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Unglaublich! Wie können eineiige Zwillinge nur so gleich aussehen und doch so verschieden sein? Jenny liebt es, Hip-Hop zu tanzen, Kira arbeitet ehrenamtlich im Tierheim. Auch was Jungs angeht, schlagen ihre Herzen vollkommen unterschiedlich: Jennys Traumtyp ist ein supercooler Tänzer - Kiras ist hilfsbereit und megaintelligent. Doch um ihre Herzbuben zu erobern, müssen beide einen Trick anwenden, der nur bei echten Twins funktioniert ... Sabine Both, Jahrgang 1970, lebt und arbeitet als freie Autorin in Neuss. Eine rabaukige Kindheit, eine rebellische Pubertät und ein paar turbulente Jahre als Sozialarbeiterin haben genügend Stoff für jede Menge frecher Jugendromane angehäuft. Wenn Sabine Both gerade nicht auf den Spuren frisch verliebter Mädchen oder hormongesteuerter Jungen ist, küsst sie ihren Mann, beackert ihren Garten und bekocht ihre Freunde.
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© Thienemann Verlag GmbH
Sabine Both
Unglaublich! Wie können eineiige Zwillinge nur so gleich aussehen und doch so verschieden sein? Jenny liebt es, Hip-Hop zu tanzen, Kira arbeitet ehrenamtlich im Tierheim. Auch was Jungs angeht, schlagen ihre Herzen vollkommen unterschiedlich: Jennys Traumtyp ist ein supercooler Tänzer – Kiras ist hilfsbereit und megaintelligent. Doch um ihre Herzbuben zu erobern, müssen beide einen Trick anwenden, der nur bei echten Twins funktioniert ...
»Los, Mama, erzähl! Wie war das damals?« Manchmal passiert es noch, dass die Worte gleichzeitig kommen.
Aus zwei absolut gleichen Mündern. Herzförmig, die Oberlippe ein kleines bisschen vorgestülpt, was super ist, um eine sehr süße Schnute zu ziehen.
Alles an Jenny und Kira ist gleich. Die mandelförmigen Augen, die dunkelblond gelockten Haare, die Stupsnasen.
Aber das fällt auf den ersten Blick gar nicht auf, weil sie in allem anderen so verschieden sind.
Jenny liebt Knallenges und Glitzerndes. Kira steht auf Latzhose und Schlabbershirt. Kira würde nie ein Tier essen, Jenny liebt Burger und Bratwürste über alles. In Jennys Zimmer herrscht heilloses Durcheinander, Kira ist pingelig sauber und ordentlich. Bei Jenny sind die Wände tapeziert mit Tanz-Postern, bei Kira finden sich nur Katzen und Hunde. Das Einzige, was sie beide mögen, ist Chai Latte.
»Ihr kennt die Geschichte doch schon in- und auswendig.« Mama stöhnt, weil das zum Spiel gehört. Aber die Zwillinge wissen ganz genau, dass Mama es liebt, die Geschichte zu erzählen. Und es ist schon eine ganze Weile nicht mehr vorgekommen, dass danach gefragt wurde.
»Egal!«
»Trotzdem!«
»Bitte, bitte!« Die Zwillinge ziehen das ganze Programm ab, wie früher. Sie zerren Mama am Pullover und jammern, als wären sie noch klein.
Sind sie aber nicht mehr. Sie sind schon fast so groß wie Mama. Und wenn sie nicht gerade nach der Geschichte verlangen, sind sie waschechte Teenager. Mit Launen, wenn auch nicht denselben. Und neuerdings auch mit einem Pickel. Natürlich beide gleichzeitig. Und beide an der gleichen Stelle. Direkt auf der Nase. So, dass man ihn nicht verstecken kann, nicht mal mit Mamas Make-up für reife Haut. Jenny hat das ausprobiert. Kira nicht. Sie hasst Schminke. Sie senkt lieber den Kopf, damit keiner den Pickel zu Gesicht bekommt.
»Na gut! Dann kommt her!« Mama ist geschlagen.
Die drei werfen sich auf die Couch, Mama in die Mitte, Kira links, Jenny rechts, und dann geht es los.
Die Geschichte fängt immer an derselben Stelle an. Nicht ein bisschen weiter vorne. Nicht ein bisschen weiter hinten. Immer im Zug.
»Ich saß im ICE von Köln nach Berlin, auf dem Weg zu einem Seminar. Ich war gerade in einen Artikel in der Zeitung vertieft, da klingelte das Handy. Mein Herz hat schon gepocht, obwohl ich nicht wusste, wer dran war. Als hätte ich was geahnt. Und dann war es tatsächlich die Adoptionsvermittlung. Und eine Frauenstimme sagte: Ich habe ihre Kinder!«
An der Stelle streichelt Mama immer links und rechts über die Locken. Über Jennys wild verwuschelte Mähne und Kiras streng zusammengebundenen Knödel.
»Und dann hat sie mir erzählt, dass ein Zwillingspaar, zwei neun Monate alte Mädchen, in einem Heim darauf wartet, eine Familie zu finden.«
Mama will die beiden noch ein bisschen enger an sich ziehen. Bei Jenny klappt das, aber Kira rückt plötzlich ab. Mama wirft ihr einen Seitenblick zu. Da ist es wieder, dieses komische neue Gesicht von Kira. Die Augenbrauen zusammengezogen, die Mundwinkel verkniffen.
»Ich wusste im allerersten Moment, dass ihr meine Kinder seid«, fährt Mama trotzdem fort. »Die Kinder, auf die ich mein ganzes Leben lang gewartet hatte, die Kinder, die ich mir immer gewünscht hatte. Mein Herz hat geklopft bis zum Hals. Ich hab kaum verstanden, was am anderen Ende der Leitung gesagt wurde. Und als ich aufgelegt habe, muss ich so gestrahlt haben, dass das ganze Abteil mitgestrahlt hat. Und alle wollten wissen, was los ist, und ich hab allen von euch erzählt, so glücklich war ich.«
Mama sieht noch mal zu Kira rüber. Das neue Gesicht ist immer noch nicht verschwunden. Auf der anderen Seite bei Jenny ist alles wie immer. Die grinst und nimmt den Faden auf: »Und dann hast du Papa angerufen.«
»Genau. Der war gerade in einer Sitzung und musste mit seiner Bürostimme sprechen. Die kennt ihr ja, mit der kann man sich nur insgeheim freuen. Aber ich kenne euren Papa gut genug, und darum habe ich trotzdem gehört, dass auch sein Herz gehüpft hat, dass auch er sofort wusste: Ihr beiden seid unsere Kinder.« Mama seufzt und fügt ganz versonnen hinzu: »Unsere. Nur unsere.«
In dem Moment steht Kira abrupt auf. So abrupt, dass sie gegen den Couchtisch stößt, sich am Knie wehtut und knurrt. Mama will das Knie berühren, aber Kira zieht das Bein weg. Und dann sagt sie in einem Ton, den sie sonst nur für fleischessende Mitmenschen übrig hat: »Ist doch immer die gleiche Leier.«
Mama wechselt mit Jenny einen irritierten Blick. Jenny weiß aber auch nicht, was los ist. Wieso ihrer aller Lieblingsgeschichte für Kira urplötzlich eine alte Leier ist. Kira ist Jenny sowieso ein einziges Rätsel geworden in den letzten Wochen. Früher, da wusste sie immer alles von Kira, bekam alles berichtet und konnte ihr den Rest von der Nasenspitze ablesen. Aber jetzt ist das anders. Und Jenny hat keinen Schimmer, wieso. Pubertät wahrscheinlich – die ist bei jedem unterschiedlich. Kira macht eben dicht und Jenny haut auf den Putz. Aber schade ist es schon, dass sie nicht mehr das sind, was sie immer waren – die verschworenen Unzertrennlichen.
Kira reibt sich das Knie und zeigt dann ungeduldig zur Uhr: »Schon mitgekriegt, wie spät es ist? Wir müssen los.«
Und das stimmt.
Jenny und Kira haben zu viel vor, um weiter auf der Couch abzuhängen. Es sind zwar Ferien, aber der Terminkalender ist voll. Kira hat Schicht im Gnadenhof. Jenny hat Training. Und vorher wollen alle drei noch bei Uroma vorbei. Nach dem Rechten sehen. Schauen, was sie heute wieder angestellt hat.
Oma öffnet nicht, also zieht Mama den Schlüssel aus der Tasche.
»Hoffentlich ist sie nicht wieder ausgegangen«, seufzt Kira.
Wenn Uroma die Wohnung verlässt, geht das manchmal schief. Sie will nur zum Bäcker und landet im Freibad, wo der Bademeister alle Hände voll zu tun hat, ihr klarzumachen, dass das Baguette leider aus ist. Sie will zum Friseur und landet beim Schuster, der von ihr eine lautstarke Standpauke erhält, weil er sich weigert, die Löckchen aufzudrehen. Sie macht sich auf den Weg zum Metzger und will, im Bioladen gelandet, einfach nicht verstehen, dass es dort nur Tofuwürstchen gibt. Am Ende finden Bademeister, Schuster oder Bioladenverkäuferin immer den Zettel mit Mamas und Papas Telefonnummer, und einer von beiden kommt angerast, um Uroma nach Hause zu bringen.
Mama öffnet die Tür und die drei betreten die Wohnung. »Oma!«, ruft Mama.
»Uroma!«, rufen Kira und Jenny. »Bist du da?«
»Ich bin hier!« Uromas Stimme kommt aus dem Wohnzimmer. »Ich kann ihn einfach nicht finden.«
»Wen denn?«
Mama und die Zwillinge stürmen los. Der Anblick, der sich ihnen im Wohnzimmer bietet, ist so schräg, dass alle drei sich ein Kichern nicht verkneifen können. Uroma sitzt umgeben von Weihnachtsbaumkugeln und Glitzerengelchen auf dem Teppich und dekoriert ihre Zimmerpalme. Die Lichterkette leuchtet und die Krippe steht schon unterm Immergrün.
»Der Weihnachtsmann aus Blech, der vom Weihnachtsmarkt in Aachen, ich finde ihn nicht«, seufzt Uroma.
Der Weihnachtsmann ist schon seit Jahren nicht mehr da, weil Uroma ihn Oma geschenkt hat und die ihn mit zu ihrem neuen Mann nach Mallorca genommen hat.
Mama und die Mädchen wechseln einen Blick: Sollen sie Uroma klarmachen, dass gerade Sommer ist und Weihnachten in weiter Ferne liegt, oder spielen sie mit?
Jenny entscheidet spontan: »Hast du denn schon die Weihnachtsplatte aufgelegt?« Sie stöbert in Ur-omas alten Vinylplatten, findet die von Nana Mouskouri und schmeißt den Plattenspieler an. »Petit Papa Noël« ertönt und Jenny singt mit.
Uromas Augen strahlen. Der Weihnachtsmann aus Blech ist vergessen, sie klatscht in die Hände und will von Kira: »Und du, Kind, sag ein Gedicht auf!«
Dafür war Kira schon immer zuständig. Bereits als ganz kleiner Zwerg konnte sie Gedichte auswendig lernen und wunderschön rezitieren. Aber dass sie Weihnachtsgedichte im Repertoire hatte, das ist lange her. Nur für Uroma ist die Zeit stehen geblieben und Kira immer noch das kleine Mädchen.
Kira kramt in ihrer Erinnerung und findet tatsächlich noch etwas:
»Von drauß’ vom Walde komm ich her;
Ich muss euch sagen, es weihnachtet sehr!
…«
Uroma strahlt jetzt heller als die Lichterkette. Und während Mama das Bett macht, das Essen aufwärmt und die Toilette putzt, lassen sich Kira und Jenny von Uroma die Weihnachtsgeschichte erzählen.
»Ach, was war das für ein schönes Fest«, sagt Uroma, als die drei sich verabschieden. »Nur schade, dass Richard nicht dabei sein konnte. Er hat schrecklich viel zu tun, ihr wisst ja, die Arbeit, die Arbeit.«
»Ja, das wissen wir«, sagt Mama und denkt nicht dran, Uroma das Weihnachtsfest zu verderben, indem sie klarstellt, dass Richard, Uromas geliebter Mann, schon seit siebzehn Jahren nicht mehr unter ihnen weilt.
Jenny sitzt in der Umkleide und seufzt. Sie denkt an Timo und bekommt sofort Gänsehaut. Allein weil sie weiß, dass sie jetzt zwei Stunden lang in seiner Nähe sein kann. Weil sie hofft, dass vielleicht eine zufällige Berührung zustande kommt.
Einmal ist so was passiert. Als Jenny bei einer Drehung übel umgeknickt ist, am Boden lag und ein Gesicht gezogen hat wie Christiano Ronaldo. Voll tapfer, aber auch voll Drama. Extra, damit Timo kommt. Und der kam dann auch. Mit Eisspray. Und dann hat er Jennys Schienbein untersucht. Mit bloßen Händen. Mindestens fünf Sekunden lang. Jenny kann nur hoffen, dass alle gedacht haben, Gänsehaut bekommt man auch bei starken Schmerzen oder zumindest von Eisspray.
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