Körperheizung und Atemfunktion bestellt werden können, sind vielleicht ästhetischer, aber nicht weniger gruselig. Puppen haben immer etwas Horrorfilmartiges, egal, ob man sie nun fickt oder sich zu Dutzenden ins Regal stellt.

Dabei ist der Puppen-Fetischismus an sich nicht neu. Der Maler Oskar Kokoschka ließ sich eine lebensgroße Nachbildung seiner Geliebten Alma Mahler anfertigen, um über deren Verlust hinwegzukommen. Sein Dienstmädchen hätte mit der Alma-Puppe Ausfahrten unternehmen und sie bedienen sollen, aber als sie nach über einem Jahr und zig Überarbeitungen endlich fertig war, erfüllte sie seine Sehnsüchte nicht. Er verwendete sie eine Weile als Modellersatz, bevor er sie schließlich in einem happeningartigen Gemetzel zerstückelte und verbrannte. Kokoschka meinte: »Die Puppe hatte mir die Leidenschaft gänzlich ausgetrieben.«

Anderen Doll-Partnern ist die Begeisterung fürs Plastikpimpern durchaus erhalten geblieben, wie die zahlreichen Pornofilme im Netz belegen, in denen gerammelt wird, bis das Gummi qualmt. (Aber es gibt ja zu allem und jedem einen Pornofilm im Netz. Ich wette, wenn ich gezielt nach Filmen suchte, in denen Männer es mit Glühbirnen, Wollmützen oder Gartenkrallen treiben, würde ich auch das finden.) Dass Lovedolls ausschließlich als Scherzartikel für Junggesellenabschiede gekauft werden, halte ich spätestens nach diesen Aufnahmen für ein Gerücht. Dafür sind die besser ausgestatteten Exemplare auch zu teuer. Eine Luxus-Androidin kostet mehr als ein Jahr regelmäßige Bordellbesuche – das investiert niemand, der kein echter Fan ist.

Überrascht hat mich ein Genre, auf das ich erst im Laufe dieser Porno-Recherche gestoßen bin und das ich, bevor ich mit diesem Thema anfing, zuvor gar nicht kannte: Dollsex. Und das meint keinen Sex mit Gummipuppen, sondern Sex mit Frauen, die so aussehen und sich verhalten wie Puppen.

Am Anfang steht ein großer Koffer, aus dem eine extrem gelenkige Dame mit typischen Doll-Eigenschaften – einem starren Gesichtsausdruck und aufgeschminkten Bäckchen – herausgefaltet wird, um sie schließlich in komplett bewegungslosen Posen durchzunudeln. Nach einer ersten Irritation habe ich mich mit dieser Spielart ausgesöhnt. Als Rollenspiel hat es nichts Degradierendes, denn man wird nicht zum Objekt gemacht, sondern spielt eines, ähnlich wie die Menschen, die sich in einer besonders ausgefallenen Form des SM als Möbel zur Verfügung stellen und nach Feierabend gern mal eine Nachttischlampe mit Elefantenhaut-Schirm auf dem Kopf sein mögen.

Ich glaube, die Living Sexdolls, also die Frauen, die sich als Puppen verkleiden, treiben vor allem zwei Dinge an: Enthemmung und Passivität.

Die Verkleidung enthemmt, sie macht die eigene Person unkenntlich. In einem Kostüm kann man sich fast alles erlauben, was jedes Jahr an Karneval wieder bei den orgienähnlichen Zuständen in der Kölner Innenstadt zu sehen ist.

Dass Passivität im Bett beglücken und befreien kann, weil man Verantwortung abgibt und sich um nichts mehr kümmern muss, ist auch keine Erfindung des SM. Hunderte von Gemälden aus allen Jahrhunderten, auf denen angeblich schlafende und entblößte Frauen zu sehen sind, zeigen genau das. Oh, ich war so versunken im Traum, ich hab gar nicht gemerkt, dass mein Pfläumchen offen liegt und der Knecht hereingeschlichen ist. Das funktioniert nicht erst seit Lady Chatterley.

Wenn man die sehr speziellen Freunde von Kartoffelbrei-in-Plastiktüten mal beiseitelässt, bleibt die Frage, was so faszinierend daran ist, eine Sexpartnerin zu haben, die nach Wärmflasche riecht. Das Ideal der absoluten Verfügbarkeit? Das bringt mich zu meiner eigentlichen Frage: Gibt es dieses Ideal wirklich? Wollen Männer tatsächlich Frauen, die jederzeit breitbeinig bespringbar sind und den Mund nur zum Blasen öffnen? Amüsieren sich Männer mit einer Frau, die nichts beiträgt und sich nur zur Verfügung stellt? Ist das nicht irrsinnig langweilig?

Diesen Punkt verstehe ich generell nicht: Einerseits reden und fordern Frauen zu viel, sie quasseln, tratschen, erzählen, zwitschern und blubbern ununterbrochen, wenn man manchen Männern glauben darf. Andererseits geistert in Foren und Live-Gesprächen immer wieder die Frage durch den Raum, was Frauen eigentlich wollen. Tja, Jungs, wissen wollt ihr es, aber sagen sollen wir es nicht? Was denn nun?

Männliche Sexpuppen finden übrigens nur sehr wenige Käuferinnen, und die benutzen diese großen Kens wahrscheinlich tatsächlich als Gag für eine Hen Night. Ein lebensechter Mann aus Gummi? Mit Bieratem, Furzfunktion und in der Hand eingewachsener Fernbedienung? Dann doch lieber nur einen Gummidödel. In der Muschi summt er, außerhalb hält er die Klappe, und beim Ficken starrt er mich nicht an, als wäre er beim Exorzisten.

Das Fliewatüüt im Kopf

Sex und Krankheiten sind ein Riesenthema, und damit meine ich ausnahmsweise einmal nicht Aids und andere Geschlechtskrankheiten, die sich durch den Gebrauch von Kondomen relativ sicher umgehen lassen – wobei diese Wundertüten nach wie vor mein persönlicher Kreuzzug sind. Solange es HIV gibt, werden in meinen Büchern alle wild vögelnden Schwänze eingelümmelt. Das ist nicht nur gesund beim Nachturnen, sondern auch für mich, denn immerhin wurde neulich einer meiner Romane unter anderem deswegen nicht indiziert, weil alle Orgien safe sind. An dieser Stelle danke ich der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien, dass sie die Briketts vom Scheiterhaufen doch noch abgeräumt haben, und um schnell die inoffizielle Frage eines Kommissionsmitgliedes zu beantworten: Nein, ich mache keine Hausbesuche.

Mir geht es heute um Krankheiten rund um den Sex und die Frage: Sind das wirklich welche, oder spinnt da nur jemand gewaltig rum?

Einer Amerikanerin zum Beispiel wurde eine durch Orgasmen hervorgerufene Amnesie bescheinigt. Ihr fehlten die letzten vierundzwanzig Stunden vor dem bewusstseinsverändernden Fick – praktisch, wenn man die Knutschflecke im Schritt zu Hause erklären muss. Die Wissenschaftler vermuteten, dass der Gedächtnisverlust durch die schlechte Sauerstoffversorgung im Gehirn hervorgerufen wurde. Ich vermute, durch die Müffelsocken des Partners. Als Ausrede für was auch immer taugt das trotzdem nicht, denn nur drei bis fünf von hunderttausend Personen pro Jahr vögeln sich derartig ins Nirwana, wobei Frauen und Männer über fünfzig wohl öfter das Vergnügen haben als jüngere.

Atmung ist schon ein heftiger Lustfaktor. Dass Würge- oder Kontrollspielchen tödlich ausgehen können, wissen wir nicht erst, seit sich Kill-Bill-Darsteller David Carradine beim Wichsen im Garderobenschrank selbst erdrosselte. Und ich hoffe sehr, dass ich beim nächsten Sex nicht an das aufgequollene Gesicht der Pornomaid aus dem drastischen Dokumentarfilm 9 to 5 denken muss, die noch lange nach ihrem Fickfilm-Einsatz käsebleich ins Nirwana starrte. Auch unter Wasser getaucht zu werden habe ich schon als Kind gehasst und würde es heute als kein bisschen lustvoll erleben. Aber das Gegenteil, also übermäßig zu atmen, bis zu viel Sauerstoff im Hirn ankommt, finde ich durchaus geil. Da ist zum einen das Geräusch, das man selbst macht, wenn man kurz vor dem Orgasmus stöhnend immer tiefer atmet, und zum anderen der angenehme Schwindel, der sich einstellt. Allerdings sollte man dabei liegen oder zumindest die Möglichkeit haben, weich zu fallen, falls man denn umkippt. Dieses Hyperventilieren wirkt beim Sex wie Grillanzünder, und noch lange nach dem Orgasmus flimmert es vor den Augen. (Wobei ich die bunten Punkte, die uns die BRAVO in den »So war’s bei mir«-Geschichten immer versprach, bis heute nicht gesehen habe.)

Über das Krankheitsbild der Hysterie zu Freuds Zeiten, das durch Orgasmen behandelt wurde, habe ich schon öfter geschrieben. Nett verpackt wird es in dem Kinofilm In guten Händen, wo sich sämtliche unbefriedigten Frauen der Stadt von einem Arzt gesundrubbeln lassen, was schließlich zur Erfindung des Vibrators führt. Auch das Buch Willkommen in Wellville von T. C. Boyle, das die Wonnen des gerade in Mode gekommenen Radfahrens feiert, ist dahingehend sehr spaßig.

Weniger lustig finde ich die sogenannten Sex-Skandale, die immer wieder durch den bunten Blätterwald rauschen. Fremdgehen war gestern, heute heißt das Sexsucht. Glaubt tatsächlich jemand, dass das eine Krankheit ist? Vielleicht hat ein verschwindend geringer Prozentsatz dieser Patienten wirklich ein Psychoproblem, alle anderen finden es doch nur einfacher, sich in eine Selbsthilfegruppe zu setzen, statt ihrer Partnerin oder ihrem Partner zu erklären, dass sie Monogamie öde finden und gern in der Gegend herumvögeln. Es ist bequemer, eine Krankheit zu haben, statt Verantwortung zu übernehmen. Hauptsache, es gibt eine Bezeichnung und die offizielle Diagnose, dass da im Kopf ein hupendes Fliewatüüt im Kreis fährt. Wenn ein Golfer zu oft einlocht, soll er bitte dazu stehen und nicht nach der Ersten Hilfe rufen. Nicht alles ist immer eine Sucht. Nicht jeder hat eine Essstörung, manche essen einfach zu viel.

Ja ja, ich weiß, für Krankheiten muss man Verständnis haben. Dabei sollte man aber nicht vergessen, dass zum Beispiel Homosexualität im ICD-Katalog der Weltgesundheitsorganisation WHO bis sage und schreibe 1992 als eigene Krankheit erfasst war. Was normal ist, was krank und was einfach nur unerwünscht, entscheiden auch die Leute um einen herum. Dumm gelaufen, wenn man in einer Gesellschaft oder Zeit lebt, die Kindern den Mund mit Seife auswäscht oder ihnen etwas von Rückenmarksschwund durch Onanie erzählt. Vor allem weibliche Sexualität wurde immer wieder gern als krank wahrgenommen, was schon daran erkennbar ist, dass es weder für Frigidität noch für Nymphomanie eine männliche Bezeichnung gibt. Das hat mit Medizin nichts zu tun, sondern schlicht und ergreifend mit Frauenfeindlichkeit. Medizin ist generell eine männlich dominierte Disziplin, die sich an männlichen Körpern orientiert. Der gesunde Körper ist der eines wehrtauglichen jungen Mannes, er bildet die starre Berechnungsbasis für beispielsweise gesunde Blutdruck- oder Cholesterinwerte. Der weibliche Körper hingegen wird oft als eine behandlungsbedürftige und minderwertige Abweichung deklariert. Ich sage nur: Cellulite. Was sind wir doch mängelhaft, wenn wir das haben. Da jedoch die Mehrheit aller Frauen powärts gedellt ist und weder Saftkur noch Sport wirklich etwas daran ändern können, ist das keine Krankheit, sondern die perverse Idee einer perversen Kosmetikindustrie, die Photoshop auf den Augen hat. Hätten wir Frauen keine Cellulite und würde man deshalb nichts an uns verdienen –, hätten wir alle Schwabbel-Ohrläppchen, Kniekehlenrötung oder die Haarwurzelplattheit. Und wir Frauen wären so krank, das zu glauben.

Für selbst ernannte Behandlungsbedürftige hat die öffentliche Meinung gern Verständnis, denn erstens geht damit ein öffentlicher Bußgang einher, und zweitens – viel wichtiger – gibt es schleimig-schlüpfrige Details zu hören. Gerade bei den Beichten der Sexsüchtigen muss ich an katholische Ekstase-Exorzismen denken, wo sich jemand das Wams vom Leib reißt, Glibber spuckt und im Detail berichtet, wie ihn der unsichtbare Dämon gerade mit drei glühenden Schwänzen auf einmal bespringt. Da kann man sich gruselnd und ein bisschen geil die Hände reiben und dem Reumütigen später großherzig verzeihen.

Aber wie verständnisvoll ist die Allgemeinheit, wenn es um tatsächlich Kranke geht und – noch schlimmer – um Behinderte?

Behinderte und Sex ist ein heißes Eisen. Bei Körperbehinderungen lässt man die Möglichkeit noch irgendwie zu, aber bei geistigen Behinderungen hätte man am liebsten lauter Leute ohne Unterleib in den Betreuungseinrichtungen, als würde man Kakteen verwahren und keine Menschen. Pfui, eklig, so was will man nicht haben. Bestimmt funktioniert das bei denen gar nicht, und bestimmt haben die eh kein Bedürfnis danach. Die Realität sieht allerdings anders aus, denn der Sexualtrieb ist häufig ganz un-behindert, und die durch unbefriedigte Sexualität hervorgerufene Aggressivität macht den Betroffenen wie den Betreuern zu schaffen. Hochachtung habe ich vor Sexualbegleiterinnen wie der Niederländerin Nina de Vries, die ich vor Jahren auf einer Tagung kennenlernte und die mich schwer beeindruckte, weil sie keinerlei Berührungsängste hat und ihren Beruf mit großer Sensibilität und psychologischem Sachverstand ausführt. Sie kümmert sich auch um die sexuellen Bedürfnisse von Mehrfachbehinderten – sei es, dass sie ihnen zeigt, wie Masturbieren eigentlich geht, oder dass sie die Wünsche nach Nähe und Intimität mit Massagen oder Berührungen – in Ausnahmefällen auch mit Sex – erfüllt.

Natürlich gibt es auch die andere Fraktion: Menschen, die auf Behinderungen stehen, wie zum Beispiel Amelotatisten. (Ein Wort, das ich nach drei White Russian auch nicht mehr lallen kann.) Diese Gruppe teilt sich wiederum in Fans, die Lust bei der Berührung von Amputationen empfinden, und die, die sich sexuell erregt fühlen durch nicht ausgebildete Gliedmaßen. Dass im Netz Spannerfilme von Behinderten-Sportveranstaltungen kursieren, ist natürlich widerlich, nicht wegen des Begehrens, sondern weil die Hauptakteure heimlich gefilmt werden. Von solchen Übergriffen mal abgesehen: Wenn ich nur ein Bein hätte, wäre mir ein Partner lieber, der sich scharf am Stumpf schubbert, als einer, der es zähneknirschend in Kauf nimmt. Ich möchte gern wegen etwas geliebt und gevögelt werden und nicht trotz etwas.

Lust ist vielfältig und auch jenseits der Adolf’schen Kraft-durch-Freude-Ästhetik zu finden. In Ziemlich beste Freunde gibt sich der vom Hals abwärts gelähmte Philippe den Wonnen der Ohrenmassage hin, und immer mal wieder berichten mir querschnittsgelähmte Leser, dass sie ihre Lust verlagern konnten und sich nun entweder auf das Begehren ihrer Partnerin konzentrieren oder sich ohrenwärts – oder wohin auch immer – orientieren. Die Masse weiß darüber noch wenig; es gibt zwar Fachliteratur zum Thema, aber auf RTL II findet es keinen Platz.

Erstaunlich an diesem Themenkomplex finde ich, dass es zwar einerseits als normal gilt, wenn sich jemand für sexsüchtig erklären lässt und in Therapie begibt, es aber andererseits immer noch anrüchig zu sein scheint, wenn jemand aus Unzufriedenheit oder Ratlosigkeit Hilfe oder Information sucht. Spiegel Online veröffentlichte kürzlich einen Artikel über Ann-Marlene Henning, eine Sexualberaterin in Hamburg, und mich störte gar nicht mal der nonchalante Ton des Artikels, sondern die geifernden Kommentare der Leser darunter.

Apropos: Woher kommt diese unglaubliche, hemmungslose Aggressivität bei manchen Internet-Kommentatoren? Unter jedem Rasenpflege-Blog finden sich hasserfüllte Einträge. Sind diese Leute im wahren Leben auch so krass drauf? Immer die Verbal-Axt dabei und die Pumpgun im Anschlag? Sollten sie vielleicht mal die Einstellung ihrer Medikamente überprüfen lassen? Wenn sich die Hassprediger dann gegenseitig hochpeitschen, kommt mir das vor wie eine lieblos gefilmte Bukkake-Session, und ich höre es brüllen: »Aaargh, auch ich versame mich auf diesem Eintrag« …

Jeder hat ein Recht auf Sex, der ihm entspricht und der niemand anderen stört. Die masturbierende Vierjährige genauso wie der hässliche Langweiler mit Strickpullunder aus dem dritten Stock, der sich gern mal auspeitschen lässt. Oder die Rentnerin, die bei Musik von Engelbert scharf wird. Auch körperlich Eingeschränkte haben dieses Recht. Auch Menschen mit Behinderungen.

Und, ja, selbst notgeile Golfer, die sich jedes Loch im Rasen als schambehaarten, feucht-schmatzigen Schlund vorstellen und am liebsten mit dem Dödel voran hineinstürzen würden. Aber wenn man so drauf ist, sollte man auch dazu stehen. Ganz im Sinne von: »Haben Sie noch Golf, oder sexen Sie schon?« Alles andere ist Fliewatüüt.

Der Himmel muss warten, die Jungfrau nicht. Oder: Vorsicht, bissige Möse

Oh Land of the Free, Home of the Brave! Überm Teich hat man Großartiges geschaffen. Double Chocolate-Crunch-Marshmallow-Muffins sind was Feines. Die Abschaffung des Ladenschlusses hierzulande würde ich begeistert begrüßen. New York ist sicher die beeindruckendste und verführerischste Stadt, die ich je gesehen habe. Und danke für all die hervorragenden TV-Serien!

Aber wenn es um Sex geht, haben Amis einen Knall.

Auf der einen Seite tobt sich dort die größte und perverseste Pornoindustrie der Welt aus. Eine Doppelanal-Penetration in Tierblut während einer Bukkake-Orgie und dabei Würgen mit Cheerleader-Kniestrümpfen zählt da eher noch zum harmloseren Material. Nirgendwo gibt es so viele aktive Darsteller und so viele wichsende Kunden, die immer krankeres Zeug fordern.

Auf der anderen Seite geht ein Aufschrei durchs Land, es stehe die Apokalypse bevor, nur weil man öffentlich einen Nippel gesehen hat. Dabei tun Nippel nichts Böses. Der Nippel an sich ist eher passiv, er kann sich hart zusammenziehen, aber das war es auch schon. Nippel, liebe amerikanische Sittenwächter, sind nicht gefährlich und schaden niemandem. Waffen schon. Ich sehe Teenager in der Schulcafeteria lieber ihre Nippel Gassi führen als ihre Pumpguns.

Die gestrengen Puritaner, deren verkniffene Gesichtsausdrücke mich immer vermuten lassen, dass sie gerade Stacheldraht-Cockringe oder Säure-Tampons verwenden, um sich selbst zu knechten, erfinden solche Sachen wie Purity Balls. Das sind Veranstaltungen, auf denen Mädchen ihren Daddys Jungfräulichkeit bis zur Ehe schwören. Ihr Wert, so lernt es die junge, von Abwegen bedrohte Maid, besteht einzig und allein in der Unberührbarkeit ihrer Mumu. Sie ist kein Mensch mit Körper, Seele und Geist, sondern nur eine kleine Fotze, dem man das hungrige Mäulchen zuhalten muss. Wenn ich dieses Frauenbild betrachte, frage ich mich, ob ich einen Konservativen malen sehe oder einen Taliban. Bei beiden gilt: Das Weib ist schlecht, und ihre Möse ist der Moloch der Moral.

Die Abstinenzbewegung True Love Waits hat 1998 diese Keuschheitsbälle ins Leben gerufen, um Teenagermädchen von elf bis zwanzig klarzumachen, wo ihr Platz im Leben ist: an Daddys Seite. Und zwar so lange, bis der von Daddy genehmigte Ehemann gefunden ist und Daddys Platz im Herzen ablöst.

Wenn ich Videos dieser Bälle betrachte, kann ich kaum glauben, wie inzestuös das Ganze inszeniert wird und dass sich daran niemand stört. Wo sind laut schreiende Feministinnen, wenn man sie braucht? Bin ich die Einzige, die dabei an die Anti-Missbrauchs-Kampagne »Papi war ihr erster Mann« denken muss? Die Töchterchen werden herausgeputzt als kleine Bräute, in weißen Kleidchen und mit Diadem im Haar. Sie übergeben Daddy symbolisch den Schlüssel zu ihrem Herzen (oder zu ihrem Keuschheitgürtel?), der am Hochzeitstag an ihren Ehemann weitergereicht wird. Die Väter unterschreiben eine sogenannte Reinheits-Verpflichtung und geloben, über die Keuschheit der Töchter zu wachen. Dann legen sie gemeinsam weiße Rosen vor einem Kreuz nieder, und die Mädchen tragen fortan den Purity-Ring. Hochzeitlicher geht es kaum. Schon mehr als 2,4 Millionen Mädchen haben ihrer Muschi so einen Maulkorb verpasst, und tatsächlich warten diese vereidigten Jugendlichen etwa anderthalb Jahre länger bis zum ersten Sex als ihre unkeuschen Freundinnen. Aber: Wenn sie dann loslegen, bekommen sie wesentlich häufiger Geschlechtskrankheiten oder werden sofort schwanger. Und nur zwölf Prozent von ihnen wartet bis zur Ehe. Papa don’t preach! Für alle bereits Entjungferten hat man sich auch etwas Schönes überlegt, nämlich die Secondary Virginity, also die Verpflichtung, wenigstens ab jetzt auf vorehelichen Sex zu verzichten.