Harzer Sühne - Silke Mahrt - E-Book

Harzer Sühne E-Book

Silke Mahrt

0,0

Beschreibung

Die LKA-Ermittlerin Carla Altmann kehrt in ihre Heimatstadt Altenau zurück und übernimmt die Leitung der kleinen Polizeistation vor Ort. Sie freut sich auf ein geruhsames Leben mit ihrem Sohn Niklas. Da geschieht ein Mord. Widerwillig beginnt Carla zu ermitteln. Die Spuren führen zu einem lange gehütetem Familiengeheimnis und in die dunkle Vergangenheit des Harzes.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 363

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Silke Mahrt

Harzer Sühne

KRIMINALROMAN

Impressum

Harzer Sühne

ISBN 978-3-96901-072-3

ePub Edition

V1.0 (06/2023)

© 2023 by Silke Mahrt

Abbildungsnachweise:

Umschlag & Porträt der Autorin © Silke Mahrt

Lektorat:

Sascha Exner

Verlag:

EPV Elektronik-Praktiker-Verlagsgesellschaft mbH

Obertorstr. 33 · 37115 Duderstadt · Deutschland

Fon: +49 (0)5527/8405-0 · Fax: +49 (0)5527/8405-21

Web: harzkrimis.de · E-Mail: [email protected]

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Die Schauplätze dieses Romans sind (bis auf wenige Ausnahmen wie Leuterspring oder die Kneipe Achtermann) reale Orte. Die Handlung und die Charaktere hingegen sind frei erfunden. Etwaige Ähnlichkeiten mit lebenden und toten Personen wären reiner Zufall und sind nicht beabsichtigt.

Inhalt

Titelseite

Impressum

Mittwoch, 8. Mai

Donnerstag, 9. Mai

Freitag, 10. Mai

Samstag, 11. Mai

Sonntag, 12. Mai

Montag, 13. Mai

Dienstag, 14. Mai

Mittwoch, 15. Mai

Donnerstag, 16. Mai

Freitag, 17. Mai

Samstag, 18. Mai

Sonntag, 19. Mai

Montag, 20. Mai

Dienstag, 21. Mai

Nachwort

Rezepte

Über die Autorin

Mehr von Silke Mahrt

Eine kleine Bitte

Mittwoch, 8. Mai

»Auf die Plätze, fertig, los!«

Carla Altmann und ihr Sohn Niklas stürmten die Treppen von ihrer Ferienwohnung auf dem Altenauer Glockenberg hinab. Lachend blieb Carla am Treppenabsatz stehen.

»Gewonnen!« Sie schnaubte.

Niklas rannte an ihr vorbei in den Keller und kam gleich darauf mit seinem Mountainbike auf der Schulter zurück.

»Musste noch etwas Energie sparen«, grinste er. »Ich hab’ ja den weiteren Weg.«

Seit dem Ende der Osterferien fuhr er mit seinem Bike zur Schule nach Clausthal-Zellerfeld.

»Fahr vorsichtig!«

Niklas stöhnte.

»Ich werde bald vierzehn!«

»Du bist letzten Monat dreizehn geworden.« Sie wuschelte ihm durch die blonden Locken.

Er verzog das Gesicht. »Du bist auch immer von Altenau nach Clausthal mit dem Fahrrad gefahren, sagt Oma.«

»Damals waren andere Zeiten!«

Niklas grinste. »Du hörst dich an wie Oma!«

Carla seufzte. Nur mit zwei Koffern und einer Reisetasche war sie vor drei Monaten in ihren Geburtsort zurückgekehrt. Seitdem hatte sie sich verändert.

Sie öffnete die Haustür. Niklas schob sein Fahrrad an ihr vorbei.

»Bye, Mutsch. Bis heute Abend. Ich gehe nach der Schule mit zu Simon.«

»Okay, viel Spaß. Aber macht auch Hausaufgaben. Nicht nur am Computer daddeln. Und fahr vorsichtig!«

Niklas verdrehte die Augen, schwang sich auf sein Rad und sauste davon. Kopfschüttelnd sah Carla ihm nach. Wo nahm er nur diese Energie her? Sie stieg die Treppe, die direkt neben dem Haus begann, hinab. Auf halbem Weg setzte sie sich wie fast jeden Morgen auf ihre Lieblingsbank. Dünne Nebelwolken waberten aus dem Tal herauf. Es duftete nach Fichtennadeln, feuchter Erde und ein wenig nach dem Rauch, der aus den Schornsteinen emporstieg. Malerisch zwängte sich die alte Bergarbeiterstadt in das enge Tal. Die Fichten erstrahlten im hellen Grün. Die Meisen zwitscherten ihr Frühlingslied. Es war so idyllisch hier, ganz anders als in Hannover, wo sie die letzten zwanzig Jahre gelebt hatte. Manchmal wollte sie laut schreien, nur um die Ruhe zu durchbrechen.

Der Glockenklang der St. Nikolaikirche riss sie aus ihren Gedanken. Sie erhob sich und stieg die letzten Stufen hinab. Auf der Brücke über die Oker blieb sie stehen und warf einen Blick auf das sprudelnde Wasser. Kurz verspürte sie den Wunsch, dem Fluss zu folgen, irgendwohin, nur weg aus der langweiligen Routine, die ihren Alltag bestimmte. Sie atmete tief ein und ging zügig weiter zur Polizeistation.

Das Revier lag in einem normalen Wohnhaus in der Breiten Straße, die so eng war, dass kaum zwei Autos aneinander vorbeikamen. Sie öffnete die Tür und betrat den Vorraum. Das Telefon klingelte. Es war ein alter stationärer Apparat. Ein Wunder, dass es keine Wählscheibe mehr gab. Von ihrem Kollegen Tom Steiger war nichts zu sehen. Sie griff nach dem Hörer.

»Polizeistation Altenau, Carla Altmann. Was kann ich für Sie tun?«

»Johann Voigt. Meine Eltern. Es ist etwas Schreckliches passiert. Teichstraße 3. Sie sind tot. Ermordet! Bitte kommen Sie schnell.« Das Gespräch endete abrupt.

Carlas Muskeln verkrampften. Ihr Herz raste und kurz musste sie sich an der Schreibtischplatte festhalten, weil ihr schwindelig wurde. Sie atmete tief ein und straffte die Schultern. Wo war Tom? Wahrscheinlich war er wieder zum Rauchen in den Hinterhof gegangen. Sie durchquerte den Dienstraum und öffnete die Hintertür.

»Tom, Johann Voigt hat angerufen, kennst du den? Seine Eltern sind tot. Wir müssen los.« Ihre Stimme zitterte.

Tom saß auf einem Klappstuhl und hielt sein Gesicht in die Sonne. Er zuckte zusammen und drückte seine Zigarette aus.

»Das ist der Apotheker. Magda und Heinrich sind tot? Was ist denn passiert?«

»Weiß ich nicht! Ermordet hat er gesagt!«

Carla drehte sich um und stürzte zurück in die Station. Sie spürte, wie ihr Frühstück, ein Müsli und eine Tasse Tee, langsam ihren Hals hinaufkroch ‒ wie die Angst in ihrem Herzen. Sie öffnete die Tür zur Toilette, knallte sie hinter sich zu und beugte sich über die Toilettenschüssel. Außer einem leichten Würgen passierte nichts. Sie erhob sich. Kurz wurde ihr schwindelig und sie taumelte. Sie ging zum Waschbecken, schöpfte Wasser in ihre hohle Hand und spülte sich den Mund aus. Aus dem Spiegel starrte ihr ein bleiches Gesicht entgegen. Ihre Mundwinkel hingen herab und der blonde Pferdeschwanz fiel kraftlos auf ihren Rücken. Es war der Anblick einer alten Frau.

»Wo bleibst du denn? Ich denke, wir haben einen Einsatz!« Tom pochte gegen die Toilettentür.

Sie straffte die Schultern und trat heraus. Ohne Tom anzusehen, trottete sie zu ihrem Schreibtisch, holte die Dienstwaffe aus dem eingebauten Tresor und band sich das Holster um. Sofort fühlte sie sich sicherer.

»Wir nehmen den Dienstwagen, auch wenn es gleich um die Ecke ist. Wer weiß, was uns erwartet.« Sie warf Tom den Autoschlüssel zu.

* * *

Zwei Minuten später hielten sie vor dem Haus in der Teichstraße 3 und verließen das Auto.

Die Frühlingssonne schien auf das typische Harzhaus mit dunkler Holzfassade. Der Schädel eines erlegten Rehbocks schmückte den Giebel. Im Vorgarten verdrängten Löwenzahnblüten die verblühten Krokusse und Osterglocken. Das Gras war in diesem Jahr noch nicht gemäht worden und eroberte die Blumenbeete zurück. Carla blickte sich um. Es war niemand zu sehen. Sie eilten den Gartenweg entlang auf das Haus zu.

Die massive Holztür zeigte deutliche Spuren der Zeit. Ein neuer Anstrich war überfällig. ›Heinrich und Magda Voigt‹ stand kaum mehr leserlich neben der Klingel, der Briefkasten war gefüllt mit alten Zeitungen.

Carla klingelte. Nichts geschah.

»Vielleicht ist gar nicht abgeschlossen«, sagte Tom, drückte auf die Klinke und öffnete die Tür.

Sie griff nach seinem Arm. »Vorsicht! Wer weiß, was da los ist.«

Ihr Herz raste und kurz kroch die Panik wieder durch ihre Glieder. Sie zog ihre Waffe. Ihr Herzschlag beruhigte sich.

»Komisch, wo ist Johann Voigt? Warum hat er nicht auf mein Klingeln reagiert?«

Tom zuckte mit den Schultern. Sie schob sich an ihm vorbei.

»Herr Voigt, sind Sie da? Hier sind Carla Altmann und Tom Steiger von der Polizei Altenau«, rief sie in den dämmrigen Flur.

Keine Antwort. Sie holte ein Paar Einmalhandschuhe aus ihrer Jacke und streifte sie über. Mit einem Zeichen forderte sie Tom auf, ebenfalls seine Waffe zu ziehen und ihr zu folgen.

Die Luft im Hausflur war abgestanden. Es roch nach alten Menschen, Angst und Schweiß. Über allem lag der süßliche Geruch des Todes.

»Ich geh vor«, wandte sie sich an Tom. »Du bleibst dicht hinter mir.«

Sie straffte die Schultern und atmete tief ein. Erneut setzte der Würgereiz ein. Hatte sie wirklich alles verlernt? Intensives Luftholen an einem Tatort war ein typischer Anfängerfehler.

»Herr Voigt. Polizei Altenau. Melden Sie sich bitte!«

Es blieb still.

Sie schaltete das Licht an und versuchte, sich zu orientieren. Drei Türen zweigten vom Flur ab, eine steile Holztreppe führte nach oben. Die Tür geradeaus stand einen Spaltbreit offen. Carla stieß sie mit dem Fuß weiter auf.

Die Gardinen waren zugezogen. Der Raum lag im Halbdunkel. Rechts in einem abgestoßenen Ohrensessel saß eine Frau. Ihr Kopf mit der grauen Dauerwellenfrisur war auf ihre Brust gesunken. Flüssigkeit war in ihren Mundwinkeln getrocknet, die Augen starr geöffnet. Vor ihr auf dem Fußboden lag ein Mann. Er trug eine altmodische Strickjacke, sein Gesicht war kaum zu erkennen. Um ihn herum hatte sich eine Blutlache gebildet, die schwärzlich schimmerte. Fliegen stoben auf und flogen aufgeregt umher.

Schaudernd wandte sie sich ab. Sie hatte genug gesehen.

»Was ist denn passiert?«, fragte Tom hinter ihr, da sie ihm die Sicht in den Raum versperrte. Er drängte sich an ihr vorbei, stoppte abrupt.

»Geh wieder raus, Tom. Das willst du nicht sehen.« Carla griff nach seinem Arm.

Zu spät. Tom würgte und erbrach sich direkt neben die männliche Leiche. Sie stöhnte. Das würde Ärger mit der Spurensicherung geben. Sie zog ein Taschentuch aus ihrer Jackentasche und reichte es Tom, der sich verlegen den Mund abwischte. Er beugte sich vor, um das Erbrochene aufzuwischen. Sie hielt ihn zurück.

»Lass, du machst es nur schlimmer. Geh nach draußen und ruf die Kollegen in Goslar an. Das hier ist nichts für uns.«

Tom holte tief Luft und presste sich die Hand vor den Mund. Er würgte erneut, wandte sich ab und stürmte hinaus.

Carla trat einen Schritt weiter in das Zimmer. Ihr Herz schlug gleichmäßig. Sie war plötzlich ganz ruhig. Die befürchtete Panikattacke blieb aus. Langsam drehte sie sich um ihre eigene Achse, erfasste die Gerüche, die Position der beiden Leichen, den Raum. Eine massive Eichenholzschrankwand mit Porzellanfiguren und einem Mokkaservice, das Bild eines röhrenden Hirschs über dem verschlissenen Sofa, zahlreiche Fotorahmen an der Wand. Die meisten zeigten einen Mann in verschiedenen Uniformen, Feuerwehr, Schützenverein, in Tracht.

Die Blutlache um den Kopf des Mannes war seltsam verschmiert, als habe jemand versucht, sie aufzuwischen. Daneben lag eine bronzene Figur. Vielleicht ein Pokal und mit Sicherheit die Tatwaffe.

Sie suchte nach Spuren, die ihr ins Auge fielen, weil sie nicht in diese verlebte Wohnung passten, rekonstruierte in Gedanken das Verbrechen. Es herrschte zwar Chaos, doch es sah nicht so aus, als hätte jemand das Zimmer systematisch durchsucht. Die meisten Schubladen waren geschlossen. Der große, deplatziert wirkende Flachbildschirm stand unberührt vor der Schrankwand, an den Fingern der alten Frau steckten auffällige, klobige Ringe, die wertvoll aussahen. Nichts deutete auf einen Raubmord hin.

Sie betrachtete erneut die beiden Leichen. Automatisch holte sie ihr Smartphone heraus und fotografierte die Toten, die Blutlache und den Pokal. Dann drehte sie sich um. Es war nicht ihr Fall. Sie würde nie mehr ermitteln. Erleichtert verließ sie das düstere Haus und trat hinaus ins Sonnenlicht.

Tom stand rauchend auf dem Bürgersteig und wackelte von einem Bein auf das andere. Er war blass. Das Taschentuch hielt er wie einen Rettungsanker fest umklammert.

»Hast du die Kripo erreicht?« Carla atmete die kühle Frühlingsluft ein.

»Jo, hab’ ich. Kriminaloberkommissar Meyerding kommt vorbei. Die Spurensicherung schicken sie auch.« Er druckste herum. »Es tut mir leid. Ich habe bestimmt etwas Falsches gegessen. Kriege ich jetzt Ärger, weil ich direkt neben die Leiche ...?«

Carla legte ihm den Arm um die Schulter. »Lässt sich ja nicht mehr ändern.«

Tom stöhnte. »Bei Unfallopfern, da kann ich was tun, da werde ich gebraucht, aber das da ... Und der Gestank und die Fliegen. Ich glaube, ich kann niemals wieder etwas essen. Auf jeden Fall kein Fleisch. Wie hast du es so lange darin ausgehalten?«

»Die beiden sind mindestens drei Tage tot. Da riecht es furchtbar, wenn es warm ist. Die Heizung war an. Du darfst einfach nicht durch die Nase atmen und du musst innerlich zurücktreten. Niemand gewöhnt sich wirklich daran.«

Sie zog ein Paket Kaugummi aus der Tasche ihrer Motorradjacke. »Hier nimm. Manchmal hilft es.«

Wenn es nicht gegen seine Übelkeit half, dann wenigstens gegen seinen schlechten Atem. Sie steckte sich ebenfalls einen Kaugummistreifen in den Mund.

»Hast du versucht, den Sohn zu erreichen? Wo ist er überhaupt?«

»Jo, hab’ ich. Er ist erst beim dritten Versuch ans Telefon gegangen.« Erleichtert kaute Tom auf dem Kaugummi. Er schmatzte leise.

»Warum hat er nicht auf uns gewartet? Braucht er einen Arzt?«

»Nö, er war ganz ruhig. Er konnte nicht warten, weil in der Apotheke viel zu tun ist, hat er behauptet. Dabei ist die mittwochs geschlossen. Das Leben geht weiter, hat er gesagt, und das Geschäft muss laufen. Als würde hier noch ein Geschäft laufen. Kauf im Ort, sonst sind wir fort, sag ich nur ...« Tom hatte zu seiner alten Redseligkeit zurückgefunden.

Carla schüttelte den Kopf. Während ihrer Zeit beim LKA Hannover hatte sie mehrmals Todesnachrichten überbracht. Die Angehörigen reagierten unterschiedlich. Manche brachen zusammen, andere erstarrten und einige flüchteten sich in die Alltagsroutine. Das Verhalten von Johann Voigt kam ihr jedoch seltsam vor. Sie dachte an Toms Reaktion. Wie mussten der Anblick und der Geruch erst den Sohn des alten Ehepaars verstört haben? Hatte er etwas mit dem Tod seiner Eltern zu tun? Die meisten Tötungsdelikte in Deutschland waren Beziehungstaten. Warum hatte er dann die Polizei angerufen? Andererseits waren die beiden alten Menschen bereits einige Tage tot. Vielleicht hatte er die Unsicherheit nicht länger ausgehalten.

Stopp, bremste sie sich. Das ist nicht mein Fall. Ich will das alles nicht mehr. Das habe ich entschieden.

Im nächsten Augenblick hörte sie die Sirenen. Drei Polizeiwagen stoppten. Die Reifen quietschten. Ein Krankenwagen folgte.

Carla seufzte. Bisher hatten sich keine Schaulustigen vor dem Haus versammelt. Durch das lautstarke Eintreffen der Kollegen aus Goslar würde sich das in Windeseile ändern.

»Meyerding. Wir übernehmen hier«, dröhnte eine Stimme hinter ihr. Erschrocken drehte sie sich um. Vor ihr stand ein übergewichtiger, etwa sechzigjähriger Kerl. Die Hose wurde von einem breiten Gürtel unter dem Bauch gehalten. Im Gesicht waren zahlreiche Äderchen geplatzt. Der Kopf war rot und Schweißtropfen glänzten auf seiner Stirn.

»Guten Tag, Kriminalhauptkommissarin Carla Altmann, und das ist mein Kollege, Polizeimeister Tom Steiger. Schön, dass Sie da sind.« Sie hielt Meyerding die Hand hin, die dieser ignorierte. »Dort drinnen sind zwei Tote. Nach Aussage des Apothekers Johann Voigt seine Eltern, Heinrich und Magda Voigt. Beide sind seit mindestens drei Tagen tot. Der Mann wurde erschlagen. Bei der Frau ist die Todesursache nicht ersichtlich. Keine Einspruchsspuren«, fasste sie das Geschehen routiniert zusammen. »Allerdings ist meinem Kollegen ein kleines Missgeschick passiert. Es waren seine ersten Mordopfer«, fügte sie hinzu.

»Es tut mir leid«, stammelte Tom mit hochrotem Kopf. Carla stupste ihn an. Es war unnötig, sich bei diesem unsympathischen Typen zu entschuldigen.

»Was machen Sie hier überhaupt. Haben Sie keine anständige Uniform?« Kommissar Meyerding musterte Carla von oben bis unten. Sein Blick blieb einen Moment zu lange auf Höhe ihres Busens. »Wenn Sie schon alles wissen, können wir ja wieder fahren.« Er wedelte mit dem Armen. »Und nun machen Sie Platz, bevor Sie noch mehr Unheil anrichten. Sperren Sie den Tatort weiträumig ab, leiten Sie den Verkehr um. Sorgen Sie dafür, dass wir hier in Ruhe arbeiten können und zerbrechen Sie sich nicht weiter Ihren hübschen Kopf.«

Mit diesen Worten drängte er sich an der zierlichen Carla vorbei und stiefelte in das Haus. Seine Kollegen, die schweigend hinter ihm gestanden hatten, folgten ihm.

Carlas Herz klopfte heftig. Was war das denn gewesen? War sie früher auch wie ein Elefant im Porzellanladen am Tatort in fremden Revieren herumgetrampelt und hatte die örtlichen Kollegen herumkommandiert?

Tom eilte davon, um das Absperrband aus dem Auto zu holen. Er war immer noch blass und konnte sie kaum ansehen. Sie folgte ihm zum Dienstwagen und griff nach den Leitkegeln, um die Straße zu blockieren.

»Mach dir nichts draus. Das passiert den meisten irgendwann. Jeder kommt mal an einen Tatort, den er nicht aushalten kann.« Sie lächelte Tom aufmunternd an.

»Dir auch?«

Sie seufzte. »Natürlich. Das erzähle ich dir später mal abends bei einem Glas Bier.«

Kurz wunderte sie sich über ihr Angebot. Sie hatte sich noch nie privat mit Tom getroffen. Irgendetwas war heute anders.

»Gerne, Chefin.« Er strahlte.

Sie verzog das Gesicht. Sie arbeiteten gleichberechtigt zusammen, auch wenn sie einen viel höheren Dienstgrad hatte. ›Chefin‹ war ein Wort aus einer anderen Zeit.

»Okay, jetzt ran an die Arbeit.«

Sie sicherten den Tatort. Carla fand das völlig unnötig, obwohl sich langsam ein paar Schaulustige einfanden. Sie waren durch die Sirene und das Polizeiaufgebot angelockt worden. Viele fragten, was bei den Voigts geschehen war.

Carla gab bloß vage Auskünfte. Gleichzeitig beobachtete sie, wer hier herumstand. Das Verhalten von Angehörigen und Nachbarn gab oft wichtige Hinweise. Sie dachte an die merkwürdige Reaktion des Sohnes. Dem musste sie unbedingt nachgehen.

Etwas weiter entfernt stand ein junger Mann. Er war Ende zwanzig und behielt das Treiben aus sicherer Entfernung im Auge. Er war schwarz gekleidet und hatte ein Käppi tief in das Gesicht gezogen. Er trat unruhig von einem Bein auf das andere, schlenderte ein Stück die Straße hinauf, um gleich darauf erneut umzukehren. Entschlossen steuerte sie auf ihn zu, doch er verschwand hinter einem Gebäude. Sie kehrte gemächlich um. Dies ist nicht mein Fall, erinnerte sie sich.

Nach einer Stunde verließen Meyerding und sein Team das Haus. Ohne Carla und Tom eines Blickes zu würdigen, gingen sie in Richtung der geparkten Polizeiwagen.

Carla stellte sich ihnen in den Weg.

»Haben Sie schon einen Verdacht, was dort passiert ist? Wir könnten ...«

»Klassischer Raubmord«, brummte Meyerding und stieg in den Wagen. Das Auto fuhr los und stoppte gleich wieder. Das Fenster öffnete sich. »Ich erwarte umgehend Ihren Bericht«, brüllte er und düste mit überhöhter Geschwindigkeit davon.

Entgeistert schaute Carla ihm nach. Was war denn das für ein Auftritt? Nichts deutete auf einen Raubmord hin.

»Komm, wir fahren zurück zum Revier. Dort können wir ungestört reden,« wandte sie sich an Tom.

* * *

»Klassischer Raubmord, dass ich nicht lache. So einen Schwachsinn habe ich noch nie gehört!« Carla knallte ihre Tasse mit dem Tee auf den Schreibtisch und schaute Tom an. Die Flecken, die sie damit auf einigen Papieren erzeugte, bemerkte sie nicht.

Die beiden waren in das Polizeirevier zurückgekehrt und Tom saß vor seinem PC. Mit dem Zwei-Finger-Suchsystem tippte er den Bericht für Kommissar Meyerding.

Das Revier bestand nur aus zwei Räumen. Ein halbhoher Raumteiler trennte den Eingangsbereich für die Besucher von ihren Arbeitsplätzen, zwei Schreibtischen mit PC und einem Drucker. Es gab weder eine Küche noch einen Umkleideraum, lediglich einen winzigen Waschraum mit Toilette, den beide gemeinsam nutzten. Auf einem Aktenschrank standen Toms Kaffeemaschine und Carlas Wasserkocher. Im hinteren Bereich gab es einen fensterlosen Raum für Vernehmungen und vertrauliche Gespräche. Er war vollgestellt mit ausrangierten Möbeln und diente als Lager.

Tom schaute auf. »Du, Chefin, wegen vorhin ...«

Carla erhob sich und schlenderte zu ihm hinüber.

»Hör mir mal gut zu, Tom. Erstens bin ich nicht deine Chefin und zweitens vergessen wir das Missgeschick einfach. Es muss niemand erfahren, wenn es dir peinlich ist.«

Tom schluckte. »Okay, weißt du, ich kriege die Bilder nicht aus meinem Kopf. Die Fliegen und das viele Blut. Wer macht denn so was? Das waren normale alte Leute. Die haben keinem etwas getan. Und Reichtümer hatten die auch nicht. Heinrich Voigt, der war Lehrer. Da gab es nichts zu holen.«

»Natürlich gab es bei denen nichts zu holen. Das mit dem Raubmord ist gequirlte Scheiße. Oder hast du schon mal von Einbrechern gehört, die am Ende die einzigen wertvollen Gegenstände wie den Flachbildfernseher und den Schmuck nicht mitnehmen? Nee, da ist ganz etwas anderes passiert. Egal, was der Meyerding sagt.«

»Und was machen wir jetzt? Ich meine, wenn ich den Bericht fertig geschrieben habe?«

»Nichts, das ist Meyerdings Fall. Er wird schon merken, dass er mit der Raubmordtheorie falschliegt.« Ganz sicher war sie sich nicht. Der Kollege wirkte alles andere als kompetent.

Tom hackte weiter mit den Fingern auf die Tastatur.

Sie trank einen Schluck Tee. Sie hatte Sehnsucht nach einer Zigarette und einer Tasse starkem Kaffee. Früher beim LKA war das zu Beginn jeder neuen Ermittlung ihr Ritual gewesen. Gemeinsam mit den Kollegen die erste Fallbesprechung in der Raucherecke, wenn die Eindrücke frisch waren. Jetzt saß sie hier und ließ sich von einem hergelaufenen Kriminaloberkommissar herumkommandieren. Raubmord, bei der Spurenlage. Unfassbar.

»Du, Tom, hast du eine Zigarette für mich?«

»Was, du rauchst? Ich dachte, du bist ein Gesundheitsapostel mit grünem Tee, kein Fleisch, Bio und so.«

»Hast du nun eine oder nicht?«

»Jo, ist gut. Willst du auch einen Kaffee?«

Sie zögerte. »Danke. Zigarette reicht fürs Erste.« Sie folgte ihm nach draußen.

Im Innenhof standen zwei ausrangierte Gartenstühle. Efeu wuchs die Mauern empor und die Spatzen schimpften lauthals. Wahrscheinlich fühlten sie sich durch die Eindringlinge gestört. Carla und Tom setzten sich und rauchten schweigend. Sie horchte in sich hinein. Keine Spur von Panik, stattdessen die bekannte Aufregung zu Beginn einer Ermittlung.

Carla richtete sich auf.

»Lass uns zu Johann Voigt gehen. Ich möchte wissen, warum er nicht auf uns gewartet hat.« Sie drückte ihre Zigarette im bereitstehenden Blumentopf aus.

»Ich denke, das ist nicht unser Fall?« Tom grinste unternehmungslustig.

Sie zuckte mit den Schultern. »Amtshilfe!«

* * *

Dieses Mal gingen sie zu Fuß. Der Weg zur Apotheke führte an der Bäckerei Moock vorbei. Tom blieb stehen.

»Es ist doch Mittagspause«, er zögerte kurz, »und ich habe ein ganz flaues Gefühl im Magen. Vielleicht ist es Hunger.« Er sah Carla fragend an.

Sie grinste. »Bestimmt! Hol dir was zu essen. Johann Voigt läuft uns schon nicht weg.«

»Für dich auch was?«

»Nein, danke.« Ihr war plötzlich wieder schwindelig und kurz blitzte das Bild der ermordeten Voigts vor ihr auf.

Tom verschwand in der Bäckerei und kehrte mit einem doppelt belegten Sandwich zurück. Er schlang das Brötchen im Gehen hinunter. Carla schmunzelte. Tom konnte immer essen. Dabei war er dünn wie eine Bohnenstange, allerdings zeichneten sich in seiner Uniform die kräftigen Armmuskeln ab. Er überragte sie um zwei Köpfe. Nach wenigen Minuten hatten sie ihr Ziel erreicht und Tom seinen Imbiss verspeist.

Im unteren Teil des Hauses befanden sich die Geschäftsräume, im oberen Geschoss die dazugehörige Wohnung. Wie erwartet war die Apotheke mittwochs geschlossen. Carla klingelte an der Haustür. Niemand öffnete.

»Er muss da sein. Es brennt Licht. Außerdem wollte er unbedingt arbeiten«, wunderte sich Tom und drückte erneut auf den Klingelknopf.

Nach geraumer Zeit hörten sie Schritte und die Tür wurde aufgerissen. Johann Voigt sah sie stirnrunzelnd an. Er trug einen weißen Kittel.

»Was wollen Sie denn? Ich habe bereits alles mit Oberkommissar Meyerding besprochen.« Er sprach direkt zu Tom und ignorierte Carla. »Raubmord durch Flüchtlinge, sagt der Kommissar. Dabei gab es bei meinen Eltern kaum etwas zu holen. Heute werden Menschen schon für ein paar Euro ermordet.«

»Guten Tag. Kriminalhauptkommissarin Carla Altmann und Polizeimeister Tom Steiger von der Polizei Altenau. Bitte entschuldigen Sie die Störung. Mein aufrichtiges Beileid. Wir haben noch einige Fragen«, mischte Carla sich ein, ohne auf den gereizten Ton einzugehen.

»Das ist ja wie im Fernsehen. Sie wollen sicher wissen, wo ich heute Morgen gewesen bin. Das habe ich dem Kommissar bereits gesagt. Ich habe bis acht Uhr geschlafen, die Apotheke ist mittwochs geschlossen. Anschließend habe ich in Ruhe gefrühstückt und bin zu meinen Eltern. Da habe ich die beiden gefunden.« Johann Voigt schluckte hörbar. »Haben Sie sonst noch Fragen?« Er stand breitbeinig in der Haustür und machte keine Anstalten, sie hereinzubitten.

Carla stutzte. Was sollte das denn? Warum gab er ihnen ungefragt ein Alibi und dann noch für heute Morgen. Er musste doch gesehen haben, dass seine Eltern bereits seit längerem tot waren. Normalerweise wollten Angehörige unbedingt mit der Polizei sprechen, hatten Fragen oder wollten einfach nur reden. Der Sohn verhielt sich wirklich verdächtig. Wäre sie bloß gleich bei ihm vorbeigegangen, während Meyerding am Tatort war. Jetzt war ihr der Idiot zuvorgekommen und hatte seine Raubmordtheorie verbreitet.

Sie straffte die Schultern und trat einen Schritt auf Johann Voigt zu. Dabei starrte sie ihm in die Augen. Tom stellte sich direkt neben sie.

»Können wir reinkommen?«

»Es passt wirklich schlecht. Meiner Frau geht es nicht gut. Sie liegt mit Migräne im Bett. Der Tod meiner Eltern hat sie sehr erschüttert.«

»Es dauert nicht lange. Sie können uns auch gerne aufs Revier begleiten, wenn das für Sie angenehmer ist.« Carla lächelte.

Der Apotheker zögerte einen Moment und wich dann zurück.

»Okay kommen Sie kurz rein. Ziehen Sie die Schuhe aus und leise bitte. Wie gesagt, meine Frau hat Migräne und schläft.«

Auf Strumpfsocken betraten Carla und Tom den Flur des Apothekerhauses. Carla blickte auf Toms selbstgestrickte gelbe Wollsocken und unterdrückte ein Grinsen. Gut, dass sie heute frische Strümpfe angezogen hatte.

Johann Voigt öffnete die Innentür zur Apotheke und führte sie in einen Raum hinter den Regalen. Es handelte sich um eine Mischung aus Aufenthaltsraum und Büro und war noch spartanischer eingerichtet als das Polizeirevier. Ein Bistrotisch mit vier unbequemen Stühlen und ein Schreibtisch von IKEA mit PC und Drucker. Auf einer niedrigen Anrichte stand eine verschmutzte Kaffeemaschine, daneben schimmelten zwei benutzte Kaffeebecher vor sich hin. In einer Ecke sah sie ein klappriges Bettgestell. Das Bettzeug lag zusammengeknüllt darauf. Der Raum roch nach altem Schweiß und kaltem Kaffee. Und dafür hatten sie die Schuhe ausgezogen.

Der Apotheker bot ihnen keinen Platz an. Tom lehnte sich an den Schreibtisch, der bedenklich wackelte. Carla verschränkte die Arme und musterte Johann Voigt von oben bis unten.

»Wann haben Sie Ihre Eltern das letzte Mal gesehen oder gesprochen?«

»Warten Sie, das war … ich erinnere mich. Am Ostersonntag hat Hanna sie angerufen, um ihnen ein frohes Osterfest zu wünschen. Das war auf jeden Fall am Vormittag, denn mittags waren wir in Bad Harzburg zum Essen und nachmittags und abends bei meinen Schwiegereltern.«

»Und danach haben Sie nichts mehr von Ihren Eltern gehört oder sie gesehen? Haben Sie noch mal mit ihnen telefoniert? Oder Ihre Frau vielleicht?« Ostern war fast drei Wochen her.

»Nein«, antwortete der Apotheker barsch. »War’s das? Ich habe zu tun.«

»Warum haben Sie nach Ihrem Anruf nicht auf uns gewartet?«, fragte Carla, ohne auf den Einwurf einzugehen.

»Ach, ich war durcheinander. Dieser Anblick, das war zu viel für mich. Ich wollte nur noch weg. Und jetzt kommen Sie mit all diesen Fragen. Da kommt alles wieder hoch. Muss das denn wirklich sein?«

Seine Stimme klang weinerlich. Der Tonfall kam Carla einstudiert und künstlich vor. Er stand breitbeinig mitten im Raum und wirkte eher genervt als betroffen.

»Eine Frage noch. Können Sie sich vorstellen, wer Ihren Eltern das angetan hat? Hatten die beiden Feinde?«

Johann Voigt stutzte und wischte sich mit dem Handrücken über die Stirn, auf der sich Schweißtropfen gebildet hatten.

»Nein, das waren normale alte Menschen. Mein Vater war ein angesehener Mann hier im Ort. Lehrer und Bürgermeister und jahrelang Vorsitzender des Heimatvereins, genau wie ich heute. Meine Mutter hat ihr Leben lang den Haushalt geführt und war in der Kirchengemeinde aktiv. In den letzten Jahren haben sich die beiden immer mehr zurückgezogen. Mit dem Alter kamen die Wehwehchen. Sie haben keinem etwas getan.« Er trat auf Carla zu und starrte sie an. »Außerdem war es Raubmord, sagt Oberkommissar Meyerding. Sicher irgendwelche Drogensüchtigen oder Asylbewerber. Walpurgis sind alle unterwegs. Das ist bekannt. Die dachten bestimmt, es wäre niemand zu Hause und sie hätten leichte Beute. Von hier war das keiner«, betonte er.

Carla wollte ihn nicht verbessern. Je weniger er wusste, desto eher würde er sich verplappern. Seine Eltern waren nicht an Walpurgis getötet worden und es war mit Sicherheit kein Raubmord.

»Wenn Sie weiter keine Fragen mehr haben. Ich muss arbeiten. Kommissar Meyerding wird den Täter bestimmt schnell finden.« Johann Voigt drehte sich um, ohne Carla und Tom eines Blickes zu würdigen. Er marschierte durch die Apotheke Richtung Tür und öffnete sie. »Haben Sie sich in letzter Zeit mal darum gekümmert, wer ständig auf dem Spielplatz an der Oker die Bänke beschmiert? Das sieht furchtbar aus. Da ist es kein Wunder, wenn die Touristen wegbleiben. Wir vom Heimatverein geben uns viel Mühe, aber wenn nicht alle an einem Strang ziehen ...« Er hielt die Tür auf. »Ich muss Sie jetzt wirklich bitten zu gehen.«

Carla schaute Tom an und zuckte mit den Schultern. Mehr würden sie heute nicht von Johann Voigt erfahren und leider hatte sie keinerlei Handhabe, ihn mit auf das Revier zu nehmen. Innerlich fluchte sie. Wie war sie nur in diese Situation geraten?

»Na, das war ja ein eleganter Rausschmiss.« Tom äffte die Stimme des Apothekers nach. »Haben Sie sich in der letzten Zeit mal darum gekümmert, wer ständig auf dem Spielplatz die Bänke beschmiert? Und von wegen, seine Eltern waren beliebt und hatten keine Feinde. Die alten Voigts waren schon speziell. Über Tote soll man ja nichts Schlechtes sagen, aber gemocht hat die hier niemand. Nicht einmal ihr eigener Sohn, wie es aussieht. Wenn der sie drei Wochen nicht besucht hat.« Tom schüttelte den Kopf. »Und, was machen wir nun?«

»Nun rauchen wir eine, trinken bei Moock einen Kaffee und überlegen in Ruhe, was das alles zu bedeuten hat. Anschließend hören wir uns bei den Nachbarn um. Vielleicht hat jemand etwas beobachtet. Die Bänke auf dem Spielplatz können jedenfalls warten.«

Tom grinste. »Jo, Chefin. So stelle ich mir eine Ermittlung vor.«

* * *

Carla seufzte, als sie das Café der Bäckerei betraten. Gustav Oberhofer, der pensionierte Chef der Polizeistation, saß an einem Tisch. Vor ihm standen ein Pott Kaffee und ein Teller mit zwei halben Mettbrötchen. Als er Carla und Tom sah, erhob er sich und winkte mit beiden Armen.

»Schön, dass ihr kommt. Setzt euch. Ich gebe eine Runde aus. Kaffee und Schokokuchen? Oder lieber ein Mettbrötchen?« Er deutete auf seinen Teller. »Was war denn bei den alten Voigts los? Riesentrubel, hab’ ich gehört.«

Gustavs Stimme schallte durch den Raum. Die Gäste an den Nachbartischen verstummten und starrten in Richtung der Polizisten. Tom holte tief Luft. Carla trat ihm unsanft auf den Fuß.

»Ach, Gustav, du weißt, wie das ist. Laufende Ermittlungen und so.«

Sie blinzelte dem alten Kollegen zu. Gustav langweilte sich seit seiner Pensionierung. Er tauchte ständig in der Polizeistation auf, hielt sie von der Arbeit ab oder gab ihr kluge Ratschläge, wie dies oder jenes zu machen war. Sie kannte und schätzte ihn seit ihrer Jugend, er war ein Freund ihrer Eltern, aber er war halt kein Polizist mehr und sie wollte einfach nur ihre Ruhe.

Er zog sie in seine Arme. »Klar Klähnes, geheime Verschlusssache hier in Altenau. Nun hab dich man nicht so. Das zwitschern die Spatzen von den Dächern, dass Heinrich und Magda erschlagen wurden.«

Carla befreite sich aus seinen Armen. Tom hatte sich inzwischen auf einen freien Stuhl gesetzt. Widerwillig setzte sie sich ebenfalls hin.

Gustav erhob sich. »Ich hol euch mal was. Mit leerem Magen kann man nicht richtig nachdenken.« Er zwinkerte Tom zu. »Ermitteln macht hungrig. Das weiß ich noch aus meiner Zeit und du bist sowieso noch im Wachstum.«

Tom verdrehte die Augen. Carla sah ihn verwundert an. Tom und Gustav, die beiden wirkten auf sie sonst immer wie ein altes, in Liebe ergrautes Ehepaar.

Kurz darauf war Gustav wieder da.

»Zwei Pott Kaffee, eine Tasse Grünen Tee und für euch Schokokuchen.« Er stellte das Tablett auf den Tisch und setzte sich. »Na, habt ihr eine Spur? Wenn ihr mich fragt, dann war es der Johann. Gründe hatte er genug, die beiden umzubringen.« Er wandte sich an Tom. »Frag deine Eltern. Sie werden dir das bestätigen.«

Tom reckte sich zu seiner vollen Größe von fast zwei Metern. Bevor er antworten konnte, erklärte Carla: »Goslar hat übernommen. Oberkommissar Meyerding. Er geht von einem Raubmord aus.«

»Und das lasst ihr euch gefallen? Der Meyerding ist ein Idiot, war der schon immer. Deshalb ist er in seinem Alter auch nur Oberkommissar. Den haben sie bei den Beförderungen jedes Mal übergangen und jetzt und wartet er nur noch auf seine Pensionierung. Der sitzt das alles aus. Altenau ist unser Revier. Hier ermitteln wir.«

Gustav lief rot an. Er hatte seit einigen Jahren Probleme mit dem Blutdruck. Carla musterte ihn von der Seite. Er hatte zugenommen und sah überhaupt plötzlich richtig alt aus. Es war ihr bisher noch gar nicht aufgefallen.

Tom strahlte seinen ehemaligen Chef an. »Das machen wir.«

Carla verdrehte die Augen. Ein unerfahrener Polizeimeister und ein pensionierter Polizeiobermeister auf Mörderjagd im Harz.

»Mensch, Gustav, du weißt, wie das heute läuft. Wir sind hier nicht im Fernsehen. Die Spurensicherung war da. Jetzt wird alles ausgewertet. Die technischen Möglichkeiten haben wir nicht. Lass die Kripo machen. Das ist deren Aufgabe.«

»Carla, Klähnes. Du warst beim LKA, hast eine ganze Abteilung geleitet. Du warst eine der Besten. Nicht, weil du dich auf die Technik verlassen hast, sondern weil du die richtige Nase hast, das richtige Bauchgefühl.« Er legte sich die Hand auf seinen vorgewölbten Bauch. »Sei ehrlich: Sagt dein Bauchgefühl Raubmord? Bei den alten Voigts? Da war nichts zu holen.«

Carla zuckte mit den Schultern. Gustav nannte sie seit ihrer Kindheit Klähnes. Das würde sie ihm auch nicht mehr abgewöhnen können. Trotzdem war es ihr hier, im voll besetzen Café, peinlich. Immerhin war sie die leitende Polizeibeamtin vor Ort.

»Vielleicht hast du recht, Gustav. Vielleicht war es kein Raubmord. Hier ist auf jeden Fall nicht der richtige Ort, um das zu besprechen.« Sie sah auf die Uhr. »Außerdem ist Feierabend. Ich muss. Niklas wartet. Wir wollen noch zum Windbeutel-König. Und danke für den Kaffee. Bitte tut mir den Gefallen und diskutiert hier nicht lautstark über Verdächtige. Ihr seid keine Privatleute, die die Gerüchteküche anheizen. Wir sehen uns morgen früh im Büro.«

Sie lächelte, klopfte Gustav auf die Schulter und schob ihm das unangerührte Kuchenstück hinüber. Sie nickte Tom zu und verließ das Café. Erst auf der Straße fiel ihr auf, dass sie Gustav quasi in die Polizeistation eingeladen hatte. Eigentlich hatte sie nur Tom gemeint, doch sie war sich sicher, dass der pensionierte Revierleiter pünktlich da sein würde. Na ja, vielleicht nach einem ausgiebigen Frühstück.

Außerdem hatte sie mit Tom noch die Nachbarn befragen wollen. Aber das hatte Zeit bis morgen. Seit der Tat waren mindestens drei Tage vergangen und es waren nicht ihre Ermittlungen. Sollte der Meyerding doch Überstunden machen.

* * *

Tom blickte Carla nach. Irgendwie war sie heute anders als in den letzten Wochen. Nervöser. Sie glich einem Rennpferd kurz vor dem Start. Eigentlich wusste er so gut wie gar nichts über sie.

»Na, wie kommt ihr klar?« Gustav legte ihm die Hand auf den Arm. »Hatte es nicht leicht, die Klähne, in den letzten Monaten.«

Tom hob die Augenbrauen, sagte aber nichts. Vielleicht erzählte Gustav ihm endlich, warum eine Kriminalhauptkommissarin vom LKA plötzlich in einer kleinen Polizeistation im Harz arbeitete. Doch der schwieg und rührte in seinem Pott Kaffee.

»Wieso?«, fragte Tom schließlich.

Gustav schüttelte den Kopf. »Ich sag’ da nichts zu. Vielleicht erzählt sie es dir irgendwann selbst. Pass auf jeden Fall ein bisschen auf sie auf. Sie ist nicht so ein Eisklotz, wie es manchmal scheint.«

»Sie kommt von hier, oder?«

»Ja, sie ist in Altenau aufgewachsen, aber gleich nach dem Abitur weg. Ihre Eltern leben noch hier, allerdings ist sie nur selten zu Besuch gekommen.« Gustav griff nach seinem Mettbrötchen. »Haste endlich eine Freundin oder willst du ewig bei Mama und Papa wohnen bleiben?«

Tom sank auf seinem Stuhl zusammen. Seine Wangen färbten sich rot. Musste Gustav schon wieder mit dem Thema anfangen. Es reichte, dass sein Vater in der letzten Zeit ständig Anspielungen machte. Er zog Carlas Teller mit dem Schokokuchen zu sich heran.

»Du hast sowieso schon ganz schön zugelegt.« Er zeigte auf Gustavs Bauch. »Das sind mindestens zehn Kilo. Besser, ich esse den Kuchen«, wechselte er das Thema.

Gustav brummte und schob sich den letzten Rest Mettbrötchen in den Mund.

»Und, wie wollt ihr jetzt weiter vorgehen?«

»Eigentlich wollten wir heute noch die Nachbarn befragen, aber das hat Carla wohl vergessen.« Tom zuckte mit den Achseln. »Ich weiß nicht. Ich habe ja noch nie in einem Mordfall ermittelt.« Kurz dachte er an die vielen Krimis im Fernsehen. Da waren es oft einfache Dorfpolizisten, die die entscheidende Spur fanden.

»Carla hat Erfahrung. Viel mehr als der Meyerding. Die bringt dir schon alles bei.« Gustav erhob sich. »Ich hole mir ein Stück Kuchen. Möchtest du auch noch eins?«

Tom schüttelte den Kopf. Bestimmt hatte seine Mutter gebacken. Er stand auf.

»Bleib sitzen!«, kommandierte Gustav. »Allein essen macht keinen Spaß. Außerdem muss ich dir noch was erzählen.«

Tom sank zurück auf seinen Stuhl und blickte auf die Uhr. Eigentlich wollte er nach Hause, doch gegen Gustav konnte er sich noch nie durchsetzen. Also blieb er sitzen und wartete geduldig auf die Rückkehr seines alten Chefs.

* * *

Carla schloss die Wohnungstür auf.

»Hey, Mutsch, da bist du ja endlich. Du hast mir versprochen, dass wir zum Windbeutel-König fahren. Hast du das vergessen?«

Niklas klang muffig.

»Sorry, in Altenau hat es einen Todesfall gegeben. Deshalb bin ich so spät. Ich gehe schnell duschen, dann können wir los.«

»Schlimm?« Er musterte sie von oben bis unten. »Was ist denn passiert? Musst du ermitteln?«

»Nein, keine Angst. Das ist nicht unser Fall. Das ist etwas für die Kollegen der Kripo aus Goslar. Tom und ich haben bloß den Tatort abgesperrt. Keine Todesfälle mehr für Carla Altmann, das habe ich dir versprochen«, beruhigte sie ihn. Sie wuschelte ihm durch die blonden Locken. »Wie war es in der Schule?«

Er duckte sich weg. »Wie immer. Und lass meine Haare. Ich bin kein Kind mehr.«

Sie lächelte. »Mein Kind bleibst du dein Leben lang.«

Er verdrehte die Augen. »Beeil dich lieber. Wir müssen los.«

Carla sprang unter die Dusche, zog sich eine frisch gewaschene Jeans und ein sauberes T-Shirt an. Die getragene Wäsche steckte sie in die Waschmaschine. Die Maschine war ein Luxus, den sie sich vor zwei Wochen gegönnt hatte. Bis dahin hatte sie die Gemeinschaftswaschmaschine in einem der anderen Häuser benutzt. Heute war sie besonders froh über diese Anschaffung. Die Gerüche der muffigen Wohnung hatten sich in ihren Kleidern verfangen. Tief atmete sie den Duft ihres Duschgels und des Waschmittels ein.

* * *

Carla und Niklas fuhren mit ihren Fahrrädern zu dem beliebten Restaurant an der Okertalsperre. Ein Teil des Weges führte idyllisch an der Oker entlang, doch das letzte Stück mussten sie auf der Bundesstraße fahren. Es gab zwar einen kombinierten Fuß-Radweg, allerdings war der ein Abschnitt des Rundwanderweges um die Talsperre und bei dem herrlichen Wetter waren viele Wanderer unterwegs.

Der Windbeutelkönig war weit über den Harz hinaus bekannt. Seit vierzig Jahren hatte sich der Gasthof nicht verändert und es gab vor allem eins, Windbeutel in über fünfundvierzig Variationen: herzhaft mit Lachs, Schinken oder Kaviar und natürlich die klassischen, süßen.

Mit Glück fanden sie einen der begehrten Plätze mit direktem Blick auf die Talsperre. Die Speisekarten lagen bereits auf dem Tisch und sofort zog Niklas eine zu sich heran. Carla lächelte über den Eifer, mit dem er das Angebot studierte. Sie hielt ihr Gesicht in die Sonne und schloss die Augen.

»Na, ihr zwei. Schön, dass ihr Mal wieder hier seid. Was kann ich euch denn bringen«?

Maria, die Kellnerin des Windbeutelkönigs, war eine ehemalige Klassenkameradin von Carla und eine der wenigen jungen Leute, die den Ort nach der Schule nicht verlassen hatten.

»Einen großen Cup Dänemark und eine heiße Schokolade«, bestellte Niklas.

»Und für mich einen grünen Tee und einen Peach Melba, normale Portion, ohne Sahne«, ergänzte Carla.

Maria schmunzelte. »Also wie immer!« Schnell eilte sie weiter.

Carla streckte ihre Beine aus und schloss wieder die Augen. Sie war müde. Dabei war der Tag nicht wirklich anstrengend gewesen. Die meiste Zeit hatte sie nur rumgestanden oder rumgesessen. Und sie brauchte sich keine Gedanken zu machen. Die Verantwortung für die Ermittlungen lag nicht bei ihr, sondern bei der Kripo in Goslar.

»Mutsch, guck mal, wie wenig Wasser die Talsperre hat. Simon hat erzählt, sie können überhaupt nicht mehr trainieren.«

Sie zuckte zusammen.

Niklas warf ihr einen bösen Blick zu. »Hast du geträumt oder denkst du an die Toten?«

»Entschuldige, es ist nur die Wärme. Was hat Simon trainiert?« Carla rieb sich über die Augen.

»Eben nicht trainiert. Er fährt Kajak und die Talsperre und die Oker haben Niedrigwasser.«

Carla blickte hinunter. Der Wasserstand war so niedrig wie selten. Es waren sogar Teile des alten Schulenberg zu erahnen. Der Ort war Anfang der 50er Jahre umgesiedelt worden. Der Bau der Okertalsperre hatte bereits 1938 begonnen, doch durch den Krieg verzögerte sich die Fertigstellung.

In diesem Moment trat Maria mit einem Tablett an den Tisch, darauf ein Riesenwindbeutel mit Vanilleeis, Sahne und Schokoladensoße für Niklas und ein Windbeutel mit Vanilleeis und Pfirsichstücken für Carla.

»Guten Appetit. Lasst es euch schmecken. Was war denn bei den Voigts los?«, erkundigte sie sich. »Die sind erschlagen worden, habe ich gehört.«

Carla seufzte. In Altenau gab es sicher kein anderes Gesprächsthema mehr.

»Was Genaues weiß ich auch nicht. Die Kripo aus Goslar ermittelt.«

»Bestimmt einer von den Flüchtlingen. Es gibt viel zu viele davon, selbst hier bei uns im Harz. Wohnen nicht einige bei euch auf dem Glockenberg? Wenn da man nicht die Touristen wegbleiben.«

Mit diesen Worten eilte Maria zum nächsten Tisch.

Carla schluckte. Für diese Vermutung gab es nicht den geringsten Hinweis. Doch Gerüchte verbreiteten sich schnell in einer kleinen Stadt. Umso wichtiger war es, dass das Verbrechen rasch aufgeklärt wurde.

»Mama, meinst du, das waren Flüchtlinge?« Niklas sah sie fragend an. »Das wäre echt blöd. In Clausthal gibt es sowieso schon viele Nazis. In meiner Klasse fangen auch einige mit den bescheuerten Sprüchen an. Bei denen sind die Ausländer an allem schuld, sogar an ihren schlechten Noten.« Er grinste.

»Ich weiß es nicht. Im Moment spricht überhaupt nichts dafür. Oft werden Menschen verdächtigt, die anders sind, ohne dass es einen Grund gibt. Es ist Aufgabe der Polizei, die Täter zu ermitteln und Beweise zu finden.« Deshalb liebe ich meinen Beruf, fügte sie in Gedanken hinzu. »Redet ihr denn in der Schule nicht über die Nationalsozialisten und das Dritte Reich?«, wechselte sie das Thema.

»Doch, wegen der blöden Sprüche will Herr Hinz einen Zeitzeugen in die Klasse einladen und wir wollen eine Projektwoche zum ›Faschismus im Harz‹ machen. Die meisten finden das bescheuert.«

»Und du?«

»Ich weiß nicht. Geschichte ist spannend. Aber das mit dem Dritten Reich und den Juden, das hatten wir alles schon in Hannover in der Schule. Mich interessiert eher, wo die Nazis heute herkommen und was die machen. Das andere ist lange vorbei.«

Niklas schob sich einen großen Bissen Windbeutel in den Mund und kaute genüsslich. Für ihn war die Diskussion beendet.

Carla genoss die Sonne auf den Okerterrassen. Ihre Gedanken kehrten zu den beiden Toten zurück. Hatte Gustav recht und der Sohn war der Täter? Oder stimmten die Vermutungen von Meyerding und Maria? Wo lag das Motiv?

»Mama, träumst du?«

Carla schreckte hoch. Niklas hatte aufgegessen, Wolken hatten die Sonne verdunkelt und es wurde langsam kalt. Zeit für den Rückweg.

* * *

Zu Hause angekommen, zog Tom schnell seine Stiefel aus und warf die Uniformjacke achtlos auf den Stuhl im Flur. Dann stürmte er ins Wohnzimmer. Seine Eltern saßen bereits am liebevoll gedeckten Kaffeetisch. Es gab Erdbeerkuchen und den typischen Schokoladenkuchen mit Pudding. Seine Mutter schwärmte vom schönen Wetter und von der Süße der ersten Erdbeeren. Sein Vater rauchte.

»Habt ihr schon gehört? Die alten Voigts sind tot. Brutal erschlagen. Das war vielleicht eine Schweinerei. So etwas hat es hier seit hundert Jahren nicht mehr gegeben. Oder überhaupt noch nie. Und Carla und ich, wir waren als Erste vor Ort. Und wir haben ...«

Sein Vater blickte auf.

»Was, der alte Heinrich und seine Magda sind ermordet worden? Na, das ist ja ein Ding. Das musste ja so kommen.« Bernd Steiger zog an seiner Zigarette und schenkte Kaffee ein. »Heinrich war ein echter Tyrann. Sei froh, dass du den nicht mehr als Lehrer hattest. Bei ihm regierte der Rohrstock. Und Magda, die war ein Biest. Hat ihr Leben lang getuschelt und getratscht. Da musst du mal Lucie und Rudi fragen. Als ihre Tochter Anneliese schwanger war und keinen Vater hatte für ihr Kind, hat sie ihnen ganz übel mitgespielt.« Er drückte seine Zigarette aus. »Das musste so enden mit den beiden.«