Feucht - Sophie Andresky - E-Book

Feucht E-Book

Sophie Andresky

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Beschreibung

Von Deutschlands Nr. 1 in Sachen Erotik In diesen verführerischen Geschichten nehmen sich Frauen, was sie wollen: Leidenschaft, Hingabe und guten Sex. Da trifft eine junge Sängerin auf einen Mann mit toller Stimme. Eine Single-Frau fängt sich ihren Typen im Supermarkt, das anschließende Dinner findet in feinsten Dessous statt. Und Iris taucht mit Gereon in einem anregenden Gemälde ab ... Keine schreibt erotische Geschichten wie die preisgekrönte Autorin von «Tiefer».

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Sophie Andresky

Feucht

Erotische Verführungen

Inhaltsverzeichnis

Widmung

Die Zucchini bin ich!

Die schwärzesten Witwen

Im Dunkeln

Riese in Öl

Die Gottesanbeterin

Caro und die Wörter, die mit «sau» anfangen

Briefgeheimnis

Pralle Frau im SSV

Die Leidenschaft des Tausendfüßlers

Tagelied

Feucht

Für Marcus.

Für dich. Nur für dich.

Die Zucchini bin ich!

Ich bin Sängerin, eine gute, eine echte, keine, die sich in der Fußgängerzone von Bronchitis zu Lungenentzündung singt, sondern eine, die richtige Events hat. Das heißt Studio-Events. Fans gibt’s da eher weniger. Meistens sieht man nur den Typen hinterm Mischpult, und vorher erklärt einem kurz einer, was man machen soll, also ich flippe da nicht auf einer Bühne rum, zeige meinen Hintern und werde mit Plüschbärchen gesteinigt. Ich habe für eine Künstlerin ziemlich geregelte Arbeitszeiten, und ich bin eine Künstlerin. Nein, Plakate gibt’s keine, doch, Plakate gibt’s schon, aber da steht dann nicht mein Name drauf, sondern eher «Knackzart und würzig» oder «immer frisch auf den Tisch». Ich singe nämlich Werbesongs.

Ja, was anderes war nicht zu kriegen nach der Musikhochschule, da hat man einen astreinen Tremolo-Alt, und dann macht man auch ein paar Gigs, aber die Kohle reicht hinten und vorne nicht, und die ganzen Penner war ich auch leid. Dann lieber Studio. Da ist es geheizt, und man weiß, was man tut, und man hört mich jeden Tag im Fernsehen: «Suppe wie von Oma ist das einzig Wahre, Omas Suppe wie ich drauf abfahre, frische Kräuter allerlei, Omas Suppe macht mich high.» Jawoll, das ist von mir. Also nicht der bescheuerte Text, aber die Stimme. Oder: «Frickenstein kocht die Karotte, o wie freut sich da die Lotte.» Dosengemüse ist nicht gerade das, was mich so richtig heiß macht, aber immer noch besser als Fleischreklame. Erstens bin ich Vegetarierin, und dann haben die Leute, die Fleischreklame machen, echt alle einen Schaden. Die unterbrechen dauernd die Aufnahme, stürmen rein und schreien, dass es fleischlicher klingen soll, wurstiger, appetitlicher, ja fang damit mal was an, ich hab einen Tremolo-Alt im Hals, keine gepökelte Schwarte. Trotzdem bin ich immer wieder froh, wenn ich einen Job habe, in einer klammen Einzimmerbude rumhängen ist echt nicht mein Ding. Nur diese ständigen Zugfahrten und die runtergekommenen Hotels, die machen mich fertig.

Ich ahnte auch schon das Schlimmste, als mein Agent, den ich heimlich meinen «Zuhälter» nenne, weil er es am liebsten sähe, wenn ich rund um die Uhr Spargel und Ananas besänge, als er mich also anrief mit dem üblichen Spruch: «Xenia, hab ’n Job für dich.» Nach Frankfurt sollte ich kommen zur Aufnahme. Frankfurt, das ist da, wo sich die Fixer tagsüber am Bahnhof ungeniert einen abdrücken und der einzige halbwegs sichere Ort für dich und deine Handtasche die Gefriertruhe im nächsten McDonald’s ist. Ich war begeistert. Aber natürlich hab ich angenommen, obwohl es schon wieder eine Dosensuppe war.

Ich denk halt immer noch, da kommt zufällig einer vorbei, ich steh so im Studio und singe was Klassisches, nicht um mich einzuölen, sondern einfach um mal zu hören, wie das über Kopfhörer so klingt, und er, also der, der da kommen soll, kommt einfach rein, hört mich und nimmt mich sofort mit ins nächste Stadttheater. Oder zumindest in einen renommierten Jazzschuppen, ich bin ja flexibel. Leider passiert so was abartig selten.

Und ich nöle wieder einen vollen Nachmittag «Soll der Braten lecker sein, wirf Butti in die Pfanne rein». Diesmal sollte der «Event», jaaa sorry, aber ich muss das so nennen, sonst geht mir der letzte Rest Selbstachtung verloren, diesmal sollte er sogar über zwei Tage gehen, weil verschiedene Versionen aufgenommen werden sollten. Das bedeutete nicht nur Stinkezug, sondern auch Stinkehotel. Hotel La Barraque, Zur lebenden Kakerlake, ist da vielleicht noch irgendeine Waschküche für eine Sängerin frei, muss auch keine Heizung drin sein, frische Handtücher sind auch nicht nötig. Göttin, die Produzenten verwechseln uns echt immer mit Wohnmasochisten.

Das andere, was mich schon im Vorhinein total abturnte, waren die Kollegen. Das Ganze sollte ein Chor werden. Jeder ein Gemüse aus dem Eintopf, wieso, hab ich gesagt, da nimmt man eine Stimme für heißes Wasser und eine für Mehl und Salz, fertig ist das Duett, mehr ist in diesen Dosen doch eh nicht drin. Echt, in meinem nächsten Leben werd ich Schriftstellerin, ich sag’s: Geil, keine Kollegen, keine Vorgesetzten, jedenfalls nicht so richtig, aber es half ja alles nichts. Der Event ging an drei Sängerinnen und zwei Typen. Todes, ich sag’s, die sahen schon voll aus wie diese Dosenpampe. Ich dachte lieber nicht darüber nach, wieso ich eigentlich für die Zucchini prädestiniert war.

Astrid, die den Spargel singen sollte, war eine magersüchtige Giraffe mit gebleichten Spaghetti auf dem Kopf, und Angela machte die Kartoffel, das passte, sie war klein, verkniffen, sonnenverbrannt und hatte die Proportionen eines Michelinmännchens. Gernot war die Schwarzwurzel, und das gefiel ihm, er griff sich nämlich ständig an den Schritt, bis ich ihn fragte, ob er wohl ein Prostataproblem hätte. Und Dieter sollte die Erbsen singen, ein Eunuch geht auf Reisen, er kreischte die ganze Zeit wie ein Hühnerauge, das unter einen Amboss gerät. Ganz prima, meine Familie für die nächsten beiden Tage, also Bussi Bussi, Stargeknutsche, ein tolles Stimmvolumen hast du, und diese Ausdruckskraft, Kinder, das wird spaßig, und so weiter.

Am ersten Tag wurden wir nur dem Dosensuppenkönig vorgestellt und mit dem Werbekonzept vertraut gemacht, was so aussah, dass wir alle einen Teller von der halbwarmen Brühe löffeln mussten. Dabei redete der König sich in Ekstase, es müsste alles frisch und freundlich klingen, knackig, saftig, appetitlich. O je, wenn einer schon saftig sagt, versucht er abends den Sopran anzubaggern, ich kenn so was, na ja, besser es trifft Spargelastrid als mich.

Dann sollten wir ins Hotel, die Partituren ansehen, man sagte uns tatsächlich Partituren, ich fass es nicht. Ich meine, da summt einer was vor, und ich sing das dann nach, fertig, eine Sache von zwanzig Minuten, aber nein, ins Hotel. Was die so Hotel nennen! Herberge zur brütenden Pestilenz, Virenkessel Schmidthuber, das war mit Abstand die abartigste Kaschemme, in der ich jemals schlafen musste. Aber hätte ich mir ein anderes Zimmer gesucht, hätte ich es selbst bezahlen müssen, und da bleibt dann nicht mehr viel übrig. Zumindest zum Abendessen würde ich mir etwas Gemütliches, Sauberes suchen, schwor ich mir, als ich auf meiner Fensterbank (mit Blick auf die Müllcontainer) ein Rudel apathisch daliegender Bananen entdeckte. Mann, die hätte ich bald kämmen können, solche Haare wuchsen da drauf. Und wenn man ganz genau hinsah, ich schwöre es: Sie haben sich bewegt. Atmende Bananen. Aber sie lagen schon im Sterben, wie alles, was länger als eine Nacht in dieser Absteige blieb. Der Teppichboden war mit einer exotischen Pilzkultur durchzogen. Da brauchste keine Drogen zu nehmen, die Muster, die sich langsam ausbreiten, siehst du ganz von alleine. Aber die Hölle war die Dusche, Etagendusche natürlich, da hat mein Immunsystem wirklich was geleistet, da sprang dich der Fußpilz in Kopfhöhe von den Wänden an. Die Sporen schwebten in Nebeldichte umher. Und im Ausguss der Skalp von vier Generationen Gästen. Abartig. Alles, was ich wollte, war, schnellstens hier rauszukommen.

Draußen fing es schon an, dunkel zu werden, ich warf also einen Blick auf die Partitur, beschloss, dass der Weg von der Schlafbaracke zum Studio als Vorbereitung reichen würde, und suchte mir ein kleines Bistro. Ein ganz schickes, abgefahrenes, Mensch, ich bin Künstlerin, nicht irgendeine Touristentrulla. Vor dem Hotel kam mir der Produzent in die Quere, der, der uns vorhin das Werbekonzept löffeln ließ. Er lutschte schon wieder diese fiesen Lakritzschnecken. Menschen, die freiwillig Lakritze essen, halte ich ja für potentiell verhaltensgestört, der kulinarische Masotrip. Er busselte ein bisschen auf Charming Boy, und ich sagte: «Du, ich muss mich noch mental klarmachen für morgen, ciao, Ogon.»

«??»

«Das ist polnisch und heißt so was wie Darling.»

«Ogon. Goldig.»

Ogon ist zwar polnisch, heißt aber Schwanz, na ja, das brauchte er nicht zu wissen. Ich fand eine ganz verrückte kleine Szenekneipe mit Klaviermusik und einem Tintenfassperkussionisten, der letzte Schrei, ich sag’s, und dann setzte ich mich so an die Bar, um etwas zu essen. Und da sprach mich dann Fred an. Fred sah nicht aus wie ein Gemüse, war aber Vegetarier. Er bestellte sich auch die Frischkäse-Canneloni und fragte, was ich so mache.

«Ich bin Sängerin. Tremolo-Alt.»

«Echt? Ich bin Tenor. Ey, das ist ja klasse, da können wir ja eine Session machen hier auf der Theke.»

Ich lachte. «Ne du, ich muss mit meiner Stimme ein bisschen aufpassen, hab morgen einen Studio-Event, da muss ich alpenquellenklar klingen.»

«Schon klar.»

Es war richtig gut, mal mit jemandem zu reden, der nicht so einen Schrott macht. Fred erzählte von seiner Band und dass er mit einem Orchester zusammen sänge, oft auch für Schallplattenproduktionen. Und schon konnten wir wunderbar ablästern. Er musste gut verdienen, denn er lud mich zum Essen ein, und um mich zu revanchieren, erzählte ich ihm von den euphorischen Zeitungskritiken, die ich für meine Klassikkonzerte bekommen hatte. Dass es ein Konzert in einem Kaff in der Nähe von Eckernförde und die Journalistin eine freie Mitarbeiterin war, die noch unters Jugendschutzgesetz fiel und die nicht mal wusste, was «adiago» bedeutet und wann man in einem Konzert klatscht und wann nicht, erzählte ich ihm nicht. Man muss auch mal Star sein dürfen. Und es machte Spaß, einer zu sein, und es fielen mir immer mehr Geschichten ein, der Gesanglehrer an der Schule, der gesagt hatte, ich hätte ein «Jahrhundert-a», der Theaterdirektor, der mir die Hauptrolle in einem neuen Musical geradezu aufgenötigt hatte, bis das Musical, das ohnehin nur in seinem Kopf existierte, dann gecancelt wurde und so weiter. Fred war begeistert und ich freute mich für ihn, als er von seiner Tournee sprach, die er nächsten Monat durch ganz Europa antreten würde. Natürlich, ich bin ja keine Landschnepfe, war das Ganze nicht ganz ohne Hintergedanken. Auf der einen Seite hatte ich einfach Lust zu vögeln, auf der anderen Seite war ein Mensch mit Kontakten zu Orchestern und Tourneeplanern aber auch genau das Richtige, Göttin, der Sechser im Lotto! Und als Fred dann einige Takte aus «Faust» summte, hörte ich trotz des Kneipenlärms, dass er eine wirklich gute Stimme hatte, und ich fiel ein, um ihm meinerseits zu zeigen, was ich so draufhabe, Dosensuppe hin oder her. Und wenn ich morgen kratzig klingen würde, würde ich einfach behaupten, das sei das Aroma der Rauchwürstchen, das ich musikalisch umsetzte.

Das Geilste aber war, dass wir irgendwann feststellten, dass wir im gleichen Hotel wohnten. Fred sagte, das sei echt die Katastrophe, seine Agentin habe eigentlich das Steigenberger gebucht, aber da sei etwas mit der Reservierung schief gelaufen und na ja Messezeit, da sei halt nichts anderes zu kriegen, aber gleich morgen würde er ins Steigenberger umziehen, und wenn ich wollte, könnte er mir da auch ein Zimmer organisieren. Aber ich lehnte ab, morgen war mein Gastspiel ja schon beendet. Wir gingen zusammen in die Kaschemme zur lustigen Filzlaus und fingen schon im Fahrstuhl an zu knutschen.

Aus dem Bistro hatten wir zwei Flaschen Champagner mitgenommen, die mich jetzt kalt an den Beinen berührten, als ich mich an ihn drückte. «Komm, ich fang dich gleich hier an zu lutschen», nuschelte er zwischen meinen Brüsten, «Sex, Drugs and Rock ’n’ Roll.» Ich war angeschickert, lachte, öffnete eine Champagnerflasche und meine Beine.

Sein Bett im Hotelzimmer war mit Makosatin-Bettwäsche bezogen, wie die hierher kam, konnte ich mir nicht erklären, war mir aber egal. Wir rissen uns die Klamotten vom Leib, zogen eine Linie Koks, den Fred in seiner Hosentasche hatte, und beschlossen, mindestens ein Möbelstück in diesem Zimmer durch Ficken zu demolieren. Man ist seinem Ruhm ja etwas schuldig. Wir suchten den Nachttisch aus, weil der am sperrmüllartigsten aussah. Ich kniete mich nackt auf ihn, er schwankte schon verdächtig, und Fred stand hinter mir, goss den Rest des Champagners über mein Kreuz und wichste sich dabei einen. Es war großartig. Ich sagte keuchend alle Obszönitäten auf, die mir einfielen, und er wiederholte sie, und als er gerade dabei war, ein Kondom mit einer Hand über seine Möhre zu ziehen – er hatte nur eine Hand, weil er die Finger der anderen in meine Möse gesteckt hatte und ich ihn dort festklemmte, gelobt sei eine liebeskugeltrainierte Ringmuskulatur, genau in dem Moment brach die Kommode zusammen, und wir fielen lachend auf das makosatinbezogene Bett. Die Wäsche fühlte sich toll an, und als ich so an das neurodermitisfarbene Frotteegezumpel dachte, das auf meinem Hotelbett lag, war mir schon klar, wo ich übernachten würde. Wir fickten uns die Seele aus dem Leib, ich bestand auf ständigen Stellungswechsel, war längst zu betrunken, um meinen Orgasmus sanft über den Berg zu tragen, sondern fickte nur noch maschinell und laut grunzend.

Kurz bevor Fred kam, war ich noch einmal irre geistesgegenwärtig, stieß ihn zurück und herrschte ihn an: «auf die Knie», und Fred war so stoned, dass er sich winselnd in die Mitte des Zimmers auf diesem ekligen Velourpilz zusammenkauerte. Ich saß auf dem Bett, öffnete weit die Beine, streichelte meine Möse, und er sah zu und tropfte Speichel auf die Bakterienkulturen unter ihm. Dann säuselte ich: «komm zu Frauchen, na komm, du darfst deine Herrin glücklich machen.» Und er kam angekrochen, mit heraushängender Zunge und untertassengroßen Pupillen und leckte sich an meinen Schenkeln entlang bis zum heiß geschwollenen Allerheiligsten. Ich beschimpfte ihn weiter, das brachte ihn so richtig in Fahrt und mich in Schwung, und ich hatte noch nicht ganz ausgestöhnt, als er seine Zunge aus mir herauszog, mich auf den Bauch drehte und jetzt seinerseits begann, mich zu beschimpfen, während er mich zu Ende fickte. Er hatte das offensichtlich auch noch nicht oft gemacht, denn außer «meine kleine Schlampe» und «heißes Fötzchen» fiel ihm nichts ein, so wiederholte er es also dauernd, kam sich nach Herzen verrucht vor und sackte bald schweißüberströmt auf meinem Kreuz zusammen. Alles in allem war es richtig nett. Dann küssten wir uns lieb und spitzlippig, fast ehelich keusch, und schliefen auch gleich ein.

Nachdem ich die Ekeldusche wider Erwarten überlebt hatte und keine schleimigen Algen meine Waden hinaufwuchsen, traf ich Fred im Frühstücksraum. Einen Tisch weiter saßen die geschätzten Kollegen, der Spargel, die Kartoffel, die Horde Erbsen und die Schwarzwurzel, und kochten gemeinsam schon ihren Brei aus Gewäsch. Der Produzent kam mit wehendem Schal überschwänglich angelaufen, herzte die Schwarzwurzel und sagte weltmännisch etwas von «ja sicher, Ogon» und zwinkerte mir dabei zu, es ging wahrscheinlich um die vereinbarte Barbezahlung. Fred und ich redeten gerade über seine nächste Aufnahme und meinen Event, und ich wartete wie auf glühenden Kohlen auf zwei Dinge: auf seine Telefonnummer und auf den damit verbundenen Satz «Ich werd mal sehen, ob ich nicht was für dich tun kann» oder noch besser: «Warte mal, ich will dich da jemandem vorstellen.»

Und da kam ausgerechnet der Ogon an unseren Tisch, ich versuchte ihn abzuwimmeln, aber er pflanzte sich doch tatsächlich zu uns, und ich, der Star aller Tremolo-Altistinnen schrumpfte zur Zucchini zusammen. Gerade hielt er mir ein neues Dosenetikett unter die Nase, als ein anderer ebenfalls exaltiert mit seinem weißen Schal um sich schlagender Mensch in den Frühstücksraum kam, sich umsah und dann leicht hysterisch quengelte: «Ist hier irgendwo die Edelsalami? Ja wo ist denn der Tenor für die Metzgerreklame?» Fred sprang auf, hackfleischrot im Gesicht, und brummte «komm ja schon» und sah mich achselzuckend und bedauernd an.

Höhnisch gelächelt habe ich nicht. Keine Miene verzogen. Nicht ein dummer Spruch kam über meine Lippen. Als Zucchini weiß ich, was sich gehört.

Die schwärzesten Witwen

Walter mit Chili und Paprika zu würzen war Jordis’ Idee. Die beiden anderen widersprachen nicht, denn erstens war Jordis die Küchenchefin, zweitens war er immerhin ihr Mann gewesen, und drittens bekam Walter so posthum eine Schärfe, die er zu Lebzeiten nicht gehabt hatte. «Und weil ihm schon immer ein bisschen Feuer unter dem Hintern gefehlt hat, schlage ich vor, dass wir ihn grillen», fuhr Jordis fort. Swantje pinselte gleich den Rost mit Fett ein, während Lisa in die Kohlen blies. «So bekommt er doch noch ein schönes Fegefeuer», schwärmte Swantje und verteilte die Filets, die Jordis in exakt 200Gramm schwere Scheiben geschnitten hatte, auf dem Rost. Es brutzelte, und die Küche füllte sich langsam mit würzigem Fleischgeruch. «Was nehmen wir dazu? Kroketten?», schnüffelte Lisa genießerisch Richtung Grill und ging dann unwillig aus der Küche, weil ein Gast gerufen hatte.

«Ich werd dann auch mal wieder», murmelte Swantje, griff sich in den tiefen Ausschnitt ihres Minikleids und richtete vorsichtig ihre Brüste im BH, wie man zwei Reibeklöße aus siedendem Wasser mit einer Kelle herausschöpft, und bezog wieder Stellung hinter der Bar. Sobald sie sich vor den Likör- und Spirituosenflaschen positioniert hatte, verwechselte sie die Artikel, ignorierte die Akkusative und stellte die Wörter im Satz so konfus um, bis sie selber kaum noch wusste, was sie eigentlich sagte. Die Gäste erkannten sie so bereits nach dem ersten Satz als ein holländisches Meisje und feierten sie als «charmant» und «exotisch», obwohl das Holländischste an Swantje der von ihr gekaufte Käse war, mit dem sie Teile von Walter überbacken wollte, falls die Gäste etwas übrig ließen. Wahrscheinlich war das nicht. Seit Jordis, Lisa und sie das kleine Restaurant Chez Robak eröffnet hatten, fielen sie jeden Abend ein wie die Heuschrecken und vertilgten begeistert alles, was die Küche hergab.

Swantje stand gern hinter der Bar, hier konnte sie niemand anlangen, und sie hatte einen guten Blick über das gesamte Lokal. Das war heute Abend besonders wichtig, weil ein ganz besonderer Gast erwartet wurde. Sogar zwei, wenn man es genau nahm: Henrik, Lisas Mann, mit dessen Geld sie das Lokal vor einem halben Jahr gekauft hatten, und Bodo von Quellental, der genauso kitschig aussah, wie er hieß, und sich für den renommiertesten Restaurantkritiker von ganz Hamburg hielt. Leider hatte er Recht, und Jordis überlegte schon, seit aus verlässlicher Quelle das Gerücht zu ihnen durchgesickert war, dass er sich die Ehre geben würde, was man dem von Quellental wohl vorsetzen könnte. Er war ein Fleischliebhaber, das war bekannt. Walter war bereits mariniert und wartete. Dazu würde sie ihm eine Terrine aus verschiedenen Gemüsen reichen, die so jung waren, dass sie noch unter das Jugendschutzgesetz gefallen wären, wenn Broccoli und Möhren eine Gesetzgebung hätten. Auf ihre selbst gemachten Quarkkroketten war Jordis besonders stolz, jede einzelne sah aus wie ein Kunstwerk. Noch während Jordis ihre aufs Blech gespritzten Türmchen bewunderte, klingelte es einmal kurz in der Küche, dann noch einmal. Swantje hatte den Schalter unter der Bar gedrückt, beide Gäste waren also angekommen und würden nun die eine oder andere Überraschung erleben.

Henrik orderte einen Scotch und klaubte dabei seine Augäpfel nur langsam aus Swantjes Dekolleté. «Was ’n das für ’n Event», nuschelte er ihr zu, und sie wusste, dass er so verwaschen sprach, weil er in Gedanken an einer ihrer Brustwarzen nuckelte. «Verschluck meinen Piercing-Ring und erstick dran», dachte Swantje und säuselte dann zuckergussig: «Jordis, Lisa und ich haben uns ausgedenkt eine leckere Spaß, wirst sehen.» Sie schüttete ihm noch einen Scotch ein, beugte den Oberkörper tief nach vorne, berührte mit dem Kinn fast die Theke und streckte den Po heraus, während sie flüsterte: «Es wird werden ganz ganz doll», und sie wusste, dass sich ihr Minikleid, wenn sie so stand, genauso weit hinaufschieben würde, dass er im Spiegel hinter ihr zwischen dem Glas mit den Zitronenscheiben und dem Telefon sehen konnte, dass sie keinen Slip trug. Ihr Mösenhaar hatte sie am Vorabend leuchtend blau gefärbt, damit kam sie sich zwar vor, als hätte sie ständig einen Punk zwischen den Beinen, aber Lisa hatte ihr versichert, dass es ziemlich scharf aussehe und Henrik völlig um den Verstand bringen würde. Und dazu war er schließlich da. Allerdings nicht sofort, und damit Henrik nicht rückwärts vom Barhocker fiel, richtete sich Swantje wieder auf und wies ihm mit einem Kopfnicken einen Tisch zu, «da ist frei». Den von Quellental hatte Lisa gegenüber dirigiert, sodass sie sich beim Essen ansehen würden.

Beide saßen. Showdown!

Von der Theke aus blinzelte sie Lisa zu, die gerade zwei große dampfende Teller vor ein Yuppiepärchen stellte. Die Yuppies waren zwar nett, aber sie swingten zu viel zwischen den einzelnen Restaurants, was das Chez Robak brauchte, war Stammkundschaft, und deshalb war der Quellental-Auftritt ein großes Glück, wenn alles glatt ging. Aber Jordis konnte in der Küche zaubern, und es würde schon alles perfekt klappen. «Na, Walter, da zischst du nur, na, hast ja nie viel gesagt», flüsterte Jordis über den Grill gebeugt und begoss ihn noch einmal mit Whisky.

Lisa schlängelte sich zwischen den Tischen und Stühlen hindurch. Sie war eine dicke kleine Person mit wallendem Haar und einem wunderschönen Hals, einem Fetischistenhals, und es kam nicht selten vor, dass ihr einer der Yuppies beim Bezahlen mit der Kreditkarte auch seine Telefonnummer gab und ihr seine Eckzähne zeigte, was wahrscheinlich ein Verführerlächeln darstellen sollte. Lisa hortete diese Zettelchen als Trophäen, hatte aber nie eine Nummer angerufen. Bis letzte Woche, als sie beim Großhändler Spargel vergessen hatten und Lisa am frühen Abend noch einmal losziehen musste. Und da hatte sie Henrik gesehen in einer Seitenstraße, wie er eine Barbiepuppe über ein Motorrad gelehnt fickte. Sie hatte den Rock hinaufgeschoben, und er pumpte wie eine Maschine im Titanicschiffsbauch, der Eisberg kam näher, riss den Bug auf, Wassermassen stürzten hinein, überfluteten alles, die Barbie stieß ihn mit dem Hintern von sich, zog den Rock wieder hinunter und ging. Lisa konnte Henrik noch tropfen sehen und dachte sich «na warte». Am gleichen Abend servierte Swantje im Restaurant, schüttete mehr als einem Gast die Soße über die Hose und entschuldigte sich mit den absurdesten Behauptungen wie etwa, sie würde zu Hause immer nur Klompen, Holzschuhe, tragen und sei diese Pumps nicht gewöhnt. Die Gäste fielen in ihren Ausschnitt und fanden sie charmant.

Währenddessen zog Lisa im Hof hinter der Küche einen Yuppie durch. Yuppiesex war nicht das Wahre. Der Dreitagebart kratzte auf ihren Schamlippen, die vielen Ringe waren kalt und fremd, als der Auserwählte ihr erst einen und dann einen zweiten Finger hineinschob, und zwischendurch klingelte sein