Heilige Betrachtungen - Johann Gerhard - E-Book

Heilige Betrachtungen E-Book

Johann Gerhard

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Beschreibung

Johannes Gerhard (17. Oktober 1582 - 17. August 1637) war ein lutherischer Kirchenführer und scholastischer Theologe in der Zeit der Orthodoxie. Mit Johann Major und Johann Himmel bildete er die "Trias Johannea". Obwohl noch vergleichsweise jung , galt Gerhard bereits als der größte lebende Theologe des protestantischen Deutschlands; in den "Disputationen" der Zeit war er stets der Protagonist, und sein Rat wurde in allen öffentlichen und häuslichen Fragen, die Religion oder Moral betrafen, gesucht. Im Laufe seines Lebens erhielt er wiederholt Rufe an fast alle Universitäten in Deutschland (z.B. Gießen, Altdorf, Helmstedt, Jena, Wittenberg) sowie nach Uppsala in Schweden. Er starb in Jena. Seine "Heiligen Betrachtungen" (Meditationes sacrae) dürften neben der Lutherbibel das bekannteste und erfolgreichste protestantische Meditationsbuch sein und wurden in 16 Sprachen übersetzt.

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Seitenzahl: 278

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Heilige Betrachtungen

 

JOHANN GERHARD

 

 

 

 

 

 

 

Heilige Betrachtungen, J. Gerhard

Jazzybee Verlag Jürgen Beck

86450 Altenmünster, Loschberg 9

Deutschland

 

ISBN: 9783849663346

 

Der Originaltext dieses Werkes entstammt dem Online-Repositorium www.glaubensstimme.de, die diesen und weitere gemeinfreie Texte der Allgemeinheit zur Verfügung stellt. Wir danken den Machern für diese Arbeit und die Erlaubnis, diese Texte frei zu nutzen. Diese Ausgabe folgt den Originaltexten und der jeweils bei Erscheinen gültigen Rechtschreibung und wurde nicht überarbeitet.

 

Cover Design: 27310 Oudenaarde Sint-Walburgakerk 85 von Paul M.R. Maeyaert - 2011 - PMR Maeyaert, Belgium - CC BY-SA.

https://www.europeana.eu/item/2058612/PMRMaeyaert_06832c66a44d032c92f0c0e61893a2a53c41d388

 

www.jazzybee-verlag.de

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INHALT:

Vorwort.1

Lebensbeschreibung.4

Von der wahren Erkennung der Sünden.7

Von der Frucht der wahren und ernsten Buße.11

Betrachtung über den Namen Jesu.13

Wie der Glaube um der Liebe Christi willen im Todeskampfe sich erweiset.15

Trost des Bußfertigen im Leiden Christi.17

Von der Frucht des Leidens des Herrn.19

Von der Gewissheit unsers Heils.21

Gott ist allein zu lieben.23

Von unserer Versöhnung mit Gott.26

Von der Genugtuung für unsere Sünden.28

Von dem Wesen und den Eigenschaften des wahren Glaubens.30

Von der geistlichen Vermählung Christi und der Seele.32

Von den Geheimnissen der Menschwerdung.35

Von der heilsamen Frucht der Menschwerdung.37

Von der geistlichen Erquickung der Frommen.39

Von den Früchten der Taufe.41

Von dem heilsamen Genuss des Leibes und Blutes Christi44

Von dem Geheimnis des Mahles des Herrn.46

Von der ernsten Vorbereitung vor dem Genuss des heiligen Mahles.48

Von der Himmelfahrt Christi.50

Belehrung über den heiligen Geist.52

Von der Würde der Kirche.54

Betrachtung über die Vorherbestimmung.57

Von der heilsamen Kraft des Gebets.60

Von der Hut der heiligen Engel.63

Von den Nachstellungen des Teufels.65

Allgemeine Regeln zu einem frommen Leben.68

Die Sicherheit muss man ablegen.70

Von der heiligen Nachahmung des Lebens Christi.73

Von der Selbstverleugnung.76

Von der wahren Ruhe der Seele.78

Von der Reinheit des Gewissens.81

Vom Eifer in der wahren Demut.84

Fliehe den Geiz.86

Von den Eigenschaften der wahren Liebe.89

Von dem Eifer um die Keuschheit.92

Von der Flucht des gegenwärtigen Lebens.94

Von der Eitelkeit der Welt.97

Von dem Segen der Anfechtungen.100

Die Gründe der christlichen Geduld.102

Wie die Versuchung wegen der Beharrlichkeit zu überwinden ist.105

Von der täglichen Betrachtung des Todes.107

Trost bei dem Tod von Freunden.109

Vom letzten Gericht.112

Von dem Verlangen nach dem ewigen Leben.114

Von dem seligsten Schauen Gottes im Himmel.117

Von der lieblichsten Vereinigung mit den Engeln im Himmel.119

Von der Größe der höllischen Qualen.121

Von der Ewigkeit der Höllenstrafen.124

Von der geistlichen Auferstehung der Frommen.127

Vorwort.

 

Wenn in Zeiten des wieder erwachenden Glaubens die Schriften derer von Neuem an das Licht gezogen werden, die vor Jahrhunderten gezeugt haben vom Glauben, so ist dazu mehr denn ein Grund vorhanden. Es ist vor Allem erhebend für die lehrenden wie für die lernenden Glieder der Kirche des Herrn, Die vom Glauben reden zu hören, welche längst den Lauf vollendet und im Glauben ihren Trost im Leben und im Sterben gefunden und das Zeugnis der Bewährung für sich haben. Da tritt der Glaube, zu dem wir uns bekennen, mit seiner Segensmacht wie verkörpert uns vor die Seele : und weil es nicht abgehen kann ohne einige beugende Erinnerung an vergessene oder doch nicht wert genug geschätzte Güter des Heils, so wird der Glaube uns um so teurer und kostbarer und aus dem Munde der alten Zeugen ertönt an uns der Ruf: „Halt was du hast, dass Niemand deine Krone nehme!“ Off. Joh. 3, 11; und wiederum: „Rufe getrost, schone nicht, erhebe deine Stimme wie eine Posaune, und verkündige meinem Volke ihr Übertreten, und dem Hause Jacob ihre Sünde!“ Jes. 58, 1. Da wächst die Lust am Glauben und der Muth zum Zeugnis von ihm.

Ist das nicht Grund genug, die alten Zeugen, deren Zeugnis durch mehrhundertjährige Erfahrung bestätigt ist, von Neuem reden zu lassen? Ist doch eben in Zeiten, da der Glaube wieder erwacht, dieser selbst dem Schmetterlinge zu vergleichen, welcher eben erst die Hülle der Verwandlung durchbrochen und das neue im Verborgenen ihm bereitete und geschenkte Leben im Lichte des Tages begonnen hat, aber mit zitternden Schwingen, die zum Aufschwunge und zur Kundgebung des in ihm ruhenden Lebens noch nicht taugen. Es bedarf der Glaube der Vorgänger, damit er könne nachfolgen. Er bedarf der Erhebung, damit er sich könne erheben. Er bedarf der Zeugen, damit er auch zum Zeugenamte Kraft und Macht erlange und sich sonne im Lichte Des und aufschwinge zu Dem, der der Anfänger und Vollender des Glaubens ist Ebr. 12, 2, zu Jesu, dem Herrn der Kirche. „Es ist ein köstlich Ding, dass das Herz fest werde!“ Ebr. 13, 9. Und wie damit schon Segen uns verbürgt ist, wenn die alten Zeugen und Väter der Kirche von Neuem zu uns reden, so ist das uns auch neuer Grund, sie reden zu lassen, und neue Segensbürgschaft. Denn wie ihr Zeugnis erhebt, so fördert und gründet es auch in der Erkenntnis der Wahrheit. Es treibt hinein in die heilige Schrift, aus der es erwachsen ist, und erschließt die teuren Gnadenschätze, durch die der treue Gott uns reich macht in Christo Jesu, seinem Sohne, und unser Heil wirkt. - Das hat mich gedrungen, den heiligen Betrachtungen des lieben Johann Gerhard, die in verschiedenen Zeiten gesucht, mehr denn dreißig Mal im lateinischen Urtext aufgelegt, in fast alle europäischen Sprachen übersetzt und geliebt worden sind, in dieser unserer Zeit zur Erhebung des Glaubens und eben damit zur Förderung und Gründung in der Erkenntnis der Wahrheit, und so zum Segen aller, denen der Glaube keine müßige Frage ist in unserm Volke, deutschen Laut zu geben. Denn der Mann, von dem sie herrühren, und der einer der hervorragendsten und treuesten Gottesgelehrten unserer teuren evangelisch - lutherischen Kirche und in dem ersten Leidens- und Siegeslaufe der heiligen Reformation derselben in den Reihen ihrer Kämpfer gestanden ist, weiß was Glauben und im Glauben leben heißt zur Ehre des dreieinigen Gottes. Er ist ein rechter Glaubens - Lebens - Gottesgelehrter. Im Glauben weicht er nicht um ein Haar vom Worte Gottes, das allein selig macht; und des Glaubens Offenbarung fordert er im Leben. Er spricht: „Da ist ein elend und erbärmlich Leben, wo nicht der rechte Glaube ist an Gott; aber da ist auch wieder ein eitler Glaube, wo nicht das rechte leben ist. Der wahre Glaube ist da nicht im Herzen zu finden, wo er nach außen hin sich nicht in Taten offenbaret. Die nicht im Lichte wandeln, die sind noch nicht Kinder des Lichts. Das sind keine Christen, die nicht leben wie es Christen ziemt.“ Aus dieser Glaubens - Lebens - Gottesgelehrtheit, die das Zeugnis der Echtheit und die Verheißung des Segens hat durch den Herrn, der da spricht: „An der Frucht erkennet man den Baum.“ Matth. 12,33; und: „Es werden nicht alle, die zu mir sagen, Herr, Herr, in das Himmelreich kommen; sondern die den Willen tun meines Vaters im Himmel.“ Matth. 7,21, ist das Büchlein der heiligen Betrachtungen hervorgegangen, das dir hier geboten wird, andächtige Seele. Der teure Gottesmann sagt selbst über die Entstehung und Veröffentlichung desselben: „Dies Büchlein heiliger Betrachtungen habe ich nach und nach in stillen Stunden verfasst, um dem Leben in Gott, das beim dermaligen Todes schlafe der Welt fast ausgetilgt ist, ein Mittel zu neuem Erglühen, und den Trägen auf dem Wege des Herrn ein Mittel neuer Anregung zu geben, und mich selbst und Andere an unsere gemeinsame Lebensaufgabe zu erinnern.“ Was er im Büchlein sagt, ist nicht alles sein eigenstes Eigentum, sondern manches aus Erinnerung frommer Aussprüche Gottseliger Menschen, wie Augustin's, Bernhard's, Anselm's, Tauler's und Anderer ihm in die Feder geflossen. Er hat des nicht schweigen wollen, wenn er es auch an den betreffenden Stellen nicht anführt, aus Besorgnisse die Andacht der Betrachter zu stören, und sagt darüber: „Ich halte dafür, dass es nichts frommt, ob etwas mit meinen oder der Väter Worten ausgedrückt ist, wenn nur, was gejagt ist, mit Fleiß beachtet wird. Beliebt's Einem, so mag er alles, was in diesem Büchlein geschickt und passend gesagt ist, den heiligen Vätern zuschreiben, mir aber nur das, was weniger geeignet angeführt ist: ich wehre es ihm nicht und wünsche nur, dass den Kindern der Kirche eine Frucht daraus erwachse; und der Erfüllung dieses Wunsch es würde ich mich dann schon teilhaftig erachten, wenn auch nur in einer Seele einmal irgend ein frommer und heiliger Gedanke aus dem Lesen dieses Büchleins aufstiege.“

Das Büchlein empfiehlt sich selbst jedem, der es braucht. Möchte aber Einer der Empfehlungen begehren, so stehen etliche hier: Michael Dilherr, ein lutherischer Gottesgelehrter, sagt von ihm: „Es ist nicht groß, aber gülden und wert, dass man es bis aufs Wort sich einpräge. Wer ist bei uns? aber was sage ich bei uns? wer ist selbst bei denen, die mit uns nicht eines Glaubens sind, der dies Buch nicht empfehlen müsste, wenn er die Regungen des Neides überwindet? – Nicolaus Vedel, ein reformirter Theologe, sagt: „Die auf das tätige Christentum gerichteten Betrachtungen des berühmtesten Gottesgelehrten, Johann Gerhard, die in unsern Kirchen so hoch geschätzt werden, geben Zeugnis von dessen Leben in Gott.“ – Christian Schwanmann, Bürgermeister von Buxtehude, hat das Buch in lateinischen Versen von folgendem Sinne gepriesen: „Kurz ist's in Worten, aber reich an Inhalt. Was es sagt, dem gibt's Gewicht durchs Wort, denn jedes Wort hat Gewicht. Was die Alten in vielen, fasst dieser Eine in wenigen Worten, ja alles umfasst das preiswürdige Buch dieses Einen. Der Gegenstand eben so wohl als die Ausführung rät: Lies mit Andacht und glaube fest, was du liest, hat Gott mit seinem Finger geschrieben!“

Das genüge; Eines sei aber noch erwähnt, weil ich Seite 5 in der zweiten Betrachtung des Buchs aufs Vorwort verwiesen, nämlich dass der liebe Johann Gerhard ganz im Glauben gewesen, und wenn er dort sagt nach dem Urtext: „Gott leidet, Gott vergießt sein Blut,“ solches nicht sagt im Sinne des Irrtums derer, die da Veranlassung mit ihrer Irrlehre gegeben zu der Annahme, Gott, der Vater, habe in Jesu Person den Tod gelitten, sondern dass er solches sagt im Sinne der Schrift und der Bekenntnisschriften der lutherischen Kirche, nach denen die beiden Naturen, die göttliche und menschliche, in Jesu Christo so vereinigt gewesen sind, dass „Gott Mensch und Mensch Gott ist,“ ohne dass die Naturen und die Eigenschaften derselben mit einander vermischt worden sind, sondern jede Natur ihr Wesen und ihre Eigenschaften behalten hat.

Der Herr, der den treuen Mann, der dieses Buch verfasst aus Liebe zu dem Heile der Seelen, in seinen Dienst genommen und darin vollendet und auch dieses Buch mit seinem Segen vielfach gekrönt hat, lasse dasselbe auch in dieser Übertragung den Seelen, die seine Wahrheit suchen und lieb haben, lieb und förderlich werden in der Sorge für ihr Heil. Er tue das um seines hochgelobten und gebenedeiten Namens willen.

Magdeburg, den 8. März 1858.

Bernhard.

 

 

Lebensbeschreibung.

 

Johann Gerhard, der Verfasser der heiligen Betrachtungen, ward geboren zu Quedlinburg den 17. Oktober 1582. Seine gottseligen Eltern waren Bartholomäus Gerhard, Ratsherr und Rathsschatzmeister zu Quedlinburg, und Margaretha, Tochter Johann Berndesius, eines Beisitzers des Halberstädter Schöppenstuhls. Ein Jüngling von 17 Jahren studierte er fast zwei Jahre lang Philosophie und Theologie zu Wittenberg, dann auf Anraten eines hochgestellten Verwandten, Andreas Rauchbars, Churfürstlich - Sächsischen Kanzlers, Medizin drei Jahre lang. Nach Vollendung dieser Studien, in denen er eben so wie früher in den ersteren ausgezeichnete Fortschritte machte, ward er Lehrer und Erzieher der Kinder Rauchbars, doch nur auf kurze Zeit. Denn Rauch: bar starb, und Gerhard kehrte nun in Erinnerung eines früheren Gelübdes, das er als Jüngling von 15 Jahren in einer schweren Krankheit getan, zur Theologie zurück und ging nach Jena. Mit Rath und Anleitung zum rechten Studieren stand ihm der damalige Pfarrer seiner Vaterstadt zur Seite, der berühmte Johann Arndt, der außer andern erbaulichen Schriften namentlich durch seine vier Bücher vom wahren Christentum sich verdient gemacht hat. Der hatte auch früher schon gesegneten Einfluss auf Gerhards Gemüt geübt und durch seinen geistlichen Zuspruch jenes Gelübde in ihm geweckt. Gerhard aber studierte zu eifrig und erlag im Jahre 1603, da er eben die philosophische Doktorwürde erlangt hatte, einer schweren Krankheit, die ihm nach seinem Meinen den Tod in so gewisse Aussicht stellte, dass er sein Testament machte. Wie es zu der Zeit um sein Herz, stand, das bekundet uns die sechste seiner heiligen Betrachtungen: „Trost des Bußfertigen im Leiden Christi.“ Die rührt aus jener Zeit, und die hat er niedergeschrieben, da er glaubte jeden Augenblick aus der Zeit in die Ewigkeit überzugehen. Aber der Herr wollte ihn noch brauchen im Dienste seiner Kirche.

Gerhard genas und ging 1604 nach Marburg, um seine Studien fortzusetzen vornehmlich unter Leitung des gelehrten Balthasar Menter. Mit diesem machte er im folgenden Jahre eine wissenschaftliche Reise durch einen großen Theil Deutschlands, und kehrte dann nach Jena zurück, wo er sich in der philosophischen Fakultät habilitierte und nun theologische Vorlesungen hielt. Zur selben Zeit entschloss er sich auch endlich auf Anraten Johann Major's feine erste Predigt zu halten in Kunitz bei Jena. Der Herzog Johann Casimir von Sachsen hatte die Predigt gehört und berief ihn 1606 zum Superintendentenamte zu Heldburg bei Jena mit der besonderen Verpflichtung, allmonatlich theologische Unterredungen im Gymnasium zu Coburg zu halten und an den Beratungen des Konsistoriums daselbst Theil zu nehmen. Um seiner Jugend willen ward's ihm schwer, das Amt anzunehmen. Aber das Ansehen des Herzogs und die Bitte seiner Freunde vermochte ihn dazu. Durch Vermittlung des Herzogs erhielt er nun die theologische Doktorwürde; und neun Jahre verwaltete er im Segen dieses Amt.

Im Jahre 1615 übertrug ihm sein Herzog die Generalsuperintendentur zu Coburg. In diesem Amte blieb er aber nur kurze Zeit, 1 Jahr und 2 Monate, und stiftete trotz dem des Segens viel. Er verfasste eine Kirchenordnung, die vom Herzoge sämtlichen Pfarrern zur Nachahmung empfohlen und im Lande eingeführt ward. Ebenso hielt er eine Kirchenvisitation durchs ganze Land. Seine körperliche Kraft aber, die viel schon in Anspruch genommen worden war, war dem Amte mit seiner großen Last fast nicht mehr gewachsen und ganz besondere Neigung hatte er auch zu dem akademischen Lehramte. Daher kam seine kurze Amtierung. Der Churfürst Johann Georg von Sachsen, der Schirmherr der Universität Jena, hatte auch bereits im Jahre 1615 einen Ruf zum Lehrer an derselben Universität an ihn ergehen lassen. Er folgte nunmehr diesem Rufe und um so freudiger, weil er neben seinen sonstigen bisherigen Amtsgeschäften sich auf solches Amt vorbereitet hatte; und so ungern auch sein Herzog Casimir aus seinem Lande ihn scheiden sah, so gab dieser doch endlich ebenso dem Ansehen des Churfürsten von Sachsen als Gerhards eigenen Bitten nach. Am Sonntage Cantate im Jahre 1616 hielt er seine Abschiedspredigt in Coburg und ging, von seinem Fürsten und Herrn auf das Ehrenvollste entlassen, nach Jena.

Hier wirkte er 21 Jahre als Professor und Doktor der Theologie, eine Zierde Jena's nicht allein, sondern auch der gesamten evangelisch - lutherischen Kirche, und ein Segen der studierenden Jugend, und man kann mit Recht sagen, in der verhängnisvollen Zeit des dreißigjährigen Kriegs kraft seines Rates und Gebetes ein Schutz und Schirm Sachsens. Der Churfürst wie die Herzöge von Sachsen vertrauten ihm das Wohl der Kirche und zum guten Theile auch des Staates und bedienten sich seiner Dienste mehrfach, indem sie ihn abordneten zur Teilnahme an den Beratungen, die damals zum Besten der Kirche und des Staates in Deutschland gehalten wurden. Für die ausgezeichneten Dienste, die er dabei leistete, ließen sie es nicht an Auszeichnungen und Ehren für ihn fehlen. Einen andern hätte das stolz machen können; aber Gerhard war in der Demuth schon gegründet und der treue Gott, der den züchtiget, welchen er lieb hat, und einen jeglichen Sohn stäupet, den er aufnimmt, ließ es ihm auch an so manchen Züchtigungen seiner treuen Vaterhand nicht fehlen. Bei seiner stets schwächlichen Leibeskonstitution hatte er viel Kreuz vom Herrn im Hause und ehelichen Stande zu tragen. Seine erste Gattin, mit der er 1618 sich verheiratet hatte, starb, nachdem er drei Jahre mit ihr in glücklichster Ehe gelebt, und der einzige Sohn, den sie ihm geboren, folgte ihr bald im Tode nach. Von den zehn Kindern, die ihm in seiner zweiten Ehe mit Maria Mattenberg, der Tochter eines Arztes und Ratsherrn in Gotha, geboren wurden, sah er vier frühzeitig dahinsterben. Dazu brachte der dreißigjährige Krieg mit seinen Drangsalen und Schrecknissen ihn mehr als einmal in große Lebensgefahr und um den Besitz aller seiner Habe. Im Leiden geübt und mit der gnädigen Hand des Herrn vertraut, trug er alles mit Geduld und Ergebung und sprach mit Hiob (1, 21.): „Der Herr hat's gegeben, der Herr hat's genommen, der Name des Herrn sei gelobet.“ So kam sein Ende herbei. Der 17. August 1637 war sein Todestag. Sein Alter hatte er gebracht auf 55 Jahre, und sein Tod ward betrauert nicht allein von Verwandten und Freunden, sowie von den Bewohnern Jena's, sondern auch von der gesamten evangelisch - lutherischen Kirche. Seine Leichenpredigt hielt ihm sein teuerster Amtsgenosse zu Jena Johann Major, nach seiner Bestimmung über 2 Kor. 12,9: „Und er hat zu mir gesagt: Lass dir an meiner Gnade genügen. Denn meine Kraft ist in dem Schwachen mächtig. Darum will ich mich am allerliebsten rühmen meiner Schwachheit, auf dass die Kraft Christi bei mir wohne.“

Im Lobe Gerhards stimmen die ausgezeichnetsten und bewährtesten Gottesgelehrten zu und nach seiner Zeit überein. Und nicht bloß Lutheraner, sondern auch Reformirte und Katholiken sind die Verkündiger seines Ruhmes. Es ließe sich hier eine große Menge Zeugen aufführen. Doch das Büchlein, welches du hier von ihm vor dir hast, andächtige Seele, wird am besten zeugen von ihm, der nicht bloß auf der Höhe der wissenschaftlichen Gelehrsamkeit gestanden hat, sondern auch geübt und groß gewesen ist in der Kunst, die Seelen zu erbauen. Der Bücher hat er so viele verfasst, dass sie für sich eine ganze Bibliothek ausmachen könnten. Unter seinen wissenschaftlichen ist das größte: „Loci theologici, d. i. theologische Lehrsätze“ und unter seinen asketischen das größte: „Meditationes sacrae, d. i. heilige Betrachtungen.“ In diesen will er zeigen, wie er selbst zu erkennen gibt in seiner Zueignungsschrift an den Halberstädter Senat vom Jahre 1606, dass das Wesen der Gottesgelehrtheit nicht im Grübeln, sondern im Leben bestehet oder darin, dass wir durch sie nicht allein von Sünden befreiet, sondern auch in der Gnade bewahret werden, und dass somit ihr höchstes Ziel die geistliche Wiedergeburt des inwendigen Menschen aus dem Wasser und Geist ist nach dem Zeugnisse Christi, der die Wahrheit ist. Joh. 3, 3. 5. Wie er das gezeigt hat, wolle nun selbst sehen und lernen aus dem Büchlein, andächtige Seele.

 

Von der wahren Erkennung der Sünden.

Das Mittel der Genesung ist das Bekenntnis der Krankheit.

Heiliger Gott, gerechter Richter, meine Sünden stehen vor meinen Augen und vor meinem Geiste. In jeder Stunde denke ich an den Tod; denn der Tod steht mir in jeder Stunde bevor. An jedem Tage denke ich an das Gericht; denn von jedem Tage werde ich Rechenschaft geben müssen im Gericht. Ich durchforsche mein Leben, und stehe, es ist ganz eitel und abscheulich. Eitel und unnütz sind viele meiner Handlungen, eitel sind noch mehrere meiner Reden, eitel sind noch dazu die meisten meiner Gedanken. Nicht bloß eitel ist mein Leben, sondern auch abscheulich und schändlich. Ich finde nichts Gutes in ihm. Wenn etwas Gutes in ihm zu fein scheint, so ist es doch nicht wirklich gut und vollkommen; denn die Erbsünde und das natürliche Verderben, das nichts unberührt lässt, hat es geschändet. Der Heilige Hiob sprach (9,28.): Ich fürchte alle meine Schmerzen. Wenn der Heilige so klagt, was soll der Gottlose tun? Alle unsere Gerechtigkeit ist wie ein unflätig Kleid Jes. 64,6. Wenn unsere Gerechtigkeit so ist, wie in aller Welt wird da unsere Ungerechtigkeit sein? Wenn ihr alles getan habt, spricht unser Heiland, was euch befohlen ist, so sprechet: Wir sind unnütze Knechte Luc. 17,10. Wenn wir aber unnütze sind, selbst wenn wir gehorchen, so werden wir ja ganz gewiss abscheulich sein, wenn wir übertreten. Wenn ich mich selbst und all mein Vermögen, auch wenn ich nicht sündige, dir, heiliger Gott, schuldig bin, was werde ich da für meine Sünde als Lösung geben können? Selbst unsere Gerechtigkeit, oder was wir so dafür halten, ist im Vergleich zur göttlichen Gerechtigkeit eine volle Ungerechtigkeit. Im Finstern steht man wohl eine Lampe leuchten; aber stellt man sie in die Strahlen der Sonne, da ist's aus mit ihrem Leuchten; ein Holz hält man oft für gerade, wenn man das Richtscheit nicht anlegt, tut man das aber, so findet man, wie es hie oder da gekrümmt ist und anläuft; oft wohl wird es den Anschein haben für die Blicke der Betrachter, als sei das Bild irgend welcher Gestalt vollkommen dargestellt, und doch ist's in den Augen des Künstlers im hohen Grade unvollkommen. So ist oft voller Flecken, wenn es der Richter zur Entscheidung vornimmt, was herrlich leuchtet, wenn es der wägt, der es getan hat. Denn die Gerichte Gottes sind anders als die der Menschen. Vieler Sünden bin ich mir mit Schrecken bewusst; aber die Zahl derer, die ich nicht einmal weiß, ist noch größer: Wer kann merken, wie oft er fehlet? Verzeihe mir, Herr, die verborgenen Fehle Ps. 19,13! Ich wage es nicht meine Augen zum Himmel zu erheben, denn ich habe an dem gesündigt, der im Himmel wohnet; und auch auf der Erde finde ich keine Stätte der Zuflucht, denn welche Gunst dürfte ich bei den Geschöpfen zu hoffen wagen, da ich an dem Herrn der Geschöpfe gesündigt habe?

Mein Widersacher, der Teufel, verklagt mich. Billigster Richter, spricht er zu Gott, richte, dass jener mein ist aus Schuld, der dein nicht hat sein mögen aus Gnade; dein ist er nach der Schöpfung, mein ist er nach der Teilnahme an der Übertretung; dein ist er kraft der Versöhnung, mein kraft der Überredung; dir widerstrebt er, mir gehorcht er; von dir hat er das lange, prächtige Oberkleid der Unsterblichkeit und Unschuld empfangen, von mir dies lumpige Unterkleid des armseligsten Lebens; dein Kleid hat er weggeworfen, mit dem meinigen kommt er zu dir. Richte, dass jener mein und mit mir der Verdammnis zu weihen ist.

Es verklagen mich alle Elemente. Der Himmel spricht: Ich habe das Licht dir zum Troste dargereicht. Die Luft spricht: Ich habe dir alle Gattung der Vögel zum Dienste gestellt. Das Wasser spricht: Ich habe dir die mancherlei Gattungen der Fische zum Essen gegeben. Die Erde spricht: Ich habe Brot und Wein dir zur Nahrung gegeben; aber du hast alles des zur Schändung unsers Schöpfers missbraucht; alle unsere Segnungen mögen sich daher für dich in Unsegen verkehren. Das Feuer spricht: Meine Flamme soll ihn verzehren. Das Wasser spricht: Meine Woge soll ihn verschlingen. Die Luft spricht: Mein Sturm soll ihn umtreiben. Die Erde spricht: Meine Tiefe soll ihn verzehren.

Es verklagen mich die heiligen Engel, die mir Gott hier zum Dienste und dort zur Gesellschaft gegeben hatte; aber durch meine Sünden habe ich mich für dieses Leben ihres Heiligen Dienstes und für das zukünftige der Hoffnung ihrer Gemeinschaft beraubt. Auch die Stimme Gottes, das ist das göttliche Gesetz, verklagt mich. Entweder muss ich das göttliche Gesetz erfüllen, oder sterben; aber es ist mir unmöglich, das Gesetz zu erfüllen, und unerträglich ist's, in Ewigkeit verloren zu sein. Es verklagt mich Gott, der sehr strenge Richter, der allmächtige Vollzieher seines ewigen Gesetzes. Ihn kann ich nicht täuschen, denn er ist die Wahrheit selbst; ihm kann ich mich nicht entziehen, denn er herrschet allenthalben mit Gewalt. Wohin also soll ich fliehen? Zu dir, o lieber Christus, du unser einiger Erlöser und Seligmacher. Meine Sünden sind groß, aber deine Versöhnung ist größer; meine Ungerechtigkeit ist groß, aber deine Gerechtigkeit ist größer. Ich erkenne das an, du verzeihe; ich gestehe das, du bedecke; ich enthülle das, du verhülle; in mir ist nichts, was mir nicht zur Verdammnis gereichte; in dir ist nichts, was nicht meine Seligkeit wirkte. Ich habe vieles begangen, weshalb ich mit allem Rechte verdammt werden kann, aber du hast nichts unterlassen, wodurch du mich nach deiner Barmherzigkeit selig machen kannst. Ich höre eine Stimme im Liede der Lieder (Hohel. 2,14), die heißt mich meine Zuflucht nehmen in den Felslöchern; du bist der festeste Fels, die Löcher des Felsen sind deine Wunden; in diesen will ich mich verbergen vor den Anklagen aller Geschöpfe. Meine Sünden schreien zum Himmel, aber kräftiger schreiet Hein Blut für meine Sünden vergossen. Meine Sünden sind vermögend genug, mich vor Gott zu verklagen, aber dein Leiden ist viel vermögender, mich zu schützen. Mein durch und durch ungerechtes Leben ist vermögend, mich in Verdammnis zu stürzen; aber dein Leben voller Gerechtigkeit ist vermögender, mich selig zu machen. Von dem Throne der Gerechtigkeit bringe ich meine Sache vor den Thron der Barmherzigkeit und begehre nicht anders vor das Gericht zu treten, als wenn dein heiligstes Verdienst ins Mittel gestellt wird zwischen mich und dem Gericht.

Die Übung in der Buße um des Leidens des Herrn willen.

Siehe an den leidenden Christus!

Siehe an, o gläubige Seele, den Schmerz, die Wunden und Marter des am Kreuze leidenden, hängenden und sterbenden Christus! Jenes Haupt, vor dem die himmlischen Geister anbeten, wird von Dornen rings verwundet; das Angesicht, lieblicher als das der Menschenkinder, wird entstellt durch die Gottlosen, die es verspeien; die Augen, heller als die Sonne, erbleichen im Tode; die Ohren, welche die Loblieder der Engel vernehmen, werden durchtönt von den Schmähungen und Spottreden der Sünder; der Mund, der göttliche Rede führet und die Engel lehrt, wird mit Galle und Essig getränkt; die Füße, zu deren Schemel angebetet wird, werden mit Nägeln angeheftet; die Hände, die den Himmel ausgebreitet haben, sind am Kreuze ausgestreckt und mit Nägeln befestiget; der Leib, der heiligste Sitz und die lauterste Wohnstätte der Gottheit, wird geschlagen und mit einem Speer verwundet, und nichts bleibt an ihm verschont als die Zunge, damit er bete für die, welche ihn kreuzigen. Der im Himmel herrscht mit dem Vater, wird am Kreuze von den Sündern auf das Traurigste gepeinigt. Gott leidet, Gott vergießt sein Blut Ap. Gesch. 20,28[1]. An der Größe des Lösegeldes erkenne die Größe der Gefahr; an dem hohen Preise des Heilmittels erkenne die Gefahr der Krankheit. Groß fürwahr sind die Wunden, die nur durch Wunden des lebendigen und des lebendig machenden Fleisches haben geheilt werden können; groß fürwahr ist die Krankheit, die nur durch den Tod des Arztes hat geheilt werden können. Siehe an, o gläubige Seele, den so heftig brennenden Zorn Gottes. Zum Fürbitter war nach dem Falle des ersten Menschen der ewige, eingeborne und einzig geliebte Sohn Gottes bestimmt; und doch war sein Eifer noch nicht gestillt. Der trat ins Mittel, durch den er die Welt gemacht hat und jener höchste Liebhaber unsers Heils nahm die Schuld der Elenden auf sich; und doch war sein Eifer noch nicht gestillt. Der Heiland kleidete sich in unser Fleisch, um das sündhafte Fleisch, nachdem die Herrlichkeit der Gottheit mit ihm in Gemeinschaft getreten war, von seiner Schmach zu reinigen, auf dass die heilende Kraft der vollkommenen Gerechtigkeit, dem Fleische mitgeteilt, die verderbte, unserm Fleische anhängende sündhafte Eigenschaft tilgte, und unserm Fleische Gnade zu Theil würde; und doch war sein Eifer noch nicht gestillt. Die Sünde und deren Schuld nimmt er auf sich; der Leib wird gebunden, geschlagen, verwundet, durchstochen, am Kreuz getötet, ins Grab gelegt; das Blut fließet gleich wie Thau reichlich aus allen Gliedern des Leidenden hervor; die heiligste Seele trauert über die Maßen, ja bis an den Tod wird sie betrübt und den Schmerzen der Hölle unterworfen; der ewige Sohn Gottes ruft laut, dass er von Gott verlassen sei; eine solche Menge blutigen Schweißes vergießt er, so große Qualen empfindet er, dass er, von dem alle Engel ihre Macht haben, der Stärkung eines Engels bedarf; er, der allen das Leben gibt, stirbt. Was will am dürren werden, so man das tut am grünen Holz? Was will an den Sündern werden, wenn man das tut an dem Gerechten und Heiligen? Wie wird der die eigenen Sünden strafen oder so voll Zorn gewesen ist über die fremden? Wie wird der an den Knechten das immer dulden, was er am Sohne so hart straft? Was werden die leiden, welche er verwirft, wenn der so großes leidet, den er einzig liebt? Wenn Christus, der ohne Sünde gekommen, nicht ohne Schläge aus der Welt gegangen ist, wie vieler Streiche wert werden die sein, welche mit der Sünde in die Welt kommen, in der Sünde leben und mit der Sünde aus dem Leben gehen? Der Knecht freuet sich, während um seiner Sünde willen der geliebte Sohn so schweren Schmerz empfindet. Der Knecht häuft den Zorn des Herrn, während der Sohn so große Mühe und Arbeit hat, um den Zorn des Vaters zu lindern und zu besänftigen? O des unbegrenzten Zornes Gottes! O des unsäglichen Eifers! O des außerordentlichen Ernstes der Gerechtigkeit! Der so streng gegen den einzigen, geliebtesten und seines Wesens teilhaftigen Sohn verfährt, nicht um irgend einer eigenen Sünde willen, sondern weil er für den geringen Knecht bittet: was wird er dem Knechte tun, der in Sünden und Missetaten sicher beharrt? Der Knecht fürchte sich und erschrecke und traure über das, was er verdient hat, während der Sohn gestraft wird wegen des, was er nicht verdient hat. Der Knecht fürchte sich, der nicht aufhört zu sündigen, während der Sohn so leidet für die Sünde. Das Geschöpf fürchte sich, das den Schöpfer am Kreuze getötet hat; der Knecht fürchte sich, der dem Herrn das Leben genommen hat; der Gottlose und Sünder fürchte sich, der den Frommen und Heiligen so beleidiget hat. Geliebteste, lasset uns hören den Rufenden, lasset uns hören den Weinenden. Er ruft vom Kreuze herab: Siehe, Mensch, was ich für dich leide; dich rufe ich, weil ich für dich sterbe; siehe die Strafen, die ich dulde, siehe die Nägel, mit denen ich angeheftet bin; es ist kein Schmerz wie mein Schmerz am Kreuze: ist der äußere Schmerz schon so groß, so ist die innere Trauer noch schwerer, da ich sehe, wie du so undankbar bist. Erbarme dich, erbarme dich unserer, du einiger Erbarmer, und bekehre unsere steinernen Herzen zu dir!

Von der Frucht der wahren und ernsten Buße.

Christus ruft: Tut Buße!

Der Grund und Anfang eines Heiligen Lebens ist die selige Buße. Denn wo wahre Buße, da ist Vergebung der Sünden; wo Vergebung der Sünden, da ist die Gnade Gottes; wo die Gnade Gottes, da ist Christus; wo Christus, da ist sein Verdienst; wo das Verdienst Christi, da ist Genugtuung für die Sünden; wo Genugtuung für die Sünden, da ist Gerechtigkeit; wo Gerechtigkeit, da ist ein fröhliches und ruhiges Gewissen; wo Ruhe des Gewissens, da ist der heilige Geist; wo der heilige Geist, da ist die ganze heilige Dreieinigkeit; wo die heilige Dreieinigkeit, da ist das ewige Leben. Also wo die wahre Buße, da ist das ewige Leben; wo die wahre Buße nicht ist, da ist weder Vergebung der Sünden, noch die Gnade Gottes, noch Christus, noch sein Verdienst, noch Genugtuung für die Sünden, noch Gerechtigkeit, noch ruhiges Gewissen, noch der heilige Geist, noch die Heilige Dreieinigkeit, noch das ewige Leben. Was also zögern wir mit unserer Buße? Warum verschieben wir sie auf Morgen? Weder der morgende Tag, noch die wahre Buße stehet in unserer Kraft und Gewalt. Und nicht bloß von dem morgenden Tage, sondern auch von dem heutigen werden wir einst Rechenschaft geben müssen im Gericht. Der morgende Tag ist nicht so sicher, als das Verderben denen gewiss ist, die keine Buße tun. Gott hat dem Bußfertigen Vergebung zugesagt, aber den morgenden Tag hat er nicht zugesagt. Die Genugtuung Christi gilt nur dem in Wahrheit zerknirschten Herzen. Unsere Untugenden scheiden uns und unsern Gott von einander, zeuget der Prophet Jesaia (59,2.); aber durch die Buße kehren wir wieder zurück zum Herrn. Erkenne die Schuld deiner Sünde und traure darüber; so wirst du merken, dass Gott in Christo dir wieder gnädig geworden ist. Ich vertilge deine Missetat, spricht der Herr Jes. 41,22. Also unsere Sünden waren zur Strafe aufgeschrieben im Himmel. Verbirg dein Antlitz von meinen Sünden, bittet der Prophet Ps. 51,11. Also stellet Gott unsere Missetat vor sich Ps. 90,9. Herr, kehre dich doch wieder zu uns, bittet Mose Ps. 90,14. Also die Sünden scheiden uns und unsern Gott von einander. Unsere Sünden antworten wider uns, klaget Jesaja 59,12. Also klagen sie uns an vor dem Richterstuhle der göttlichen Gerechtigkeit. Reinige mich von meiner Sünde, bittet David Ps. 51,4. Also die Sünde ist die hässlichste Unreinigkeit vor Gott. Heile meine Seele, denn an dir allein hab ich gesündigt, bittet derselbe Ps. 51,6. Also die Sünde ist eine Krankheit der Seele. Ich will den aus meinem Buche tilgen, der an mir sündiget, spricht der Herr 2. Mos. 32,33. Also um der Sünden willen werden wir aus dem Buche des Lebens getilgt. Verwirf mich nicht von deinem Angesicht, bittet der Psalmist Ps. 51,13. Also um der Sünden willen werden wir von Gott verworfen. Nimm deinen heiligen Geist nicht von mir Ps. 51,13. Also durch die Sünden wird der heilige Geist aus dem Tempel des Herzens getrieben, wie die Bienen durch den Rauch, und die Tauben durch üblen Geruch verscheucht werden. Gib mir Freude und Wonne Ps. 51, 10. Also die Sünden ängsten die Seele und saugen das Mark des Herzens aus. Das Land ist entheiliget von seinen Einwohnern, denn sie übergehen das Gesetz, ruft Jesaia 24,5. Also die Sünde ist ein ansteckendes Gift. Aus der Tiefe rufe ich, Herr, zu dir, spricht der Heilige Sänger Ps. 130,1. Also durch die Sünde werden wir hinunter gezogen zur Hölle. Ehedem waren wir tot in Sünden, spricht der Apostel Eph. 2,1. Also die Sünde ist der geistliche Tod der Seele. Durch die Sünde, die den Tod gebiert, verliert der Mensch Gott. Gott ist das unendliche und unbegreifliche Gut; Gott also verlieren ist das unendliche und unbegreifliche Uebel. Wie Gott das höchste Gut, so ist die Sünde das höchste Uebel. Züchtigungen und Trübsale sind keine wahren Uebel, weil aus ihnen viel Gutes Hervorgeht. Ja, weil sie selbst gut sind, so ist offenbar, dass sie vom höchsten Gute, von Gott nämlich, herrühren, von dem nichts kommen kann als Gutes; sie waren im höchsten Gut, nämlich in Christo; das höchste Gut aber ist nicht teilhaftig wahren Uebels; sie führen auch zum höchsten Gut, nämlich zum ewigen Leben. Durch das, was er litt, ist Christus zu seiner Herrlichkeit eingegangen Luc. 24,26.; durch viel Trübsal müssen die Christen in das Reich Gottes gehen Ap. Gesch. 14,22. Das höchste Uebel ist also die Sünde, weil sie vom höchsten Gute abziehet. Um wie viel du dich Gott nahest, um so viel entfernst du dich von der Sünde.

Um wie viel du dich der Sünde nahest, um so viel weichst du von Gott. Wie heilsam ist also die Buße, die uns von der Sünde entfernet und uns zu Gott zurückführt! In Wahrheit die Sünde ist eben so groß, als der groß ist, der durch die Sünde beleidiget wird; den aber mögen Himmel und Erde nicht fassen. Wiederum aber ist auch die Buße so groß, als der groß ist, zu dem wir durch die Buße zurückkehren. Den Sünder klagt an das Gewissen, das er beschweret, der Schöpfer, den er beleidiget, das Vergehen, des er sich schuldig gemacht, das Geschöpf, das er missbraucht, der Teufel, dem er Gehör gegeben hat. Wie heilsam die Buße, die von solchen Anklagen befreiet!