Halo Band 3: Erstschlag - Eric Nylund - E-Book

Halo Band 3: Erstschlag E-Book

Eric Nylund

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Beschreibung

Der Krieg gegen die Allianz geht weiter! Die sagenhafte Ringwelt Halo wurde zerstört. Nur wenige USNC-Soldaten überlebten den ungleichen Kampf zwischen Menschheit und "Allianz". Unter den Überlebenden befindet sich auch der Master Chief der geheimnisvollen SPARTANER-Eliteeinheit. Auf seinen Schultern lastet von nun an die gesamte Verantwortung. Und sein nächster Auftrag gleicht einem Himmelfahrtskommando: Er soll nicht nur die versprengten Truppen sammeln, sondern auch den Krieg zum Feind tragen - mitten ins Herz der außerirdischen Aggressoren. Die Verluste der USNC legen dem Feind einen Heimvorteil in den Schoß und den werden sie mit aller Kraft und Stärke ausnutzen.Für den Master Chief und seine vom Krieg gebeutelte Truppe gilt es nicht nur zu überleben und den Nachhause-Weg halbwegs zu überstehen. Denn um die Vernichtung der Menschheit zu verhindern, müssen sie dem Feind mit einem alles entscheidenden Erstschlag begegnen ... Dieser spannende Roman verbindet die Ereignissezwischen den Games HALO und HALO 2.

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Seitenzahl: 508

Veröffentlichungsjahr: 2009

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Deutsche Ausgabe: Panini Verlags GmbH, Rotebühlstraße 87, 70178 Stuttgart. Translation copyright © 2009 by Microsoft Corporation. All Rights Reserved. This translation published by arrangement with Ballantine Books, a division of Random House, Inc.

Amerikanische Originalausgabe: „HALO: First Strike“ by Eric Nylund published by The Ballantine Publishing Group. Bungie, Halo, Xbox, the Xbox and Microsoft Logos are either registered trademarks or trademarks of Microsoft Corporation in the United States and/or other countries. Used under license. © 2003, 2007 Microsoft Corporation. All Rights Reserved.

All rights reserved including the right of reproduction in whole or in part in any form. No similarity between any of the names, characters, persons and/or institutions in this publication and those of any pre-existing person or institution is intended and any similarity which may exist is purely coincidental. No portion of this publication may be reproduced, by any means, without the express written permission of the copyright holder(s).

Übersetzung: Claudia Kern Lektorat: Manfred Weinland Redaktion: Mathias Ulinski, Holger Wiest

Danksagungen

Zuallererst möchte ich dem Personal des Oberkommandos danken: Syne Mitchell und dem neuesten Offizier in unserem Team, Kai Nylund.

Dank gebührt außerdem den Informationsoffizieren der Microsoft Franchise Developing Group: Doug Zartman, Nancy Figatner und Edward Ventura und vor allem Eric S. Trautmann (Agent der Spezialeinheit) und den Leuten von Sektion Zwei, besser bekannt als Microsoft User Experience Group: Jo Tyo, Matt Whiting, Dana Fos und Jason Groce; den Logistikoffizieren von Ballantine/Delrey: Keith Clayton, Nancy Delia, Betsy Mitchell und Steven Saffel; und, last but not least, den Feldsoldaten, die überall im Universum auf virtuellen Schlachtfeldern kämpfen, um euch das beste aller möglichen Spiele zu bringen: Jason Jones, Peter Parsons, Joe Staten, Jaime Griesemer und Lorraine McLees.

SEKTION 0

REACH

KAPITEL 1

0622 Stunden, 30. August 2552  (militärischer Kalender)  UNSC-Schiff Pillar of Autumn , Epsilon-Eridani-System in der Nähe der Reach-Station Gamma

Geschickt warf Frederic, SPARTANER-104, sein Kampfmesser in die Höhe. Die schwere MJOLNIR-Rüstung schien ihn nicht zu behindern, und die Klinge vollführte komplizierte Drehungen.

Die wenigen, auf dem Deck verbliebenen Navy-Angehörigen erbleichten und wandten den Blick ab – wenn ein Spartaner mit seinem Messer hantierte, waren Todesfälle nicht selten.

Fred war nervös, was nicht nur von der typischen Anspannung herrührte, die jede Mission begleitete. Aber der ursprüngliche Auftrags des Teams – die Eroberung eines Allianz-Schiffs – war mit Beginn der neuen gegnerischen Offensive gestoppt worden. Die Allianz war auf dem Weg nach Reach, dem letzten bedeutenden Militärstützpunkt des Raumkommandos der Vereinten Nationen.

Fred fragte sich, was Bodentruppen bei einem Kampf Schiff gegen Schiff ausrichten sollten. Das Messer drehte sich immer noch.

Um ihn herum luden Kameraden ihre Waffen, suchten ihre Ausrüstungsgegenstände zusammen und bereiteten sich auf den Kampf vor. Seit der Captain des Schiffes den Teamleiter, SPARTANER-117, persönlich instruiert hatte, waren sie noch motivierter als zuvor. Auch auf Fred traf das zu. Nur Kelly hatte ihre Ausrüstung schneller verstaut als er.

Er fing sein wieder im Fall begriffenes Messer auf – das geschliffene Ende traf auf seinen gepanzerten Finger, ohne Schaden anzurichten. Er balancierte es aus. Mehrere Sekunden lang stand das Messer völlig reglos mit der Spitze auf Freds Fingerkuppe.

Eine leichte Veränderung der Schwerkraft an Bord der Pillar of Autumn sorgte dafür, dass die Klinge zur Seite kippte. Fred fing seine Waffe auf und schob sie mit einer geschmeidigen Bewegung zurück in den Gürtel. Sein Magen fühlte sich kalt an, als ihm bewusst wurde, was die Veränderung der Schwerkraft aller Voraussicht nach zu bedeuten hatte: Das Schiff hatte seinen Kurs geändert – eine weitere Komplikation.

Master-Chief SPARTANER-117 – John – marschierte zum nächsten Interkom, wo Captain Keyes’ Gesicht bereits den Bildschirm füllte.

Fred bemerkte eine leichte Bewegung auf seiner rechten Seite – Kelly gestikulierte unauffällig mit ihrer Hand. Er stellte eine private Funkverbindung zu seiner Kameradin her.

„Sieht nach einer weiteren Überraschung aus“, sagte sie.

„Korrekt“, antwortete er. „Eigentlich hatte ich davon schon genug für eine Mission.“

Kelly lachte leise.

Fred beobachtete die Unterhaltung zwischen John und Keyes. Jeder Spartaner – man hatte sie als Kinder ausgesucht und für militärische Höchstleistungen präpariert – war einer biochemischen, genetischen und kybernetischen Optimierung unterzogen worden. Seitdem konnte ein Spartaner den Fall einer Nadel in einem Sandsturm wahrnehmen.

Und sie alle wollten jetzt wissen, was ihnen der Captain mitzuteilen hatte. Wenn man euch schon in die Hölle schickt, hatte CPO Mendez, der erste Ausbilder der Spartaner einmal gesagt, soll man euch wenigstens vernünftig über die Beschaffenheit jener Hölle informieren.

Captain Keyes wirkte ernst, während er eine verbotene Tabakpfeife in der Hand hielt. Obwohl seine Stimme ruhig klang, als er die Situation schilderte, hielt er die Pfeife so fest, dass seine Knöchel weiß hervortraten.

Einem einzigen Raumschiff, das an einer Orbitalstation über Reach angedockt hatte, war es nicht gelungen, rechtzeitig seine Navigationsdatenbank zu löschen. Und wenn die NAV-Daten dem Feind in die Hände fielen, hatte er eine exakte Wegbeschreibung zur Erde.

„Master-Chief“, sagte der Captain. „Ich vermute, dass die Allianz sich mit präzisen Slipspace-Sprüngen an das Raumdock heranbringen wird. Sie werden möglicherweise versuchen, Truppen auf der Station abzusetzen, bevor die Super-MAC-Kanonen ihre Schiffe zerstören. Das wird eine schwierige Mission, Chief. Ich bin … offen für Vorschläge.“

„Wir kümmern uns darum“, antwortete der Master-Chief.

Captain Keyes beugte sich in seinem Kommandositz vor. „Wie genau, Master-Chief?“

„Bei allem Respekt, Sir, Spartaner wurden ausgebildet, um schwierige Probleme zu lösen. Ich werde meine Einheit aufteilen. Drei Spartaner werden in das Raumdock eindringen und dafür sorgen, dass die NAV-Daten nicht in die Hände der Allianz fallen. Die anderen werden den Planeten ansteuern und die Invasionstruppen abwehren.“

Fred biss die Zähne zusammen. Wenn er die Wahl hatte, bekämpfte er die Allianz lieber am Boden. Alle Spartaner hassten den Einsatz außerhalb eines Planeten. Die Operation auf dem Raumdock steckte voller Unwägbarkeiten – unbekannte Feindstärke, Schwerelosigkeit, kein Dreck unter den Stiefeln.

Es stand allerdings auch außer Frage, dass es sich bei der Raummission um die schwierigere Aufgabe handelte, deshalb wollte Fred sich freiwillig dazu melden.

Captain Keyes dachte über Johns Vorschlag nach. „Nein, Master-Chief. Das ist zu riskant. Wir müssen unbedingt verhindern, dass die Allianz die NAV-Dateien bekommt. Wir werden eine Nuklearmine in der Nähe des Andockrings deponieren und hochjagen.“

„Sir, der EMP wird die supraleitenden Spulen der Orbitalkanonen zum Durchschmoren bringen. Und wenn Sie die konventionellen Waffen der Pillar of Autumn verwenden, kann eine Zerstörung der NAV-Datenbank nicht garantiert werden. Sollte die Allianz die Trümmer durchsuchen, könnte sie die Daten retten.“

„Das stimmt“, sagte Captain Keyes und tippte mit der Spitze seiner Pfeife nachdenklich gegen sein Kinn. „Also gut, Master-Chief, ich nehme Ihren Vorschlag an. Wir nehmen Kurs auf die Andockstation. Bereiten Sie Ihre Spartaner und zwei Landungsboote vor. Wir brauchen sie in …“ Er beriet sich kurz mit Cortana. „… fünf Minuten.“

„Aye, Captain. Wir werden bereit sein.“

„Viel Glück“, sagte Captain Keyes, dann wurde der Bildschirm dunkel.

Als sich der Master-Chief an die Spartaner wandte, nahm Fred Haltung an. Er wollte sich gerade zu Wort melden, als ihm Kelly zuvorkam.

„Master-Chief“, sagte sie. „Bitte um Erlaubnis, die Raummission leiten zu dürfen.“

Sie war schon immer so verdammt schnell gewesen.

„Abgelehnt“, sagte der Master-Chief. „Die leite ich.“ Nach einer kurzen Pause fuhr er fort: „Linda und James, ihr begleitet mich. Fred, du leitest das rote Team. Du hast das taktische Kommando über die Bodenmission.“

„Sir!“, rief Fred. Er wollte protestieren, schluckte seine Worte jedoch herunter. Es war zu spät, um Befehle in Frage zu stellen. „Ja, Sir!“

„Beeilt euch“, sagte der Master-Chief. „Wir haben nicht mehr viel Zeit.“

Die Spartaner blieben einen Moment stehen. Kelly rief: „Achtung!“

Die Soldaten salutierten zackig vor dem Master-Chief, der auf gleiche Weise antwortete.

Fred öffnete eine Funkverbindung zu allen Angehörigen des roten Teams und bellte: „Auf geht’s, Spartaner. Eure Ausrüstung muss in neunzig Sekunden gepackt sein, fertig müsst ihr in fünf Minuten sein. Joshua: Frag Cortana nach den neuesten Informationen über den Absprungpunkt – auch wenn sie nur die Aufnahmen eines Wettersatelliten oder ähnliches zur Verfügung hat. Ich will Bilder, und ich will sie sofort .“

Team Rot sprang auf.

Die Nervosität vor einer Mission war erloschen, wurde durch eine kalte Ruhe ersetzt. Es gab einen Job zu erledigen, und Fred brannte darauf, endlich loszulegen.

Flight Officer Mitchell zuckte zusammen, als ein vereinzelter Energiestrahl durch den Hangar schnitt und eine rund einen Meter breite Wandsektion vernichtete. Roter Flüssigstahl spritzte über den Bildschirm des Pelican-Landungsboots.

Drauf geschissen , dachte er und aktivierte die Schubdüsen des Transporters. Das metallisch grüne Boot balancierte für einen Moment auf einer Säule aus weiß-blauem Feuer, dann schoss es aus dem Hangartor der Pillar of Autumn hinaus ins All. Fünf Sekunden später brach die Hölle los.

Energiestöße rasten ihnen aus dem Flaggschiff der Allianz entgegen und trafen einen Kommunikationssatelliten. Der Satellit brach auseinander und löste sich in tausend Trümmerstücke auf.

„Haltet euch fest“, warnte Mitchell seine Passagiere im Truppenbereich des Landungsboots. „Wir bekommen Gesellschaft.“

Ein Schwarm von Seraph – käferartige Kampfflieger der Allianz – bildete eine enge Formation und hielt auf das Landungsboot zu.

Die Maschinen des Pelican heulten auf, dann taumelte der schwerfällige Transporter der Oberfläche von Reach entgegen. Die außerirdischen Jäger beschleunigten. Plasma-Pfeile schossen aus ihren Geschützmündungen.

Ein Energiestrahl schnitt Backbord vorbei und verfehlte nur knapp das Pelican-Cockpit.

Mitchells Stimme war über das Statikrauschen des Kommunikationssystems zu hören. „Bravo-Eins an Knife Zwei-Sechs. Ich könnte ein bisschen Hilfe gebrauchen.“

Er ließ den Pelican zur Seite kippen, um den Trümmern eines Patrouillenschiffes auszuweichen, das der heranrollenden Angriffswelle zu nahe gekommen war. Unter den Plasma-Brandspuren konnte man das Zeichen des UNSC erkennen. Mitchell fluchte. Die Lage wurde mit jeder Sekunde verzweifelter. „Bravo-Eins an Knife Zwei-Sechs, wo zur Hölle bleibt ihr?“, brüllte er.

Vier dreieckig geformte Raumschiffe tauchten auf Mitchells Schirm auf. Es waren Longswords, schwere Kampfflieger.

„Knife Zwei-Sechs an Bravo-Eins“, drang eine helle Frauenstimme durch die Störungen im Funk. „Behalt die Hosen an. Ziemlich viel zu tun heute.“

Zu viel . Die Longswords waren gerade in Position neben seinem Landungsboot gegangen, als die Allianz-Jäger auch schon das Plasma-Feuer eröffneten.

Drei der vier Longswords drehten ab und jagten den Allianzschiffen entgegen. Vor dem schwarzen Hintergrund des Weltraums leuchteten Geschütze auf und zogen Raketen geisterhafte Spuren hinter sich her. Die Waffen der Allianz durchstachen die Nacht, und Explosionen entfalteten ein Feuerwerk von grausiger Schönheit.

Der Pelican beschleunigte mit seinem letzten verbliebenen Begleiter und steuerte dem Planeten entgegen. Sie flogen an herumwirbelnden Trümmern vorbei und wichen aus, wann immer ihnen Raketen oder Plasma-Strahlen entgegenrasten.

Mitchell zuckte zusammen, als Reachs Orbitalgeschütze das Feuer eröffneten. Ein weißer Ball aus geschmolzenem Metall schoss unmittelbar über den Pelican hinweg, während er und sein Begleiter unter der ringförmigen Verteidigungsplattform hindurchtauchten.

Mitchell lenkte den Pelican in die Atmosphäre des Planeten. Wabernde Glut umzüngelte die kurze Nase des Schiffs, während es von einer Seite zur anderen geworfen wurde.

„Bravo-Eins, verändere den Anflugwinkel“, empfahl die Pilotin des Longswords. „Du wirst zu heiß.“

„Negativ“, widersprach Mitchell. „Wir müssen die Oberfläche schnell erreichen – sonst erreichen wir sie gar nicht. Ich habe Feindkontakt zwischen drei und vier Uhr.“

Ein weiteres Dutzend Seraph aktivierte die Antriebe und jagte auf die beiden im Sinkflug begriffenen Schiffe zu.

„Bestätige zwischen drei und vier. Ich bin dran, Bravo-Eins“, sagte die Pilotin des Longswords. „Macht sie da unten fertig.“

Der Longsword drehte sich um die eigene Achse und schoss der Allianzformation entgegen. Die Pilotin konnte keine zwölf Seraph besiegen – und das musste Knife Zwei-Sechs auch wissen. Mitchell hoffte nur, dass die wertvollen Sekunden, die Zwei-Sechs ihnen verschaffte, reichen würden.

Der Pelican öffnete seine Ventile und zündete die Nachbrenner. Mit dreizehnhundert Metern pro Sekunde stürzte er dem Boden entgegen. Die Flammen, die das Schiff einhüllten, leuchteten zuerst rot, dann in einem blendenden Orange.

Man hatte die gepolsterten Sicherheitssitze, die normalerweise an den Seitenwänden im hinteren Bereich des Pelican angebracht waren, entfernt. Die Sauerstoffgeneratoren an der feuersicheren Wand zwischen Passagierbereich und Cockpit waren ebenfalls herausgerissen worden, um mehr Platz zu schaffen. Unter normalen Umständen wäre der Truppenbereich des Transporters nach solchen Veränderungen halbleer gewesen, doch an diesem Tag wurde jeder Quadratzentimeter benötigt.

27 Spartaner bissen die Zähne zusammen und hielten sich an den Kabinenverstrebungen fest. Sie hatten sich hingesetzt, damit ihre MJOLNIR-Panzerung die Belastungen des mörderischen Landeanflugs abfangen konnte. Die Rüstungen wogen eine halbe Tonne und bestanden aus schwarzen Metallverbindungen, grünlich schimmernden Keramikplatten und aurenhaften Energieschilden. Mit ihren den Kopf umschließenden Helmen und den getönten Visieren ließen sie ihre Träger wie eine Mischung aus einem Panzer und einem mythischen griechischen Helden aussehen – sie waren mehr Maschine als Mensch. Neben ihren Stiefeln hatte man Ausrüstungstaschen und Munitionskisten festgezurrt. Alles klirrte und schepperte, während der Transporter die immer dichter werdende Atmosphäre durchpflügte.

Fred aktivierte die Funkverbindung und bellte: „Festhalten!“ Das Schiff taumelte, und er konnte sich nur mühsam auf den Beinen halten.

Kelly, SPARTANER-087, kam näher heran und öffnete eine Frequenz. „Chief, wir kümmern uns um die Defekte im Kommunikationssystem, sobald wir am Boden sind“, sagte sie.

Fred verzog das Gesicht, als ihm klar wurde, dass er gerade auf dem allgemeinem Flottenkanal gesendet hatte. Jedes verdammte Schiff in Reichweite hatte ihn gehört.

Er öffnete eine persönliche Frequenz. „Danke“, sagte er zu Kelly. Sie antwortete mit einem leichten Nicken.

Solche einfachen Fehler hätten ihm nicht passieren dürfen – und Kelly ließ sich als seine stellvertretende Kommandantin von diesem Fehler fast noch mehr verunsichern als er selbst. Das war schlecht. Sie musste sich voll auf ihn verlassen können. Jedes Mitlied von Team Rot musste auf den anderen bauen.

Das bedeutete, dass er alles unter Kontrolle haben musste. Er durfte sich keine weiteren Fehler leisten.

Er überprüfte die Biowerte seiner Einheit. In seiner Helmanzeige leuchteten alle grün. Nur der Puls war ein wenig beschleunigt. Dem Piloten des Landungsboots ging es allerdings nicht so gut. Mitchells Herz hämmerte wie ein Sturmgewehr.

Es gab keine körperlichen Probleme beim roten Team, das bewiesen die Biosensoren. Spartaner waren an schwierige Missionen gewöhnt, denn das Oberkommando des UNSC übertrug ihnen keine „leichten“ Aufgaben.

Dieses Mal sollten sie zum Planeten fliegen und die Generatoren schützen, die die Abwehrplattformen mit Energie versorgten. Die Flotte wurde oben im All in Stücke gerissen. Die schweren MBKs waren die einzige Waffe, mit der man bisher verhindert hatte, dass die Allianz die Verteidigungslinien durchbrach und Reach einnahm.

Fred wusste, dass sich Kelly und die anderen nur Sorgen machten, weil sie den Master-Chief und sein handverlesenes Team Blau zurückgelassen hatten.

Fred wäre wesentlich lieber bei den Blauen gewesen. Er war nicht der einzige Spartaner, der glaubte, dem einfacheren Job zugeteilt worden zu sein. Wenn die Piloten die Angriffswelle der Allianz erst einmal gestoppt hatten, war die Mission des roten Teams ein Kinderspiel, wenngleich notwendig.

Kelly schlug mit der Hand gegen Freds Schulter. Er nahm an, dass es eine aufmunternde Geste sein sollte. Kellys legendäre Geschicklichkeit wurde durch die Reaktionspotenzierer in ihrer MJOLNIR-Panzerung verfünffacht. Sie hätte ihn niemals versehentlich berührt. Also musste die Geste Absicht gewesen sein.

Er wollte etwas zu ihr sagen, doch ein neues Manöver des Pelican hinderte ihn daran. Erhöhte Gravitationswerte drückten die Spartaner nach unten.

„Das wird jetzt ein bisschen holprig“, warnte der Pilot.

Die Spartaner beugten die Knie, als der Pelican in eine enge Kurve ging. Die Metallbänder, die eine der Kisten gehalten hatten, rissen. Die Box schlingerte gegen eine Wand.

Es rauschte auf den Funkkanälen, dann hörte man die Stimme der Longsword-Pilotin. „Bravo-Eins, kämpfe gegen feindliche Schiffe. Stehe unter schwerem Beschuss …“ Auf der Frequenz rauschte es plötzlich nur stärker.

Eine Explosion warf den Pelican zur Seite. Kleine Metallteile prallten gegen die massive Außenhülle. Einzelne Sektionen der Schutzpanzerung heizten sich extrem auf und schmolzen. Energieblitze schossen durch das kochende Metall und füllten das Innere der Kabine für einen Moment mit Rauch, bevor er aus einem Leck wieder entwich.

Sonnenlicht blitzte durch die aufgeplatzte Titanium-A-Panzerung. Das Landungsboot kippte nach Backbord, und Fred entdeckte fünf Allianz-Seraph, die hinter ihnen in der aufgewühlten Luft schaukelten.

„Wir müssen sie abhängen!“, schrie der Pilot. „Vorsicht!“

Der Pelican tauchte ab. Die Maschinen jaulten regelrecht unter der Belastung. Die Stabilisatoren des Landungsboots wurden weggerissen, und es geriet ins Trudeln.

Die Spartaner hielten sich am Rahmen fest, während ihre Ausrüstung durch das Schiff flog.

„Das wird eine verdammt heiße Landung, Spartaner“, keuchte der Pilot über Funk. „Autopilot ist eingestellt, Umkehrschub aktiviert. Die Schwerkraft wird mir das Bewusstsein rauben. Ich …“

Ein Lichtblitz erhellte das Cockpit, und das kleine Fenster aus Panzerglas zerbarst. Scherben flogen durch den Passagierbereich.

Die Bioanzeige des Piloten sank auf Null.

Die schwindelerregenden Drehungen des Schiffs wurden stärker. Metallstücke und Instrumente wurden aus den Wänden gerissen und schleuderten durch die Kabine.

Joshua – SPARTANER-029 – war der Cockpittür am nächsten. Er kämpfte sich auf die Beine und spähte hindurch. „Plasma-Treffer“, sagte er. Er machte einen Moment Pause, bevor er hinzufügte: „Ich lege die Steuerung auf unser Kontrollpult.“ Mit der rechten Hand tippte er rasch Befehle in die Tastatur, die in die Wand eingelassen war. Mit den Fingern der Linken hielt er sich an einer Metallverstrebung fest.

Kelly wurde von der Drehung des führungslosen Pelican gegen die Steuerbordseite gedrückt und kroch an ihr entlang. Sie kam im hinteren Passagierbereich an und betätigte das kleine Tastenfeld, mit dem man die explosionsartige Öffnung der Absprungluke einleiten konnte.

„Achtung, Feuer!“, brüllte sie.

Die Spartaner duckten sich.

Die Luke explodierte, ihre Bestandteile wurden von dem abstürzenden Schiff weggerissen. Feuer wucherte über die Außenhülle. Innerhalb von Sekunden verwandelte sich das Innere des Transporters in einen Hochofen. Mit der Grazie eines Hochseilartisten lehnte sich Kelly aus dem um seine Achse rotierenden Schiff. Die Schilde ihrer Panzerung leuchteten unter der Hitzestrahlung auf.

Die Seraph-Kampfflieger der Allianz feuerten mit ihren Lasergeschützen, aber die Energie verpuffte in der extremen Hitze, die das Landungsboot hinter sich her zog. Ein außerirdisches Schiff geriet außer Kontrolle, konnte wegen der dichten Atmosphäre kaum noch gesteuert werden. Die anderen stiegen hoch, dem Weltraum entgegen.

„Denen wird es zu heiß“, sagte Kelly. „Wir sind wieder unter uns.“

„Joshua“, rief Fred. „Dein Bericht.“

„Der Autopilot ist ausgefallen, und die Cockpitkontrollen sind deaktiviert“, antwortete Joshua. „Ich kann das unkontrollierte Trudeln mit den Schubdüsen stabilisieren.“

Er gab eine Befehlsfolge ein, worauf der Backbordantrieb erbebte. Dann stoppten die ungewollten Bewegungen, und das Schiff begann ruhiger zu fliegen.

„Können wir landen?“, fragte Fred.

Joshua versuchte gar nicht erst, seine Hiobsbotschaften zu beschönigen. „Negativ. Der Computer hat keine akzeptable Lösung für unseren Fallwinkel.“ Er tippte auf der Tastatur. „Ich verschaffe uns so viel Zeit wie möglich.“

Fred ging die wenigen Möglichkeiten durch. Sie hatten keine Fallschirme oder raketenbetriebene Absprungkapseln. Es gab also nur zwei Alternativen: Entweder ritten sie auf dem Pelican geradewegs in die Hölle … oder sie verließen ihn.

„Bereitet euch auf einen Absprung vor“, rief Fred. „Nehmt eure Ausrüstung und pumpt das hydrostatische Gel bis zum Maximaldruck in eure Anzüge. Beißt die Zähne zusammen, Spartaner, das wird eine harte Landung.“

„Harte Landung“ war die pure Untertreibung. Die Spartaner – und ihre MJOLNIR-Rüstungen – waren hart. Die Energieschilde des Anzugs, das hydrostatische Gel und die Reaktionspotenzierer konnten zusammen mit der verstärkten Skelettstruktur der Spartaner vielleicht einen normalen Absturz überstehen … aber keinen Aufprall mit mehr als Schallgeschwindigkeit.

Es war ein riskanter Plan. Wenn es Joshua nicht gelang, den Absturz des Pelican zu bremsen, würde von ihnen nicht viel übrig bleiben.

„Noch zwölftausend Meter“, rief Kelly, die immer noch neben der hinteren Tür hing.

Fred rief: „Macht euch bereit. Springt auf mein Kommando.“

Die Spartaner griffen nach ihren Ausrüstungspaketen und bewegten sich auf die offene Luke zu.

Der Antrieb des Pelican heulte auf und pulsierte, als Joshua den Schub umkehrte. Das Bremsmanöver zerrte an den Spartanern. Alle versuchten, sich festzuhalten.

Joshua riss an der Steuerung des Transporters, und die Nase des Pelican hob sich. Mit einem Knall sank das Tempo unter Mach eins. Die Verstrebungen knirschten, Schrauben lösten sich.

„Noch gut acht Kilometer und dieses Ding fällt weiter wie ein Ziegelstein!“, rief Kelly.

„Joshua, komm nach hinten“, befahl Fred.

„Verstanden“, sagte Joshua.

Der Pelican erbebte und der Fahrzeugrahmen verbog sich unter der Belastung. Das kleine Raumschiff brach langsam auseinander. Fred stützte sich mit einem gepanzerten Handschuh an der Wand ab, als könne er das Boot allein kraft seines konzentrierten Willens zusammenhalten.

Es funktionierte nicht. Der Backbordantrieb explodierte, und der Pelican geriet vollends außer Kontrolle.

Kelly und die Spartaner, die neben der Schleusenluke standen, sprangen hinaus.

Ihnen blieb keine Zeit mehr.

„Springt!“, schrie Fred. „ Spartaner: raus, raus, raus!“

Die anderen krochen nach hinten, kämpften gegen die Schwerkraft und den abstürzenden Pelican. Fred griff nach Joshua – und dann sprangen auch sie.

KAPITEL 2

0631 Stunden, 30. August 2552  (militärischer Kalender)  Epsilon-Eridani-System, unbekannte Flugposition, Planet Reach

Vor Freds Visier wechselten sich Himmel und Erde in rasender Folge ab. Jahrzehntelanges Training prägte sein Reaktionsverhalten. Es war wie bei einem Sprung mit einem Paragleitschirm … nur dass es keinen Schirm gab. Er zwang seine Arme und Beine, sich zu spreizen. Diese Haltung beruhigte den Fall und bremste die Geschwindigkeit.

Die Zeit schien gleichzeitig zu kriechen und zu rasen – ein Phänomen, das Kelly einmal als „SPARTANER-Zeit“ bezeichnet hatte. Die geschärften Sinne und optimierten Körperreaktionen sorgten dafür, dass Spartaner in Krisensituationen schneller dachten und handelten als normale Menschen. In Freds Hirn jagten sich die Gedanken, während er die taktische Situation in sich aufnahm.

Er aktivierte seine Bewegungssensoren und stellte sie auf maximale Reichweite. Sein Team erschien als blinkende Punkte auf der Visieranzeige. Erleichtert bemerkte er, dass alle 26 Mitglieder da waren und eine Dreiecksformation bildeten.

„Die Allianz-Bodentruppen haben den Pelican vielleicht bemerkt“, sagte Fred über Funk. „Nehmt euch vor FLAK-Feuer in Acht.“

Sofort lösten die Spartaner ihre Formation auf und verteilten sich am Himmel.

Fred riskierte einen Blick zur Seite und entdeckte den Pelican. Er taumelte, kleine Trümmerstücke hinter sich herziehend, dem Boden entgegen und schlug schließlich in ein zerfurchtes, schneebedecktes Bergmassiv ein.

Die Oberfläche von Reach erstreckte sich zweitausend Meter unter ihnen. Fred sah ein grünes Waldgebiet, geisterhafte Erhebungen am Horizont und Rauchsäulen, die im Westen aufstiegen. Das blaue Band eines Flusses zog sich durch die Landschaft. Er erkannte ihn. Es war der Big Horn River.

Die Spartaner hatten einen Großteil ihrer Kindheit auf Reach verbracht. Das war der Wald, in dem CPO Mendez sie zurückgelassen hatte, als sie Kinder waren. Mit einer groben Karte und ohne Nahrung, Wasser und Waffen hatten sie einen bewachten Pelican erobert und waren damit zum Hauptquartier zurückgekehrt. Bei dieser Mission hatte der heutige Master-Chief John sich das Kommando über die Gruppe erkämpft. Bei diesem Auftrag waren sie zum Team zusammengeschweißt worden.

Fred drängte die Erinnerung beiseite. Das hier war keine nostalgische Wiedersehensfeier.

Das UNSC-Reservisten-Trainingslager lag westlich von ihrer Position. Und die Generatoren? Er rief eine Gesamtübersicht des Gebiets auf und projizierte sie in seine Helmanzeige. Joshua hatte gründliche Vorarbeit geleistet. Cortana hatte ihm ordentliche Satellitenbilder und eine topographische Karte zur Verfügung gestellt. Das Material war zwar nicht so exzellent wie die Aufnahmen eines Spionage-Satelliten, aber Fred hatte wegen der kurzen Vorbereitungszeit mit weitaus weniger gerechnet.

Er setzte eine NAV-Markierung auf die Position des Generatorkomplexes und lud die Daten in die Speicherchips seines Teams.

Dann holte er tief Luft und sagte: „Das ist unser Ziel. Bewegt euch in seine Richtung und achtet auf einen möglichst flachen Einfallwinkel. Zielt auf die Baumkronen. Sie sollen euch abbremsen. Wenn ihr keine seht, sucht nach Wasser … und kugelt euch ein, bevor ihr aufschlagt.“

26 Lichter meldeten blau blinkend, dass seine Weisungen verstanden worden waren.

„Erhöht den hydrostatischen Druck kurz vor dem Aufschlag.“

Damit riskierte er eine Stickstoff-Embolie seiner Spartaner, aber sie flogen mit tödlicher Geschwindigkeit, denn voll ausgerüstet fielen sie mit 130 Metern pro Sekunde. Sie mussten den Druck des Dämpfungsgels erhöhen, sonst würden ihre Organe beim Aufschlag von der unverwüstlichen MJOLNIR-Rüstung zerquetscht werden.

Die Lichter blinkten erneut … aber dieses Mal bemerkte Fred eine leichte Verzögerung.

Noch fünfhundert Meter.

Er warf einen letzten Blick auf seine Spartaner. Sie waren wie Konfetti über den Himmel verteilt.

Er zog die Knie an und verlagerte sein Schwergewicht, um einen möglichst flachen Winkel zu erreichen, während er auf die Baumkronen zuflog. Das funktionierte – allerdings nicht so schnell, wie er gehofft hatte.

Noch hundert Meter. Sein Schild flackerte, als er an der Krone eines der höchsten Bäume kratzte.

Er holte so tief wie möglich Luft, griff nach seinen Knien und rollte sich zusammen. Er benutzte die manuelle Steuerung seines hydrostatischen Systems, um den Druck des Gels, das seinen Körper umgab, zu erhöhen. Tausend winzige Klingen schienen auf ihn einzustechen – einen solchen Schmerz hatte er seit den operativen Veränderungen des SPARTANER-II-Programms nicht mehr gespürt.

Der Schild der MJOLNIR-Panzerung leuchtete auf, als er durch die Äste stürzte – und verlor mit einem Schlag sämtliche Energie, als er gegen einen breiten Baumstamm prallte. Fred durchschlug ihn wie der Stahlkörper eines Projektils und prallte gegen unzählige Hindernisse. Es fühlte sich an, als schösse jemand aus nächster Nähe mit einem Sturmgewehr auf ihn. Sekunden später landete er mit furchtbarer Wucht auf dem Boden.

Seine Rüstung funktionierte nicht mehr. Er konnte nichts mehr sehen oder hören, blieb ruhig liegen und konzentrierte sich nur noch darauf, bei Bewusstsein zu bleiben. Einen Moment später füllte sich sein Visier mit Sternen. Er begriff, dass der Anzug doch noch funktionsfähig war … aber sein Potenzial aus irgendeinem Grund nicht zur Entfaltung brachte.

„Chief?“ Kellys Stimme hatte ein Echo, als käme sie vom Ende eines langen Tunnels. „Fred, steh auf“, flüsterte sie. „Wir müssen weiter.“

Sein Blick wurde klarer, und er drehte sich langsam um, bis er auf Händen und Knien abgestützt da hockte. Etwas schmerzte in seinem Inneren, als habe man seine Eingeweide auseinander gerissen und falsch wieder zusammengesetzt. Er holte keuchend Luft. Das tat ebenfalls weh.

Der Schmerz war gut – er forderte Aufmerksamkeit.

„Status“, hustete er. In seinem Mund war ein Geschmack von Kupfer.

Kelly kniete neben ihm und sagte: „Fast alle sind leicht ramponiert – ein paar ausgefallene Schildgeneratoren und Sensorensysteme, ein Dutzend gebrochener Knochen, Verstauchungen … aber nichts, was man nicht verschmerzen könnte. Sechs Spartaner sind allerdings schwerer verletzt. Sie können von einer fixen Position aus kämpfen, sind aber nur noch sehr eingeschränkt mobil.“ Sie holte tief Luft und fügte hinzu: „Vier Gefallene.“

Fred kam mühsam auf die Beine. Ihm war schwindelig, aber er musste es ignorieren. Ganz gleich, was passierte, er musste auf den Beinen bleiben, um den anderen zu zeigen, dass sie sich auf ihren Anführer verlassen konnten.

Es hätte viel schlimmer kommen können – auch wenn vier Tote schon furchtbar genug waren. Bei keiner Operation waren je so viele Spartaner bei einer einzigen Mission getötet worden. Dabei hatte die Operation gerade mal begonnen. Fred war nicht abergläubisch, aber er wurde das Gefühl nicht los, dass die Glückssträhne der Spartaner ein Ende hatte.

„Du hast getan, was du tun musstest“, sagte Kelly, als lese sie in seinen Gedanken. „Die meisten von uns hätten es ohne deine schnellen Befehle nicht geschafft.“

Fred schnaubte angewidert. Kelly glaubte, er habe entschlossen gehandelt, dabei war er nur auf seinem verdammten Arsch gelandet. Darüber wollte er jedoch nicht reden – zumindest nicht jetzt. „Noch mehr gute Nachrichten?“, fragte er.

„Jede Menge“, antwortete sie. „Unsere Ausrüstung – Munitionskisten, Ersatzwaffen – liegt irgendwo über dieses Gebiet hier verstreut. Wir haben nur wenige Sturmgewehre, vielleicht fünf.“

Fred griff instinktiv nach seinem MA5B und entdeckte, dass die Halterungen an seinem Anzug beim Aufprall abgerissen waren. Es steckten auch keine Granaten mehr im Gürtel. Seine Tasche war ebenfalls verschwunden.

Er hob die Schultern. „Wir werden improvisieren“, sagte er.

Kelly wog abschätzend einen Stein in der Hand.

Fred widerstand der Versuchung, den Kopf zu senken und nach Luft zu schnappen. Am liebsten hätte er sich jetzt irgendwo ausgeruht und nachgedacht. Es musste doch einen Weg geben, um seine Spartaner heil hier wieder heraus zu bringen. Es war wie bei einer Übung – er musste nur herausfinden, wie er die Mission ohne weitere Fehler erfolgreich abschloss.

Dafür reichte die Zeit jedoch nicht. Sie waren hier, um die Generatoren zu schützen, und die Allianz wartete sicher nicht darauf, dass sie den ersten Schritt taten. Die Rauchsäulen, die dort aufstiegen, wo sich einmal das Kommunikationszentrum von Reach erhoben hatte, sprachen Bände.

„Stelle das Team auf“, befahl Fred Kelly. „Beta-Formation. Wir werden zu Fuß zu den Generatoren vorstoßen. Wir nehmen die Toten und Verwundeten mit. Wer eine Waffe hat, sondiert damit die Umgebung. Vielleicht wendet sich das Blatt ja doch noch.“

Kelly bellte in ihr Funkgerät: „Bewegung, Spartaner! In Beta-Formation zum NAV-Punkt!“

Fred aktivierte das Diagnoseprogramm seines Anzugs. Ein Ventil des hydrostatischen Subsystems war gebrochen und der Druck nur noch minimal. Er konnte sich bewegen, aber um wieder zu rennen oder Plasma-Schüssen auszuweichen, musste er das Ventil ersetzen.

Er folgte Kelly und hielt die Spartaner auf dem Freund/Feind-Monitor seiner taktischen Anzeige im Auge. Richtig sehen konnte er sie nicht, denn sie hatten sich verteilt und nutzten die Deckung der Bäume, um Überraschungsattacken der Allianz zu entgehen. Alle bewegten sich lautlos durch den Wald. Mal blitzte Licht oder ein Stück grüner Panzerung auf, dann waren sie wieder verschwunden.

„Rot-Eins, hier ist Rot-Zwölf. Einzelner Feindkontakt … neutralisiert.“

„Hier auch“, meldete Rot-Fünfzehn. „Neutralisiert.“

Es musste noch weitere geben. Fred wusste, dass die Allianz nie in so extrem geringer Zahl auftrat.

Wenn aber die Allianz die Möglichkeit besaß, hier unten Truppen in beachtlicher Stärke abzusetzen, konnte das nur bedeuten, dass der Versuch, sie im All aufzuhalten, fehlgeschlagen war. Es war wohl nur noch eine Frage der Zeit, bis die Mission eine richtig lausige Wendung nahm.

Er konzentrierte sich so sehr auf die Meldungen seiner Kameraden, dass er beinahe in zwei Jackals hineingelaufen wäre. Instinktiv verschmolz er mit dem Schatten eines Baumes und erstarrte.

Die Jackals hatten ihn nicht bemerkt. Die vogelartigen Außerirdischen streckten jedoch witternd die Nasen in die Luft und bewegten sich vorsichtiger, während sie sich Freds Versteck näherten. Sie hoben ihre Plasma-Pistolen und aktivierten die Energieschilde. Die kleinen, länglich geformten Schutzschilde flackerten leise summend.

Fred aktivierte die Funkverbindung zu Rot-Zwei zweimal kurz hintereinander. Ihr blaues Bestätigungslicht blinkte als Reaktion auf seine Bitte um Verstärkung.

Die Jackals drehten sich plötzlich nach rechts und schnüffelten aufgeregt.

Von links flog ein faustgroßer Stein auf die Außerirdischen zu. Er traf den ersten Jackal mit einem hässlichen Geräusch am Kopf. Die Kreatur quietschte laut und brach in einer Pfütze aus purpurschwarzem Blut zusammen.

Fred stieß sich ab und erreichte den zweiten Jackal mit drei raschen Schritten. Er wich dem Energieschild aus und griff nach dem Handgelenk der Kreatur. Der Jackal winselte überrascht und ängstlich.

Fred zerrte heftig am Waffenarm des Außerirdischen und drehte ihn. Der Jackal versuchte vergeblich zu verhindern, dass sich seine eigene Waffe auf die raue, gefleckte Haut seines Halses richtete.

Fred drückte fester und spürte, wie die Knochen des Außerirdischen brachen. Die Plasma-Pistole wurde mit einem hellen, grünlichen Blitz abgefeuert. Der Jackal fiel auf den Rücken. Sein Kopf war verschwunden.

Fred war dabei, die Waffen aufzusammeln, als Kelly zwischen den Bäumen hervortrat. Er warf ihr eine Plasma-Pistole zu. Sie fischte sie aus der Luft.

„Danke. Ich hätte lieber mein eigenes Gewehr und nicht diesen außerirdischen Müll“, beschwerte sie sich.

Fred nickte und steckte die andere erbeutete Waffe in seinen Anzug. „Immer noch besser, als Steine werfen“, antwortete er.

„Korrekt, Chief“, sagte sie und nickte. „Aber nur ein kleines bisschen.“

„Rot-Eins“, sagte Joshua über Funk. „Ich bin einen halben Kilometer vor dir. Das musst du dir ansehen.“

„Verstanden“, antwortete Fred. „Rotes Team, bleibt hier und wartet auf mein Signal.“

Bestätigungslichter blinkten.

Geduckt arbeitete sich Fred zu Joshua vor. Vor ihnen hellte es auf. Die Schatten wurden dünner und verschwanden, weil es keinen Wald mehr gab. Die Bäume waren vernichtet worden, oft bis auf ihre verkohlten Stümpfe niedergebrannt.

Es gab auch Leichen. Tausende Allianz-Grunts sowie Hunderte Jackals und Elite-Kämpfer bedeckten die offene Lichtung. Dazwischen lagen tote Menschen. Fred sah mehrere gefallene Marines, deren Wunden, von Plasma-Waffen hervorgerufen, immer noch rauchten. Es gab umgeworfene Scorpion-Panzer, Warthogs mit brennenden Reifen und einen Banshee. Der Flieger hatte sich in einer Schlinge aus Stacheldraht verfangen und zog jetzt führerlos seine endlosen Kreise.

Der Generatorkomplex auf der anderen Seite des Schlachtfelds war jedoch noch intakt. Das niedrige Gebäude war von Betonbunkern umgeben, aus denen Maschinengewehrläufe ragten. Die Generatoren befanden sich tief darunter. Es sah aus, als wäre es der Allianz noch nicht gelungen, sie zu zerstören, obwohl sie es offensichtlich versucht hatte.

„Vor uns sind Kontakte“, flüsterte Joshua.

Vier Markierungen tauchten auf seinem Bewegungsmelder auf. Die Freund/Feind-Kennungen identifizierten sie als UNSC-Marines der Charlie-Kompanie. Seriennummern leuchteten neben den Männern auf, während die Helmanzeige sie in eine topographische Karte der Umgebung setzte.

Joshua reichte Fred sein Scharfschützengewehr und der betrachtete die Kontakte durch die Zielerfassung. Es waren tatsächlich Marines. Sie durchsuchten die am Boden liegenden Leichen, fahndeten nach Überlebenden und nahmen Waffen und Munition an sich.

Fred zögerte. Die Einheit der Marines bewegte sich irgendwie falsch . Die Linie, die sie bildete, war unsauber und viel zu offen. Sie nutzte die natürlichen Deckungsmöglichkeiten nicht aus. Freds erfahrenem Blick fiel auf, dass die Marines sich in keine bestimmte Richtung zu bewegen schienen. Einer von ihnen marschierte nur im Kreis.

Fred sendete gezielt ein Funksignal auf der allgemeinen UNSC-Frequenz. „Marine-Patrouille, hier spricht Spartaner-Team Rot. Wir nähern uns Ihrer Position von sechs Uhr kommend. Bestätigen Sie.“

Die Marines drehten sich um, blickten in Freds Richtung und hoben ihre Sturmgewehre. Die Verbindung rauschte, dann sagte eine raue Stimme. „Spartaner? Wenn ihr das wirklich seid, könnten wir eure Hilfe gut gebrauchen.“

„Tut uns Leid, dass wir die Schlacht verpasst haben …“

„Verpasst?“ Der Marine lachte kurz und bitter. „Verdammt, Chief, das war doch nur die erste Runde.“

Fred gab Joshua das Scharfschützengewehr zurück, zeigte auf seine Augen und dann auf die Marines auf der Lichtung. Joshua nickte, legte das Gewehr an die Schulter und beobachtete sie durch die Zielerfassung. Sein Finger schwebte in der Nähe des Abzugs, berührte ihn jedoch nicht. Ein wenig Vorsicht konnte nicht schaden.

Fred stand auf und ging auf die Marines zu. Sein Weg führte zwischen toten Grunts hindurch und vorbei an den verbogenen und qualmenden Überresten eines Warthogs.

Die Männer sahen aus, als wären sie der Hölle nur knapp entronnen. Alle hatten Verbrennungen, Abschürfungen und den leblosen Blick von halb unter Schock stehenden Menschen. Sie starrten Fred mit offenem Mündern an. Es war eine Reaktion, die er von Soldaten kannte, die noch nie vorher einen Spartaner gesehen hatten. Zwei Meter groß, eine halbe Tonne Panzerung, die mit außerirdischem Blut voll gespritzt war – darauf mit einer Mischung aus Ehrfurcht und Misstrauen zu reagieren, war völlig normal.

Trotzdem hasste er es. Er wollte diesen Krieg doch nur gewinnen, genau wie die anderen Soldaten des UNSC.

Der Corporal schien aus seinem Halbschlaf zu erwachen. Er nahm seinen Helm ab, kratzte sich das kurz geschorene rote Haar und blickte hinter sich. „Chief, Sie sollten besser zur Basis zurückkehren, bevor sie uns erneut angreifen.“

Fred nickte. „Wie viele Soldaten sind in Ihrer Kompanie, Corporal?“

Der Mann sah seine drei Kameraden an und schüttelte den Kopf. „Wie meinen Sie das, Chief?“

Die Männer standen noch unter Schock, deshalb schluckte Fred seine wachsende Ungeduld herunter und erwiderte so freundlich wie möglich: „Ihre Seriennummern besagen, dass Sie der Charlie-Kompanie angehören, Corporal. Wie viele sind Sie? Wie viele sind verwundet?“

„Es gibt keine Verwundeten, Chief“, antwortete der Corporal. „Und es gibt keine Kompanie mehr. Nur wir sind übrig.“

KAPITEL 3

0649 Stunden, 30. August 2552  (militärischer Kalender)  Epsilon-Eridani-System, Einrichtung A-331 der orbitalen Verteidigungsbatterie, Planet Reach

Fred überblickte das Schlachtfeld von der Spitze des südlichen Bunkers aus, seinem neuem Hauptquartier. Das Gebäude war hastig errichtet worden und einige Stellen des Schnellbetons waren noch nicht ganz durchgehärtet.

Der Bunker war zwar nicht die beste Verteidigungsposition, aber er ermöglichte es, den Bereich zu überschauen, in dem seine Leute arbeiteten. Sie mussten die Verteidigungslinien des Generatorkomplexes verstärken. Spartaner rollten Stacheldraht ab, vergruben Antilon-Minen und durchkämmten die Umgebung nach feindlichen Patrouillen. Eine sechsköpfige Truppe suchte auf dem Schlachtfeld nach Waffen und Munition.

Fred überzeugte sich davon, dass die Lage so stabil wie unter den gegebenen Umständen nur möglich war, setzte sich hin und entfernte Teile seiner Rüstung. Unter normalen Umständen halfen ihm dabei Techniker, aber mit der Zeit hatten alle Spartaner gelernt, wie man unter Feldbedingungen leichte Reparaturen selbst durchführte. Er fand eine gebrochene Druckversiegelung und ersetzte sie durch eine intakte, die er der Rüstung von SPARTANER-059 entnommen hatte.

Fred kniff die Lippen zusammen. Es gefiel ihm nicht, dass er Malcolms Anzug nach Verwertbarem durchsucht musste. Doch es hätte seinen gefallenen Kameraden nicht wieder lebendig gemacht, hätte er auf die Ersatzteile verzichtet. Und Malcolm hätte es nicht anders gewollt, dessen war er sich sicher.

Er verdrängte die Gedanken an den Absturz und schloss die Versiegelung. Er konnte sich keine Selbstvorwürfe leisten.

Die überlebenden Marines der Charlie-Kompanie hatten den Angriff der Allianz mit Maschinengewehren, Warthogs und zwei Scorpion-Panzern fast eine Stunde lang abgewehrt. Die Grunts waren über das Minenfeld gestürmt, um den Jackals und Elite-Kämpfern den Weg zu ebnen.

Lieutenant Buckman, der Kommandant der Marines, hatte den Befehl erhalten, einen Großteil seiner Männer in den Wald zu schicken, um den Feind an dessen Flanke anzugreifen. Er hatte außerdem um Luftunterstützung gebeten.

Und bekommen.

Das Oberkommando auf Reach musste erkannt haben, dass die Generatoren auf dem Spiel standen. Jemand war in Panik geraten und hatte Bombern befohlen, den Wald in einem Umkreis von fünfhundert Metern zu bombardieren. Die Bomben vernichteten die Angriffswelle der Allianz. Aber sie brachten auch den Lieutenant und seine Männer um.

Welch eine Verschwendung.

Fred komplettierte seine Rüstung wieder und aktivierte sie. Die Statuslichter blinkten blau. Zufrieden stand er auf und stellte eine Funkverbindung her.

„Rot-Zwölf, Lagebericht!“

Wills Stimme knarrte über Funk. „Verteidigungslinie errichtet. Kein Feindkontakt.“

„Gut“, sagte Fred. „Missionsstatus?“

„Zehn Maschinengewehre repariert, die den Generatorkomplex jetzt komplett abdecken“, sagte Will. „Drei Banshee-Flieger sind einsatzfähig. Wir haben außerdem dreißig tragbare Schildgeneratoren der Jackals erbeutet, ein paar hundert Sturmgewehre, Plasma-Pistolen und Granaten.“

„Wir brauchen Munition.“

„Bestätigt, Sir“, sagte Will. „Wir haben genug für eine Stunde Dauerfeuer.“ Er machte eine kurze Pause, dann fügte er hinzu: „Das Hauptquartier muss Verstärkung geschickt haben, denn wir haben eine Kiste mit der Aufschrift WAFFENKAMMER OMEGA OBERKOMMANDO gefunden.“

„Was ist drin?“

„Sechs Anaconda-Flugabwehr-Raketen.“ Wills Stimme spiegelte seine Freude wider. „Und zwei Fury-Nuklearwaffen.“

Fred pfiff leise. Die taktische Fury-Nuklearwaffe der UNSC reichte in ihrer Wirkung beinahe an einen Nukleartorpedo heran. Sie hatte die Größe eines Fußballs und war fast ebenso geformt. Ihre Explosionskraft lag bei einer Megatonne, und sie war äußerst sauber. Leider war sie in dieser Situation auch völlig nutzlos.

„Sichern Sie die Furys. Wir können sie nicht verwenden. Der EMP würde die Generatoren zerstören.“

„Verstanden“, sagte Will und seufzte enttäuscht.

„Rot-Drei?“, sagte Fred. „Lagebericht!“

„Sieht nicht gut aus“, flüsterte Joshua nach kurzem Zögern. „Ich stehe auf einem Hügel zwischen unserem Tal und dem nächsten. Die Allianz hat eine große Landezone aufgebaut. Ich sehe ein feindliches Schiff und feindliche Bodentruppen in Bataillonstärke. Grunts, Jackals. Ausrüstung wird entladen. Sieht aus, als machten sie sich für die zweite Runde bereit, Sir.“

Fred fühlte, wie es in seinem Magen kalt wurde. „Gib mir eine visuelle Verbindung.“

„Verstanden.“

Ein winziges Bild erschien in Freds Visier, und er sah, was Joshua durch die Zielerfassung seines Scharfschützengewehrs beobachtete: einen Allianz-Kreuzer, der dreißig Meter über dem Boden schwebte. Das Schiff steckte voller Energiewaffen und Plasma-Artillerie. Seine Spartaner würden geröstet werden, bevor sie mit ihren Waffen in Reichweite kamen.

Ein Gravitationslift verband das Schiff mit der Oberfläche von Reach. Truppen strömten heraus – es waren Tausende. Mehrere Legionen Grunts, drei volle Schwadronen Elite-Kämpfer, die Banshees steuerten, plus mindestens einem Dutzend Wraith-Panzer.

Das ergab jedoch nicht viel Sinn. Wieso flog der Kreuzer nicht näher heran und eröffnete das Feuer? Befürchtete die Allianz einen weiteren Luftangriff? Die Allianz zögerte nie mit einer Attacke … da er aber immer noch am Leben war, musste der Feind seine Taktik geändert haben.

Fred wusste nicht, weshalb die Allianz so zögerlich agierte, aber die Waffenpause war ihm willkommen. Sie gab ihm Zeit, über Gegenmaßnahmen nachzudenken. Wären die Spartaner mobil gewesen, hätten sie einen Feind dieser Größe vielleicht mit Guerilla-Taktiken besiegen können. Da sie jedoch eine fixe Position zu verteidigen hatten, mussten sie eine andere Möglichkeit finden.

„Informiere mich alle zehn Minuten“, befahl er Joshua. Seine Stimme war plötzlich heiser und trocken.

„Verstanden.“

„Rot-Zwei? Gibt es Fortschritte in Sachen Satellitenverbindung?“

„Negativ, Sir“, antwortete Kelly. Die Spannung war ihrer Stimme deutlich anzumerken. Sie hatte die Aufgabe erhalten, die kugeldurchsiebte Kommunikationsanlage der Charlie-Kompanie abzuhören. „Ich erhalte auf allen Frequenzen Kampfmeldungen, und nach dem, was ich verstehen kann, scheint es da oben nicht gut auszusehen. Sie brauchen diesen Generator, egal, was es uns kostet.“

„Verstanden“, sagte Fred. „Informiere mich …“

„Warte. Da kommt gerade ein Funkspruch vom Reach-Oberkommando an die Charlie-Kompanie.“

Oberkommando? Fred hatte geglaubt, das Hauptquartier auf Reach sei überrannt worden. „Identifizierungscodes?“

„Stimmig“, antwortete Kelly.

„Stell zu mir durch.“

„Charlie-Kompanie? Jake? Was zur Hölle ist bei euch los? Warum habt ihr meine Männer noch nicht raus geholt?“

„Hier spricht Senior Petty Officer SPARTANER-104, Leiter Rotes Team“, antwortete Fred. „Ich befehlige aktuell die Charlie-Kompanie. Identifizieren Sie sich.“

„ Geben Sie mir Lieutenant Chapman, Spartaner! “, blaffte die Stimme verärgert.

„Das ist nicht möglich, Sir“, sagte Fred, der instinktiv begriff, dass er mit einem Offizier sprach. „Die Charlie-Kompanie existiert, abgesehen von vier verwundeten Marines, nicht mehr.“

Es entstand eine lange, verrauschte Pause. „Spartaner, hören Sie mir ganz genau zu: Hier spricht Vizeadmiral Danforth Whitcomb, stellvertretender Leiter der Navy-Operationen. Wissen Sie, wer ich bin, Junge?“

„Jawohl, Sir“, sagte Fred und verzog das Gesicht, als der Admiral sich identifizierte. Sollte die Allianz diese Verbindung abhören, hatte der ranghohe Offizier sich gerade zu einer erstklassigen Zielscheibe gemacht.

„Mein Stab und ich stecken in einem Tal südöstlich des ehemaligen Hauptquartiers fest“, fuhr Whitcomb fort. „Nehmen Sie Ihr Team und holen Sie uns sofort hier raus!“

„Negativ, Sir, das kann ich nicht tun. Ich habe den direkten Befehl, den Generatorkomplex zu schützen, der die Orbitalwaffen mit Energie versorgt.“

„Ich widerrufe diesen Befehl“ , schnarrte der Admiral. „ Seit zwei Stunden habe ich das taktische Kommando über die Verteidigung von Reach. Es interessiert mich nicht, ob Sie ein Spartaner sind oder Jesus Christus, der über den verdammten Big Horn River wandelt – ich gebe Ihnen hiermit einen direkten Befehl. Bestätigen Sie, Spartaner.“

Wenn Admiral Whitcomb das Kommando übernommen hatte, mussten viele hohe Offiziere ihr Leben bei dem Angriff auf das HQ verloren haben.

Fred bemerkte ein kleines gelbes Licht, das in seinem Visier leuchtete. Sein Biomonitor registrierte eine Erhöhung seines Blutdrucks und Herzschlags. Seine Hände zitterten beinahe unmerklich.

Er brachte das Zittern unter Kontrolle und aktivierte die Funkverbindung. „Verstanden, Sir. Verfügen Sie über Luftunterstützung?“

„Negativ. Allianz-Flieger haben unsere Schiffe und Flieger bei der ersten Angriffswelle vernichtet.“

„Alles klar, Sir. Wir holen Sie raus.“

„ Aber ein bisschen plötzlich, Chief!“ Die Verbindung wurde beendet.

Fred fragte sich, ob Admiral Whitcomb die Schuld am Tod der Marines trug, die versucht hatten, den Generator zu schützen. Er war sicherlich ein hervorragender Schiffskommandant, aber als Flottenoffizier Bodentruppen zu kommandieren, war eine ganz andere Herausforderung. Es wunderte Fred plötzlich nicht mehr, dass die Lage so verfahren war.

Hatte Whitcomb einen jungen und unerfahrenen Lieutenant dazu gezwungen, einen überlegenen Feind von der Flanke anzugreifen? Hatte Whitcomb der Luftunterstützung befohlen, das gesamte Gebiet zu zerbomben?

Fred misstraute der Einschätzung des Admirals, aber er konnte einen direkten Befehl nicht ignorieren.

Er ließ die Namen seines Teams durch seine Visieranzeige laufen. Er hatte 26 Spartaner, von denen sechs so schwer verwundet waren, dass sie kaum laufen konnten, und vier Marines, die schon einmal durch die Hölle gegangen waren. Gemeinsam mussten sie sich gewaltigen Allianz-Streitkräften stellen. Und sie mussten Admiral Whitcomb herauspauken. Wie stets war ihr eigenes Überleben dabei von untergeordneter Bedeutung.

Er besaß Waffen, um das Gebäude zu verteidigen – Granaten, Maschinengewehre und Raketen.

Fred stutzte. Vielleicht sollte er die taktische Situation nicht auf diese Weise betrachten. Er dachte über den Schutz eines Gebäudes nach und nicht darüber, was die Spartaner am besten konnten: angreifen …

Er aktivierte die Funkverbindung. „Hat jeder die letzte Übertragung mitgehört?“

Bestätigungslichter blinkten.

„Gut. Dies ist der Plan: Wir teilen uns in vier Teams auf. Team Delta …“ Er markierte die vier verwundeten Spartaner und die vier Marines auf der Anzeige. „… fällt auf diese Position zurück.“ Er lud eine taktische Karte des Gebiets in sein Display und platzierte eine Navigationsmarkierung auf einem sechzehn Kilometer nördlich gelegenen Berg. „Nehmt zwei Warthogs, aber haltet sie nur für den Fall, dass ihr auf Widerstand stoßt, in der Hinterhand. Eure Mission ist die Sicherung des Geländes. Dort soll der Rückzug unserer Einheit stattfinden. Haltet uns also die Hintertür offen.“

Sie bestätigten sofort. Die Spartaner kannten den Berg wie ihre Westentasche. Man fand ihn auf keiner Karte, aber dort hatten sie monatelang mit Dr. Halsey trainiert. Unter dem Berg gab es Höhlen, die der Navy-Geheimdienst in eine streng geheime Anlage verwandelt hatte. Sie war besonders verstärkt und strahlungssicher gemacht worden, konnte vielem trotzen, wahrscheinlich sogar einem direkten Nuklearschlag. Sollte alles schief gehen, war das ein ideales Versteck.

„Team Gamma …“ Fred wählte Rot-Einundzwanzig, Rot-Zweiundzwanzig und Rot-Dreiundzwanzig aus. „Ihr holt den Admiral und seinen Stab raus und bringt ihn zu den Generatoren. Wir werden die Verstärkung gebrauchen können.“

„Verstanden“, antwortete Rot-Zwanzig.

Theoretisch befolgte Fred Whitcombs Befehl, ihn aus seiner gegenwärtigen Lage zu befreien. Der Admiral ahnte aber wahrscheinlich nicht, dass er sicherer gewesen wäre, wenn er dort geblieben wäre.

„Team Beta …“ Fred wählte alle von Rot-Zwanzig bis Rot-Vier aus. „Ihr verteidigt den Generator.“

„Verstanden, Chief.“

„Team Alpha …“ Er wählte Kelly, Joshua und sich selbst aus.

„Wir erwarten deinen Befehl.“

„Okay, dann hört zu: Wir marschieren in dieses Tal und bringen alles um, was kein Mensch ist!“

Fred und Kelly traten vor die drei Banshee-Flieger, die sie vor das Gebäude gezogen hatten. Fred warf einen Blick ins Cockpit der Maschine, bei der er stand und drückte den Aktivierungsknopf. Der Banshee stieg einen Meter hoch in die Luft, sein Antigravitationsfeld leuchtete bläulich, dann glitt er langsam nach vorne. Fred schaltete ihn ab, und der Banshee sank auf den Boden zurück. Er testete rasch die beiden anderen – sie erhoben sich ebenfalls vorübergehend vom Boden.

„Gut. Alle funktionieren.“

Kelly verschränkte die Arme vor der Brust. „Machen wir einen Ausflug?“

Ein Warthog fuhr heran und stoppte vor ihnen. Joshua saß am Steuer. Im Laderaum stapelten sich ein Dutzend Jackhammer-Raketen und drei Werfer. Auf dem Beifahrersitz stand eine Kiste voll mit dunkelgrünem Klebeband.

„Mission erledigt, Sir“, sagte Joshua, als er aus dem Warthog kletterte.

Fred nahm einen der Werfer, zwei Raketen und eine Rolle Klebeband. „Das brauchen wir, wenn wir auf der anderen Seite des Hügels auf die Allianz stoßen“, erklärte er. „Bringt je einen Werfer an den Banshees an und packt genug Munition dazu.“

Joshua und Kelly unterbrachen ihre Tätigkeit und drehten sich zu ihm um.

„Darf ich etwas sagen?“, fragte Kelly.

„Natürlich.“

„Ich schrecke bestimmt vor keinem Kampf zurück, Fred, aber hier stehen unsere Chancen verdammt schlecht … ungefähr zehntausend zu eins.“

„Mit hundert zu eins kommen wir klar“, pflichtete Joshua ihr bei, „das weißt du. Bei entsprechender Planung und Unterstützung kriegen wir auch fünfhundert zu eins hin – aber unter diesen Bedingungen einen Frontalangriff zu wagen …“

„Das wird kein Frontalangriff“, sagte Fred. Er legte den Werfer in das enge Banshee-Cockpit. „Klebeband.“

Kelly riss etwas von einer Rolle ab und reichte es ihm.

Fred glättete das Klebeband und befestigte den Werfer. „Wir werden so unauffällig wie möglich vorgehen“, sagte er.

Sie dachte einen Moment über Freds Plan nach und fragte: „Wenn wir sie tatsächlich dazu bringen sollten, uns hinter ihre Linien zu lassen … was dann?“

„Ich würde die Nuklearwaffen zwar gerne einsetzen“ sagte Joshua, „aber das geht in diesem Tal nicht. Der Hügel ist nicht hoch genug, um den EMP abzufangen. Er würde die orbitalen Verteidigungsgeneratoren zerstören.“

„Wir könnten sie auf andere Weise einsetzen“, erwiderte Fred. „Wir werden in den Kreuzer eindringen – durch den Gravitationslift – und die Bombe im Innern zünden. Die Schilde des Schiffs werden den elektromagnetischen Impuls dämpfen.“

„Und das Schiff in die größte Splittergranate aller Zeiten verwandeln“, gab Kelly zu bedenken.

„Und wenn irgendetwas schief geht“, unterstrich Joshua, „stehen wir mitten unter tausend richtig wütenden Kerlchen.“

„Wir sind doch Spartaner“, sagte Fred. „Was sollte da schon schief gehen?“

KAPITEL 4

0711 Stunden, 30. August 2552  (militärischer Kalender)  Epsilon-Eridani-System, Longhorn Valley, Planet Reach

Der Alarm heulte auf, und Zawaz erhob sich mit einem überraschten Bellen. Der breit gebaute Außerirdische – ein Grunt, der eine orangefarbene Armierung trug – fuchtelte mit seinem Bewegungsmelder herum und ließ ihn fallen. Er schluckte seine Furcht herunter und hob das Gerät mit zitternden Klauen auf. Wenn er den Bewegungsmelder beschädigt hatte, würden die Elite-Kämpfer seinen Körper als Strahlungsschild verwenden. Sollten seine Herren jedoch erfahren, dass er auf seinem Posten eingeschlafen war, würden sie noch weit Schlimmeres tun, als ihn nur zu töten. Sie würden ihn vielleicht den Jackal überlassen.

Zawaz schluckte hart.

Zum Glück funktionierte der Bewegungsmelder noch, und der kleine Außerirdische seufzte erleichtert. Drei Kontakte näherten sich rasch dem Berg, der Zawaz’ Streitkräfte von denen der Menschen trennte. Er wollte die Warnsirene aktivieren, entspannte sich jedoch, als der Scanner die Kontakte identifizierte. Es waren Banshees.

Er blickte über den Rand der Grube, in die er sich eingegraben hatte, und sah drei Flieger, die sich näherten. Zawaz keuchte. Es war seltsam, dass dieser Flug nicht auf seiner Patrouillenliste stand. Er überlegte, seine Vorgesetzten zu informieren, entschied sich dann jedoch dagegen. Vielleicht waren es ja Elite-Kämpfer mit einem Geheimauftrag.

Nein, solche Vorkommnisse sollte man nicht hinterfragen. Nur nicht auffallen. Einen Tag länger leben. Das war sein Motto.

Er rutschte wieder zurück in sein Loch, stellte den Bewegungsmelder auf größte Reichweite ein und betete, dass er nicht noch einmal aufheulen würde. Er rollte sich eng zusammen und fiel sofort in einen tiefen Schlaf.

Fred führte die Dreiecksformation an. Die purpurroten Banshees stiegen auf und flogen über die Wipfel des bewaldeten Hügels, gewannen immer mehr Höhe, bis die Maschinen ihre Maximalhöhe von rund dreihundert Metern erreicht hatten. Als Fred die Hügelspitze überflog, raubte ihm der Anblick für einen Moment den Atem.

Das Tal war zehn Kilometer breit. Der Abhang stand voller Fichten, doch zum Big Horn River hin wichen die Bäume zertrampelten Feldern. In diesen Feldern lagerten zigtausend Allianz-Soldaten. Das ganze Tal war eine einzige Masse aus roten, gelben und blauen Kampfanzügen. Sie blitzten im dünnen, rauchverhangenen Sonnenlicht, bewegten sich in dichten Reihen und marschierten am Ufer des Flusses entlang. Es waren so viele, dass man meinen konnte, jemand habe in den größten Ameisenhügel aller Zeiten getreten.

Und sie bauten. Hunderte von weißen Zelten wurden errichtet, dienten wohl als Biosphären für die Methan atmenden Grunts. Weiter hinten befanden sich die seltsam vieleckigen Hütten der Elite-Krieger, die von Dutzenden käferartigen Wraith-Panzern gesichert wurden. Wachtürme ragten aus dem Tal heraus. Sie erhoben sich aus mobilen Basisstationen, waren zehn Meter hoch und verfügten über Plasma-Geschütze.

Die Regeln hatten sich tatsächlich geändert. In mehr als hundert Schlachten hatte Fred ein so gewaltiges Lager der Allianz noch nicht gesehen. Normalerweise kamen sie nur, um zu töten.

Abseits des Gewusels, am Rand des Tales, schwebte der Allianz-Kreuzer dreißig Meter über dem Boden. Er sah aus wie ein aufgeblähter Fisch, der von Stummelflossen stabilisiert wurde. Der Gravitationslift war in Betrieb, zeigte sich als Balken aus leuchtender Energie, der bis zum Boden reichte. Reihen purpurfarbener Kisten schwebten langsam aus dem Schiff nach unten. In der Nachmittagssonne waren die Bordgeschütze zu erkennen, die spinnenartige Schatten über die Schiffswände warfen.

Drei Banshees stiegen auf, und Fred schloss zu seiner Formation mit Kelly und Joshua auf.

Er warf einen erneuten Blick auf das feindliche Schiff und die Geschütze. Ein sauberer Treffer aus einer dieser Kanonen konnte sie auslöschen.

Fred bemerkte, dass weitere Banshees über dem Tal patrouillierten. Er zögerte. Wenn sie diese passierten, würden die feindlichen Piloten bestimmt wissen wollen, was sie hier taten … und sie hatten keine Ahnung, welche gängigen Patrouillenrouten es gab. Das bedeutete, dass er einen anderen Weg finden musste, einen, der schnurstracks und direkt über die Allianzhorden hinweg führen würde.

Sie benötigten nur eine einzige Chance. Sie hatten nur eine einzige Chance.

Er öffnete eine Funkfrequenz. „Es geht los.“

Kelly beschleunigte und glitt auf den Kreuzer zu. Fred schloss zu ihr auf. Er aktivierte die Waffen des Banshees.

Sie waren noch sechs Kilometer vom Kreuzer entfernt, als Kelly mit ihrem Flieger Maximalgeschwindigkeit erreichte. Grunts und Jackals bogen unter ihnen die Köpfe in den Nacken und blickten zu den Spartanern empor, die über ihn hinwegschossen.

Fred spürte, wie er von allen Augen der Allianzstreitkraft beobachtet wurde.

Er tauchte nach unten, tauschte Höhe gegen Beschleunigung. Joshua und Kelly folgten seinem Beispiel.

Kommunikationssymbole blitzten auf der Frontscheibe des Banshees auf. Die UNSC-Software in ihren Rüstungen funktionierte nur bei einigen gesprochenen Allianz-Sprachen – nicht bei ihrer Schrift. Seltsam geschwungene Symbole erschienen in den Anzeigen des Banshees.

Fred schlug auf eines der Antwortsymbole.

Es entstand eine Pause, die Frontscheibe blieb leer. Dann tauchten Dutzende neuer Symbole auf, zuckten doppelt so schnell über das Display.

Fred schaltete es ab.

Noch drei Kilometer, und sein Herz schlug so schnell, dass er es in seinen Ohren hörte.

Kelly war etwas voraus. Sie flog dreißig Meter über dem Boden, beschleunigte so gut es ging und hielt direkt auf den Gravitationslift des Kreuzers zu.

Ein Wachturm in der Nähe richtete die Waffen auf sie. Seine Plasma-Kanone leuchtete und feuerte.

Kelly stieg auf und rollte zur Seite, um dem Energiestrahl auszuweichen. Das ultrahoch erhitzte, ionisierte Gas strich über ihr Steuerbordtriebwerk hinweg, schmolz die Frontturbine und bremste den Banshee ab.

Ein Dutzend Plasma-Geschütztürme richtete sich auf die Flieger.

Fred schlug einen Haken und eröffnete das Feuer. Energiestöße aus der Primärwaffe des Banshees rasten auf den Wachturm zu. Joshua folgte seinem Beispiel und schoss ebenfalls auf die Türme.

Fred schlug auf den Feuerkopf der schweren Waffen. Eine Energiekugel krachte in das Fundament des Turms. Er neigte sich zur Seite und fiel in sich zusammen.

Kelly hatte noch nicht geschossen. Fred schaute zu ihr und entdeckte, dass sie geduckt auf dem Dach ihres dahinrasenden Banshees stand. Ein Fuß klemmte unter dem Klebeband, mit dem sie zuvor die Nuklearwaffe fixiert hatte. In einer Hand hielt sie die Bombe und holte jetzt aus, um sie zu schleudern.

Ein Stück scharfkantiger Kristall, ein Projektil aus einem Allianz-Nadler, kollidierte mit Freds Backbordschild. Er sah nach unten.

Grunts und Jackals liefen aufgeregt durcheinander. Etliche schlecht gezielte Schüsse rasten an ihm vorbei. Glitzernde Kristallwolken und Plasma-Pfeile durchsiebten die Luft und nagten am Antrieb des Banshees.

Fred flog einen waghalsigen Zickzackkurs und wich Plasmastößen von drei verschiedenen Türmen aus. Er setzte zu einem weiteren Überflug an. Die leichten Waffen des Banshees trieben die Grunts auseinander.

Noch hundert Meter.

Kelly lehnte sich zurück, spannte ihren Körper an und holte mit der Nuklearwaffe aus, als wäre es ein Football.

Der Allianz-Kreuzer erwachte zum Leben. Seine Waffen richteten sich gegen die Banshees. Ein Dutzend Plasmafinger durchschnitt die Luft. Weißblaue Feuerbögen griffen nach ihnen.

Ein Energiestrahl traf Joshuas Flieger. Die improvisierten Schilde des Banshees waren überlastet und brachen zusammen. Die Außenhülle des Fliegers schmolz und verformte sich. Das außerirdische Schiff geriet ins Trudeln, als sich seine Flügel krümmten. Joshua fiel zurück, während Fred und Kelly den Gravitationslift des Schiffs ereichten.

Fred öffnete eine Funkverbindung zu Joshua, hörte jedoch nur Rauschen. Die Zeit schien innerhalb des leuchtenden Balkens, der Waren und Truppen bewegte, langsamer zu laufen. Ein seltsames Licht umgab sie und kitzelte die Haut.

Drei Banshees stiegen zu einer Öffnung an der Unterseite des Schiffes auf. Sie flogen jedoch nicht in es hinein. Dafür waren sie zu schnell. Sie würden den Strahl erreichen, wenn sie drei Viertel des Weges nach oben zurückgelegt hatten.

Fred fuhr herum. Joshua war nicht zu sehen. Plasmastrahlen trafen den Lift und wurden abgelenkt, als sei er ein gewaltiger Spiegel.

Kelly warf die Nuklearwaffe in den Frachtraum des Kreuzers. Fred riss an der Steuerung des Banshees und lenkte ihn unter den Rand des Schiffes. Kelly war unmittelbar hinter ihm. Das Licht verschwand, und sie tauchten an der hinteren Seite des Allianz-Raumers auf. Hinter ihnen, durch den Gravitationslift verzerrt, sah Fred Allianz-Truppen, die mit ihren Waffen in die Luft schossen. Zehntausend Stimmen schrien zornbebend und voller Blutgier.

Fred funkte Joshua an, doch dessen Bestätigungslicht blieb dunkel.

Er wollte umdrehen, um nach ihm zu suchen, aber Kelly tauchte hinab, beschleunigte und flog in den Wald, der die Hänge bedeckte. Fred folgte ihr. Sie waren nur wenige Meter über dem Boden, wichen Bäumen aus und durchbrachen Sträucher. Einzelne Schüsse rasten über ihre Köpfe hinweg. Sie flogen mit Höchstgeschwindigkeit und blickten nicht zurück.

Sie ließen die Bäume hinter sich und flogen über den schneebedeckten Berggipfel, überquerten ihn, drehten sich und bremsten ab. Langsam sanken die Banshees zu Boden, landeten.

Der Himmel wurde weiß, und Freds Visier verdunkelte sich bis zur Maximalfilterung. Donner rollte durch seinen Körper. Feuer und geschmolzenes Metall stiegen über der Bergspitze auf und regneten zurück ins Tal. Der Gipfel aus Granit zerplatzte, und der Schnee schmolz und lief in braunen Rinnsalen talwärts.

Freds Visier wurde langsam wieder heller.

Blut floss aus dem linken Schultergelenk von Kellys Anzugs. Sie tastete nach dem Verschluss ihres Helms und zog ihn sich vom Kopf. „Haben wir sie erwischt?“, keuchte sie. Blutiger Schaum bildete sich in ihren Mundwinkeln.

„Ich glaube schon“, sagte Fred.

Sie sah sich um. „Joshua?“

Fred schüttelte den Kopf. „Er wurde auf dem Hinflug getroffen.“

Noch vor wenigen Momenten war es ihm leicht gefallen, in den sicheren Tod zu starten. Aber es fiel ihm hundert Mal schwerer, diese Worte auszusprechen.

Kelly sackte zusammen und lehnte den Kopf gegen den Banshee.

„Bleib hier. Ich seh mich mal um.“ Fred aktivierte den Banshee und stieg parallel zum Gipfel auf. Er flog ein wenig geradeaus und erhaschte einen ersten Blick ins Tal.

Es war ein Flammenmeer. Zahlreiche Feuer wüteten auf dem aufgeplatzten glasigen Boden. Dort, wo der Big Horn River geflossen war, gab es jetzt nur noch eine dampfende schmale Schlucht. Es war keine Spur des Allianz-Kreuzers oder der Truppen zu sehen, die sich eben noch im Tal befunden hatten. Es gab nur noch ein Feld voller schwelender, verkrümmter Skelett- und Metallteile. Am Rande des Massakers ragten schwarz verkohlte Stämme in die Luft – die Überreste des Waldes. Sie standen alle schief, weg vom Zentrum der Explosion geneigt.

Zehntausend tote Allianzsoldaten … Sie wogen Joshuas Tod oder den eines anderen Spartaners nicht auf, aber es war immerhin etwas. Vielleicht hatten sie den Orbitalgeschützen damit genug Zeit verschafft, um eine Wende der Schlacht zugunsten der Flotte herbeizuführen. Vielleicht würden ihre Opfer Reach retten. Das wäre alles wert gewesen.

Er sah hinauf in den Himmel. Durch den Wasserdampf war kaum etwas zu erkennen, aber er registrierte Bewegung über sich. Dunkle Schatten glitten über die Wolken dahin.

Kellys Banshee tauchte neben seinem auf. Ihre Flügel berührten einander.

Die Schatten über ihnen wurden schärfer. Drei Allianz-Kreuzer durchstießen die Wolkendecke und steuerten auf den Generatorkomplex zu. Ihre Plasma-Artillerie flackerte energiegeladen.

Fred öffnete eine Funkverbindung. „Delta Team: Lasst euch zurückfallen! Lasst euch sofort zurückfallen!“

Er hörte Rauschen, dann Stimmen, die wild durcheinander sprachen. Einer seiner Spartaner – er wusste nicht, welcher – sprach über den Lärm hinweg.

„Reaktorkomplex Sieben nicht zu halten. Wir lassen uns zurückfallen. Können vielleicht Nummer Drei retten.“ Es gab eine Pause, während die Stimme jemandem Befehle erteilt: „Zündet die Sprengsätze – jetzt!“

Fred wechselte auf die Flottenfrequenz und sendete: „Vorsicht, Pillar of Autumn . Planetare Generatoren wurden vom Feind eingenommen. Orbitalwaffen in Gefahr. Wir konnten es nicht verhindern. Es waren zu viele. Wir müssen Nuklearwaffen einsetzen. Achtung, orbitale Geschütze werden vermutlich neutralisiert. Pillar of Autumn, können Sie mich verstehen? Erbitte Bestätigung.“

Mehrere Stimmen blockierten den Kanal. Fred glaubte unter ihnen auch Admiral Whitcomb zu hören, aber seine Befehle waren nicht zu verstehen. Dann hörte er nur noch Rauschen, bevor die Verbindung abbrach.

Die Kreuzer feuerten Plasmasalven, die den Himmel in Brand setzten. In einiger Entfernung donnerten Explosionen. Fred streckte sich und suchte nach Abwehrfeuer, nach irgendeinem Hinweis, dass sich seine Spartaner wehrten oder zurückzogen. Ihre einzige Chance lag in der Bewegung. Die Feuerkraft der Allianz würde sie auf einer festen Position mühelos vernichten.

„Fallt zurück“, zischte er. „ Jetzt , verdammt noch mal!“

Kelly tippte ihm auf die Schulter und zeigte nach oben.

Die Wolken rissen auf wie ein Vorhang, als ein hundert Meter breiter Feuerball über ihren Köpfen hinweg raste. Dutzende Allianz-Kreuzer hingen weit entfernt in der Luft.

„Plasmabombardierung“, flüsterte Fred.

Er hatte dergleichen schon erlebt. Wenn die Allianz eine Welt der Menschen eroberte, feuerten sie ihre Plasmabatterien so lange ab, bis die Ozeane kochten und nichts zurückblieb außer einer Kugel aus zersplittertem Glas.

„Das war’s dann“, murmelte Kelly. „Wir haben verloren. Reach wird fallen.“

Fred beobachtete, wie das Plasma am Horizont einschlug. Der Himmel wurde erst weiß, dann schwarz, als Millionen Tonnen Asche und Trümmer die Sonne verfinsterten.

„Vielleicht“, sagte Fred. Er beschleunigte seinen Banshee. „Viel-leicht auch nicht. Komm, wir sind noch nicht fertig.“

SEKTION I

THRESHOLD

KAPITEL 5

1637 Stunden, 22. September 2552  (militärischer Kalender)  an Bord des Longswords, unbekanntes System Halo-Trümmerfeld, drei Wochen später