Handbibliothek der Unbehausten - Volker Braun - E-Book

Handbibliothek der Unbehausten E-Book

Volker Braun

4,3
16,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Wovon spricht die Dichtung zu Beginn des 21. Jahrhunderts? Noch immer oder nun erst von der Wildnis der Gesellschaft.

Am Kilometer Null der Empörung, auf der Puerta del Sol in Madrid, sah Volker Braun die Handbibliothek, die seinem neuen Buch den Titel gibt. In ihm stehen die Gedichte wie in improvisierten Regalen, einzelne kleine Schriften, leicht herauszugreifen und zu benutzen. Und von Wanderwesen & Fabelarbeitern ist darin die Rede, den Nackten und den Vermummten, der ungesättigten Menge (ein Riß geht hindurch bis zum Bodensatz), der unbehausten Menschheit. Der Dichter sieht sich auf der warmen Erde, worin die Sohlen wohnen, eine Zuflucht der Sinne suchend und Lust, nicht Hoffnung ziehnd aus dem Rohstoff.

Die vier Sammlungen entstanden in zehn Jahren neben den Prosa- und Theatertexten. »Gedichte sind der Kern der Arbeit, das beiläufige Eigentliche.«

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 45

Veröffentlichungsjahr: 2016

Bewertungen
4,3 (16 Bewertungen)
8
4
4
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Wovon spricht die Dichtung zu Beginn des 21. Jahrhunderts? Noch immer, oder nun erst, von der Wildnis der Gesellschaft.

Am Kilometer Null der Empörung, auf der Puerta del Sol in Madrid, sah Volker Braun die Handbibliothek, die seinem neuen Buch den Titel gibt. In ihm stehen die Gedichte wie in improvisierten Regalen, einzelne kleine Schriften, leicht herauszugreifen und zu benutzen. Und von Wanderwesen & Fabelarbeitern ist darin die Rede, den Nackten und den Vermummten, der ungesättigten Menge (ein Riß geht hindurch bis zum Bodensatz), der unbehausten Menschheit. Der Dichter sieht sich auf der warmen Erde, worin die Sohlen wohnen, eine Zuflucht der Sinne suchend und Lust, nicht Hoffnung ziehnd aus dem Rohstoff. Die vier Sammlungen entstanden in zehn Jahren neben den Prosa- und Theatertexten. »Gedichte sind der Kern der Arbeit, das beiläufige Eigentliche.«

Volker Braun, geboren 1939 in Dresden, lebt in Berlin. 2015 erhielt er den Prix Argana Mondial de la Poésie.

Volker Braun

HANDBIBLIOTHEKDER UNBEHAUSTEN

Neue Gedichte

Suhrkamp

eBook Suhrkamp Verlag Berlin 2016

Der vorliegende Text folgt der Erstausgabe 2016

© Suhrkamp Verlag Berlin 2016

Alle Rechte vorbehalten, insbesondere das der Übersetzung, des öffentlichen Vortrags sowie der Übertragung durch Rundfunk und Fernsehen, auch einzelner Teile. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotografie, Mikrofilm oder andere Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

Für Inhalte von Webseiten Dritter, auf die in diesem Werk verwiesen wird, ist stets der jeweilige Anbieter oder Betreiber verantwortlich, wir übernehmen dafür keine Gewähr. Rechtswidrige Inhalte waren zum Zeitpunkt der Verlinkung nicht erkennbar.

Umschlaggestaltung: Hermann Michels und Regina Göllner

eISBN 978-3-518-74787-2

www.suhrkamp.de

INHALT

Dämon

Bestimmung

Die Befunde

Der Überfluß

Verlegung eines mittleren Reichs

Das wünscht ich mir: das Bretterhaus am Teich

Beijingnan Railway Station, der Abstieg

Beim Wiederbetreten der Zickzackbrücke

Chimerika , , , , ,

Tweet

Prism

Aufklärende Straftat

Die Verantwortung (Rede Jias)

Erfahrung (Rede Lao Mas)

Erwachen. Nach Lu Xun

Die Blitze zaudern

Rede im Regen

Die Wunde

Dämon

Dotterleben

Steinbrech

Stammbaum

Das Früchtchen

Die Liebenden. Vor Dante

Der vertriebene Dante

Inferno IV. Limbus

Birkenau

Kolyma

Chichén Itzá

Vor den Ruinen

Firma Homer

Überall gehn die Lampen aus

Die Mettenschicht

Kassensturz

Diener zweier Herrn

Die Leguane

Die Freiheit

Das Elbtal

Die Gesellschaft

Santorin

7.5.11

Todesstunde

Telephos an Papenfuß

Totenfeier

La traboule

Die Sühnesäulen

Der Verborgene

Das Durchhaus

Die Kastanien

Die Augenhöhle

Künstliche Welt

Geteilte Stadt

Das Mannsfeld

Die Erweckung

Der Nacktstrand

Heckentheater im Herbst

Goyas Grabstatt

Hyatt Cancun Caribe

Wilderness

Eine Mahlzeit aus Schädeln

Der Morgen der Migranten

Das Getwitter

Wilderness

Müde, Material der Macht zu sein

Utøya Utopia

Canto der Traumata

Schattenwirtschaft

Ein saturierter Satyr

Weltall Atlantis

Anhang: Zeitgeist 2

Das schwere Gepäck in den Flughäfen

Das Füttern der Fahrzeuge

Der Köhlerlaube

Das beschädigte Parlament

Declaration of shame

Gespräch über die Bäume im Gezi-Park

Inbesitznahme der großen Rolltreppe durch die medellíner Slumbewohner am 27. Dezember 2011

Das Wolfgang Heisesche Collegium

Schicksal der Schlenstedtschen Bibliothek

Anmerkungen

Dämon

BESTIMMUNG

Ja, mein Sehnen geht ins Ferne

Wo ich heitre Dinge treibe.

Doch bestimmen mich die Sterne

Daß ich fest am Boden bleibe.

Und so gern ich mich erhebe

Zieht mich eine Last nach unten

Eingenäht in mein Gewebe

Hat sie ihren Ort gefunden.

DIE BEFUNDE

Abgemagert mein Leib, er weiß mir den Grund nicht zu sagen

Hart ragt das Sternum heraus, unten am Brustbein der Rist.

Wie sich ein weicher Busen daran befestigen könnte

Der mein Blut beschleunt; fest wie für ewig vertäut.

Und die Seele, auch sie, fühlt sich wie vom Fleisch gefallen

Zwangsernährt von dem Schrott. Bring ich sie durch und womit.

Schon ein liebliches Bild, sie weiß es, würde sie laben

Ruhig vor sie gestellt; sättigen mit einem Blick.

DER ÜBERFLUSS

Glutender Sommer. Die Äste brechen von Äpfeln

In jedem Kriebsch sitzt der Wurm und wird vom Wege gekickt.

So der Weltfuß geht am Morgen über die Wiesen

Und dein Leben und Leib wird in die Büsche versenkt.

Wo ist dein Ziel? Kein Ziel. Dann sage den Grund mir.

Ich versinke darin. Er ist wie Schlamm mir im Mund.

VERLEGUNG EINES MITTLEREN REICHS

Nach Fritz Rudolf Fries

Am Morgen ist das Licht wie gelbe Butter

Tropenhitze um halb acht, das Hemde

Naß klebt am nassen Leib, aha:

Der Klimawandel. Vor der Türe

Das Gras hüfthoch, der Lattich mannshoch

An den Chausseen Eukalyptusbäume.

Der Regionalverkehr verläuft im Farn.

Wir blicken noch mit runden Augen in

Den Niederbarnim: Reis und Auberginen.

Ein grüngelacktes Grün bepißt

Von Flachgesichtern, genial an Zahl.

Es war hier eine Menschheit eingesickert

Und macht sich zu schaffen in den Vorgärten

Hyäzinthenfelder! In unsrer Kleinanlage

Platz für Massen, ihre Massen-Ware

Liegt längst in den Läden, faulige Eier.

Wir waren gar nicht auf die Welt gefaßt.

In meiner Laube in der Mittagsschwüle

Deutet mir ein Dutzend Mann den Erdkreis

Nämlich ganze Völker, Staaten sterben

Wenn sie nichts Unerfülltes in sich fühlen

Erwartungslos Europa, Resterampe

Eurasiens. Am Nachmittag, das Wetter-

Glas kocht, General Li-weng

Marschiert in Malchow ein, verspüren

Wir einmal noch was wie die alte Logik.

Der Mann im Turm gefangen unbeweglich

Inoffizieller Informant: Beschreiber

Seiner Befreier also war er selber

Der arme Fritz auf seinem Wickeltisch

Sieht nun nah und Fernsehn alles eins.

Man glaubt nichts mehr und isset mit den Stäben

DAS WÜNSCHT ICH MIR: DAS BRETTERHAUS AM TEICH

Am Ufer Schilf, Gewisper aus vier Winden.