Halt still! Zur Lustsklavin erzogen! Erotischer Herrenclubroman - Marie Rust - E-Book

Halt still! Zur Lustsklavin erzogen! Erotischer Herrenclubroman E-Book

Marie Rust

5,0

Beschreibung

Dieses E-Book entspricht 216 Taschenbuchseiten ... Auf der Suche nach Ersatzteilen für ihre defekte Spüle trifft Christine im Baumarkt auf Richard. Er bietet ihr an, ihre Spüle zu reparieren, wenn sie dafür bei ihm putzt. Christine ist einverstanden. Als ihr Auto repariert werden muss, bittet sie ihn erneut um Hilfe. Seine schockierende Antwort: Sex als Gegenleistung! Doch sie gibt nach und wird seine Geliebte. Als sie ihm den absoluten Gehorsam verweigert, beendet er die Beziehung. Daraufhin bittet sie seinen Freund, sie zur Sklavin auszubilden. Der hat eine Bedingung: Wenn Richard sie ablehnt, wird sie für ein Jahr seine Sklavin. Wird Christine dieses Risiko eingehen? Diese Ausgabe ist vollständig, unzensiert und enthält keine gekürzten erotischen Szenen.

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leicht und fesselend zu lesen.
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Impressum:

Halt still! Zur Lustsklavin erzogen! Erotischer Herrenclubroman

von Marie Rust

 

Marie Rust (Jahrgang 1974) hat sich seit ihrer Jugend – insbesondere bei Frauen – damit unbeliebt gemacht, dass sie den Genderwahn offen ablehnt: „Wären die Unterschiede zwischen Mann und Frau belanglos oder sogar unsinnig, hätte die Natur sich die Mühe gespart, zwei verschiedene Geschlechter zu erschaffen und es bei Hermaphroditen belassen. Aber anstatt das zu akzeptieren, zwingt die Emanzipationsbewegung Frauen, sich wie klein geratene Männer zu benehmen. Wer devote Frauen verachtet, weiß nicht, wovon er redet. Eine Sklavin hat eine unfassbare Macht über ihren Herrn, der ohne Zögern die Welt für sie aus den Angeln hebt, um diesen unbezahlbaren Schatz niemals zu verlieren!“Dem Beruf der Krankenschwester hat Marie Rust den Rücken gekehrt und sich für eine Weile dem horizontalen Gewerbe zugewandt. Heute lebt sie zusammen mit ihrem Ehemann und vielen Tieren in einem kleinen Dorf in der Eifel.

 

Lektorat: Ulrike Maria Berlik

 

 

Originalausgabe

© 2022 by blue panther books, Hamburg

 

All rights reserved

 

Cover: © tverdohlib @ 123RF.com

Umschlaggestaltung: MT Design

 

ISBN 9783750704879

www.blue-panther-books.de

Die Abmachung

Der Gestank war widerlich faulig. Christine öffnete das Küchenfenster und machte sich dann auf die Suche nach der Ursache. Der Mülleimer war es nicht, auch nicht der Gelbe Sack. Doch es kam aus dieser Richtung! Sie rückte die Abfallbehälter etwas vor und lugte ängstlich dahinter.

Bitte keine tote Maus, bitte keine tote Maus …, betete sie. Charlton, der streunende Kater, der ihr hie und da huldvoll erlaubte, ihn für ein paar Tage durchzufüttern, wenn einer der anderen Nachbarn seine Gunst mit inakzeptablem Futter vorübergehend verloren hatte, hatte ihr schon zwei Mal Ratten als Gastgeschenk verehrt. Und jetzt, bei dem schönen Wetter, ließ sie ihm immer das kleine Klofenster offen, damit er kommen und gehen konnte, wie er Lust hatte. Ob eines seiner Opfer sich zum Sterben hierher geschleppt hatte?

Aber es war keine tote Maus. Schließlich bemerkte sie eine kleine braune Pfütze vor der Spüle. Vorsichtig öffnete sie den Unterschrank und schloss ihn sofort wieder, weil sie augenblicklich Brechreiz bekam. Sie ging zum offenen Fenster, holte tief Luft und zog mit angehaltenem Atem die Tür erneut auf.

Auf dem Boden des Unterschranks stand eine stinkende Lache. Christine holte sich die Taschenlampe und schaute sich den Schlamassel näher an. Der Abfluss war total versifft. Irgendwo war eine undichte Stelle und das Abwasser tropfte stetig in den Schrank. Sie nahm die Gummihandschuhe und einen alten Putzlappen und begann sauber zu machen. Zuletzt wischte sie das Rohr ab und suchte das Leck. Sie fand es nicht, aber da die Schellen, mit denen die Uralt-Rohre zusammengeschraubt waren, völlig verrostet waren, war es unwahrscheinlich, dass da noch was zu reparieren war. Es half nichts, sie musste das Ding austauschen. Ein wirklich tolles Beschäftigungsprogramm für den Freitagabend!

Das war einer der Momente, in denen sie es bereute, geschieden zu sein. Andreas hatte zwar jedes Mal gemeckert und lamentiert, aber im Endeffekt hatte er immer alles repariert. Woher er grundsätzlich wusste, was zu tun war, war ihr schleierhaft. Schließlich war er Intensivpfleger, kein Handwerker, aber irgendwie hatte er alles hinbekommen. Jetzt wurde schon seit vier Jahren praktisch nichts mehr an dem Haus getan und es fiel ihr fast über dem Kopf zusammen.

Vermutlich war es der Frömmigkeit ihrer Großmutter zu verdanken, dass es überhaupt noch stand. Obwohl Christine nicht religiös war, hatte sie die Herrgottswinkel, die in jedem Raum waren, genau so belassen, wie Oma Gertrud sie eingerichtet hatte. Andreas hatte sie damit ständig aufgezogen, aber sie hatte diese Relikte verteidigt. Und offenbar freute sich der liebe Gott so sehr darüber, dass er die Hand über das windschiefe Häuschen hielt, obwohl der Zahn der Zeit unerbittlich am Mörtel und den Balken nagte und es physikalisch nicht zu erklären war, dass das Gemäuer überhaupt noch stand. Und jetzt saß sie hier und lebte ganz allein ihr Leben vor sich hin, genau wie ihre Großmutter. Und genau wie ihre Oma hatte sie mit vierzig ihren Mann verloren. Gertrud ihren an den Krebs, sie selbst Andreas an eine Anästhesie-Schwester – blond, jung, aufregend und vom gleichen Fach, während Christine nur die freundliche Frau am Empfang der Klinik war, die Hunderte Male am Tag dieselben Wege erklärte, Anrufer weiterverband und Sorgentante für alles und jeden darstellte. Sie hatte überlegt, nach der Trennung zu kündigen, weil es so schmerzhaft war, Andreas regelmäßig sehen zu müssen. Allerdings hatte der Job sehr günstige Konditionen, ihre Kollegen waren nett und Andreas war dazu übergegangen, den Seiteneingang zu benutzen, um ihr nicht über den Weg laufen zu müssen. Sie konnte an einer Hand abzählen, wie oft sie ihn seitdem gesehen oder gar gesprochen hatte. Und diese Male waren kühl und fachbezogen abgelaufen. Er wusste, dass es seine Schuld war, und bemühte sich, sie wenigstens nicht noch zusätzlich vor den Kopf zu stoßen. Und sie wiederum versuchte, ihm keine Vorwürfe zu machen, weder offen noch vor sich selbst. Gefühle änderten sich nun einmal, und dass sie nicht schwanger werden konnte, war für ihn ein sehr schwerer Schlag gewesen. Mit der Neuen hatte er bereits ein Baby und vermutlich würde noch ein weiteres folgen. Christine hatte sich zwar damit abgefunden, keine Kinder bekommen zu haben, das Alleinsein fiel ihr jedoch schwer. Ein Mann kam nicht mehr infrage. Die Enttäuschung über Andreas war einfach zu groß. Sie hatte ihr ganzes Herz in ihn investiert und er hatte es in den Dreck getreten. Diesen Schmerz wollte sie nie wieder erleben. Stattdessen kaufte sie das teuerste Katzenfutter, das zu kriegen war, damit wenigstens Charlton so oft wie möglich seine Zeit bei ihr verbrachte.

Christine seufzte, holte ihr Smartphone, machte ein Foto von dem Abfluss und fuhr zum Baumarkt. Und wie jedes Mal war auch heute weit und breit kein Verkäufer zu sehen, der ihr hätte helfen können. Ratlos stand sie vor der Abteilung mit den Siphons und verglich das Angebot mit ihrem Foto. Die Teile schienen genormt zu sein, aber ob ihre alte Spüle schon so was wie Industrienorm kannte, wagte sie zu bezweifeln. Sie nahm ein Universalset in die Hand. Da waren verschiedene Rohre, Biegungen und Adapter drin. Irgendwas davon würde schon passen. Außerdem war es aus Plastik und würde definitiv nicht rosten.

»Ich würde die Dinger nicht nehmen. Die kriegt man nie hundertprozentig dicht montiert«, stellte ein Mann neben ihr fest.

Christine sah zu ihm hinüber. Er war gut fünfzig, breit gebaut, sympathisches Gesicht, glattrasiert, Stoffhose, helles, kurzärmeliges Hemd. In seiner Hand hielt er einen Kanister mit Reinigungskonzentrat für Hochdruckreiniger.

Er blickte sie aufmerksam an und fragte lächelnd: »Ich nehme mal an, Ihr Mann hat Sie hergeschickt, um ein Siphon zu besorgen, weil er gerade selbst bis zu den Achseln im Schlamm steckt?«

»Äh, nein. Selbst ist die Frau. Ich brauche das hier«, gab Christine zurück und hielt ihm das Handy mit dem Foto hin. Es war zwar ein bisschen unverschämt, einen anderen Kunden zu bitten, die Beratung zu übernehmen, für die eigentlich die Verkäufer da waren, aber anscheinend hatte der Mann Ahnung davon und fragen kostete nichts.

Er warf einen Blick darauf und hob dann die Augenbrauen: »Bitte, das ist doch keine Arbeit für eine Frau! Haben Sie denn keinen Bruder oder Freund, der diese Sauerei für Sie erledigen kann?«

»Nein, hab’ ich nicht. Sagen Sie mir bitte einfach, was ich brauche, okay?«, bat Christine gereizt. Ihr soziales Umfeld ging den Typen wirklich nichts an!

Der Mann blickte noch einmal auf das Foto, dann suchte er Material zusammen und legte es in ihren Wagen. Zum Schluss zog er eine Visitenkarte aus der Hemdtasche und bot an: »Wenn Sie möchten, erledige ich das für Sie. Ich habe früher mal mein Geld damit verdient. Ist zwar schon eine Weile her, aber das verlernt man nicht und der Abfluss scheint ungefähr in meinem Alter zu sein. Wir kennen uns also.«

Christine machte eine abwehrende Handbewegung: »Das ist sehr nett von Ihnen, aber wenn ich mir einen Handwerker leisten könnte, wäre ich jetzt nicht hier.«

Der Mann überlegte kurz. Dann schlug er vor: »Wie wäre es mit einem Tauschgeschäft? Ich helfe Ihnen und Sie mir?«

Christine blickte ihn verdutzt an. »Womit sollte ich Ihnen helfen können?«

Er breitete grinsend die Arme aus: »Ich hätte gleich zwei Ideen, wie Sie mir etwas Gutes tun könnten. Eine gesittete und eine weniger jugendfreie …«

Christine lächelte. Heutzutage brauchte ein Mann eine gehörige Portion Mut, um bei einer fremden Frau etwas Anzügliches loszulassen. Seit »Me too …« gehörte es fast schon zum guten Ton, bei jedem zweideutigen Wort gleich sexuelle Belästigung zu unterstellen. Ihr fiel keine einzige Frau in ihrem Bekanntenkreis ein, die diesen Satz als harmlosen, charmant frivolen Scherz verstanden hätte. Ihr selbst hingegen war so ein ungezwungener Umgang miteinander viel lieber. Und ihrem Gegenüber offenbar auch. Damit hatte er bei ihr auf Anhieb Sympathiepunkte gewonnen.

Sie zwinkerte ihm zu. »Für die horizontalen Belange suchen Sie sich besser was junges Hübsches, aber den anderen Vorschlag höre ich mir gern an.«

Der Mann zuckte mit den Schultern: »Wie Sie wollen, auch wenn ich nicht so ganz nachvollziehen kann, was Sie an Ihrem Alter und Aussehen auszusetzen haben. Aber gut: Mein Problem ist, dass meine Haushälterin drei Wochen in Kur geht. Die Grundversorgung übernimmt meine Schwiegertochter, aber auch noch zwei Mal pro Woche Putzen will ich ihr nun wirklich nicht zumuten. Also, wie hört sich das für Sie an: Ich repariere Ihren Abfluss und Sie fliegen dafür mit dem Mopp durch meine Bude. Und wenn Sie wollen, können wir uns noch auf weitere Tauschgeschäfte einigen, damit ich die drei Wochen vollkriege. Alternativ bezahle ich Ihnen die anderen Termine auch gern. Frau Kern bekommt fünfzehn Euro pro Stunde und das Putzen dauert jeweils drei Stunden.«

Christine überlegte. Die Aussicht, die Reparatur nicht selbst versuchen zu müssen, war sehr verlockend. Ihr hatte schon der Brechreiz angesichts der Siffbrühe gelangt. Sie musste nicht auch noch den Inhalt des Rohres sehen. Der Mann wirkte nett und seriös. Sie blickte auf die Visitenkarte: Richard Sturm – Maschinenbauingenieur. Das klang handwerklich und so, als wäre so etwas wie ein Abfluss wirklich kein Problem für ihn. Und gut zweihundert Euro zusätzlich konnte sie verdammt gut gebrauchen.

Sie streckte ihm die Hand entgegen. »Abgemacht!«

Er schlug ein. »Hervorragend. Ich könnte morgen Vormittag vorbeikommen.«

Christine hob bedauernd die Hände. »Tut mir leid, ich muss ausgerechnet dieses Wochenende arbeiten. Ich bin erst ab drei zu Hause.«

»Sie Arme!« Herr Sturm zog einen kleinen Taschenkalender heraus und schlug seine Termine nach. »Siebzehn Uhr wäre realistisch. Ginge das?«

Christine nickte. »Prima. Und wann soll ich vorbeikommen?«

»Wäre Montag in Ordnung? Frau Kern hat immer montags und donnerstags geputzt. Dann müsste ich mich nicht umstellen.«

Christine überlegte kurz. »Gegen vier?«

»Einverstanden! Ich freue mich. Jetzt bräuchte ich noch Ihre Adresse.« Er hielt ihr den Kalender und einen Kugelschreiber hin.

Christine zögerte. War es klug, einem wildfremden Mann ihre Adresse zu geben? Einfach so? Sie blickte auf den Kanister. Spießiger als Kärchern ging nicht. Das war ein Vertrauensbeweis erster Güte! Sie nahm den Kalender und schrieb ihren Namen und ihre Adresse auf.

»Christine Wagner – ein hübscher Name.« Er blickte auf ihren Einkaufswagen. »Brauchen Sie noch was anderes?«

Sie schüttelte den Kopf. Er legte seinen Kanister zu ihren Sachen und begleitete sie zur Kasse. Bevor sie irgendetwas sagen konnte, hatte er die Rohre zusammen mit seinem Reiniger bezahlt. Hinter der Kasse gab er ihr abermals die Hand.

»Ich freue mich, Sie kennengelernt zu haben, Frau Wagner. Ich denke, wir werden uns sehr gut verstehen. Bis morgen!«

»Ja, danke, Herr Sturm. Ich bin auch sehr froh. Bis morgen. Und danke für die Rohre«, gab sie zurück.

Er zwinkerte ihr zu, drehte sich um und verließ den Laden. Christine schob den Wagen zu ihrem geliebten alten Jeep, den sie »Töff« genannt hatte. Sie fühlte sich beschwingt. Nicht nur, dass sie diese eklige Arbeit nicht machen musste, sie hatte obendrauf einen netten Menschen kennengelernt und bekam von ihm sogar noch eine Finanzspritze!

***

Sie fuhr auf dem Heimweg am Drogeriemarkt vorbei, um Duftspray und Desinfektionsmittel zu kaufen. Zu Hause setzte sie sich an den PC und ging auf die Homepage von Herrn Sturms Firma. Als sie das Foto von der Werkshalle sah, stellte sie fest, dass sie auf dem Weg zur Arbeit immer daran vorbeifuhr. Die Firma stellte überwiegend Roboter her, die in anderen Firmen Arbeiten in der Produktion übernahmen – Deckel auf Gläser schrauben, Etiketten aufkleben und so was. Das klang alles ziemlich kompliziert. Und der Chef von so einem riesigen Unternehmen gab sich dafür her, ein Abflussrohr auszuwechseln? Das kam ihr schon sehr seltsam vor. Seine Begründung mit der Haushälterin klang schlüssig, aber warum schickte er nicht einen Haustechniker vorbei, anstatt sich das selbst anzutun? Nun ja, vielleicht kam er morgen gar nicht selbst. Das wäre zwar schade, weil er ihr sehr sympathisch war, aber Hauptsache, die Rohre würden repariert werden, egal von wem.

Für den Rest des Tages benutzte sie statt der Spüle das Waschbecken im Bad. Abends kuschelte sie sich im Bett ein und war stolz auf sich. Auch wenn es nur ein kleiner Handel war, den sie da abgeschlossen hatte, hob es enorm ihr Selbstbewusstsein. Seit Andreas weg war, hatte sie es doppelt schwer. Nicht nur, dass sie niemanden mehr hatte, der ihr half, ohne seinen guten Verdienst hatte sie auch kein Geld, um Hilfe zu bezahlen, weil sie jeden Cent zwei Mal umdrehen musste.

So oft war sie schon bei Problemen an den Punkt gekommen, an dem sie sich gefragt hatte, ob es nicht besser gewesen wäre, die Augen zu verschließen und sein Fremdgehen zu ertragen, anstatt sich allein durch das Leben zu quälen. Aber jetzt sah sie, dass es auch sehr gut ohne ihn ging und dass es auch trotz ihres mickrigen Lohns durchaus möglich war, Dinge reparieren zu lassen. Man musste eben nur flexibel sein. Vielleicht würde sie beim nächsten Defekt einfach eine Kleinanzeige schalten, bei der sie von sich aus einen solchen Tausch anbot, wie Herr Sturm es bei ihr getan hatte. Babysitten, auf Hund oder Katze aufpassen, ein Büffet für eine Feier herrichten, Schreibarbeiten erledigen, Chauffeurdienste übernehmen, wenn ein handwerklich begabter Mann seinen Führerschein verloren hatte oder so etwas … eigentlich konnte sie eine ganze Menge an Gegenleistungen anbieten. Die Zukunft sah mit einem Mal gar nicht mehr so grau aus. Äußerst zufrieden mit sich selbst schlief sie ein.

***

Der nächste Tag war stressig. Am Wochenende kam man am Empfang kaum zum Luftholen, weil dann immer die ganzen Verwandten und Bekannten einfielen, um die Patienten zu besuchen. Nach der Arbeit musste sie noch schnell einkaufen, damit sie Herrn Sturm, oder wer auch immer in seinem Auftrag erscheinen würde, einen frischgebackenen Kuchen anbieten konnte. Wenn jemand schon so was Widerliches für sie machte, sollte er wenigstens eine süße Entschädigung für den Ekel bekommen!

***

Nachdem sie mit den Küchenarbeiten fertig war, ließ sie Wasser in das Spülbecken laufen, kippte ordentlich Desinfektionsmittel hinein und zog den Stöpsel, sodass das Rohr gut durchgespült wurde. Sie hoffte, dass das wenigstens den Geruch etwas eindämmte.

Als es um kurz vor fünf klingelte, sprühte sie noch rasch einen Stoß Raumspray in den Unterschrank, bevor sie an die Tür ging und öffnete.

Herr Sturm war tatsächlich selbst gekommen. Er trug ein kariertes Arbeitshemd und eine blaue Arbeitshose. In der Hand hatte er einen großen Werkzeugkasten und wirkte erstaunlich gut gelaunt angesichts der Arbeit, die ihm bevorstand.

»Guten Tag, schön, dass Sie gekommen sind«, begrüßte Christine ihn.

Er tippte sich mit Zeige- und Mittelfinger kurz an die Schläfe. »Ist mir ein Vergnügen, eine hübsche Frau aus ekelhafter Bedrängnis zu erretten.«

Christine lachte und trat beiseite. »Bitte, immer dem Gestank nach, zweite links!«

»Meinen Sie den Gestank nach Vanille oder den nach Klärgrube?«, fragte er.

»Kommt beides aus der gleichen Ecke«, gab sie zurück. Seine lockere Art war so angenehm …

Er ging in die Küche und zog den Eimer hervor, den Christine unter den Abfluss gestellt hatte. »So, dann wollen wir uns mal den Patienten ansehen …«

Christine erklärte im Ton einer Krankenschwester bei der Visite: »Der Patient stammt vermutlich aus der Mitte des letzten Jahrhunderts, leidet schon länger an Rost, war bislang aber beschwerdefrei. Zur Vorbehandlung der erforderlichen Resektion wurde ein handelsüblicher Desinfektionsreiniger eingesetzt, der Patient ist somit bereit für den Eingriff.«

Herr Sturm sah sie überrascht an. »Das klingt, als würden Sie so was jeden Tag sagen. Sind Sie Ärztin?«

Christine winkte lachend ab. »Nein, nur das Fräulein vom Büro. Ich arbeite an der Pforte vom Elisabeth-Krankenhaus. Aber manchmal tippe ich auch die Arztbriefe. Da bleiben solche Ausdrücke unweigerlich hängen.«

Sie legte zwei Putzlappen, zwei Handtücher und einen Müllbeutel griffbereit für ihn hin. Dazu Gummihandschuhe Größe XXL.

Herr Sturm schmunzelte. »Sie sind sicher, dass Sie nicht schon mal bei Operationen assistiert haben? Das sieht ziemlich professionell aus.«

»Ich habe mir auf YouTube angesehen, wie so was gemacht wird und was man braucht, damit es keine allzu große Sauerei gibt«, erklärte Christine und schob ihm noch das Handtuch hinüber, auf dem sie schon die neuen Siphon-Rohre übersichtlich ausgebreitet hatte.

»Auf YouTube kann man lernen, wie Abflüsse repariert werden?«, fragte er erstaunt.

Christine nickte. »Da kann man eine ganze Menge lernen. Ich habe schon kaputte Wandfliesen ausgetauscht und eine Deckenlampe mit Lüsterklemmen montiert. Aber bei dem hier kapituliere ich freiwillig.«

Herr Sturm sah sie sehr seltsam an, mit einer Mischung aus Mitleid und Bewunderung. Dann wandte er sich dem Abfluss zu.

***

Eine knappe Dreiviertelstunde und etliche saftige Flüche später erhob er sich, ließ probehalber Wasser durchlaufen und verkündete: »Der Patient ist vollständig genesen und wieder uneingeschränkt arbeitsfähig.«

Christine klatschte in die Hände. »Sie sind ein Engel! Darf ich Ihnen zur Belohnung Kaffee und Kuchen anbieten?«

Er lachte. »Also, wenn alle Engel nach Jauche stinken, bevorzuge ich doch die Hölle. Ist ohnehin spannender da. Aber einen Kaffee genehmige ich mir gern. Wo kann ich mich waschen?«

»Das Badezimmer ist direkt nebenan«, erklärte Christine und machte sich daran, Kaffee zu kochen und den Tisch zu decken. Als Herr Sturm wieder in die Küche kam, schnüffelte er prüfend an seinem Ärmel und zog dann kurzerhand das Hemd aus. Darunter trug er ein normales Feinripp-Unterhemd, dessen Ausschnitt jede Menge Brusthaar auf jeder Menge Brust freigab. Christine blinzelte und musste sich zwingen, ihn nicht ungehörig anzustarren. Sie spürte ein Ziehen im Unterleib, das sie schon fast vergessen hatte.

Sie goss Kaffee ein und legte ihm ein Stück Apfelkuchen auf den Teller. Er blickte auf den Kuchen. »Selbstgemacht?«

Christine nickte und wartete gespannt auf sein Urteil. Er schob sich ein Stück in den Mund und schloss genießerisch die Augen.

»Einfach himmlisch! Okay, das mit der Hölle überlege ich mir noch mal.«

Christine lachte. Das Lob tat ihr gut. Während er den Kuchen in atemberaubender Geschwindigkeit verputzte, fragte sie: »Wie kommt es, dass Sie sich dafür hergeben, so was hier selbst zu erledigen? Ich habe Sie gestern gegoogelt. Sie hätten doch einfach einen Mitarbeiter schicken können.«

Er hielt den Teller hoch, damit sie noch ein Stück nachlegte und antwortete: »Weil es einen Hauch von Nostalgie hat, sozusagen ›back to the roots‹. Ich habe als Hausmeister angefangen. Sanitärarbeit war da mein tägliches Brot. Eine kleine Fingerübung, damit ich nicht vergesse, wie es geht. Tut mal ganz gut, was ohne Technik und Computer nur mit Zange und Muskeln hinzukriegen. Und jetzt die Gegenfrage: Wie kommt es, dass es niemanden in Ihrem Umfeld gibt, der Ihnen bei solchen Arbeiten hilft?«

Christine zuckte mit den Schultern. »Meine Eltern leben als Aussteiger auf Mallorca, Geschwister habe ich nicht, und weil ich den Fehler gemacht habe, mich zu sehr auf meinen Ex-Mann zu konzentrieren, habe ich auch keinen eigenen Freundeskreis. Aber ehrlich gesagt vermisse ich das auch nicht. Und mit diesem Tauschgeschäft haben Sie mich auf eine prima Idee gebracht, wie ich solche Probleme künftig lösen kann.«

»Ja, zum Beispiel könnten Sie mich anrufen, wenn es brennt«, schlug er vor.

Christine schüttelte den Kopf. »Das wird wohl nicht funktionieren, wenn Ihre Haushälterin wieder da ist.«

»Vielleicht doch. Frau Kern ist über sechzig. Auch wenn sie das nicht gern zugibt, fallen ihr viele Arbeiten inzwischen recht schwer. Also mir wäre es ganz lieb, wenn Sie hin und wieder Spezialaufträge wie Fensterputzen oder Gardinenwaschen oder ähnlich anstrengende Sachen übernehmen würden.«

Christine pikte ein Stück Kuchen auf. »Mal schauen … Ich arbeite am Montag erst mal das hier ab und dann können wir weitersehen.«

»Einverstanden«, antwortete Herr Sturm und kümmerte sich um sein Kuchenstück.

Als er sich verabschiedete, gab er ihr einen Zettel mit seiner privaten Adresse und erklärte: »Ich freue mich auf Montag. Überlegen Sie sich bis dahin, ob Sie noch mehr Reparaturaufträge haben!«

»Mache ich, aber im Moment sieht es nicht so aus. Vielen Dank noch mal!«

»Gern geschehen.«

Christine winkte ihm nach, bis das Auto um die nächste Ecke verschwunden war. Ihre alte Nachbarin, Frau Hanke, lugte neugierig über die Hecke. Christine lächelte sie breit an. Frau Hanke war eine Freundin ihrer Ex-Schwiegermutter und ein schreckliches Waschweib. Sie würde jetzt schnellstens zum Telefon humpeln und Thekla in ziemlich aufgebauschter Form erzählen, was sie gesehen hatte. Thekla wiederum würde das abermals aufplustern und an Andreas weitergeben. Und der würde ein Magengeschwür bekommen! Denn auch wenn sie getrennt waren, wusste sie, dass er immer noch abgrundtief eifersüchtig war und ihr niemals einen anderen Mann gönnen würde.

Sie ging wieder hinein und ließ sich auf die Couch fallen - was für ein herrlicher Tag!

Putzen bei Herrn Sturm

Am Montag fuhr sie sehr aufgeregt auf die Arbeit. Sie betete, dass nichts dazwischen kommen würde, weswegen sie länger bleiben musste. Tatsächlich hatte sie Glück und kam einigermaßen pünktlich nach Hause. Rasch aß sie ein belegtes Brötchen, zog sich um und machte sich auf den Weg zu Herrn Sturms Adresse.

***

Das Grundstück war von einer hohen Mauer umgeben. Christine parkte auf dem dafür ausgewiesenen Streifen gegenüber, ging zu dem protzigen schmiedeeisernen Tor und blickte hinein. Das Haus stand inmitten eines kleinen Parks. Ein moderner, abgrundtief hässlicher großer Bau, der nach ihrem Empfinden überhaupt nicht zu diesem lockeren, netten Mann passte. Sie klingelte, kurz darauf surrte der Toröffner und sie konnte eintreten.

Herr Sturm empfing sie an der Eingangstür. »Hereinspaziert, fühlen Sie sich wie zu Hause!«

Christine nickte unsicher. Sie fühlte sich eingeschüchtert von dem großen Haus und dem riesigen Grundstück. Dass Herr Sturm reich war, war ihr nach dem Blick auf die Homepage klar gewesen, aber so etwas hatte sie nicht erwartet. Ob das, was sie für ordentliches Putzen hielt, seinen Ansprüchen genügen würde?

Er wies mit einer ausholenden Bewegung ins Innere. »Das ist Ihr Einsatzgebiet! Hier im Erdgeschoß ist das, was ich den ›Showroom‹ nenne, wo Gäste und Geschäftspartner professionell beeindruckt werden, oben sind meine privaten Räume, im Untergeschoß die meines jüngsten Filius’. Lassen Sie die Tür am Ende der Halle bitte geschlossen, in der hinteren Hälfte des Hauses residiert meine Frau. Wir leben – wie es im Amtsdeutsch heißt – ›getrennt von Tisch und Bett‹. Normalerweise lässt sie sich hier vorn nicht blicken, aber sollten Sie ihr begegnen, lassen Sie sich bitte nicht aus der Ruhe bringen. Was immer sie ablässt, hat nichts mit Ihnen persönlich zu tun. Sagen Sie ihr, sie soll sich an mich wenden, wenn ihr was nicht passt, und wenn sie keine Ruhe gibt, geigen Sie ihr ruhig die Meinung!«

»Oh … okay …«, gab Christine hilflos zurück. Mit Familienzoff hatte sie nach den Bildern auf der Homepage nicht gerechnet. Aber so etwas kam eben in den besten Kreisen vor. Allerdings machte Herr Sturm nicht den Eindruck, als würde ihn das sonderlich belasten.

Er ging zu einem edlen Beistelltisch und holte ein handschriftlich beidseitig eng beschriebenes Papier.

»Das hier ist eine Liste von Frau Kern. Darauf steht, was alles gemacht werden muss und wo Sie die Materialien finden. Ich hoffe, Sie kommen damit zurecht. Ich muss noch mal in die Firma, aber ich bin rechtzeitig wieder da. Wenn Sie mit irgendwas nicht klarkommen, lassen Sie es bleiben! Frau Kern ist überpenibel und wenn sie wiederkäme und alles in bester Ordnung wäre, wäre das für sie vermutlich eine echte Katastrophe.«

Christine musste schmunzeln. Sie konnte sich diese Frau Kern hervorragend vorstellen. Eine Art Fräulein Rottenmeier, die mit randloser Brille und Dutt ein strenges Regiment führte und jedes Staubkörnchen als persönliche Beleidigung ansah.

Herr Sturm nahm seine Jacke und zwinkerte ihr zum Abschied zu, dann stand sie allein in der riesigen Eingangshalle. Das Haus war nicht nur von außen hässlich, sondern auch von innen total ungemütlich. Vermutlich von einem Innenarchitekten eingerichtet. Alles war exakt aufeinander abgestimmt. Es fehlte jede persönliche Note. Es war so heimelig wie in einer Möbelausstellung. Sie blickte auf die Liste. Sie war untergliedert in 1. Stock, Erdgeschoß und Untergeschoß. Auf der Rückseite war der jeweilige Stockwerksgrundriss skizziert. Beginn war oben. Christine suchte den Hauswirtschaftsraum und holte sich den Staubsauger und ein Staubtuch, weil Saugen und Wischen als Erstes auf dem Programm stand. Das Arbeitszimmer war abgeschlossen, also ging sie weiter ins erste Gästezimmer, danach ins zweite Gästezimmer und dann ins Schlafzimmer. Immerhin war dieser Raum etwas gemütlicher. Das Ungetüm von Schrankwand strahlte zwar eine fürchterliche Sterilität aus, doch das Bett wirkte richtig einladend, vor allem, weil es nicht zum Rest passte. Vermutlich hatte hier vorher das Ehebett gestanden und Herr Sturm hatte es durch ein XL-Einzelbett ersetzt. Christine hatte das nach der Trennung auch getan, allerdings mangels Budget nur in XS.

Zuletzt war das Badezimmer dran. Es war größer als Christines Wohnzimmer. Die wenigen Utensilien, die Herr Sturm benötigte, wirkten auf dem riesigen Board völlig verloren. Es war total überflüssig, hier zu putzen, weil alles blinkte und blitzte und das Putzwasser hinterher noch genau so sauber aussah wie vorher. Aber Abmachung war Abmachung und außerdem roch das Putzmittel sehr angenehm.

Danach ging es ins Erdgeschoß. Auch hier gab es einen kleinen Hauswirtschaftsraum mit eigenem Wasseranschluss. Sie putzte die Küche und wischte weisungsgemäß alle Oberflächen ab, obwohl es nicht so aussah, als hätte jemand nach dem letzten Reinigen überhaupt einen Fuß hier herein gesetzt. Die Spülmaschine blinkte, um das Ende des Spülvorgangs anzuzeigen. Christine brach das unsinnige Wischen ab und räumte stattdessen das wenige Geschirr aus.

Das Wohnzimmer war aufwendiger. Staubsaugen um jede Menge Mobiliar herum. Und hier gab es auch tatsächlich ein paar Staubkörnchen zum Wegwischen. Aber es war kein Vergleich zu ihrer eigenen Bude und sie schämte sich dafür, dass Herr Sturm sie nach dem Besuch bei sich vermutlich für eine Schlampe hielt.

Das Putzen der Diele hingegen machte richtig Spaß. Sie konnte den Mopp weit ausgreifend schwingen. Ganz anders als zu Hause, wo sie tausend enge Ecken hatte und es sich gar nicht lohnte, überhaupt einen Schrubber in die Hand zu nehmen.

Sie blickte zur Uhr und bekam einen Schreck. Sie war schon seit zweieinhalb Stunden hier und hatte noch nicht mal im Untergeschoß angefangen! Rasch brachte sie die Sachen zurück und flitzte nach unten. Sturm Junior hatte eine ganze Wohnung nur für sich. Das Schlafzimmer war abgeschlossen, also begann sie mit der Planerfüllung im Arbeitszimmer. Die Bücherregale ächzten unter der Last riesiger Wälzer, die sich dicht aneinanderreihten und übereinanderstapelten. Ganz offensichtlich war der junge Mann ein Student, der sich irgendwie mit Umwelt und Natur auseinandersetzte. Christine wunderte sich, dass es heutzutage überhaupt noch gedruckte Lehrbücher gab, erst recht bei diesen sich ständig aktualisierenden Themen.

Sie hörte, wie über ihr die Haustür geöffnet wurde. Ein paar Minuten später erklang Herr Sturms Stimme von oben: »Frau Wagner? Sind Sie unten?«

Christine trat an die Treppe und rief hinauf: »Ja, ich bin aber noch nicht fertig.«

Herr Sturm rief zurück: »Ist egal. Machen Sie den Rest beim nächsten Mal. Alexander kommt erst am Wochenende wieder.«

»Okay, wie Sie wollen«, gab Christine zurück und brach ihre Arbeit ab.

Herr Sturm wartete oben auf sie.

»Also Ihre Frau Kern ist ganz schön fit, wenn sie das ganze Programm in der Zeit absolviert«, stellte sie fest.

Herr Sturm winkte ab. »Frau Kern ist ein Fall für sich. Kommen Sie mit in die Küche!«

Auf dem Esstisch standen zwei Tüten vom Chinesen.

»Ich habe ›Schweinefleisch mit Gemüse‹ und ›Knusprige Ente‹ geholt. Ich hoffe, eines davon ist nach Ihrem Geschmack«, erläuterte Herr Sturm.

Christine war peinlich berührt. »Aber das wäre doch wirklich nicht nötig gewesen.«

Herr Sturm grinste. »Ich kann Sie doch nicht mit knurrendem Magen nach Hause lassen. Ich habe für weit weniger hervorragenden Kuchen bekommen. Also: Ente oder Schwein?«

»Die Ente bitte«, bat Christine und ging automatisch an die Schränke und holte Teller und Besteck heraus. Erst als sie das Essen verteilte, stellte sie fest, dass das eigentlich ungehörig war. Sie blickte Herrn Sturm entschuldigend an. »Tut mir leid, dass ich einfach so tue, als wäre ich hier zu Hause. Ich bin es nicht mehr gewöhnt, bei jemandem zu Gast zu sein.«

»Und ich bin froh, dass Sie mir die Peinlichkeit ersparen, nicht zu wissen, wo die Teller stehen. Wenn Hilde nicht da ist, esse ich grundsätzlich auswärts. Ich bin gerade so in der Lage, mir selbst einen Kaffee zu zapfen«, gestand er.

Christine lachte. »Gut, dann benehme ich mich mal weiter daneben. Was wollen Sie trinken?«

»Eine Cola.«

Christine ging an den Kühlschrank, holte Cola heraus und goss sie in zwei Gläser. Dann setzten sie sich zum Essen.

»Sind Sie mit dem Handzettel zurechtgekommen, abgesehen davon, dass es der Ironman für Putzfrauen ist?«, fragte Herr Sturm gut gelaunt.

»Ja, bestens. Alles perfekt erklärt. Frau Kern scheint Angst zu haben, dass Sie im Dreck ersticken«, stellte Christine fest.

Herr Sturm lachte. »Ja, manchmal ist es wirklich anstrengend. Ich rate Ihnen, das Programm in den drei Wochen auf jeden Fall einmal komplett durchzuarbeiten. Es würde mich nicht wundern, wenn irgendwo ein Testfussel versteckt ist, um Sie auf die Probe zu stellen. Und ich fände es unschön, mir Gemeckere über Sie anhören zu müssen.«

»Okay, mache ich«, versprach Christine. Dann wechselte sie das Thema: »Sie sagten, Alexander sei Ihr jüngster Filius. Wie viele Kinder haben Sie denn?«

Herr Sturm antwortete: »Ich habe zwei Söhne und eine Tochter. Mein Ältester ist verheiratet und die Mittlere hat ein kleines Appartement im Zentrum.«

»Jedenfalls scheint Ihr Jüngster was ziemlich Kompliziertes zu studieren?«, fragte Christine weiter. Herr Sturm hatte so eine angenehme Stimme, dass es einfach nur Spaß machte, ihn reden zu hören, egal worüber.

»Umwelttechnik und Agrarökonomie. Er hat vor, die Welternährung zu revolutionieren und den Klimawandel zu beenden. Seiner Meinung nach hat er bereits jetzt schon alles Wissen und Können, das er dafür braucht, und kann sich eigentlich die nächsten zehn Semester sparen«, erklärte Herr Sturm lächelnd.

»In dem Alter wollten wir doch alle die Welt retten, oder nicht?«, stellte Christine fest.

Herr Sturm schüttelte den Kopf. »Nein, meine Pläne waren wesentlich realistischer. Ich habe zielstrebig an meiner Karriere als Rocklegende gearbeitet. Wäre nicht ein kleines Problem dazwischengekommen, hätten Sie heute ein gutes Dutzend grandioser Alben von mir im Regal stehen.«

»Und was war dieses kleine Problem?«, fragte sie neugierig.

»Dass ich völlig unmusikalisch bin«, antwortete er mit todernster Miene.

Christine prustete los. Herr Sturm wartete, bis sie sich wieder im Griff hatte, und fragte dann seinerseits: »Haben Sie auch Kinder?«

Christine schüttelte den Kopf. »Nein, da hat mir der liebe Gott einen Strich durch die Rechnung gemacht. Aber wer weiß, wofür es gut war …«

Herr Sturm schien etwas sagen zu wollen, verkniff es sich aber und fragte stattdessen: »Können Sie eigentlich genau so gut kochen wie backen?«

Christine sah ihn überrascht an und antwortete bescheiden: »Also sagen wir mal so, ich bin es nicht gewöhnt, Essensreste entsorgen zu müssen.«

Herr Sturm nickte zufrieden. »Dann ändere ich hiermit unsere Abmachung: Anstatt drei Stunden lang überflüssigerweise ein Haus zu putzen, das praktisch nur zum Schlafen benutzt wird, putzen Sie ab jetzt nur eineinhalb oder zwei Stunden und nutzen die restliche Zeit, um uns beiden ein nettes Abendessen zu zaubern. Davon haben wir beide mehr.«

Christine fragte unsicher: »Ja, also was essen Sie denn normalerweise? In Haute Cuisine bin ich nicht so bewandert.«

Herr Sturm winkte ab. »Ich auch nicht. Am liebsten ist mir normale Hausmannskost. Kein Fisch und schon gar nicht vegetarisch. Ansonsten bin ich mit allem zufrieden. Aber die Vorstellung, jetzt drei Wochen lang ausnahmslos Imbiss-Fraß runterzuwürgen, macht mich fertig. Wenigstens zwei Mal in der Woche was Anständiges und schon ist meine Laune gehoben!«

»Okay, ich gebe mein Bestes«, versprach sie.

Das Gespräch sprang munter von einem interessanten Thema zum nächsten und Christine stellte erstaunt fest, dass sie gar nicht mitbekommen hatte, wie der Teller leer geworden war. Das war die mit Abstand angenehmste Mahlzeit seit Langem gewesen. Sie räumte Geschirr und Besteck in die Spülmaschine und entsorgte den Müll. Es fühlte sich seltsam an. Irgendwie gar nicht so, als wäre sie in einem fremden Haus, und Herr Sturm benahm sich auch nicht so, als wäre sie nur zu Gast. Sie holte ihre Handtasche und wollte sich verabschieden. Herr Sturm zog seine Geldbörse heraus, entnahm ihr einen Fünfziger und hielt ihn Christine hin.

»Was soll ich damit?«, fragte sie verdutzt.

Herr Sturm grinste. »Ich weiß nicht, was Sie für gewöhnlich mit Geld tun, ich tausche es gegen Dinge ein, die ich gern haben will.«

Christine korrigierte sich: »Nein, ich meine, weswegen wollen Sie mir Geld geben?«

Er zog die Augenbrauen hoch. »Ich habe eine Stunde gearbeitet, Sie dagegen drei. Also bleiben zwei Stunden, die zu bezahlen sind.«

Christine wehrte ab. »Nein, das ist wirklich in Ordnung. Das, was Sie gemacht haben, hatte einen Extra-Ekel-Bonus.«

»Papperlapapp! Ich habe was gemacht, was Sie nicht tun wollten, und Sie haben was erledigt, was ich auf keinen Fall mache«, beharrte er.

Christine blickte auf den Schein. »Tut mir leid, aber ich habe kein Geld zum Wechseln dabei. Geben Sie mir das bitte beim nächsten Mal, wenn Sie das unbedingt wollen.«

Er nickte: »Ja, ich will das unbedingt. Und Sie brauchen mir auch nichts rauszugeben, der Rest ist für das Abendessen.«

»Zwanzig Euro für Hausmannskost?«, fragte Christine ungläubig.

»Zu wenig?«, fragte Herr Sturm und griff erneut nach seiner Börse.

Christine wehrte ab. »Nein, ganz im Gegenteil, viel zu viel!«

Herr Sturm zuckte mit den Schultern. »Dann ist ja alles in Ordnung und Sie können entspannt was Feines aussuchen.«

»Okay …«, gab Christine zurück, nahm den Fünfziger, verabschiedete sich mit einem Handschlag und machte sich auf den Heimweg.

***

Als sie aus dem Auto stieg, linste Frau Hanke über den Zaun. »Hallo, Christine, ich war heute Nachmittag mal an der Tür wegen zwei Eiern, aber Sie waren ja gar nicht da?«

Natürlich war sie nicht an der Tür gewesen, sondern hatte hinter den Gardinen gelauert. Und jetzt wollte sie erfahren, wo ihre Nachbarin sich herumgetrieben hatte.

Christine antwortete extrem freundlich: »Oh, Rita, das tut mir aber leid. Ich laufe schnell rein und hole die Eier. Zwei Stück, sagten Sie?«

»Äh, nein, ich habe mir schon von Frau Neumann welche geholt, vielen Dank. Ich hatte mir nur Sorgen gemacht, dass etwas nicht in Ordnung ist, weil es sehr ungewöhnlich ist, dass Sie so lange wegbleiben …«, wehrte Frau Hanke ab.

Christine spürte förmlich, wie sie vor Neugier platzte.