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Werner K. Giesa

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Beschreibung

Während Ren Dhark in Drakhon kämpft, wird die Erde Angriffsziel der mächtigsten Raumflotte, die den Blauen Planeten jemals ins Visier nahm. Und in der größten menschlichen Kolonie im All, auf dem ehemaligen Mysterious-Planeten Babylon, macht ein Mann von sich reden, über den man nur eines mit Gewißheit sagen kann: Herkunft unbekannt.

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Ren Dhark

Drakhon-Zyklus

 

 

Band 8

Herkunft unbekannt

 

 

von

Werner K. Giesa

Uwe Helmut Grave

Conrad Shepherd

Manfred Weinland

 

nach einem Exposé von

Hajo F. Breuer

Inhalt

Titelseite

Prolog

1.

2.

3.

4.

5.

6.

7.

8.

9.

10.

11.

12.

13.

14.

15.

16.

17.

18.

19.

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Impressum

Prolog

Die galaktische Katastrophe, die Ende des Jahres 2057 die Milchstraße heimsuchte, hat sämtliche technischen Errungenschaften der Mysterious, die nicht von einem Intervallfeld geschützt waren, in nutzlosen Schrott verwandelt. Darüber hinaus hatten die Völker der Milchstraße alle unter den Folgen der Energiefront aus dem Hyperraum zu leiden, ob sie nun Mysterioustechnik benutzten oder nicht. Bewußtlosigkeit, Kurzschlüsse und Unfälle forderten allen technisch entwickelten Zivilisationen einen hohen Blutzoll ab. Allein auf der Erde fanden mehr als 50 Millionen Menschen den Tod.

Ren Dhark vermutet einen Zusammenhang zwischen dieser Katastrophe, den verheerenden Strahlenstürmen in der Galaxis und der unerklärlichen Entdeckung der Galaxis Drakhon, die mit der Milchstraße zu kollidieren droht. Weil offenbar auch die Grakos, jene geheimnisvollen Schattenwesen, die so unerbittliche Feinde aller anderen intelligenten Lebensformen zu sein scheinen, unter den Folgen der kosmischen Katastrophe leiden und ihre Angriffe eingestellt haben, bricht Ren Dhark mit seinen Getreuen zu einer Expedition nach Drakhon auf. Da die Erde nach dem Ausfall ihrer meisten S-Kreuzer auf kein Raumschiff verzichten kann, steht für die Expedition nur ein einziges Schiff zur Verfügung: die POINT OF.

Ausgerüstet mit von den Nogk konstruierten Parafeldabschirmern steuert das terranische Flaggschiff noch einmal den Planeten Salteria an, auf dem die letzten Salter Zuflucht bei den paramental enorm starken Shirs gefunden hatten. Diesen gewaltigen Kolossen war es offenbar gelungen, die Erinnerungen und Sinneseindrücke der Terraner beim ersten Aufenthalt auf ihrer Welt fast nach Belieben zu manipulieren.

Beim Einflug nach Drakhon macht die Funk-Z der POINT OF eine erstaunliche Entdeckung: In der fremden Galaxis, die beim ersten Besuch funktechnisch »tot« war, wimmelt es nun von Kommunikationssignalen im Hyperraum. Offenbar hatte auch in dieser Sterneninsel ein kosmischer Blitz zugeschlagen, der die hier lebenden Völker aber früher außer Gefecht gesetzt haben muß als die Bewohner der Milchstraße…

Ren Dhark erhält Hinweise auf das geheimnisumwitterte Volk der Rahim, das Drakhon früher mit seiner Supertechnik beherrscht haben soll, aber seit rund 600 Jahren verschwunden ist. Den Commander packt das Jagdfieber: Die Parallelen zu den Mysterious sind kaum zu übersehen!

Von den Galoanern, einer höchst friedfertigen Zivilisation, bekommt das terranische Expeditionskorps Hinweise auf eine »verbotene Zone«, in der Spuren der Rahim zu finden sein sollen. Die Besatzung der POINT OF entdeckt in dieser Zone den Planeten der Rags. Auf dieser technisch noch rückständigen Welt finden sich Artefakte der Rahim – und deutliche Hinweise auf ihren Lebensraum.

Nach einem Zwischenspiel auf der Freizonenwelt Doron kann Ren Dhark endlich in den Bereich Drakhons starten, in dem er die Rahim vermutet.

Er ahnt nichts davon, daß Terra zu gleicher Zeit in höchster Gefahr schwebt. Eine gewaltige Flotte von Doppelkugelraumern der Tel ist unterwegs zur Erde, um die Heimat der Menschen zu erobern. Renegaten, die sich gegen die rechtmäßige Regierung des Telin-Imperiums wandten, haben sich mit den Robonen verbündet und einen teuflischen Plan ausgeheckt. Er soll ihnen trotz der bevorstehenden Niederlage beim Kampf um Cromar doch noch den Sieg bringen…

1.

Ter de Vries erinnerte sich an einen leidenschaftlichen Kuß. Und fühlte sich dennoch hundeelend. Offenbar hatte die zurückliegende Nacht in den Armen einer Frau geendet, deren Name ihm am verkaterten »Morgen danach« nicht mehr einfallen wollte, obwohl er sich das Hirn zermarterte. Fragen konnte er sie nicht mehr, denn sie war weg.

So toll kann ich wohl nicht gewesen sein, dachte der GSO-Agent, sonst hätten wir die Ausnüchterungspillen noch als gemeinsames Frühstück eingeworfen…

Der Gedanke kratzte nicht wirklich an seinem Selbstbewußtsein. Immerhin konnte auch sie nicht wirklich überzeugend gewesen sein. Er erinnerte sich an nichts. Nicht einmal…

An diesem Punkt wurde er stutzig. »Jalousien und Fenster auf!« befahl er der Steuerungseinheit des Zimmers, die auf Angloter programmiert war.

Angloter war die Weltsprache. Auch an einem Ort, der zweihundert Jahre zuvor durch den Opiumkrieg gegen die Briten traurige Berühmtheit erlangt hatte: Schanghai.

Ter durchquerte das Hotelzimmer und trat ans offene Fenster, durch das eine geradezu verbotene Lichtfülle hereinströmte. Der GSO-Mann stellte sich der Tortur in vollstem Bewußtsein. Zunächst glaubte er, sein Schädel müßte zerplatzen, doch nachdem dieses Stadium überstanden war, ging es aufwärts mit ihm.

Unter ihm erstreckte sich, zehn Stockwerke tiefer, die Hafenregion am Huangpu Dschiang. Etliche Plattformen ragten aus dem Wasser heraus; sündhaft teure Vergnügungsstätten der absoluten Luxusklasse. Schanghai hatte sich zu einem Mekka der Erlebnissüchtigen gemausert – nicht erst in den letzten Jahren, auch schon vor der Giant-Invasion. Doch die vom Commutator-Enzephalo geschädigten Menschen hatten vieles verkommen lassen, einiges auch unwiederbringlich zerstört. Es hatte, wie überall auf Terra, großer Anstrengungen bedurft, die Folgen der Invasion zu beseitigen.

Aber es war gelungen.

Das Schanghai von heute bot ein großartiges Bild. Solange jedenfalls, wie man sich damit begnügte, nicht an seiner Oberfläche zu kratzen.

Ter de Vries seufzte. Er wußte, was ein Kater war und wovon man ihn bekam. Wirklich interessant wurde ein solches »Tier« aber erst, wenn man es in sich hatte, ohne einen Tropfen Alkohol angerührt zu haben…

Jedenfalls nicht bewußt, schränkte Ter ein, stieß sich vom Fensterbrett ab und ging zu seinem Hartschalenkoffer, der auf einer Bank neben dem Kleiderfach stand.

Sorgsam verschlossen.

Es waren auch keinerlei Anzeichen zu entdecken, daß sich jemand daran zu schaffen gemacht hatte.

Ter lächelte.

Er wäre kein Top-Agent gewesen, hätte er sich mit dem reinen Augenschein begnügt. Routiniert spulte er die bereits in Fleisch und Blut übergegangene Prozedur ab, zu der er letzte Nacht bei seiner Rückkehr offenbar nicht mehr in der Lage gewesen war.

Zunächst überprüfte er, ob das »Auge« noch da war. Er hatte es im offenen Blütenkelch einer exotischen, wild wuchernden Pflanze versteckt, die fast mehr Platz einnahm als das Bett.

Er fand es unversehrt.

Zufrieden öffnete er danach den Koffer, der jeden anderen beim mißbräuchlichen Versuch ins Nirwana geschickt hätte.

Als der Deckel aufklappte, fand er auch das Innere, in dem kein einziges Kleidungsstück Platz hatte, unangetastet.

Ter entnahm sich mit Hilfe eines Medo-Bestecks ein paar Blutstropfen. Dann aktivierte er den Bildschirm, der die ganze Innenfläche des Kofferdeckels ausfüllte und auf dem er sich selbst, über den Koffer gebeugt, sah.

Er stoppte die Live-Aufzeichnung und startete die Memoryfunktion, wobei er sechs Stunden zurücksprang, kurz überprüfte, ob er schon im Zimmer war, dies nicht bestätigt fand und auf schnellen Vorlauf schaltete.

Eine Weile blieb das Bild unverändert, zeigte nur das leere Zimmer.

Dann ging die Tür auf.

Ter schaltete auf Normalwiedergabe und sah sich selbst in Begleitung seiner Barbekanntschaft eintreten. Er bewegte sich sehr kontrolliert, obwohl er auch daran keine Erinnerung mehr besaß…

Ein Summton lenkte ihn kurz ab. Das Ergebnis des Bluttests lag vor.

Ter pfiff leise durch die Zähne.

Diverse Medikamentenrückstände, unter anderem ein Halluzinogen!

Volltreffer.

Ter widmete sich wieder den Szenen, die der Koffermonitor zeigte.

Die Frau war überaus attraktiv und ganz seine Kragenweite: eurasische Züge, dunkles, von illuminierenden Fäden durchwobenes Haar und eine Figur, die das hautenge Kleid an den richtigen Stellen fast zum Bersten brachte…

Das »Auge« verfügte auch über eine Tonübertragung. Ter schaltete lauter. Und erfuhr so den Namen, der ihm entfallen war.

»Tia«, hörte er seine eigene Stimme aus dem Lautsprecher, »soll ich uns noch einen kleinen Drink mixen?« Der Ter de Vries auf dem Bildschirm zeigte zu der gutsortierten Zimmerbar.

»Laß mich das machen, Darling«, wehrte die Schönheit mit samtweicher Stimme ab. Ihre Bewegungen erinnerten in ihrer Geschmeidigkeit an eine Raubkatze.

Was dem Ter im Koffer kurze Zeit später nicht möglich war, sah der originale Ter durch den günstigen Winkel, aus dem heraus das »Auge« starrte, in unmißverständlicher Deutlichkeit: Aus einem aufklappbaren Ring schüttete die Schöne namens Tia ein Pulver in eines der Gläser, mit denen sie zu Ter zurückkehrte.

Keine Frage, daß sie ihm dieses Glas gab.

Sie prosteten einander zu, Ter trank, und dann sah es minutenlang so aus, als setzte sich der Abend genauso fort, wie der Agent es sich erträumt hatte. Tia führte ihn zum Bett und begann, sich lasziv das Kleid abzustreifen.

Doch plötzlich ging die Zimmertür auf, und drei unbekannte Männer betraten hintereinander den Raum.

Der Ter im Bild zeigte keinerlei Anzeichen von Überraschung.

Auch nicht, als sich seine vermeintliche Eroberung behende von ihm löste, ihr Kleid eilig überstreifte und aus dem Zimmer verschwand.

Die Männer blieben zurück und kümmerten sich um de Vries, dem – als Zuschauer – zu dämmern begann , daß er von Glück sagen konnte, noch am Leben zu sein.

Verdammt, er war wie eine Greenhorn in die Falle getappt – wie der blutigste Anfänger, den man sich vorstellen konnte!

Einer der Männer postierte sich an der Tür, einer setzte sich neben Ter aufs Bett und der dritte inspizierte den Koffer, der im Film noch sicher verschlossen auf der Ablage stand.

Es waren Profis. Ihre Vorgehensweise und auch die Vorsicht, die sie dabei an den Tag legten, ließen daran keinen Zweifel.

»Wie heißen Sie?« fragte der Mann auf der Bettkante.

»Ter de Vries.«

»In wessen Auftrag sind Sie hier?«

Ter schwieg.

Der Mann griff in seine Jackentasche und hielt Ter ein Injektionsgerät an die Halsschlagader. Ein leises Zischen war zu hören. Ter sank zurück auf die Matratze.

Der Mann wiederholte seine Frage.

»Im Auftrag der GSO.«

»Wie lautet Ihr Auftrag?«

»Separatisten beobachten. Ihre Ziele ermitteln…«

Der Fragesteller, wie jeder der drei Besucher ein Asiate, lächelte freundlich. Dann erkundigte er sich bei Ter nach dem Stand seiner Beobachtungen.

Die Antworten schienen ihn zufriedenzustellen. Tatsächlich hatte Ter – bis auf diesen Vorfall – noch überhaupt nichts Greifbares ermitteln können. Bernd Eylers hatte ihn mit ziemlich diffus formulierten Vorgaben nach Schanghai beordert…

Der Asiate, der sich den Koffer vorgenommen hatte, sagte: »Es wäre nicht ratsam, ihn öffnen zu wollen. Ich erkenne Hinweise auf spezielle Sicherungen…«

»Dann lassen wir ihn das Ding aufmachen.«

»Ebenfalls nicht ratsam«, wehrte der »Kofferspezialist« ab. »Die Sicherungen könnten auf die Mentalschwingungen abgestimmt sein, und es wäre möglich, daß die Mittel, die wir ihm verabreicht haben, diese verfälschen. Die Konsequenz wäre dieselbe, wie wenn wir ihn mit Gewalt zu öffnen versuchten.«

Sie einigten sich darauf, den Koffer nicht weiter zu beachten.

Dafür mußte Ter de Vries mit wachsendem Unbehagen zusehen, wie sich die beiden Hauptakteure an ihm zu schaffen machten. Sie zogen ihm das Hemd aus und befahlen ihm, sich auf den Bauch zu legen. Dann beugten sie sich über ihn. Das Auge erfaßte aus seinem Blickwinkel keine Details, aber einmal erhaschte Ter einen kurzen Blick auf eine Hand, die seinen Hinterkopf festhielt, während sich eine andere mit einem stabförmigen Gerät seinem Nacken näherte…

Kurz darauf verließen die Besucher das Zimmer.

De Vries blieb auf dem Bett liegend zurück, als würde er schlafen.

*

»Verdammt!«

De Vries fluchte erst, dann tastete er seinen Nacken ab.

Die Erhebung war kaum spürbar. Aber sie war zweifellos da.

Der Spiegel in der zum Zimmer gehörigen Hygienezelle brachte keinen weiteren Aufschluß, woraufhin de Vries über sein Kofferinstrumentarium Kontakt zur GSO-Zentrale in Cent Field herstellte. Er tat dies via Schriftmodus. Der Text konnte auf der Gegenseite wahlweise in Schrift- oder Sprachform abgerufen werden. Entsprechende Programme gab es heutzutage an jeder Straßenecke für ein paar Dollar zu kaufen. Nicht zu erwerben gab es jedoch Dechiffriergeräte von einer Qualität, wie sie nötig gewesen wäre, um das x-fach verschlüsselte Buchstaben-Tohuwabohu auch wieder zu entwirren.

De Vries verzichtete bewußt auf eine mündliche Kontaktaufnahme mit dem Hauptquartier der Galaktischen Sicherheitsorganisation.

Und er hoffte, daß das verdammte Ding in seinem Nacken nicht in der Lage war, Gedanken zu lesen…

*

Sie rückten mit einem hyperschnellen Spezialjett an.

Sie waren eine eingespielte Mannschaft, die im Bedarfsfall auch diskret vorgehen konnte.

Als die Frontscheibe der Hotelsuite zerbarst und die Scherben von speziellen Vorrichtungen weggesaugt wurden, so daß kein einziger Splitter den zehn Etagen tiefer gelegenen Boden erreichte, wartete de Vries bereits in einem Sessel.

Er hatte das Prozedere, nach dem die eingetroffene Einheit der GSO vorging, selbst in seinem Spruch an Eylers vorgeschlagen. Ter de Vries war sicher, das Menschenmögliche getan zu haben, um die Unbekannten nicht frühzeitig auf das Scheitern ihres Plans aufmerksam zu machen.

Wortlos verabreichte ihm einer der Ankömmlinge eine Injektion in den Hals.

De Vries schwanden die Sinne.

*

Als er die Augen aufschlug, war ihm fast so übel wie beim ersten Erwachen.

Er lag auf einem Sofa und war umringt von derselben Truppe, die dem Jett entstiegen war.

»Wie fühlen Sie sich?« fragte der korpulente Einsatzleiter, ein weißhaariger Mann mit narbigem, aufgeschwemmtem Gesicht, den de Vries ebensowenig persönlich kannte wie jeden anderen im Raum.

»Blendend«, versetzte er sarkastisch. Und fügte hinzu: »Ich gehe davon aus, wir können wieder reden?«

Der Mann im dunklen Zweireiher nickte. Dann fragte er vorwurfsvoll: »Wie konnten Sie nur in eine solche Falle tappen?«

De Vries versuchte, sich aufzurichten. Es gelang wider Erwarten ohne Schwindelgefühl.

Nachdem er aufgestanden war, zeigte sich, daß er den Weißhaarigen fast um Haupteslänge überragte.

»Ich hoffe, ich habe die Pferde nicht unnötig scheu gemacht. Und wenn ich jetzt noch Ihren Namen erfahren dürfte…?«

»Jong.« Die Narben, erkannte de Vries aus nächster Nähe, sahen aus wie winzige Krater – als wäre Jong irgendwann einmal ungeschützt in einen Blizzard geraten.

»Jong und weiter?«

»Jong genügt.«

»Wow.« De Vries lächelte verzerrt. »Da hat Eylers mir wohl seinen coolsten Mann geschickt.«

»Sie wurden uns schon als Scherzkeks beschrieben. Von mir aus hätte das Ding drin bleiben können. Es hat Sie gestört – nicht mich…«

»Und von was für einem Ding reden wir? Dürfte ich das auch langsam mal erfahren?« Zum ersten Mal hob er die Hand und fuhr sich in den Nacken.

Die leicht erhabene Stelle war verschwunden, dafür ertastete de Vries den getrockneten Film eines Sprühpflasters.

Sein Blick suchte die wäßrigen Augen Jongs. »Haben Sie operiert?«

Jong schüttelte den Kopf und deutete auf einen anderen Agenten, der zaghaft lächelte. »Das war Schneiders Sache. Er hat schon unter schlechteren Bedingungen Übleres herausgeschnitten.«

De Vries nickte Schneider zu.

»Das Ding«, erinnerte er Jong anschließend. »Wie übel war es denn?«

»Es ist bereits mit einem Kurier unterwegs nach Cent Field.«

Bevor de Vries eine weitere Frage stellen konnte, summte sein Armbandvipho. Ein Blick auf das Display verriet ihm, daß ein Anruf auf der GSO-eigenen Frequenz erfolgte – mit höchster Prioritätstufe.

»Sie entschuldigen mich kurz…« Ohne eine Antwort abzuwarten, kehrte er der versammelten Mannschaft den Rücken und trat an das glaslose Fenster, durch das ein feuchtwarmer Wind hereinfuhr. Außerhalb schwebte in Fensterhöhe ein Transportjett ohne Embleme, die seine Herkunft verraten hätten. Die Zustiegsluke stand offen und berührte fast die Wand des Hotelgebäudes. De Vries konnte in einen Laderaum blicken, in dem sich allerhand unbekanntes militärisches Gerät stapelte.

Er aktivierte das Vipho. Auf dem Display erschien das Gesicht von Bernd Eylers, dessen weiche Züge – wie de Vries aus langer Erfahrung wußte – täuschten.

»Ich bin bereits über alles informiert«, sagte der GSO-Chef. »Während Sie noch in Narkose lagen, hat Jong mir Bericht erstattet.«

»Wie nett«, erwiderte de Vries säuerlich. »Irgendwie hat er das bei mir bisher versäumt.«

Eylers ging nicht darauf ein. Statt dessen sagte er: »Sie werden Schanghai sofort verlassen. Zusammen mit der Jettbesatzung. Nutzen Sie die Denkpause, die ich Ihnen gewähre.«

»Denkpause?« echote de Vries erschüttert. Er hatte einiges erwartet, aber nicht seine sofortige Abberufung.

»Wie oft habe ich Sie ge- und verwarnt? Ich wußte, daß Ihnen – und uns – Ihre Frauengeschichten eines Tages zum Verhängnis werden könnten. Ich habe immer wieder ein Auge zugedrückt, aber diesmal ist das Risiko zu hoch. Betrachten Sie sich bis auf weiteres als suspendiert. Ihr Ersatz ist bereits informiert. Er wird in Kürze den Platz einnehmen, den Sie räumen.«

De Vries kam nicht mehr dazu, etwas zu erwidern – oder zu seiner Verteidigung vorzubringen. Eylers hatte die Verbindung von seiner Seite aus bereits unterbrochen.

*

Jos Aachten van Haag blickte aus dem Fenster von Bernd Eylers’ Büro. In Sichtweite lag der Raumhafen. Beinahe minütlich starteten und landeten Schiffe. Für jedes mußten spezielle Passagefenster im globalen Schirm um Terra geschaltet werden. Eine Sysiphusarbeit für die Lotsen im Tower.

Eylers folgte dem Blick seines Top-Agenten.

»Denken Sie auch manchmal daran?« fragte er.

»Woran?«

»Daran, daß es die Menschheit nicht mehr gäbe, wenn nicht…«

»Wenn nicht was?«

»Die Liste der ›Wenn nicht…‹, von der ich spreche, ist lang. Ich weiß selbst nicht genau, wo ich beginnen müßte. – Damals, als die ersten Fremden über der Sahara ihren Krieg auf unsere Kosten gegeneinander ausfochten… oder als die Giants alle Menschen im Sol-System bis auf wenige Ausnahmen versklavten…? Wie vielen Feinden aus den Tiefen des Alls mußten wir seither die Stirn bieten – und hätten wir es ohne ihn geschafft?«

Jos Aachten van Haag wußte, von wem Eylers sprach. Von einem, der nicht da war. Weder in diesem Gebäude noch auf diesem Planeten noch in dieser Sterneninsel…

Wie konnte ein Mann von knapp dreißig Jahren bereits ein Denkmal sein, eine Legende…?

Jos schüttelte den Kopf. Er hatte den Blick immer noch nach draußen gerichtet. Nicht zum Horizont, sondern steil nach oben in den Mittagshimmel. Der aussah, wie er immer ausgesehen hatte.

Doch der Schein trog.

»Ich gebe Ihnen recht«, sagte er. »Die Menschheit wäre dem Untergang geweiht – ohne ihn. Selbst wenn die Giants uns damals nicht geschafft hätten: Diese Welt hätte ebensowenig eine Zukunft wie unzählige andere bewohnte Welten der Milchstraße. Terra könnte das, was sich jenseits des Schildes, mit dem wir unsere gute alte Erde gewappnet haben, abspielt und von Tag zu Tag stärker zusammenbraut, nicht überstehen, ohne den Schild, den die Nogk uns geschenkt haben. Und die Nogk… die Nogk hätten keinen Finger gerührt, uns zu helfen, gäbe es ihn nicht…«

Ihn – immer wieder ihn.

Ren Dhark.

Jos versuchte sich vorzustellen, was der Mann, über den Eylers und er sprachen, gerade in diesem Moment wohl tun mochte – wogegen er drüben in der anderen, wie aus dem Nichts aufgetauchten Galaxis – Drakhon! – wohl kämpfen mochte. Die Sternenballung, die schuld war an den verheerenden Magnet- und Hyperstürmen, die die Milchstraße heimsuchten…

Jos drehte sich abrupt um. Faßte Eylers ins Auge. Er mochte den Mann, der die Galaktische Sicherheitsorganisation gegründet und zu dem gemacht hatte, was sie heute war: eine weit über den Einflußbereich der Erde hinaus operierende Institution, deren erklärtes Ziel es war, politische Brandherde zu löschen, bevor sie sich zu Großfeuern ausweiten konnten.

Eylers besaß ein Allerweltsgesicht. Wer ihm nur einmal flüchtig begegnete, vergaß sein Aussehen, kaum daß sich ihre Wege wieder getrennt hatten. Bei einem Kampf hatte er einen Arm verloren, und seither trug er eine Prothese mit ausgeklügelten technischen Raffinessen. Die Prothese war kaum von einem echten Arm zu unterscheiden.

Jos hatte sich oft gefragt, ob Eylers unter seiner Behinderung litt. Inzwischen war die Gentechnik so weit fortgeschritten, daß es durchaus möglich gewesen wäre, aus einer Stammzelle des GSO-Chefs einen Arm nachzuzüchten, der sich in nichts von seinem ursprünglichen unterschieden hätte.

Daß Eylers auf das Ausschöpfen dieses Mittels verzichtete, war Beweis genug, daß er sich mit seinem Kunstarm abgefunden hatte – vielleicht mehr als das. Über die Jahre hatte die Prothese seinen Charakter geprägt. Eylers war immer ein Mann der leisen Töne gewesen, einer, der sich seine Worte, bevor er sie aussprach, sehr genau überlegte. Dennoch hatte Jos den Eindruck, daß der GSO-Chef noch introvertierter, noch nachdenklicher geworden war – und skeptischer.

Wie gesagt, Jos Aachten van Haag mochte diesen Mann – aber nicht dessen Büro.

Was er nie verstehen würde, war, wie ein Mann von Eylers Reputation gleichzeitig einen dermaßen schlechten Geschmack in Fragen der Raumausstattung besitzen konnte.

Das Büro als »spartanisch eingerichtet« zu bezeichnen wäre die Untertreibung des Jahrhunderts gewesen.

Eylers verzichtete auf fast jeglichen Wand- oder Bodenschmuck; es gab keine Teppiche, keine Bilder, keines dieser kleinen Accessoires – auch Souvenirs genannt – die sich jeder andere GSO-Mitarbeiter wenigstens hie und da von seinen Einsätzen auf fremden Welten mitbrachte.

Im Grunde, dachte Jos, spiegelt dieses Büro ihn genau wider: Er ist ebenso auf das Allernötigste reduziert. Er leistet sich keinen modischen Firlefanz, keine andere Haarfarbe, nicht den kleinsten Schnickschnack… Nur – warum mag ich ihn dann, wenn er das lebende Abbild dieser an Beliebigkeit kaum zu überbietenden Kemenate ist…?

Er erwartete keine Antwort auf diese Frage. Weder von Eylers noch von sich selbst.

»Sie haben es dringend gemacht, Sir«, sagte er, nachdem er sich fast widerwillig auf dem Besucherstuhl vor Eylers’ blitzblankem Schreibtisch niedergelassen hatte.

»Sie werden diesen Kontinent sofort nach unserer Unterredung verlassen. Eine Transmitterverbindung ist bereits gebucht.«

Jos nickte. Die Ankündigung verblüffte ihn ganz und gar nicht. Es war nicht das erste Mal, daß er Hals über Kopf in einen Einsatz geschickt wurde.

»Wohin geht es, Sir – und mit welchem Auftrag?«

»Schanghai…«, erwiderte Eylers mit unbewegtem Gesicht und startete die Aufzeichnung, die Ter de Vries in seinem Hotelzimmer aufgenommen hatte.

Jos Aachten van Haag hörte sich zeitgleich zur Betrachtung des Videos an, was Eylers zu den Ereignissen in Asien zu erzählen wußte.

Irgendwann fragte Jos: »Wurden die Personen auf dem Video inzwischen identifiziert?«

»Nur einer von ihnen. Der Mann, der de Vries einem Verhör unterzog.«

»Und?«

»Ein Robone. Er ist bereits mehrfach einschlägig in Erscheinung getreten. Meist bei volksverhetzenden Aktionen, wie wir sie vermehrt ja nicht nur in Asien beobachten.«

»De Vries war in Schanghai, um nach Separatisten Ausschau zu halten, ihre Absichten herauszufinden«, sagte Jos. »Gab es mehr als vage Verdachtsmomente, daß die Robonen ein größeres Ding planen?«

»Bis zu diesem Vorfall nicht.«

»Und was hat man de Vries nun aus dem Nacken entfernt?«

Im Hintergrund von Eylers’ Augen schien es kurz aufzuflackern, als wäre ein Gewitter im Abzug.

Er zog eine Schublade auf der rechten Seite auf und zog einen in Folie eingeschweißten Gegenstand heraus, den er Jos über den Tisch hinweg zuschob.

»Er ist deaktiviert, keine Sorge«, sagte Eylers, als Jos zögerte, den Chip in die Hand zu nehmen.

Noch bevor Eylers weitere Auskünfte geben konnte, stellte Jos Aachten van Haag seinen ungeheuren Bildungs- und Erfahrungsschatz unter Beweis.

»Das ist keine Terra- und keine Robonentechnik«, sagte er wie aus der Pistole geschossen.

»Korrekt«, erwiderte Eylers. »Worauf tippen Sie?«

Jos nahm den daumennagelgroßen Chip, der auch nicht dicker als ein Fingernagel war, nun doch in die Hände und betrachtete ihn prüfend. Eylers reichte einen Stab über den Tisch, den Jos zu handhaben wußte. Er drückte einen Knopf und am Ende des Stifts baute sich ein energetisches Okular auf, dessen Vergrößerungseffekt stufenlos schaltbar war. Durch diese Lupe hindurch untersuchte er den Chip von beiden Seiten.

»Tel«, sagte er, ohne die Wanze aus der Hand zu geben. »Ich tippe auf Tel-Technologie.«

»Korrekt«, bestätigte Eylers zum zweiten Mal. »Es ist Tel-Technik. Um genauer zu sein und Ihnen das volle Ausmaß der Katastrophe vor Augen zu führen: Tel-Technik in der Hand von Robonen.«

*

Jos Aachten van Haag erfuhr auch noch die letzten Details – zumindest die, die bekannt waren.

Denn in dem Puzzle rund um die Schanghaier Affäre fehlten noch die wichtigsten Teile. Und Jos sollte sie suchen, das Bild vervollständigen – er, nicht der suspendierte Ter de Vries!

»Wie Sie wissen, gibt es schon seit einiger Zeit Verdachtsmomente«, sagte Eylers, »daß gewisse Tel-Kreise mit den Robonen kooperieren. Nach dem Fall de Vries habe ich sofort veranlaßt, daß sämtliche auf Terra stationierten GSO-Agenten zunächst stichprobenhaft auf Tel-Chips hin untersucht werden – die ersten Ergebnisse liegen vor. Bislang negativ – oder positiv, wie immer man es sehen will. De Vries ist der einzige, den es erwischte…« Eylers’ Gesicht zeigte ein Lächeln, das die Augen nicht mit einbezog. »Vielleicht war er aber auch nur der erste.«

»Was für einen Zweck erfüllte der Chip – beziehungsweise sollte er erfüllen?«

»Er war ausschließlich für Audioaufnahme und -übertragung konzipiert. Seine Reichweite ist jedoch beachtlich. Die Lauscher könnten überall auf dem Planeten sitzen. Ein Großteil der Chiptechnik ist auch nur dazu da, die ausgehenden Sendungen abzuschirmen. Eine technische Hochleistung, zumal sich der Chip allein aus dem körpereigenen elektrischen Feld speist… dieser Chip wird, sobald er mein Büro verläßt, Heerscharen von Wissenschaftlern begeistern – und anspornen, Vergleichbares nicht nur nachzubauen, sondern weiterzuentwickeln.«

»Die Robonen dürften inzwischen erkannt haben, daß ihnen ihr Fisch aus dem Netz geschlüpft ist. Wäre es nicht klüger gewesen…« Jos zögerte, weil ihm der eigene Gedanke plötzlich Unbehagen bereitete.

»Besser gewesen, ihn einem anderen Agenten einzupflanzen und ihn agieren zu lassen, als wären wir nie auf die Spur des Chips gekommen?« fragte Eylers.

Jos nickte.

»Hätten Sie sich denn dazu bereit erklärt?«

Jos zuckte die Schultern. »Vielleicht…«

»Ihre Risikobereitschaft in Ehren«, sagte Eylers. »Es muß auch anders gehen. Sie reisen umgehend nach Schanghai und beziehen ein Zimmer im gleichen Hotel wie de Vries. Führen Sie Ihre Ermittlungen diskreter durch als er – und vor allem: Lassen Sie sich nicht so leicht den Kopf verdrehen.«

»Kopf verdrehen bringt nur Kopfschmerz«, grinste Jos.

Noch in der derselben Stunde durchschritt er den Ringtransmitter von Alamo Gordo mit Gegenstation Schanghai.

2.

Ngt Sagla hatte die ganze Nacht vor dem Nachrichtenempfangssystem des Hauses zugebracht und kein Auge zugetan. Die Kinder hatten geschlafen wie immer, auch wenn bei der ältesten, Rlc, beim Zubettgehen tiefgreifende Ängste spürbar gewesen waren.

Denn draußen im Weltraum tobte ein Krieg. Ein Bruderkrieg, Tel gegen Tel. Rebellen probten mit rund sechstausend Schiffen den Aufstand.

Im Grunde ein aussichtsloses Unterfangen gegen eine doppelte Übermacht – aber was hieß das schon in der Praxis?

Nein, Fakt war: Tel starben durch die Hand von Tel. Das Imperium schwächte sich selbst in einem nie dagewesenen Akt gnadenloser Gewalt!

Warum? Was trieb die Aufrührer der Revolte? Waren sie von Fremden, von Nicht-Tel, aufgestachelt worden?

In der Vergangenheit hatte das Imperium kompromißlose Feldzüge gegen viele geführt, die seine Grenzen mißachtet hatten. Es gab unzählige Feinde zwischen den Sternen – aber wenige, die auch über die Mittel verfügt hätten, eine solche Verschwörung in Szene zu setzen.

Nein, dachte Ngt. Wahrscheinlich holt uns unsere eigene Vergangenheit ein: Vor langer Zeit haben wir schon einmal Kriege gegen uns selbst geführt; damals, als wir Tel die Raumfahrt noch nicht beherrschten… damals, als wir noch nicht die Hinterlassenschaften einer geheimnisvollen Spezies entdeckt und unserer eigenen Technologie einverleibt hatten. Das Erbe der Unbekannten war die Grundlage für unser Sternenreich.

Ngt Sagla unterbrach ihr Abschweifen ins ferne Damals.

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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