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Flauschige Hochlandrinder und eine kleine schottische Teefarm in Not Als die kleine Teefarm in Kirkcaldy an der schottischen Küste kurz vor seinem Ruin steht, ruft Davina ihre Jugendfreundin Fiona auf den Plan. Gemeinsam setzen die beiden Frauen alles daran, um die Teeplantage vor ihrem Aus zu retten. Fiona stößt mit ihrem innovativen Tourismuskonzept jedoch nicht nur auf Fürsprache. Insbesondere mit Davinas Bruder Lennox gerät sie immer wieder aneinander. Dabei muss Fiona schon bald feststellen, dass sich hinter seiner mürrischen Fassade eigentlich ein herzensguter, tierlieber und verdammt attraktiver Kerl steckt. Doch ausgerechnet, als es zwischen ihnen endlich knistert, klappt Davina zusammen und die Zukunft der Teefarm erscheint ungewisser denn je …
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Herzklopfen auf der kleinen Teefarm in Schottland
H.C. Hope wurde 1988 in Oberschwaben geboren und entdeckte ihre Liebe zu Wort und Schrift schon im Grundschulalter. Als stetiges Hobby zog es sich durch ihre Jugend, bis sich 2019, neben ihrer Arbeit als Logopädin, der Traum vom ersten eigenen Buch erfüllte. Sie liebt es mit Cappuccino oder Tee durch neue Welten zu streifen, fantastische Geschichten zu verfolgen und romantische Schicksale zu erleben. Wenn sie nicht liest oder schreibt, dann verwandelt sie die Küche in ihr zweites kreatives Zuhause oder jagt mit Samtpfote Fips durch die heimische Natur.
Flauschige Hochlandrinder und eine kleine schottische Teefarm in Not
Als die kleine Teefarm in Kirkcaldy an der schottischen Küste kurz vor seinem Ruin steht, ruft Davina ihre Jugendfreundin Fiona auf den Plan. Gemeinsam setzen die beiden Frauen alles daran, um die Teeplantage vor ihrem Aus zu retten. Fiona stößt mit ihrem innovativen Tourismuskonzept jedoch nicht nur auf Fürsprache. Insbesondere mit Davinas Bruder Lennox gerät sie immer wieder aneinander. Dabei muss Fiona schon bald feststellen, dass sich hinter seiner mürrischen Fassade eigentlich ein herzensguter, tierlieber und verdammt attraktiver Kerl steckt. Doch ausgerechnet, als es zwischen ihnen endlich knistert, klappt Davina zusammen und die Zukunft der Teefarm erscheint ungewisser denn je …
H.C. Hope
Ullstein
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Originalausgabe bei Ullstein eBooksUllstein eBooks ist ein Verlag der Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin August 2024 (1)© Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin 2024
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Das Buch
Titelseite
Impressum
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
Kapitel 23
Kapitel 24
Kapitel 25
Kapitel 26
Epilog
Danksagung
Leseprobe: Küstenglück im kleinen Inselhotel
Social Media
Vorablesen.de
Cover
Titelseite
Inhalt
Kapitel 1
Für die wunderbaren Menschen, die dafür sorgen, dass die liebevoll gezupften Teeblättchen aufgebrüht in der Tasse landen.Danke für eure Hingabe.
Für all die, die Ruhe in den hektischen Tagen suchen.
Eine Tasse Tee wirkt Wunder.
»Tee hat nicht die Arroganz des Weines, nicht das Selbstbewusstsein des Kaffees, nicht die kindliche Unschuld von Kakao. Im Geschmack des Tees liegt ein zarter Charme, der ihn unwiderstehlich macht, und dazu verführt, ihn zu idealisieren.«
Schottland ist nass. Und kalt. Brr. Ich sehe durch die trübe Nebelsuppe in den wolkenverhangenen Himmel. Keine Aussicht auf Sonnenschein oder auch nur einen Zentimeter Azurblau. Ich ziehe den Kragen meiner rostroten Regenjacke enger und warte auf den Bus, der mich vom Rollfeld in das kleine Flughafengebäude Dundees bringen soll. Der Wind bläst mir gnadenlos ins Gesicht. Ein Grund mehr, weshalb ich Schottland nicht auf meine Bucketlist gesetzt habe. Dabei ist der Blick von hier auf den Tay atemberaubend. Wie anmutig sich der Fluss durch die Verengung windet, um in der Ferne in die Nordsee zu münden. Dabei sieht er nicht weniger graublau aus als die Wolkendecke über mir. Aus dem Wasser ragen zwei Brücken, die ans andere Ufer führen. Sicher werde ich später eine von ihnen passieren, um ins Küstenstädtchen Kirkcaldy zu gelangen. Beziehungsweise eher zur dortigen Teefarm meiner Jugendfreundin Davina. Ich schmunzle. Nie hätte ich geglaubt, einmal den Auftrag zu bekommen, den verstaubten Ruf und Internetauftritt einer schottischen Teefarm aufzupolieren. Doch als Marketing- und Social-Media-Expertin bin ich jedem Themenkomplex aufgeschlossen. Auch Toilettenpapier. Immerhin gibt es jetzt welches mit hippen Graphic-Novel-Szenen darauf. Und im Grunde lässt sich jedes Produkt und jede Marke zeitgemäß aufhübschen. Solange es für den Endverbraucher spannend und nützlich bleibt. Da Tee aus keinem Haushalt mehr wegzudenken ist, ist die Konkurrenz entsprechend groß und ich werde mir etwas Ausgefeiltes überlegen müssen, um alle anderen Anbieter blass aussehen zu lassen. Zum Glück ist meine Kreativität eine unerschöpfliche Muse. Was hoffentlich auch für Tee gilt. Mein kleines, aber feines Sortiment beschränkt sich nämlich auf Früchte- und Wintertees. Hauptsache süß. Ich würde in einen prämierten Earl Grey wohl drei Würfel Zucker geben, oder vier, und jeder Teekenner würde mir dafür die Ohren lang ziehen. Aber wer weiß, vielleicht überzeugt mich Davina ja vom milden und nussigen Geschmack ihres Grün- und Schwarztees. Ich möchte hinter dem Produkt stehen, das ich vermarkte. Da sich schottischer Tee auf dem Weltmarkt behauptet und sogar nach China exportiert wird, wäre es doch gelacht, wenn ich nicht gleich Anknüpfungspunkte finden würde, um für die Erlesenheit von Davinas Tees zu werben.
Der gelb-rote Flughafenbus hält vor mir, und seine Türen öffnen sich zischend. Ich steige mit zehn anderen Passagieren ein. Im kleinen Flughafengebäude von Dundee läuft das Gepäck schon auf dem Band, und ich schnappe mir meinen grasgrünen Koffer. Etwas, das ich auf meinen vielen Reisen gelernt habe – je auffälliger das Gepäck, desto geringer die Verwechslungsgefahr. Dann organisiere ich ein Mietauto und stehe schließlich vor einem weißen Kleinwagen. Schnell lade ich meinen Koffer ein und füttere das Navi mit der Zieladresse.
Tatsächlich fahre ich über die erste Brücke, die mich über den Tay führt. Was für ein Feeling. Für einen Moment kribbelt mein Hintern, weil die Streben des rotbraunen Geländers zu meinen beiden Seiten nicht sonderlich robust aussehen. Im Gegenteil, sie verleihen mir das Gefühl, ich würde nur knapp über dem Wasser fahren. Uaaah. Das ist mir zu viel vorgegaukelter Kontroll- und Erdbodensicherheitsverlust, und ich entspanne mich erst wieder, als ich das Festland erreiche. Eine Wasserratte bin ich nicht unbedingt. Einschießendes Adrenalin war noch nie mein Hobby. Ich atme tief aus und folge der Hauptstraße.
Die Central Lowlands scheinen aus fruchtbarem Flachland, ungeahnten Grünspektren, goldgelben Feldern und einer endlosen hügeligen Bilderbuchlandschaft zu bestehen. Immer wieder erwische ich mich dabei, wie ich mich in der Natur oder den massiven steinernen Gebäuden der Städte, die ich passiere, verliere. Alles wirkt so anders als in Deutschland. Und dennoch erkenne ich gewisse Ähnlichkeiten.
Ja, ich kann verstehen, weshalb Davinas Vater in unserem letzten Kindergartenjahr den Schritt gewagt hatte, nach Schottland auszuwandern und die Teefarm seines Vaters zu übernehmen. Davinas heutiges Schicksal. Dennoch ist unser Kontakt nie abgebrochen, Videotelefonie sei Dank. Ein bisschen aufgeregt bin ich schon, sie nachher wieder in echt zu treffen, und das nach all den Jahren. Trotzdem zähle ich sie zu meinen ältesten Freundinnen. Umso weniger überrascht war ich, als sie mich gebeten hatte, den Ruf der Teefarm aufzufrischen. Ein guter Grund, um mir die nächsten zwei Wochen freizuschaufeln und mir einen Eindruck von der Teeplantage zu verschaffen. Denn mit einem grünen Daumen oder dem Wissen, wie man sich diesen aneignet, bin ich nicht gesegnet. Vielleicht hätte ich vorab recherchieren sollen, wie so eine Teepflanze überhaupt aussieht. Ist das ein Busch? Ein Stängel mit Blättern? Ein Bäumchen?
Ich lasse mich überraschen, Hauptsache, ich zertrample nichts. In der Ferne teilen zerklüftete Felsen die Nordsee vom Festland. Die Wolkendecke wird zusehends dichter, und leichter Sprühregen benetzt die Windschutzscheibe. Dennoch verliert das leuchtende Grün der Wiesen nicht seine Strahlkraft. Es ist fast schon magisch.
Auch Kirkcaldy entpuppt sich als reizendes Küstenstädtchen. Ich fahre an einem beeindruckenden Schloss vorbei und folge der High Street, die parallel mit dem Hafen zur Küste verläuft. Ein malerischer Anblick der graublauen Nordsee, die den Horizont küsst, tut sich auf. Ich verlasse die High Street Richtung Zentrum. Dort drängen sich rote, graue und braune Gebäude mit stilvollen Erkern eng aneinander, um immer wieder von kleinen Shops aufgelockert zu werden. Zum Stadtrand hin wird Kirkcaldy deutlich grüner, und das Navi informiert mich darüber, dass ich mein Ziel in zehn Minuten erreichen werde. Nervös setze ich den Blinker zum nationalen Waldgebiet, an dessen Rand sich Davinas Teefarm befindet. Satte Laub- und Nadelbäume ziehen an mir vorbei, bis ich über einen Schotterweg auf eine kleine Anhöhe zufahre. Stirnrunzelnd prüfe ich die Anweisungen des Navis, das mehr als ich von dieser Strecke überzeugt ist. Zu meiner Rechten grasen Schafe auf einer Weide, während auf der linken Seite der Waldrand mit seiner Flora lockt. Der schmale Schotterweg windet sich um die Schafweide, die von einer Horde zotteliger Rinder mit langen Hörnern abgelöst wird. Gehören die etwa zu Davinas Teefarm? Sind das Hochlandrinder?
Ein hölzernes Schild zwischen zwei wuchtigen Tannen erweckt meine Aufmerksamkeit. Der verblasste Schriftzug mit Teetasse darauf lässt sich kaum noch entziffern. Der Sprühregen, der sich mittlerweile verdichtet hat, tut sein Übriges.
Happy Place Teafarm kann ich gerade so entziffern.
Puh, ich schätze, lesbare Schilder werden meine erste Maßnahme sein. Sie lassen sich schon im Stadtrandgebiet platzieren und sollten die Sichtbarkeit der Farm erhöhen. Immerhin glaube ich dem Navi jetzt, dass ich auf dem richtigen Weg bin. Irgendwie bin ich froh, diese grimmig dreinblickenden Rinder hinter mir zu lassen.
Der Regen nimmt weiter zu, und der Schotterweg verwandelt sich in eine zunehmend matschige Angelegenheit. Ob der Rest nun in eine Rutschpartie ausartet? Irgendwie greifen die Reifen nicht mehr. Wer bitte denkt auch schon daran, bei einem Leihwagen das Reifenprofil zu checken für den unwahrscheinlichen Fall, dass man auf matschiges Gefilde trifft? Ich hätte mir vermutlich vor der Reise die Satellitenbilder auf Google Maps ansehen sollen …
Ich nehme eine scharfe Rechtskurve und komme vom schmalen Weg ab.
Perplex reiße ich das Lenkrad nach links. Der Wagen gerät ins Rutschen.
Scheiße!
Ich trete hart auf das Bremspedal und drücke es durch. Das Auto stoppt abrupt, und Matsch spritzt so heftig auf die Windschutzscheibe, dass ich Mühe habe, mich anschließend zu orientieren. Ganz zu schweigen davon, irgendetwas zwischen den braunen Schlieren, die die Scheibenwischer über die Windschutzscheibe verteilen, zu erkennen. Irgendwie fühlt es sich so an, als würde das Auto den Hügel direkt wieder rückwärts herunterrutschen. Und das, obwohl ich noch immer auf das Bremspedal trete.
Heiliger Bimbam. Mit aller Kraft halte ich das Lenkrad fest. Ob ich die Handbremse anziehen soll? Hilft das? Mein Herz poltert gegen meinen Brustkorb, als sich endlich die braunen Schlieren auf der Scheibe lichten. Dabei erkenne ich, dass ich mich tatsächlich von einer Farmhaus-Silhouette entferne.
Ach, du liebe … Ich rutsche ab! Was mache ich denn jetzt?
Plötzlich rumst es hinten, und ich komme zum Stehen. Was zur Hölle war das? Ich schalte den Motor aus und ziehe die Handbremse nun doch an. Dann atme ich tief durch. Was ist da gerade passiert?
Hoffentlich bin ich nicht gegen den Weidezaun gekracht. Oder in ein Rind. Oh Gott! Waren die weit genug weg?
Mit zittrigen Fingern ziehe ich die Kapuze meines Regenmantels über den Kopf und steige aus. Dabei versinke ich direkt wadentief im Matsch.
Echt jetzt?
Meine Sneaker saugen die Nässe auf, die kalt meine Waden emporkriecht. Der Regen ergießt sich über mich. Was für ein Bockmist!
Ich stapfe nach hinten zum Fahrzeugheck, um festzustellen, dass ich gegen eine robuste Bank gekracht bin. Eine satte Delle ziert die Stoßstange. Na toll! Mit einem Schmatzen löse ich ein Bein aus der Matschpfütze. Gibt es hier irgendwo feste Wege? Wie gelangen denn die Besucher und Mitarbeiter zur Farm? Das ist ja gemeingefährlich.
Ich wage einen Rundumblick, während der Regen von meiner Kapuze tropft. Nur wenige Meter vor mir liegt das efeubewachsene Farmhäuschen mit asphaltiertem Parkplatz. Rechts davon zeugen Reifenspuren im Matsch von meinem Abrutschen, und links erstreckt sich, versteckt von der Anhöhe, Teile einer grünen Ebene. Die Teeplantage?
Angesäuert stapfe ich zur Fahrertür. Jeder Schritt schmatzt, und meine Wade fühlt sich jetzt schon an wie ein Eisklotz.
Mürrisch steige ich wieder in den Wagen. Jetzt muss ich es nur noch da raufschaffen. Oder ist das eine Schnapsidee?
Ich starte das Auto, löse die Handbremse und drücke auf das Gaspedal. Doch bis auf das Röhren des Motors passiert nichts. Ich erhöhe den Druck auf das Pedal und komme doch nicht von der Stelle. Vermutlich grabe ich den Wagen nur noch tiefer in den Matsch.
Das darf jetzt echt nicht wahr sein! Ich stecke fest! Um meine These zu untermauern, drücke ich das Gaspedal erneut durch. Der Wagen heult auf, bewegt sich jedoch keinen Millimeter.
Jepp, ich hab mich da buchstäblich eingefahren.
»Was für ein verfluchter Mist!« Ich hämmere mit den Händen gegen das Lenkrad und schalte den Motor aus. Den Blick nach unten in den Fußraum vermeide ich, denn da wird mich die nächste Matschparty erwarten, die ich reinigen darf. Verdammt!
Der Regen prasselt auf das Autodach. Ein Hämmern und Klopfen.
Klopf. Klopf. Klopf.
Irgendwie ein bisschen zu rhythmisch für diesen Regenschauer.
Plötzlich öffnet sich die Autotür. Ich zucke zusammen, als sich ein knallgelber Regenmantel in mein Sichtfeld schiebt.
»Sind Sie denn von allen guten Geistern verlassen?«, knurrt es sonor unter der gelben Kapuze hervor. Ein dunkler Bartschatten umgibt einen verkniffenen Mund.
»Wie bitte?« Regen spritzt mir ins Gesicht.
»Wenn Sie die Reifen weiter durchdrehen lassen, graben Sie noch ein Flussbett in meinen Acker.« Obwohl der Regen das tiefe Timbre der Stimme übertönt, erweckt sie eine Gänsehaut auf meinem Arm.
Das hat mir jetzt gerade noch gefehlt: ein Besserwisser und seine neunmalklugen Ratschläge.
»Na, hören Sie mal, würden Sie den Acker einzäunen und kenntlich von der Fahrbahn, oder was auch immer das sein soll, trennen, wäre das alles nicht passiert.« Ich steige aus und knalle die Autotür zu. Gehört dieser Typ etwa zu Davinas Teefarm?
»Schon mal dran gedacht, vom Gas zu gehen bei diesem Wetter?« Eisblaue Augen fassen mich ein.
»Es kann doch keiner ahnen, dass sich der Kiesweg ausgerechnet in der scharfen Kurve in einen Feldweg verwandelt, oder? Immerhin mit einer ordentlichen An- und Einfahrt dürfte man wohl rechnen, wenn man zur Farm gelangen will.« Ich stemme die Hände in die Hüfte, und Wasser tropft vom Rand meiner Kapuze. Gefühlt sinke ich wieder wadentief in den Matsch. Ich hasse ihn jetzt schon. Von ganzem Herzen.
»Ist das so?« Der stämmige Mann vor mir hebt seine dunklen Augenbrauen.
»Natürlich! Alles andere ist doch gemeingefährlich. Noch nie etwas von Unfallverhütung gehört?« Was für ein unverschämter Kerl.
»Sie scheinen ja eine Straßenbauexpertin zu sein.« Er beäugt zuerst die eingesunkenen Reifen und dann mich kritisch. »Wer sind Sie überhaupt?«
»Fiona Findorff, Social-Media- und Marketingexpertin.« Ich strecke die Hand aus und ignoriere seine provokante Äußerung. Immerhin muss ich ein wenig Professionalität in dieser peinlichen Situation wahren.
Brummend ergreift er meine Hand. »Lennox«, brummt er. »Und was genau wollen Sie hier?«
»Fürs Erste einen Regenschirm, einen Abschleppdienst oder einen Tipp, wo ich Davina Bell finde. Sie weiß bestimmt, wie ich den Wagen aus dem Matschloch hier kriege.« Ich stecke meine Hände in die Jackentasche und unterdrücke ein Zähneklappern. Meine Jeanshose ist schon völlig durchnässt, und mir ist wahnsinnig kalt. Stört ihn der Regen gar nicht? Wobei, vermutlich trägt er gefütterte Gummistiefel. Gott, was gäbe ich jetzt darum …
»Sie wollen zu meiner Schwester?« Er starrt mich ungläubig an.
»Moment mal … Dann bist du Lennox Bell?« In diesem blauäugigen, athletischen Mann hätte ich Davinas Bruder niemals wiedererkannt. Ich habe ihn noch immer als schmächtigen, verträumten Grundschüler in Erinnerung. Der hier jedoch ist … attraktiv. Braunes Haar, das ihm nass in die Stirn fällt. Dann dieser skeptische Blick aus seinen blauen Augen und der gepflegte Bartschatten, der seine hohen Wangenknochen bedeckt. Und überhaupt hat er breite Schultern bekommen. Nur seine missmutige Ausstrahlung, die will trotz der äußerlichen Veränderung nicht recht in mein Bild von Davinas Bruder passen. Aber sicher ist der ruinierte Acker daran schuld. Wobei ich mich frage, was daran ruiniert sein soll. Immerhin sehe ich nichts darin wachsen.
»Was willst du von meiner Schwester?« Es scheint Lennox nicht zu interessieren, dass wir im strömenden Regen stehen und ich im Matsch versinke.
»Sie hat mich gebeten, die Farm neu zu vermarkten«, sage ich.
Lennox‘ Blick verdunkelt sich. »Okay!« Er dreht sich um und stapft den Hügel hinauf. Einfach so. Als wäre alles gesagt.
Ist das jetzt sein Ernst? Perplex sehe ich ihm hinterher. Läuft er jetzt einfach weg? Und lässt mich hier im Regen stehen?
Lennox dreht sich nicht noch einmal um, sondern geht zielstrebig zum Farmhäuschen hinauf. Ich kann es kaum glauben. Ich bin völlig sprachlos, und normalerweise muss viel passieren, ehe mich meine Schlagfertigkeit auch nur für wenige Sekunden verlässt.
Was für ein Mistkerl! Von dem lasse ich mich nicht unterkriegen. Dann helfe ich mir eben selbst. Ich stapfe durch den Matsch, in der Hoffnung, dass meine Sneaker nicht darin stecken bleiben, und arbeite mich langsam zurück zum Feldweg. Die bleierne Kälte verwandelt meine Füße in Eisbrocken, und ich bezweifle mittlerweile, dass ich überhaupt noch alle Zehen spüre. Der Regen hat meine Mascara und meinen Eyeliner sicher fortgewischt. Dennoch nehme ich mir einen kleinen Moment, sobald ich auf festem Boden stehe, um das weiße Farmhäuschen zu betrachten, dessen linke Hälfte von Efeu überwuchert ist. Ein hölzerner Anbau erstreckt sich zu seiner Rechten mit einer Terrasse, auf der abgedeckte Möbel stehen. Blumenkübel mit Lavendel und Wildblumen zieren neben einer kleinen Hecke den Eingangsbereich. Dunkel umrandete Fenster und graue Dachschindeln runden das robuste Häuschen ab.
Das Happy-Place-Schild über dem Eingang schaukelt im Regen.
Ich gehe auf die Holztür zu und drücke den Klingelknopf. Ein schriller Ton ertönt, und nur wenig später öffnet sich die Tür.
»Fiona.« Davinas herzliches Lächeln und ihr warmer Blick aus blauen Augen ist Balsam für meine Seele. »Wie schön, dass du hierhergefunden hast.« Ungeachtet meiner dreckigen Schuhe und Jeans zieht sie mich in eine innige Umarmung. Sie riecht nach Honig und etwas Nussigem. Endlich Wärme!
»Ich freue mich auch, dich zu sehen.« Ich löse mich aus ihren Armen und folge ihr in den Flur. »Es gibt allerdings ein Problem mit meinem Mietwagen.« Ich schäle mich aus dem Regenmantel, den mir Davina abnimmt. Eine braunrote Strähne löst sich aus ihrem Dutt und fällt ihr in die Stirn.
»Was ist denn passiert?« Ihr Blick wandert zu meinen Beinen, und ich streife die Sneaker ab. Dabei hinterlasse ich Matschpfützen auf dem Holzboden. »Komm erst mal mit, wir legen deine Sachen an den Kamin. Dann kümmern wir uns um das Auto.«
Ich folge Davina in ein großes Wohnzimmer mit tannengrünen Couchmöbeln und einem offenen Steinkamin. Ein reges Feuer prasselt darin. In den dunklen Holzregalen daneben ragen Buchrücken heraus. Puh, ich verteile hier wirklich viele Matschspuren.
»Ich bin mit dem Auto im Dreck stecken geblieben, als ich vom Weg abgerutscht bin. Glücklicherweise bin ich gegen eine Bank von euch geknallt und dort zum Stehen gekommen. Wer weiß, wo ich sonst gelandet wäre. Der Bank ist nichts passiert«, sage ich. »Lennox hat mich gefunden, und als ich erzählt habe, dass ich zu dir will, ist er einfach weggelaufen.«
Davina runzelt die Stirn. »Du bist gegen die Holzbank gekracht?« Sie legt einen Schuhabstreifer neben den Kamin und stellt meine Sneaker drauf. Als wären vermatschte Schuhe das Normalste auf der Welt. Für sie vermutlich schon. Ich hingegen sollte mir schleunigst Gummistiefel besorgen.
»Ja, der kleine Crash hat eine ordentliche Delle an der Stoßstange hinterlassen. Ich hoffe, deine Bank hat wirklich nichts abbekommen. Tut mir echt leid.«
»Halb so wild. Ich mochte sie noch nie. Sie war mein kläglicher Versuch, Terrassenmöbel herzustellen.« Davina zuckt mit den schmalen Schultern, die in einem blauen Wollpulli stecken. »Nach diesem Prachtexemplar haben wir allerdings beschlossen, die Möbel doch zu kaufen.«
»Das beruhigt mich ein wenig. Wir kriegen das Auto doch wieder aus dem Matsch, oder? Lennox hat mich einfach stehen lassen, nachdem er erfahren hat, dass du mich hergebeten hast. Ist er immer so mürrisch?« Warum genau interessiert mich das eigentlich?
Davina streicht sich eine Strähne aus der Stirn. »Ja, ich schätze, er ist Fremden gegenüber nicht gerade aufgeschlossen. Aber dafür total hilfsbereit!« Sie weist mit dem Zeigefinger zu den bodentiefen Fenstern. Der Regen hat inzwischen nachgelassen, und ich erkenne einen Traktor, dessen Fahrer im knallgelben Regenmantel meinen Mietwagen aus dem Matsch zieht.
Auweia! Jetzt überkommt mich ein schlechtes Gewissen. Immerhin habe ich Lennox unterstellt, dass ihn mein Schicksal und das meines Mietwagens nicht interessiert. Und jetzt hilft er mir … wortlos.
»Oh … ich … Vermutlich sollte ich mich bei ihm bedanken«, sage ich.
Davina legt den Kopf schief. »Aber erst, nachdem du dich bei einer Tasse Tee und Scones aufgewärmt hast, ja? Lennox wird sicher gleich dazustoßen.« Sie legt den Arm um mich. Ihre herzliche Art hat mir gefehlt.
»Das klingt prima, danke.«
Ich setze mich auf die Eckbank der geräumigen Wohnküche, in der es nach warmen Kartoffeln und Naturwachs riecht. Letzteres sicher vom gebohnerten Holzboden. Die mintfarbenen Küchenschränkchen, drei Hängelampen, der moderne Kühlschrank und der massive Holztisch mit einem großen Wildblumenstrauß darauf verströmen Gemütlichkeit. Was für ein schnuckeliges Farmhäuschen.
Es beeindruckt mich, mit welcher Anmut Davina die eingerollten Teeblätter in die weiße Teetasse legt. Anschließend gießt sie Wasser aus einer Thermoskanne darüber.
»Häufigster Kardinalfehler der Teetrinkanfänger«, sagt sie lächelnd. »Das Übergießen der Teeblätter mit kochend heißem Wasser. Das Aroma entfaltet sich bei weichem und warmem Wasser am besten.«
Ich schlage die Beine übereinander, und angetrockneter Matsch bröckelt von meiner Jeans auf den Boden. »Ich bin mir nicht sicher, ob ich schon einmal grünen Tee probiert habe.«
»Dann wird es höchste Zeit.« Davina serviert mir Teetasse und Untertasse und reicht dazu Scones auf einer Etagere. »Möchtest du etwas Clotted Cream oder Erdbeermarmelade dazu?« Sie legt Teller und Messer auf und zündet zwei Bienenwachskerzen an. Ich fühle mich sofort wohl.
»Klar.« Tatsächlich zupft ein leichtes Hungergefühl an meinem Magen. »Davor würde ich aber gern die Jeans wechseln. Ich krümle dir den Boden mit Matsch voll.« Außerdem ist die Hose nass und kalt. Eine Erkältung will ich mir zum Projektstart wirklich nicht einfangen.
»Ach, das.« Davina winkt ab. »Warte mal, bis Lennox vom Acker zurückkehrt. Da verwandeln sich Flur und Küche ohnehin beinahe in Ackerland. Bei diesem Wetter lohnt es sich, nur am Abend zu putzen. Ich habe immer einen Wischmopp und Eimer im Wandschrank im Flur.«
»Ich helfe dir auf jeden Fall dabei. Immerhin geht ein Mini-Acker auf meine Kappe. Hoffentlich stören sich die anderen Gäste nicht daran.« Ich bin froh, dass mir Davina ein Zimmer im Gästehaus angeboten hat. So erlebe ich den Alltag im Farmhaus und auf der Teeplantage aus nächster Nähe und kann die Arbeitsphilosophie authentisch einfangen und zudem Davina tatkräftig unterstützen.
»Das Gästehaus ist auf Eis gelegt.« Davina öffnet den Kühlschrank. »Es läuft nicht gut, weißt du?« Sie klingt matt.
»Das tut mir leid. Ich dachte, du empfängst wenigstens noch regelmäßig Übernachtungsgäste?« Ich bin überrascht, denn ich war davon ausgegangen, dass Touristen den Aufenthalt auf einer Teefarm sicher spannend finden. Dass somit auch diese Option auf schnelles Geld für die Farm wegfällt, ist bitter.
»Nein. Mir fehlt es an Personal, und ich schaffe es nicht, mich um das Gästehaus zu kümmern, die Zimmer sauber zu halten und Frühstück anzubieten. Außerdem ist der Teeanbau meine Leidenschaft.« Sie holt das Marmeladenglas aus dem Kühlschrank, öffnet es und steckt einen Löffel hinein. »Ich frage mich oft, wie Vater das alles unter einen Hut bekommen hat. Diese viele Bürokratie um den Teeanbau habe ich unterschätzt.«
Ich nehme ihr das Marmeladenglas ab. »Er hatte sicher auch Tage, an denen ihm alles über den Kopf gewachsen ist. Ich finde, du schlägst dich toll, Davina.« Obwohl mir die Sache mit dem Gästehaus zu denken gibt. Steht es doch schlechter um die Farm als gedacht? War es Davinas Vater damals auch schon ähnlich ergangen?
Ich erinnere mich gern an Davinas Vater Harold, an seinen dichten dunklen Schnauzbart, die gutmütigen blauen Augen und das Schmunzeln, das er stets auf den Lippen getragen hatte. Er war einer der Menschen gewesen, der sich an jedem Sonnenstrahl erfreut hatte. Der keiner Fliege etwas zuleide tun konnte und das Leben in seiner Essenz verstanden hatte. Harold schätzte all die kleinen Wunder der Natur und liebte sie mit jeder Faser seines Körpers. So behandelte er schließlich nicht nur Mensch und Tier, sondern auch seine geliebten Teepflanzen. Leider hatte er vor drei Jahren einen schweren Schlaganfall nicht überlebt. Ausgerechnet als ich wochenlang in Tokio für einen Produkt-Relaunch festsaß. Davina und ich hatten zwar täglich telefoniert, dennoch bereue ich es bis heute, dass ich nicht zur Beerdigung anreisen konnte. Harold war ein bewundernswerter Mensch, von dem ich mich gern gebührend verabschiedet hätte. Ich nehme mir fest vor, sein Grab zu besuchen.
»Ich schätze, Vater war einfach robuster als ich.« Davina seufzt. »Ihn hat nichts so schnell aus der Ruhe gebracht. Er verstand sich sogar mit den Teebauern der Gegend, die wirklich eigenbrötlerisch sein können. Seine Pflichten im Verband hat er mir auch hinterlassen.«
»Na, hör mal. Wer von euch hat denn die Farm um eine kleine Teestube erweitert?« Ich verschränke die Arme. »Darauf kannst du wirklich stolz sein.« Vor zwei Jahren hatte Davina eine kleine Teestube am Farmhäuschen angebaut, in der sie seitdem eigens kreierte Teesorten anbietet.
»Ich schätze, die Teestube war eines meiner Hirngespinste, um mir noch mehr Stress aufzuhalsen. Erst musste ich ihre Öffnungszeiten reduzieren und sie dann bereits nach einem Jahr wieder schließen. Neue Teesorten mischen sich nicht von allein und, na ja, wie gesagt, es fehlt mir an Personal. Ich beschränke mich seitdem auf den Verkauf, wenn jemand anfragt oder herfährt. Die Tische, die für gemütliche Teestunden mit Gebäck vorgesehen waren, aber verstauben.« Sie sieht mich traurig an. »Ich habe keine Zeit, für die Teestube zu backen, und alle Hände voll damit zu tun, die Farm zu retten. Ich will sie nicht verkaufen müssen.«
»Wir versuchen alles, damit es nicht so weit kommt, okay? Wenn du willst, übernehme ich gerne eine Schicht in der Teestube, solange ich hier bin. Beim Backen versage ich leider kläglich, aber vielleicht finden wir auch dafür eine Lösung.« Tee zu servieren, sollte ich schaffen, und womöglich lässt sich eine ansässige Bäckerei auf eine Kooperation ein? Mir wird schon was einfallen. Dass Davina den Verkauf der Farm fürchtet, zeigt mir nur, wie ernst die Lage ist.
»Das ist lieb. Danke, Fiona.« Davina stellt ein drittes Gedeck auf den Tisch und setzt sich zu mir.
»Wir werden für die Farm kämpfen!« Auf keinen Fall lasse ich es zu, dass ein familiengeführtes Traditionsunternehmen wie diese idyllische Farm einem Teegiganten zum Opfer fällt.
»Ich hoffe nur, dass es nicht schon zu spät ist. Es gibt sicher genügend Interessenten, die die Farm zu einer industriellen Produktionsstätte umwandeln würden.« Davina sieht mich traurig an.
»Dein Vater würde sich im Grab umdrehen.« Nicht auszudenken, wenn sein Vermächtnis einfach modernisiert werden sollte. Ohne dass jenes davon übrig blieb, was es auszeichnete: die liebevolle Handarbeit.
»Ich schätze, das würde er. Aber würde er ein Leben am Existenzlimit für Lennox und mich wollen?« Davina atmet tief ein.
»Vermutlich nicht.« Ich nehme ihre Hand. »Deshalb lohnt es sich umso mehr, für den Erhalt der Farm zu kämpfen.« Aufgeben ist für mich keine Option. Nur dann, wenn wirklich alles nichts nützt. Aber so weit denke ich nicht.
Die Haustür fällt ins Schloss, und schwere Schritte hallen vom Flur herein. Es raschelt, und wenig später steht Lennox in der Küche. In der Hand meinen Koffer, der von Matschflecken übersät ist. Oh nein!
»Lennox, erinnerst du dich an Fiona?« Davina zeigt lächelnd auf mich, während Lennox‘ Blick aus eisblauen Augen mich durchbohrt. Ein Kribbeln breitet sich in meinem Gesicht bis über meinen Hals aus. Hoffentlich werde ich jetzt nicht rot. Warum macht er mich so nervös? Mir scheint die Mietwagensache doch peinlicher zu sein als gedacht.
»Was … äh … ist denn mit dem Koffer passiert?« Ich stehe auf und nehme ihn an mich, prüfe, ob Nässe durch den Stoff gedrungen ist.
»Aus dem Kofferraum gefallen.« Lennox stapft zur Eckbank und setzt sich, ungeachtet der Matschspuren, die er hinterlässt.
»Was?« Davina mustert ihn irritiert.
Lennox nickt bloß und übergießt seine Teeblätter, während ich den Koffer öffne und überprüfe, ob mein Laptop den Sturz unbeschadet überlebt hat. Dabei achte ich penibel darauf, dass kein Zipfel meiner Unterwäsche rausspickt.
»Alles heil«, nuschle ich erleichtert. Auf noch mehr Dellen kann ich verzichten.
»Also, Lennox? Warum genau ist Fionas Koffer im Matsch gelandet?« Davina reicht ihm einen Scone.
»Der Kofferraum schließt nicht mehr, zu eingedellt, und bei der Zugkraft des Traktors und der Wucht, mit dem ich den Wagen aus dem Matsch gezogen habe, ist der Koffer halt rausgefallen.« Er bestreicht den Scone unbeeindruckt mit Clotted Cream.
Oh Gott, ein kaputtes Schloss am Kofferraum. Na prima, das Auto kann ich erst mal schön in eine Werkstatt fahren, nachdem ich es wenigstens abgespritzt habe.
»Kriegst du das mit dem Schloss hin?«, fragt Davina.
Wie bitte? Lennox soll den Wagen reparieren?
»Schätze schon. Die Delle aber ist aufwendiger als das Schloss.«
»Ich fahr den Wagen gern in die nächste Werkstatt. Mach dir keine Umstände. Danke für die Autorettung«, sage ich. Schließlich möchte ich Davina und Lennox nicht unnötig auf der Tasche liegen. Die haben schon genug Probleme mit den roten Zahlen.
»Das lässt du mal schön bleiben. Lennox kümmert sich hier um den ganzen Fuhrpark. Der kriegt das schon hin, nicht wahr?« Davina nippt am Tee.
»Das ist nicht nötig«, sage ich. Die tiefe Furche auf Lennox‘ Stirn zeugt nicht von Begeisterung. Überhaupt scheint er etwas gegen meine Anwesenheit zu haben. Aber warum? Will er die Farm am Ende etwa verkaufen?
»Doch, es ist nötig, Fiona. Immerhin bist du meine letzte Hoffnung, die Farm zu behalten.«
Ich schlucke hart. Dass sie die Zukunft ihrer Farm allein in meine Hände legt, hatte sie nie erwähnt. Was muss sie hinter sich haben, um nach diesem letzten Strohhalm zu greifen? Schuldgefühle überfallen mich. Bin ich zu wenig für sie da gewesen? Mein letzter Besuch ist Jahre her. Dennoch spüre ich dasselbe warme Band der Freundschaft, als wäre es erst gestern gewesen, dass wir über den Kindergartenspielplatz getollt sind und heimlich Kirschlollis im Spielturm genossen haben.
Ich lege meine Hand auf ihre. »Ich werde mein Bestes geben!« Das will ich und definitiv als Freundschaftsdienst. Wie könnte ich es verantworten, dass mich Davina für meine Dienste bezahlt? Für mich ist das nicht nur ein Projekt, sondern eine Herzensangelegenheit.
»Danke, Fiona. Dann zeige ich dir nachher dein Zimmer, damit du dich frisch machen kannst, und führe dich über die Plantage. Lennox, nimmst du Fiona später mit zu den Weiden? Ich habe noch einen Termin mit dem schottischen Teebauern-Verband. Dem alten McGregor sind die jungen Teepflänzchen im Dauerregen ertrunken, er erhofft sich Hilfe.« Davina seufzt.
»Sag mir bitte nicht, dass du dem sturen alten Kerl mit deinen Pflanzenzöglingen helfen willst?«
»Er hat Papa vor Jahren unseren wichtigsten Exportkontakt vermittelt. Wir sind es ihm schuldig.«
»Das ist über zehn Jahre her, Davina. Wir müssen gar nichts!« Lennox fährt sich durch sein dunkelbraunes Haar.
»Was, wenn wir bald auf die Hilfe von den anderen angewiesen sind? Wenn wir Verluste durch den Regen erleiden? Ich werde die Bauern nicht im Stich lassen. Hier hilft man sich.«
Wow. Ich bin beeindruckt von Davinas Güte, verstehe aber auch Lennox‘ Sorge. Jedes fehlende Teepflänzchen sorgt für weniger Ertrag.
»Damit wirst du das Geschäft nur weiter in den Ruin treiben. Teepflänzchen in unserer Lage abzugeben, ist absolut nicht förderlich«, beharrt Lennox.
»Das ist mir bewusst. Auch, dass er nicht dasselbe für mich tun würde. Dennoch fühle ich mich in der Pflicht, weil er Mitglied unseres Verbandes ist.« Davina lehnt sich zurück. »Ohne ihn hätte Vater nicht exportieren können, und das hat uns bisher den Hintern gerettet, Lennox.«
»Was, wenn wir die Witter-Problematik der Teebauern öffentlich machen?«, frage ich. PR ist immer gut.
»Bitte?« Lennox starrt mich an, als wäre ich eine Außerirdische.
»Na, angenommen Davina schenkt diesem Bauer ein paar Teepflänzchen, so wäre das eine Möglichkeit, der Farm positive PR zukommen zu lassen. Wir könnten einen Bericht im Kommunalblatt platzieren, um die Leute an euren Tee zu erinnern. Vielleicht gelingt es mir auch, einen überregionalen Journalisten für einen Bericht über den schottischen Teeanbau oder explizit über eure Farm zu gewinnen. Damit würdet ihr von eurer Hilfsaktion profitieren.«
Davinas Augen weiten sich. »Das würdest du tun?«
»Das ist mein Job, Süße. Dafür bin ich da.« Ich lächle. »Habt ihr denn schon einen Social-Media-Auftritt? Eure Website werde ich definitiv auf Vordermann bringen. Die habe ich mir schon angesehen.«
»Wir haben kein Social Media. Vater hat es auch ohne diesen modernen Firlefanz geschafft. Daran ist doch sowieso alles nur Schein und jeder Post mit Filtern bearbeitet.« Lennox sieht mich skeptisch an.
»Trotzdem kann es authentisch sein. Filter lassen sich ja auch dafür einsetzen, um Einzigartiges herauszuarbeiten. Ich werde euch auf jeden Fall einen Instagram-Account anlegen, der regelmäßig mit Bildern und Content gefüttert werden muss.«
»Ich werde nicht mit einer Spiegelreflexkamera herumlaufen, um ein romantisches Bild meiner Hochlandrinder im Sonnenuntergang zu schießen und dann Kuhfladen wegzuretuschieren. So ein Quatsch.« Lennox verschränkt die Arme.