Heldin - Heinrich Mann - E-Book

Heldin E-Book

Heinrich Mann

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Beschreibung

Eine Novelle über das tragische Ende einer jungen Frau, die vor lauter Liebeskummer eine fatale Entscheidung fällt: Zwei junge Italienerinnen, die sensible 15-jährige Lina und die 16-jährige Grete, sind beide in den Deutschen Herrn Roland verliebt, der jedoch Lina unheimlich findet und sich deshalb Grete zuwendet. Als Lina die beiden eines Abends zusammen erwischt, sieht sie nur einen Ausweg... -

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Seitenzahl: 29

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Heinrich Mann

Heldin

 

Saga

Heldin

 

Coverbild/Illustration: Shutterstock

Copyright © 1906, 2021 SAGA Egmont

 

Alle Rechte vorbehalten

 

ISBN: 9788726885545

 

1. E-Book-Ausgabe

Format: EPUB 3.0

 

Dieses Buch ist urheberrechtlich geschützt. Kopieren für gewerbliche und öffentliche Zwecke ist nur mit der Zustimmung vom Verlag gestattet.

Dieses Werk ist als historisches Dokument neu veröffentlicht worden. Die Sprache des Werkes entspricht der Zeit seiner Entstehung.

 

www.sagaegmont.com

Saga Egmont - ein Teil von Egmont, www.egmont.com

Der junge Beamte streckte den Kopf aus dem Schalter.

»Kommen Sie nur alle Tage selbst, Fräulein«, rief er Grete Pinatti nach; »dann sind wir bereits ein Postamt erster Klasse.«

Grete lachte, über ihren Fächer hinweg, laut auf. Lina drehte sich ernst lächelnd um, und vor ihr machte er eine kleine scheue Verbeugung.

»Er hat Angst vor dir, er muß in dich verliebt sein«, meinte Grete. Lina verzog ein wenig den Mund, träumerisch geringschätzig.

Die heiße Luft schlich ihnen entgegen; der Platz brannte weiß im weiten Bogen der Häuser mit gebauchten Balkonen und geschlossenen grünen Fensterläden.

»Jetzt zum Bertanza«, sagte Grete; und sie betraten den dumpfigen Schatten des mit Stoffen und Schachteln vollgestopften Ladens. Während sie Bänder aussuchten, raunte Grete:

»Er hat sie wieder geprügelt; siehst du die Streifen?«

Linas tiefschwarze Augen senkten sich auf das Gesicht der Verkäuferin; dies mürrisch verschlossene Gesicht ging plötzlich auf, wie eine verzauberte Pforte unter dem Stabe der Fee, und das Mädchen lächelte: einfältig entzückt.

Nun bogen sie in die enge Gasse, es roch darin nach Wein; und da klapperte eine schmutzige Glastür, Stimmen brachen wüst heraus, und ein Betrunkener taumelte nach der Hauswand gegenüber und ließ sich mit dem Rücken daranfallen. Grete zog Lina am Arm.

»Was tust du? Nicht so nahe! Er ist böse, wenn er betrunken ist. Du hast doch gesehen, wie er seine Tochter zugerichtet hat.«

Linas Blick ließ zögernd die glasigen Augen los, die nichts begriffen; und sie seufzte. Hinter ihnen ward ein leises Räuspern vernehmlich und dann eine verschleierte Stimme.

»Eigentlich wollte ich nach der andern Seite; wenn man aber Sie des Weges gehen sieht, Fräulein Clemens: Sie haben einen Gang wie eine kleine Heerführerin, leicht und feierlich, wissen Sie. Niemand würde wagen, Ihren Arm zu berühren, aber alle müssen Ihnen folgen. Sehen Sie die Anstrengungen jenes Trunkenboldes?«

Grete jauchzte.

»Ihnen kann man begegnen, wann man will, immer sind Sie komisch!«

»Wie kommt es«, sagte der junge Mann bewegt, »daß von Ihnen, die selten lächelt, eine strenge Heiterkeit ausgeht, von der alle schüchterner und besser werden?«

Grete wollte wieder loslachen, aber es gelang nicht; sie sah beleidigt aus. Der junge Mann begann zu husten und konnte nicht mehr aufhören. »Die Nerven!« brachte er hervor. Lina sah ihm in die Augen, in die Tränen der Qual traten.

»Ich danke Ihnen«, sagte er, sobald er sprechen konnte.

»Wir wollen langsamer gehen«, bestimmte Lina. Ihr schwaches, unklares Organ klang wie das eines Knaben, der die Stimme wechselt.

Ketten bunter Früchte hingen vor den Gewölben; Mädchen in schwarzen Umschlagtüchern und mit Rosen vor der Brust drehten sich in den Hüften, bewegten Fächer und Augen; schreiend spielten die Burschen Morra; Harmonikatöne und fette Gerüche stiegen zum Himmel auf, der festlich zwischen den Dächern hinfloß. Grete flüsterte im Gedränge:

»Kein Gedanke, daß Sie mich heute in der Badehütte sehen.«

»Ich sehne mich nicht nach der Badehütte«, antwortete der junge Mann. »Ich wollte, wir könnten uns besser lieben.«

»Bequemer könnten wir's doch nicht haben«, meinte Grete erstaunt. Er drängte von ihr weg.