Hamlet in Wittenberg - Gerhart Hauptmann - E-Book

Hamlet in Wittenberg E-Book

Gerhart Hauptmann

0,0

Beschreibung

Mit seiner Shakespeare-Adaption schuf Hauptmann ein sprachgewaltiges und mitreißendes Werk, das den Leser unmittelbar in die Reformationszeit versetzt.Diese Erzählung soll die Vorgeschichte zu "Hamlet" sein. In dieser kostete der Prinz von Dänemark seine wilde Studentenzeit in Wittenberg in vollen Zügen aus. Doch als ihn eine erschütternde Nachricht erreicht, findet seine Unbeschwertheit ein jähes Ende und sein Leben wird auf den Kopf gestellt. -

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 136

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Gerhart Hauptmann

Hamlet in Wittenberg

Dramatische Dichtung

Saga

Hamlet in Wittenberg

 

Coverbild/Illustration: Shutterstock

Copyright © 1935, 2021 SAGA Egmont

 

Alle Rechte vorbehalten

 

ISBN: 9788726957044

 

1. E-Book-Ausgabe

Format: EPUB 3.0

 

Dieses Buch ist urheberrechtlich geschützt. Kopieren für gewerbliche und öffentliche Zwecke ist nur mit der Zustimmung vom Verlag gestattet.

Dieses Werk ist als historisches Dokument neu veröffentlicht worden. Die Sprache des Werkes entspricht der Zeit seiner Entstehung.

 

www.sagaegmont.com

Saga Egmont - ein Teil von Egmont, www.egmont.com

König Claudius . . . Was Eure Rückkehr zur Hohen Schul' in Wittenberg betrifft, so widerspricht sie höchlich unserm Wunsch . . . KöniginLaß deine Mutter fehl nicht bitten, Hamlet. Ich bitte, bleib bei uns, geh nicht nach Wittenberg! HamletIch will Euch gern gehorchen, gnäd'ge Frau. KönigWohl, das ist eine liebe, schöne Antwort . . . Shakespeare, »Hamlet«, I. Aufzug, 2. Szene

Vorwort

Ob es erlaubt ist oder nicht, einer inneren Neigung zu entsprechen durch den Versuch, das Werk eines Dichters rückläufig zu ergänzen, kann nicht fraglich sein, besonders nicht, wo es sich um ein Drama und um Theater handelt. Die Ehrfurcht, die eine dichtende Phantasie davon abhielte, müßte eine falsche Ehrfurcht genannt werden: ihr wahrer Charakter wäre vielmehr Pedanterie.

Selbst ein verfehlter »Hamlet in Wittenberg« träte dem Ansehen Shakespeares nicht zu nahe. Sein »Hamlet« ist in alter und neuer Zeit unzählige Male für das Theater überarbeitet und bearbeitet worden: beim Wesen des Theaterbetriebes und -gewerbes eine Selbstverständlichkeit. Hier handelt es sich nicht einmal um eine pietätvolle oder pietätlose – die letzteren sind in der Mehrzahl – Bearbeitung, sondern um eine Schöpfung im leeren Raum. Der Hamlet Shakespeares spricht zwar von Wittenberg, er will auf die Hohe Schule von Wittenberg zurückkehren, aber es existiert – außer den drei kurzen Szenen von Gutzkow – kein Drama »Hamlet in Wittenberg«.

Es hat mich gelockt, mir den weltberühmten Dänenprinzen und seine Sturm-und-Drang-Zeit in der Stadt Luthers vorzustellen: sie konnte sich dort auf die allerverschiedensten Arten und Weisen abgespielt haben. Ich entschied mich für die im Nachfolgenden gestaltete Möglichkeit. Ich folgte der Lockung, zu tun, was ich tat, aus natürlicher Liebe zur Hamlet-Gestalt und keineswegs in der lächerlichen Absicht, Vergleiche mit dem überragenden Genie des unsterblichen Briten herauszufordern.

Eher nehme man dieses Werk als demutsvolle Huldigung und erwäge dabei, ob ihm, so genommen, nicht zumindest ebenso großer Wert beizumessen sei wie einem beliebigen Panegyrikus.

Agnetendorf, den 1. Oktober 1935

Gerhart Hauptmann

Des großen Shakespeare heiliges Gebein,

kein prunkend Denkmal wünscht es sich von Stein:

das teure Erbe höchsten Dichtertums.

Was wär' ihm solche Bürgschaft seines Ruhms?

In unsrer Ehrfurcht, die es rein erkennt,

ist es sein eignes, ewiges Monument.

Frei nach Milton

Dramatis Personae

Hamlet, Prinz von Dänemark, Gentleman-Student in Wittenberg Ebenfalls Gentleman-Studenten in Wittenbg. und Hamlets Freunde: Barthaar von Fachus, Deutscher, Horatio, Däne, Wilhelm, Däne Hamlets Kammerherrn: Rosenkranz, Güldenstern, Felix, Hamlets Famulus. Junge Spanierin in Männerkleidung. Studentin MelanchtonJuan Pedro de León, ein spanischer Edelmann Der Penneboß der Herberge Zum Pilgerstab Fahrende Scholaren, ältere Semester, sogenannte Bacchanten: Paulus, Achazius, Thomas, ein Knabe, Scholar Hamida, eine junge Zigeunerin Sasteresko, ein Zigeunerhauptmann Lischka, ein junger Zigeuner Brakka, eine alte Zigeunerin Bärbe Hohndorf, Tochter des Bürgermeisters von Wittenberg Adelheid, Besitzerin eines Freudenhauses Bohnenmilch, Wirt des Strohsackl Der StadtweibelDer SchlosshauptmannErste, zweite, dritte schöne FrauErstes, zweites schönes MädchenErster, zweiter, dritter Gast auf der Fachusburg Erster, zweiter, dritter Gast bei Bohnenmilch Erste, zweite, dritte SchellenkappeBakkalaureusErster SoldatPierre, Stalljunge des Don Pedro Eine schlumpige MagdEin NachtwächterFestgästeStudenten und SchauspielerStadtknechteZigeuner, Fahrendes Gesindel

Orte der Handlung: Wittenberg – Wirtshaus Zum Pilgerstab in der Nähe von Wittenberg – Fachusburg.

Erster Akt

Erste Szene

Im Wirtshaus Zum Pilgerstab, einsam an der Landstraße gelegen.

Die Schenkstube: verräucherte Spelunke mit Talgfunsen und brennenden Kienspänen. Einige Fenster gehen auf den Hof, von dort Schattenhaft beleuchtet.

Sommernacht.

Don Pedro, ein Spanier, elegante Reitererscheinung mit Degen und Sporen, an einem der Tische. Im Hintergrunde der fette Penneboß. An den Tischen würfelt lichtscheues Gesindel. Pierre stellt eine silberne Kanne mit Wein vor Don Pedro hin.

Don Pedro. Bub, du hast meine Mundkanne mitgebracht, dank' dir. Er wendet sich nachlässig nach rückwärts. Penneboß!

Penneboß. Was wünscht Euer Gnaden?

Don Pedrotrommelt ungeduldig auf den Tisch. Nichts.

Penneboß. Es hilft nichts, wir müssen noch eine Weile Geduld haben, Euer Gnaden. Ich. habe dem Lumpenpack nur um Euretwillen den Hof eingeräumt. Es ist geglückt, Sasteresko hält hier den Gerichtstag ab. Ich habe Euch durch die Adelheid Nachricht zukommen lassen, wie ich Euch schuldig bin und wie sich's gehört. Sie werden Lischka nicht töten, der, ich kann's nicht ändern, mit Hamida den Sohn des Hauptmanns betrogen hat. Er war Sastereskos Lieblingskind und ist mit Hamida versprochen gewesen. Statt Lischka zu hängen, hat sich der Junge selbst stranguliert: Aber, wie gesagt, Lischka wird mit dem Leben davonkommen. Man schneidet ihm höchstens ein Ohr ab und zerschlägt ihm ein Ellenbogengelenk. Ihr werdet ihn nicht mehr zu fürchten haben.

Don Pedro. Sic volo, sic jubeo, sit pro ratione voluntas! Ich habe mir nun einmal diese Mandragore in den Kopf gesetzt! Es muß heute alles richtig werden zwischen Euch und mir und ihr und mir, sonst, geschworen bei der Reinheit der Gottesmutter, hetze ich offen oder geheim alle meine Hunde auf dich!

Penneboß. Was geschehen hat können, Euer Gnaden, ist geschehn. Jetzt müssen wir warten, bis das Allotria im Hofe zu Ende ist. Zigeuner verstehen keinen Spaß. Stört man sie, gibt's eine Stecherei.

Don Pedrowegwerfend. Man jagt ihrer fünfzig davon mit einem Fußlappen.

Penneboß. Ihr seid ja sehr happig auf diesen Giftbissen!

Don Pedro. Biete mir Isabella von Portugal, sie ist die schönste Frau unserer Zeit, ich will's auf die Hostie beschwören, aber ich würde für drei ihresgleichen diesen Stechapfel nicht hergeben.

Vom Hof ertönt ein jäher Schrei.

Penneboß. Halt! Laßt mich einmal zum Rechten sehn. Er blickt durchs Fenster. Richtig! das war die Exekution. Wollt Ihr sehn, wie Euer Rival auf dem Rücken liegt?

Don Pedrowegwerfend. Rival? Ein verlauster Betteljunge? Er zieht Handschuhe an. Ich verzichte auf deine Hilfe, Boß. Unsre Klepper sind frisch. Meine Haudegen haben ihr Lehrgeld nicht umsonst bezahlt. Es macht ihnen nichts, einen kaiserlichen Rat oder einen Erzbischof mitsamt seinen Kurtisanen aufzuheben, geschweige eine Bettlerin.

Gewitter, Wolkenbruch.

Penneboß. Augenblicklich strömt es vom Himmelsthrone. Geduldet Euch! Ein solcher Wolkenbruch muß ja das hitzigste Liebesfieber auslöschen. Es wird heftig an der Haustür gepocht. Was ist? Wer ist da?

Don Pedro. Es sind Berittene: spielst du ein doppeltes Spiel, weh deiner Glatze, alter Gaunervater! Bub, geh hinaus, heiß die Knechte aufsitzen!

Pierre. Wenn der Regen vorüber ist?

Don Pedro. Aufsitzen, Bursch! Im Augenblick!

Der Penneboß ab mit Pierre. Don Pedro geht unruhig auf und ab. Das würfelspielende Gesindel drückt sich eilig. Don Pedro bleibt stehen und gießt Wein herunter.

Ha, Tropfen in einen lodernden Höllenschlund.

Der Penneboß erscheint wieder, gefolgt von durchnäßten und vermummten Reitergestalten: Hamlet, Horatio, Wilhelm, Rosenkranz, Güldenstern und Balthasar von Fachus.

Don Pedro will gehen, stutzt, starrt die Eindringlinge an, überlegt und läßt sich provokant auf einen Stuhl fallen, wobei er den Degen über die Knie legt.

Hamlet. Wie weit ist es von hier bis Wittenberg?

Penneboß. Nicht weiter als von dort in die Hölle.

Wilhelm. Also meinst du von dort bis hierher? Wie weit ist es also hierher von Wittenberg?

Fachus. Kann man in deiner Hölle zu Nacht bleiben?

Güldenstern. Ja, in deiner Wanzen- und Flohhölle?

Wilhelm. Ach was, wir sind Schnapphähne, höllische Feuerhähne; Ungeziefer fürchten wir nicht. Melde uns bei des Teufels Großmutter, sie soll uns Glühwein und Warmbier zurechtmachen. Wir haben keinen trockenen Faden am Leib.

Fachus. Und schütte uns womöglich einige Dutzend höllischer Bratwürste auf den Tisch, Penneboß!

Penneboß. Ihr Herren, hier ist kein Gasthaus für Teufelsgelichter.

Fachus. Dann sind wir wohl nicht im Wirtshaus Zum Pilgerstab, der ärgsten Diebsspelunke von ganz Kursachsen?

Penneboß. Im Hof sind Zigeuner, sie haben einen krepierten Hammel gebraten, wenn ihr essen wollt.

Fachusschlägt mit dem Degen knallend auf den Tisch. Eins, zwei, drei – in drei Minuten ist angerichtet! Aber du gewärtigst Galgen und Rad für auch nur einen Bissen Hammelfleisch!

Der Penneboß geht ab.

Rosenkranz. Hier stehen Bierneigen, schmutzige Teller und Würfelbecher. Es haben hier Leute gesessen, eh wir eintraten.

Don Pedro. Es sitzt hier sogar noch ein Jemand, wenn ich bitten darf.

Hamletversonnen am Fenster. Was treibt die schwarze Rotte im Hof?

Don Pedro. Wenn es Eurer Hoheit genehm ist – denn ich glaube mich nicht zu täuschen –, so bin ich zu einer Auskunft bereit. Die Gitanen haben Gerichtstag gehalten. Es gab Urteil und Vollstreckung zu gleicher Zeit. Der Teufel bevorzugt activam justitiam.

Hamlet. Wahrhaftig, ein Weib hält ein Kind an der einen und ein saugendes Ferkel an der andern Brust! – Ein junges Ding mit gelöstem Haar hat sich über einen geworfen, der auf der Erde liegt. Ein altes Weib, eine Zigeunermutter, schlägt sich wie rasend mit einem starken Manne herum.

Don Pedro. Des Mädchens Mutter und der Zigeunerhäuptling.

Horatio. Eine grade nicht alltägliche Spelunke, diese Herberge Zum Pilgerstab.

Don Pedro. Hier kreuzt, man um jeden Pfifferling die Brotmesser und macht einander um einer räudigen Katze willen faustgroße Löcher in den Hals.

Hamlethalblaut zu Horatio. Wer ist dieser Kavalier, der sich in seinen Selbstgesprächen nicht mäßigen kann und jedermann zu bitten scheint, über seine langen Beine zu stolpern?

Fachus. Ein Spanier, Proteus. In den Tagen des spanischen Karl die deutsche Landplage!

Gewaltiger Blitz.

Hamlet. Tausend Jahre Licht sind ein Augenblick! . . .

Donner.

. . . und das alte Erz wie immer dröhnt heilig nach im Himmelsdom.

Der Penneboß kommt wieder, gefolgt von einer schlumpigen rothaarigen Magd. Beide tragen Essen und Wein auf.

Penneboßleise zu Don Pedro. Wie werden wir diese Bande am schnellsten los?

Don Pedroebenso. Du mußt sie dir einmal genauer ansehn. Dieses fahle Mädchen, das für einen Mann gelten möchte, ist niemand anders als der vielbeschriene Thronerbe von Dänemark, der zu Wittenberg die Schulbank drückt und Scharteken wälzt.

Penneboß. Unter meinem Dache ein Prinz und Thronerbe!?

Rosenkranz. Hier ist's nicht geheuer, Junker Fachus. Wir sind dem Hofe zu Helsingör für den Prinzen verantwortlich.

Wilhelm. Ich führe zwei Degen in einer Scheide. Wir sind fünf Klingen außerdem. Er setzt sich an den Tisch und haut ein. An die Gewehre, an die Gewehre!

Paulus und Achazius treten ein, zwei zerlumpte Riesenkerle. Paulus rotblond, Achazius schwarz. Sie tragen Rucksäcke.Thomas, schwer bepackt, folgt ihnen.

Don Pedro. Ah, neuer Kehricht von der Landstraße.

Pauluswirft den Rucksack ab, stöhnt aus. Mein Gut der Welt! Mein Leib den Würmern! Meine Seele dem Teufel!

Achazius. Es ist kein Leben auf diese Art: sic satis!

Horatio. Beinahe ein hamletisches Testament.

Paulus. Bah, mich verdrießen alle Dinge. Ich bin ganz und gar ein bloßer Verdruß. Ich habe an Gott und den Teufel geglaubt, heut glaube ich nur noch an den Teufel. Oder: wie kam die Schlange ins Paradies?

Wilhelm. Ihr habt unsre Humore, Kerls: ich wette, ihr seid Bacchanten auf der Reise nach Wittenberg.

Achazius. Genau! Ihr habt Eure Wette gewonnen. Und hier, der Thomas, ist unser Schütz.

Wilhelm. Dann wären wir Kommilitonen, Mann!

Penneboßzu Wilhelm. Hab' mir doch gleich gedacht, Euer Gnaden. Euer Gnaden, Seine Gnaden und Ihro Gnaden, Ihr seid Herren Doktoren und Herren Studiosen von Wittenberg.

Wilhelm. Commilito, willst du nicht weiter philosophieren? Wie heißt du denn?

Achazius. Paulus, ist aber zum Saulus geworden.

Penneboß. Vermengt euch mit diesem Gelichter nicht, es sind Brandstifter, Atheisten und Gaudiebe!

Paulus. Entweder du hältst dein Maulwerk, Kujon, oder ich lüfte dir den Hirnkasten.

Penneboß. Macht, daß ihr auf die Straße kommt! Belästigt mir nicht die Herrn Kavaliere!

Paulus. Quare? quare?

Penneboß. Laß dein verfluchtes Küchenlatein, es wird euch zur Tür nicht wieder hereinhelfen.

Thomas heult und schlägt um sich, wirft sein Gepäck ab.

Thomas. Buckeln, kraxeln, Fressen herzuschaffen, sich mit Bauernkötern herumbalgen: Bisse, Stockprügel, Steinwürfe, blaue Flecke, Frostbeulen, Brandblasen, Fliegenstiche – lieber sterb' ich im Augenblick, aber ich gehe nicht mehr auf die Landstraße!

Paulus. Schmier ihm ein paar Watschen hinter die Lauscher, Achazius. Aller Augenblicke macht er jetzt solche Karessen.

Wilhelm. Rühr ihn nicht an, sonst versteh' ich falsch, Bursch! Bub, komm her! Hier ist Essen und Wein, besser als Humaniora schmecken Fleischklöße. Und ihr da, ihr beiden Flegel, werdet auch Appetit haben! Bursch ist Bursch: Proteus sieht da nicht auf den Stand. Wir wollen uns hier wie gleich und gleich aufführen.

Die Bacchanten und Thomas nehmen am Tische Platz und hauen ein.

Hamletzu Thomas. Bist du auch ein Lateinschüler? Treibst du Humaniora wie ich?

Thomas. Wollt's gern sein, aber bin nur ein Packesel.

Paulus. Lüg nicht! täglich bekommst du deinen Unterricht.

Thomas. Ja, täglich bekomme ich meine Stockprügel.

Hamletzu Paulus. Bist du vielleicht ein Poeta laureatus, vom Kaiser gekrönt? Man kann nie wissen in diesem Lande, die Lumpen des Stromers decken mitunter einen irdischen Gott.

Paulus. Ich hab' keinen Ehrgeiz mehr in der Sache.

Achazius. Sein Vater ist Seiler. Er denkt aller Augenblicke ans Aufhängen.

Penneboß. Nicht nötig, der Henker wird ihm die Mühe abnehmen.

Pauluszum Boß. Hast du vielleicht irgendwann einmal von Paul mit der Hellebarde gehört?

Penneboß. Ich kümmre mich nicht um Namen von Raufbolden.

Paulus. Oder von Grand-diable, wie man zuweilen Paul mit der Hellebarde nennt?

Wilhelmironisch. Mir ist, wir hätten die Namen gehört: ein gefürchteter Herkules von der Landstraße.

Achazius. Soll er Euch einmal zeigen, wie man mit einem einzigen Degenstoß eine Fliege durchsticht?

Wilhelm. Auf der Stelle! Hier ist mein Degen. Ich habe deren zwei in der Scheide und behalte einen zurück.

Paulus übernimmt den Degen, betrachtet ihn und steht auf.

Paulusmit Bezug auf Don Pedro. Diese sind zu klein, ich hätte gern eine spanische Fliege. Ich kenne keine größere Lust, als eine spanische Fliege aufzuspießen.

Don Pedrozum Penneboß. Sucht der Kerl Händel?

Penneboß. Mit jedermann.

Don Pedrolaut provozierend. Ich erzählte dir jüngst von Rom, Penneboß: Ich habe die Eskalade auf die Engelsburg mitgemacht. Ich bestieg die Leiter gleich hinter Bourbon. Er bekam einen Schuß und kugelte ab wie ein Butterfaß. Er hatte mich mit hinabgerissen. Aber über seine Leiche drangen wir Kaiserlichen in die Stadt. Wir fanden den Papst und die Kardinäle verkrochen in einem Stall. Alle schluchzten und weinten wie die Kinder. Die Landsknechte brüllten: Luther soll Papst werden! Luther Papst! Luther Papst!

Paulus. Ich habe die Eskalade auf die Mauern von Ninive, Troja, Konstantinopel und Rom ebenfalls mitgemacht. Kommilitonen, ich nahm die Engelsburg auf den Rücken und setzte sie auf Sankt Peters Dom. Ich nahm den Papst bei der großen Zehe, wirbelte ihn um meinen Hut, schleuderte ihn danach in die Höhe, sah ihm bei hellem Tage in die schwarze Nacht des Himmels nach und konnte bemerken, wie er mit der Nase am großen Hundsstern hängenblieb.

Don Pedro. Hijo de puta, hüte dich, mir könnte einmal die Geduld reißen!

Paulus. Den Luther riß ich mit der freien Hand aus seiner Fettlebe zu Wittenberg, stülpte ihm über den Kopf ein Butterfaß. Da hatte er seine päpstliche Krone. Dann setzte ich ihn als Vitzliputzli auf Sankt Peters Thron.

Hamletam Fenster. Es ist eine große Bewegung unter dem seltsamen Volke eingetreten. Irgendwo ist ein Handgemenge. Die Mehrzahl zieht ab.

Don Pedrospringt auf. Dann ist es Zeit, und ich ziehe vom Leder.

Großer Lärm schwillt auf und nähert sich. Die Tür wird aufgestoßen. Ein wildes Durcheinander von Zigeunern bricht ein.Zigeunermutter Brakka verteidigt Hamida wütend gegen Sasteresko.

Brakka. Rette mein Mädchen, Penneboß! Rettet mein Mädchen, Herrn Kavaliere!

Hamidastürzt Hamlet zu Füßen. Rette schuldlose arme Zigeunerkind! Will mir für nix mit die Hammer totschlagen.

Sasteresko. Gleich für gleich! Hurenmensch hat meine einzige Sohn in Tod gehetzt.

Hamlet. Ihr rührt sie nicht an, solange ein braver wittenbergischer Bursch und Lateinschüler noch eine gesunde Ader im Leibe hat!

Brakka