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Große Gefühle im kleinen Inselhotel Ada hat immer davon geträumt, als Musicaldarstellerin auf den großen Bühnen der Welt zu stehen. Doch nun ist ihre Stimme durch das Gesangsstudium überlastet und sie muss sich umorientieren. Von einer Freundin übernimmt sie das kleine Hotel Inselgrün auf Borkum und bringt es wieder in Schwung. Schon bald will ein Hoteltester das Inselgrün inkognito besuchen, und das, während Hotelkoch Magnus mit seinen sozialkommunikativen Missverständnissen gerade alles durcheinanderwirbelt. Weil das Hotel dringend mehr Kundschaft braucht, richtet Ada ein herbstliches Rübenfest für die Kinder der Insel aus. Sie hat also alle Hände voll zu tun, als der charmante Journalist Bennek auftaucht, um über das Fest zu berichten ...
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Küstenglück im kleinen Inselhotel
H.C. Hope wurde 1988 in Oberschwaben geboren und entdeckte ihre Liebe zu Wort und Schrift schon im Grundschulalter. Als stetiges Hobby zog es sich durch ihre Jugend, bis sich 2019, neben ihrer Arbeit als Logopädin, der Traum vom ersten eigenen Buch erfüllte. Sie liebt es mit Cappuccino oder Tee durch neue Welten zu streifen, fantastische Geschichten zu verfolgen und romantische Schicksale zu erleben. Wenn sie nicht liest oder schreibt, dann verwandelt sie die Küche in ihr zweites kreatives Zuhause oder jagt mit Samtpfote Fips durch die heimische Natur.
Große Gefühle im kleinen Inselhotel
Ada hat immer davon geträumt, als Musicaldarstellerin auf den großen Bühnen der Welt zu stehen. Doch nun ist ihre Stimme durch das Gesangsstudium überlastet und sie muss sich umorientieren. Von einer Freundin übernimmt sie das kleine Hotel Inselgrün auf Borkum und bringt es wieder in Schwung. Schon bald will ein Hoteltester das Inselgrün inkognito besuchen, und das, während Hotelkoch Magnus mit seinen sozialkommunikativen Missverständnissen gerade alles durcheinanderwirbelt. Weil das Hotel dringend mehr Kundschaft braucht, richtet Ada ein herbstliches Rübenfest für die Kinder der Insel aus. Sie hat also alle Hände voll zu tun, als der charmante Journalist Bennek auftaucht, um über das Fest zu berichten...
H.C. Hope
Ein Borkum-Roman
Ullstein
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Originalausgabe bei Ullstein EbooksUllstein Ebooks ist ein Verlag der Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin Oktober 2023© Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin 2023Umschlaggestaltung: zero-media.net, MünchenTitelabbildung: © FinePic®E-Book powered by pepyrusISBN 978-3-8437-2992-5
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Die Autorin / Das Buch
Titelseite
Impressum
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
Kapitel 23
Kapitel 24
Kapitel 25
Kapitel 26
Kapitel 27
Kapitel 28
Kapitel 29
Kapitel 30
Kapitel 31
Kapitel 32
Kapitel 33
Kapitel 34
Kapitel 35
Epilog
Danksagung
Leseprobe: Leuchtturmhoffnung
Social Media
Vorablesen.de
Cover
Titelseite
Inhalt
Kapitel 1
Die Abendsonne taucht den Himmel über dem Südstrand in ein warmes Orangerot. Ihre Sonnenstrahlen brechen durch die zartbeigen Gardinen vor den weißumrahmten Hotelfenstern. Ich genieße den frühherbstlichen Anblick des Dünengrases und der bunten Strandkörbe auf den Sandhügeln und insbesondere die Ruhe, die nach dem Feierabend der Handwerker im Hotel Inselgrün eingekehrt ist.
Obwohl ich das kleine Borkumer Hotel erst vor zwei Monaten von Silke, einer alten Freundin meiner Mutter, übernommen habe, schreitet die Renovierung der Gästezimmer so schnell voran, dass ich schon vor einer Woche die ersten Urlauber in den fünf fertigen Zimmern aufnehmen konnte. Ein bisschen aufregend ist das schon. Eigentlich wollte ich nie in die Hotelbranche einsteigen. Und trotzdem bin ich jetzt hier.
Nachdenklich ordne ich die Liebesromane und Küstenkrimis im kleinen Bücherregal, das im Foyer hinter der marineblauen Couch steht. Daneben thront ein schwarzer Flügel, in dessen glänzender Oberfläche sich die LED-Lichterkette an der Wand spiegelt. Das einzige Relikt in diesem Reetdachhäuschen, das mich an meine Vergangenheit erinnert. Ich schlucke und verdränge jeglichen Gedanken daran. Mit der Fingerkuppe streiche ich über einen Buchrücken.
Das Leseangebot wird überraschend gut angenommen. Frau Melow, eine Urlauberin aus Süddeutschland, schmökert gerne auf einem der Bänkchen auf der Holzterrasse in den Küstenkrimis. Der Ausblick auf die graublaue Nordsee ist dabei natürlich unschlagbar.
Auch deswegen wollte ich passende Lektüre parat haben.
Es beschert mir Freude, die Angebote im Hotel der Umgebung anzupassen. Alles mit Regionalbezug gibt den Gästen das Gefühl, sich ganz auf Borkum einzulassen. Nur ob ich das jemals tun werde? Das steht auf einem anderen Blatt …
Ich gehe zur Rezeption. Auf dem Laptop blinkt mir eine neue Buchungsanfrage entgegen. Ich öffne den Kalender, um die Verfügbarkeit meiner insgesamt acht Zimmer in dem Zeitraum zu prüfen. Ein Doppelzimmer mit Seeblick für eine Woche während des Rübengeisterfestes. Das sollte klappen. Vielleicht sind die Renovierungsarbeiten an allen Gästezimmern bis dahin abgeschlossen. Womöglich eilt es aber auch gar nicht so sehr und ich rechne mit zu viel Andrang. Immerhin mutiert das Inselgrün schon seit Jahren zur Karteileiche in den Reisebüros und Online-Buchungsportalen.
Tja, da habe ich mir etwas aufgehalst. Wohl eher aufhalsen lassen!
Ich bestätige die Anfrage und blockiere Zimmer Nummer zwei im Buchungssystem. Glücklicherweise konnte ich von Silke, der früheren Hotelbesitzerin, auch ihre Mitarbeiter übernehmen. Hilda, Garlef und Magnus sind im Inventar mit inbegriffen, das war Silkes Bedingung und mir mehr als recht. Schließlich wollte ich Rostock so schnell wie möglich verlassen und hatte keine Zeit, Stellenanzeigen zu schreiben und Bewerbungsgespräche zu führen. Ich wollte nur weg, um nicht permanent daran erinnert zu werden, dass mein Gesangsstudium gescheitert war. Allein beim Gedanken daran, dass meine Freundin Alexandra jetzt vermutlich auf einer Bühne steht und ihre Technik in den hohen Tönen verfeinert, verengt sich meine Kehle. Ich vermisse das Singen so sehr! Das mächtige Gefühl, sobald meine Stimme den Raum ausfüllt. Den ersten Funken von Begeisterung in den Gesichtern der Zuhörer, die ausgewogene Akustik in den Sälen … nichts davon bleibt mir.
Meine Stimme war den Anforderungen im Studium nicht gewachsen. Die Stimmlippen haben sich verspannt, bis ich schließlich schreckliche Schmerzen beim Singen hatte. Mir blieb nichts anderes übrig, als mein Gesangsstudium abzubrechen und meinen großen Traum von der Musicalbühne aufzugeben. Bekümmert blinzle ich eine Träne weg. Jetzt ist das Hotel meine Aufgabe, bis ich mir darüber im Klaren bin, was ich aus meinem Leben machen will.
Meiner Mutter ist das recht, weil sie sich schon immer gewünscht hat, dass ihre einzige Tochter irgendwann ihre Hotelkette Azurblau übernimmt. Auch mein Vater mag den Gedanken, dass ich kein Künstlerleben führe, sondern etwas mit Substanz verfolge. Tja, die Bausubstanz des kleinen Hotels ist jedenfalls robust, sodass mir wenigstens die Renovierung des Speisesaals mit der kleinen Bar erspart bleibt. Mir gefällt die Mischung aus hellen Holzdielen, weißen Schränken und Kommoden neben marineblauen Polstermöbeln. Die liebevolle nautische Dekoration und die täglich frischen Blumen auch. Deshalb will ich den Geist des Hauses bewahren. Immerhin besteht es schon über dreißig Jahre.
Ich atme tief ein und gehe zurück zum Speisesaal, um die wenigen Gäste an der kleinen Hotelbar zu betreuen. Garlef, der Barkeeper, hatte die glorreiche Idee, im Rahmen der Borkumer Health & Balance Week, die Bürgermeister Tillmann initiiert hat, die Gäste mit grünen Smoothies in die Bar zu locken. Passend zum Hotelnamen und somit gleichzeitig eine Marketingstrategie. Ich habe Avocado-Smoothie bislang unterschätzt. Mit etwas Birne, Apfel und Gurke schmeckt er auch mir überraschend gut. In der Bar sitzen drei fremde Pärchen und trinken grüne Smoothies. Funktioniert das simple Marketingkonzept also? Oder ist es einfach nur die Neugier auf die neue Hotelinhaberin, die die Insulaner ins Inselgrün treibt?
Wie auch immer. Ich bemühe mich um jeden Gast, andernfalls säße mir meine Mutter bald im Nacken. Und noch mehr Stress würde mich weiter in die kleine Blase aus Trübsal schubsen, die mich seit meinem Fortgang aus Rostock wie eine zweite Aura umgibt.
Garlef wirft mir aus hellblauen Augen einen erfreuten Blick zu. Seine braungebrannte Surferboy-Optik lässt nicht nur die Bar erstrahlen, sondern lockt auch ein Zucken an meinem rechten Mundwinkel hervor.
»Guten Abend«, begrüße ich zwei weitere Personen, die gerade an mir vorbeigehen und sich plappernd an den Stehtisch neben der Bar lehnen.
Die Insulaner sind tatsächlich neugierig! Hoffentlich verstärkt das die Mundpropaganda.
Ich geselle mich zu Garlef hinter den hellblau beleuchteten Tresen.
»Kannst du einen Grünkohl-Ananas-Smoothie mixen?«, fragt er und gibt Gurkenstücke, Blattspinat, Banane und Kokosmilch in die Mixerkanne.
»Den hat echt jemand bestellt?«, raune ich ungläubig.
Garlef nickt eifrig. »Ada, ich sagte doch, dass es sich lohnt, einen Grünkohl-Smoothie auf die Karte zu nehmen. Immerhin ist das ein Klassiker. Du weigerst dich ja partout, ihn zu probieren.«
»Es ist mir unbegreiflich, wie man freiwillig Kohl zu sich nehmen kann.« Skeptisch ziehe ich die zweite Mixerkanne zu mir heran. Ich bin froh, Garlef im Team zu haben. Mit seinem jugendlichen Charme ist er dem Inselgrün seit über fünf Jahren treu, und das neben seiner Arbeit als Sachverständiger für Windanlagen. Er hat Silke nie im Stich gelassen, die zuletzt einfach keine Kraft mehr für das schlecht laufende Hotelgeschäft fand und sich jetzt an Portugals Strand bräunt und ausruht. Dank meiner Mutter, die darauf bestand, dass ich das Inselgrün übernehme, bevor ich mir einen schlecht bezahlten Kellnerjob suche. Ein bisschen dankbar bin ich ihr dafür, weil mir diese Aufgabe zumindest eine Tagesroutine bietet. Dennoch bin ich weit davon entfernt zu wissen, womit ich mein Leben eigentlich ausfüllen soll. Gefühlt befinde ich mich im Nichts. Alles ist fremd und neu. Weder mit der kleinen Insel Borkum noch mit den Menschen hier verbindet mich irgendetwas. Ich bin völlig anonym … und trotzdem scheinbar das neue und brandheiße Gesprächsthema. Wer übernimmt denn schon freiwillig ein schlecht laufendendes Hotel?
Oh Mann!
»Was geben Sie denn da in den Grünkohl-Smoothie rein?« Eine volltönende Frauenstimme reißt mich aus meinen Gedanken und ich schaue direkt in zwei neugierige braune Augen, die von dunklen Locken umringt werden.
»Oh, äh … das ist Ananas«, sage ich und vergewissere mich, dass ich auch wirklich geschnittene Ananas in der Hand habe.
Die Frau legt den Zeigefinger an ihre rot geschminkte Unterlippe. »Hmm, eine interessante Kombination. Und das reicht aus? Ich meine, muss da nicht mehr Obst rein? Apfel beispielsweise? Oder Birne, das kann ich mir auch gut vorstellen. Sogar Maracuja … ah, wobei, die ist nicht grün, also nicht mottogetreu. Aber der Grünkohl soll doch bestimmt aromatisch überdeckt werden, oder?«
»Emilia, Liebes, lass das doch die Barkeeperin entscheiden, die wird schon wissen, was sie tut.« Der blonde Mann neben ihr legt ihr liebevoll den Arm um die Schultern.
»Ich meine ja nur«, schmollt die Frau.
»Entschuldigen Sie bitte, Emilias Herzblut schlägt für alles, was mit Essen, Trinken oder Genuss zu tun hat. Sie führt einen Cateringservice auf der Insel und kann einfach nicht aus ihrer Haut«, sagt er grinsend. »Ich bin übrigens Jasper und freue mich, wenn wir uns duzen.«
»Gerne, ich bin Ada und leite das Hotel.« Das Surren des Mixers unterbricht das Gespräch und ich gieße den dickflüssigen Smoothie in ein Longdrink-Glas.
»Echt? Du leitest das Inselgrün?« Der braunhaarige Mann neben Jasper mustert mich interessiert.
»Ja, ich habe es vor zwei Monaten übernommen.« Uff, es fühlt sich so falsch an, darüber zu reden. Jeder andere Hotelbesitzer wäre stolz auf diese Worte. Aber ich?
»Siehst du, Henning? Ich habe es dir doch gesagt. Da war ein kleiner Abschiedsartikel über Silke im Inselblatt. Sie hat sich aus dem Geschäft zurückgezogen. Das musst du doch gelesen haben!«, empört sich eine blondhaarige Frau mit den blitzenden blauen Augen, die direkt neben dem Mann namens Henning steht. Sie schenkt mir einen belustigten Blick. »Er wollte es mir nicht glauben. Dabei ist es brandheißer Tratsch auf der Insel, dass eine junge Frau von außerhalb das Hotel übernommen hat. Alle sind neugierig auf dich. Ich bin übrigens Clara.«
Dass ich Anlass für Tratsch bin, glaube ich ihr sofort. Alles scheint hier provinziell zu sein, und ich bin einfach ein Großstadtkind. Ein weiterer Punkt, weshalb ich hier nicht hingehöre, denke ich. Dennoch lasse ich mich gerne vom Gegenteil überzeugen. Vielleicht.
»Nur weil du in deiner Arztpraxis quasi am Urquell allen Geredes auf der Insel sitzt«, murrte Henning und nippt am Smoothie.
»Die Patienten vertrauen mir eben.« Sie zwinkert. »Ich bin übrigens die Inselärztin.«
»Oh, wie schön. Ich freue mich über einheimische Gäste. Irgendwie ist es total schwer, Kontakte zu knüpfen«, gestehe ich und schiebe Garlef den Smoothie zum Servieren zu.
»Das kann ich verstehen.« Clara nickt mitfühlend. »Als ich vor drei Jahren auf die Insel gekommen bin, um in der Arztpraxis von Dr. Kniepins auszuhelfen, ging es mir genauso. Du meine Güte, was habe ich die Insulaner missverstanden! Und sie mich. Als würden zwei Welten aufeinander knallen.«
»Na, du hast dich aber auch angestellt«, wirft Henning provokant ein. »Es stimmt, die Borkumer sind manchmal etwas eigen. Aber wenn wir jemanden ins Herz geschlossen haben, dann tauen wir auf.«
Clara runzelt die Stirn. »Nachdem man euch die mürrische Art ausgetrieben hat, ja. Und mit der muss man auch erst mal klarkommen. Sie ist quasi der Endgegner hier.«
Ich kichere. »Dann sollte ich mich glücklich schätzen, dass ich im Hotel überwiegend Touristen versorge, was?«
Jasper lächelt. »Wir Insulaner sind eigentlich harmlos. Lass dir keine Angst einjagen.«
»Danke.« Zwinkernd räume ich sein leeres Glas ab. »Darf es für dich noch etwas sein?«
»Puh, ganz ehrlich? Nachdem der Abend bisher so gesund verlief, wäre mir jetzt echt nach einem Bier.« Er schielt zu Emilia, die unmerklich nickt.
»Na schön! Du hast dich tapfer geschlagen.« Sie lächelt. »Er steht nicht auf Smoothies. Wobei eure Karte echt toll ist. Tatsächlich will ich den mit Grünkohl auch noch probieren.«
»Grundgütiger«, murmelt Jasper, und ich zapfe ihm ein Bier vom Fass. Erleichtert nimmt er es entgegen.
»Ich bin übrigens Merle«, sagt die junge Frau mit dem braunen Bob, die unser Gespräch bisher schweigend verfolgt hat. »Und das ist mein Mann Mattis, Hennings Bruder.« Sie weist auf ihren Nebensitzer.
»Schön, euch kennenzulernen!« Die sechs scheinen eine eingeschworene Clique zu sein.
»Kannst du in meinen Smoothie etwas Apfel hinzugeben?«, erinnert mich Emilia an den Grünkohl-Smoothie.
»Denkst du nicht, dass das zu sauer ist?«, überlegt Merle. »Wäre nicht ein süßes Obst wie Banane besser?«
Emilia zieht eine Schnute. »Gute Frage. Das sollten wir ausprobieren.«
»Wenn du willst, kannst du dir den Smoothie selber mixen«, biete ich ihr lächelnd an. »Vielleicht kann ich noch was von dir lernen. Eigentlich ist Garlef der Barkeeper meines Vertrauens. Ich greife ihm nur ab und zu unter die Arme. Mehr schlecht als recht, vermutlich«, gestehe ich Emilia, die sofort aufspringt, um den Tresen läuft und die Mixerkanne nimmt.
»In Ordnung, dann wollen wir mal sehen.« Sie blickt auf den wohlbestückten Obstkorb und nimmt einen grünen Apfel, eine Birne und ein paar Trauben heraus. »Hast du Agavendicksaft? Oder Honig?«, fragt sie und schneidet das Obst.
»Warte, ich sehe mal nach.« Ich krame in einem der Schränkchen unter dem Tresen.
»Das wirst du eher in der Küche finden«, rät mir Garlef, der sich im Hotel deutlich besser auskennt als ich.
Dankbar schließe ich das Unterschränkchen wieder. Ein bisschen peinlich ist es schon, dass meine Handgriffe nicht routiniert sitzen. Wie könnten sie auch? Schließlich bin ich erst seit ein paar Wochen hier und das Hotelgeschäft ist schon immer Mutters Ding gewesen, nicht meins.
»Warte, ich komme mit.« Emilia folgt mir, was mich kurz irritiert, denn die Küche ist ein intimer Ort und unser Hotelkoch Magnus mag es überhaupt nicht, wenn man einen Kochlöffel auch nur zwei Millimeter von seinem Ablageplatz bewegt. Ihm fallen solche Veränderungen sofort auf, die ihn dann total aus der Bahn werfen. Magnus ist ein brillanter Koch, aber in seinem Wesen nicht leicht zu erfassen.
»Entschuldige, dass ich mich dir so aufdränge«, sagt Emilia. »Aber das hat einen Grund.«
»Ist das so?« Ich finde Honig und Agavendicksaft im Vorratsschrank und drücke ihr beides in die Hand.
»Ja, der Grund warum ich dir so auf die Pelle rücke, ist folgender: Henning will Clara einen Heiratsantrag machen. Genau hier.« Sie grinst breit.
»Was? In meinem Hotel? Wie schön!« Oh Gott, dabei habe ich noch nicht mal romantische Musik auf Lager, oder? Geschweige denn einen Strauß Rosen, der das Flair dieses großen Momentes unterstreicht. Puh, haben wir überhaupt noch Sekt vorrätig?
»Das Hotel hat einen großen emotionalen Wert für Henning …« Emilia hält inne. »Das soll er dir aber selbst erzählen. Na, jedenfalls wäre es echt super, wenn du Sekt bereithalten könntest.«
»Selbstredend! Der Sekt geht natürlich aufs Haus. Geh du schon rüber, ich bereite alles vor.« Ich halte ihr die Küchentür auf, bevor sie hier versehentlich ein Chaos anrichtet, das mir Magnus morgen dann um die Ohren haut.
»Ich danke dir, Ada.« Emilia läuft glücklich voraus, während ich die Küchentür hinter uns schließe.
Der erste Heiratsantrag im Hotel! Überhaupt der erste Heiratsantrag, den ich live miterlebe. Mit meinen fünfundzwanzig Jahren bin ich vermutlich noch weit vom eigenen Antrag entfernt. Und dafür bräuchte ich zunächst mal einen Partner …
Eindeutig zu viele Hürden!
Ich schüttle den Gedanken ab und kehre zum Tresen zurück. Dieser Moment verlangt nicht nach Sekt, sondern nach Champagner, er soll schließlich in Erinnerung bleiben. Und dafür ist der gehobene Schaumwein, der im Kühlschrank des Tresens wartet, genau das richtige Getränk. Eines, das die ganz besonderen Momente untermalt.
Unter Garlefs irritiertem Blick stelle ich diskret Champagnertulpen bereit.
Dann lehne ich mich an den Tresen, um verschwörerische Blicke mit Emilia zu tauschen. Sie wirkt total sympathisch und aufgeschlossen, genau wie ihr Freund Jasper. Henning im Gegensatz kommt seelenruhig rüber. Ist der immer so ausgeglichen? Wenn ihn nicht mal der Heiratsantrag nervös stimmt … Vielleicht gibt er sich auch einfach nur total souverän und versteckt seine Gefühle. Wer weiß.
Ganz anders als sein redseliger Bruder Mattis und die quirlige Merle.
Ob Clara ahnt, dass Henning ihr einen Antrag machen will?Oh Gott, ist das aufregend!
Welchen Bezug Henning und Mattis wohl zu diesem Reetdachhäuschen mit den blauen Fensterläden haben?
Vielleicht hat ihre Mutter früher als Hotelköchin gearbeitet und sie sind als kleine Jungs durch den engen Flur zwischen den Gästezimmern gejagt? Oder ihr Vater stand an der Rezeption?
Auf jeden Fall muss die Erinnerung besonders für Henning sein, wenn er Clara hier einen Heiratsantrag machen will. Aus dem Augenwinkel sehe ich, wie Hennings Hand zur Innentasche seines Jacketts wandert. Jaspers Platz ist plötzlich leer.
Geht es schon los? In meiner Magengegend kribbelt es. Clara ist vertieft in ein Gespräch mit Emilia und Merle, und bemerkt nicht, wie Henning ein kleines Schächtelchen neben seinem halb leeren Smoothieglas platziert. Mattis nickt unmerklich. Ich dimme das indirekte Barlicht. Garlef sieht verwirrt zu mir, und ich lege den Zeigefinger an die Lippen. Dann kehrt Jasper mit einem Strauß roter Rosen hinter dem Rücken zurück. Er wirft Emilia einen tiefen Blick zu, die unmerklich lächelt. Emilia stupst Clara an und zeigt auf eines der Wiesenblumen-Aquarellgemälde an der Wand. Clara und Merle folgen ihrem Fingerzeig mit den Blicken, und Henning nimmt Jasper schnell den Strauß ab und drapiert das Schächtelchen mit dem Verlobungsring mitten in den Rosen. Dann fährt er sich durch sein braunes Haar und räuspert sich lautstark.
»Clara? Liebling?«
Das Kribbeln in meinem Bauch mutiert zu einer Packung Brausepulver.
Clara wendet sich Henning zu und für einen Moment entgleiten ihr alle Gesichtszüge.
»Oh mein Gott, Henning«, haucht sie und schlägt die Hand vor den Mund. Ihre großen Augen glänzen feucht.
»Clara, ich habe hier zehn Rosen in der Hand und mindestens zehn Gründe parat, warum ich gleich tue, was ich tue«, sagt Henning liebevoll.
Die Wärme in seinem Ton jagt mir Gänsehaut über den Unterarm.
»Du bist die wundervollste Frau, die mir je begegnet ist. Nicht nur deine liebevolle Art, deine Cleverness und deine Hingabe an alle Lebewesen beeindrucken mich, nein, insbesondere deine Entscheidung, dass du hier bei mir auf Borkum geblieben bist, hat mich umgehauen. Dass du die Insel mittlerweile als dein Zuhause empfindest, mich als dein Zuhause empfindest, ist eine so wertvolle Tatsache, für die ich jeden Tag dankbar bin. Sogar an meinen grummeligen Tagen.« Er grinst, während es in Claras Augenwinkeln nass schimmert und Merle ein Taschentuch aus ihrer Handtasche kramt.
»Seit du bei mir eingezogen bist, hast du mein Leben bereichert. Unserer Verbindung möchte ich nun ganz offiziellen Charakter verleihen, weil du die Liebe meines Lebens bist, Clara.« Henning pflückt die Schmuckschatulle aus den Rosen und öffnet sie langsam. Ein filigraner Silberring mit Steinchen kommt zum Vorschein.
»Clara Hartmann, willst du meine Frau werden?« In Hennings blauen Augen liegt nichts als pure Liebe, eine Zuneigung, die mir den Atem raubt. Wow!
Ich halte die Luft an.
Clara umfasst Hennings Gesicht mit beiden Händen und küsst ihn zärtlich. Eine Träne perlt ihr dabei über die Wange. Ein eindeutiges und wunderschönes Ja.
Mir wird ganz warm.
Emilia johlt und Jasper klatscht. Ich stimme mit ein. Was für ein romantischer Moment. Merle schnäuzt sich lautstark, und Mattis legt seinen Arm um ihre Schulter.
Henning beendet den Kuss und sieht Clara tief in die Augen. »Ich schätze, wir sind dann mal verlobt.«
Lächelnd hält sie ihm ihre Hand entgegen, und er steckt ihr den Silberring an den Ringfinger.
»Er ist wunderschön, Henning«, wispert sie ergriffen.
»Ganz herzlichen Glückwunsch, ihr beiden.« Merle legt ihre Arme um das Paar, und ich stelle in Windeseile die Champagnertulpen auf den Tresen und hole den Schaumwein aus dem Gefrierschrank, bevor ich selbst noch eine Träne vergieße.
Garlef nimmt mir die Champagnerflasche lächelnd aus der Hand. »Das übernehme ich!«
Darüber bin ich dann doch froh. Immerhin will ich die romantische Stimmung nicht durch ein Missgeschick beim Entkorken zerstören. Das würde ich mir durchaus zutrauen.
Ich nehme den Rosenstrauß und stelle ihn in eine Vase, die ich Clara zuschiebe.
»Herzlichen Glückwunsch, was für ein wundervoller Antrag!« Meine Stimme klingt etwas belegt.
»Damit hätte ich wirklich nicht gerechnet«, sagt Clara rührselig.
»Ich stecke eben voller Überraschungen.« Henning lächelt stolz.
»Ich fürchte, ich werde ein ganzes Leben benötigen, um sie alle aus dir herauszukriegen«, sagt Clara und streicht ihm über die Wange.
»Dass ich das jemals erlebe, Bruder, das hätte ich nicht gedacht. Ich bin so froh, dass Clara dich gefunden hat. Oder du sie? Wie auch immer. Jetzt wirst du endlich unter die Haube kommen.« Mattis grinst breit und knufft Henning in die Seite.
Garlef schiebt uns die Champagnertulpen zu. »Meinen allerherzlichsten Glückwunsch an die Verlobten! Ich glaube, das ist der erste Heiratsantrag, den das Inselgrün erlebt.«
»Also etwas ganz Besonderes«, ergänzt Emilia selig und drückt Clara ein Glas mit Schaumwein in die Hand. »Auf das baldige Brautpaar.«
»Auf das baldige Brautpaar«, wiederholen wir alle und stoßen an. Es klirrt. Ich nippe am Champagner und seine Blubberbläschen verteilen sich in meinem Bauch. Ein herrliches Kribbeln.
»Das bedeutet wohl, dass wir eine Hochzeit planen.« Merle grinst. »Es wird fantastisch.«
»Oh Gott!«. Henning fährt sich über die Stirn. »Allein der Gedanke daran stresst mich schon jetzt. Wohin bloß mit den ganzen Gästen? Wen laden wir ein? Und wo werden wir feiern?«
»Darüber denken wir morgen nach, okay? Lass uns heute einfach den Anlass genießen.« Clara nippt selig am Champagner.
»Falls ihr Hilfe benötigt oder eine Unterkunft für eure Gäste, stelle ich meine Zimmer gerne zur Verfügung«, biete ich schnell an, denn es fühlt sich irgendwie so an, als wären ich oder das Inselgrün es Henning schuldig.
»Oh, das wäre wunderbar. Meine Adoptiveltern und die Kollegen aus Hamburg werden sicher anreisen«, sagt Clara. »Vielleicht noch zwei, drei Freundinnen aus der Studienzeit.«
»Gar kein Problem. Melde dich einfach, sobald ihr einen Hochzeitstermin festgelegt habt. Dann werde ich sehen, was ich tun kann, ja?«
»Ach, ist das aufregend! Ich zermartere mir schon den Kopf, welches Menü euch beiden gerecht wird«, sagt Emilia enthusiastisch.
»Schatz, du weißt doch noch gar nicht, ob du überhaupt engagiert bist.« Jasper lächelt. »Lass das die beiden selbst entscheiden, okay?«
»Emilia, du würdest mich umbringen, würde ich dich nicht engagieren, nicht wahr?«, neckt Clara. »Außerdem kenne ich niemanden auf der Insel, der eine so köstliche Mousse au Chocolat zubereitet wie du. Entschuldige, Merle, du weißt, dass ich auch deine Koch- und Backkünste liebe, aber Emilias Mousse ist einfach ein Traum. Und was verlangt eine Hochzeit immer?« Sie reckt den Zeigefinger. »Eine große Portion Schokolade für das nervöse Herz. Ob das jetzt medizinisch wertvoll ist oder nicht, sei dahingestellt.«
Merle zieht eine Schnute. »Dann lass mich wenigstens irgendetwas mit Sanddorn zubereiten, okay? Der alte Sören zieht dir die Ohren lang, wenn wir seinen Sanddornlikör nicht verwenden. Ich habe da ein sehr gutes Muffin-Rezept-«
»Ist in Ordnung«, unterbricht Clara ihre Freundin. »Du wirst als meine Trauzeugin sowieso schon genug Aufgaben übertragen bekommen.«
»Ich bin … was?«, quietscht Merle und hopst vom Barhocker, um Clara in eine stürmische Umarmung zu ziehen. »Meine Güte, ich heule gleich!«
»Nicht schon wieder«, murmelt Mattis neckend und hält eine Packung Taschentücher bereit.
Hach, was für eine sympathische Truppe. Sie alle muss eine tiefe Freundschaft verbinden. Sofort vermisse ich meine Freunde aus Rostock. Hier auf der Insel fühle ich mich einsam. Natürlich sind da Garlef und Hilda, das Zimmermädchen. Aber es fehlt mir an genau diesen innigen Freundschaften, die manchmal tragfähiger sind als ein fest geknüpftes Fischernetz. Das hätte ich aktuell bitternötig.
»Ach, übrigens Mattis, du bist mein Trauzeuge, wahlweise mit Jasper zusammen. Würde mich freuen.« Henning grinst verschmitzt.
»Geht klar! Ganz der direkte Weg, was?« Mattis nickt Jasper zu, der Henning mit Champagner zuprostet.
»Was für ein toller Abend«, sage ich. »Es freut mich wirklich, dass ich ihn hautnah miterleben darf, obwohl ich eine Fremde für euch bin.«
»Natürlich! Auf ein bisschen Hilfe von dir waren wir ja angewiesen«, erklärt Henning schmunzelnd. »Hat das Hotel immer noch acht Zimmer?«, erkundigt er sich dann.
»Äh … ja«, antworte ich überrumpelt. »Kennst du es gut? Ich meine, warst du schon öfter hier?«
Er nickt. »Sozusagen.« Sein Finger umkreist den Rand der Champagnertulpe. »Das Inselgrün gehörte einst unserer Mutter. Sie hat diesen Raum eingerichtet und mit Leben und Gästen gefüllt. Mattis und ich haben hier einen großen Teil unserer Kindheit verbracht. Irgendwann hat Mutter neben der Leitung des Hotels auch Wattwanderungen angeboten. Diese Entscheidung hat sie schlussendlich das Leben gekostet, leider. Sie ist zusammen mit einer Freundin von der Flut überrascht worden und ertrunken.« Sein trauriger Blick sucht Claras, die seine Hand drückt.
»Umso schöner ist es, zu wissen, dass sie in diesem wichtigen Moment bei dir war. Und sei es nur als Erinnerung, eingebettet in diesen Wänden«, sagt Clara.
Ihre Worte berühren mein Herz. »Ich … das tut mir leid … das wusste ich nicht.« Mir fehlen ein bisschen die Worte. Hennings Geschichte ist tragisch und gleichzeitig rührend.
»Schon gut, äh … Wie war noch mal dein Name?«, erkundigt sich Henning.
»Ada.«
»Schon gut, Ada. Ich bin froh, dass das Hotel offensichtlich in guten Händen ist. Silke hat es nach Mutters Tod übernommen und sich nie wirklich damit angefreundet. Sie tat es nur aus Ehrgefühl Mutter gegenüber, weil sie Freundinnen waren. Dabei hätte sich Mutter nichts sehnlicher gewünscht, als das Inselgrün in Händen zu wissen, die es genauso lieben, wie sie es tat.«
Hennings Worte gehen mir durch und durch. Und plötzlich überkommt mich ein schlechtes Gewissen, weil ich bislang den emotionalen Wert dieses kleinen Hotels nicht erkannt habe, sondern es nur als Fluchtort vor meinem eigenen Scheitern angesehen habe. Für mich war das Hotel ein Mittel zum Zweck. Was mich nicht besser macht als Silke.
Oh Gott. Ich atme tief ein. Das darf ich Henning und Mattis nie verraten. Vermutlich sollte ich diesem Ort mehr Respekt entgegenbringen und zumindest das Vermächtnis ihrer Mutter ehren und es nach bestem Wissen erhalten, um das Inselgrün dann in fähige Hände zu übergeben. An jemand, den diese Räumlichkeiten verdient haben.
Doch das ist Zukunftsmusik. Ich weiß noch nicht, was meine Zukunft bereithält. Was ich mit ihr anstellen soll – ohne Musik. Ohne Gesang. Und ich werde hierbleiben und mein Bestes geben, bis ich einen neuen Plan, ein neues Ziel habe.
»Vielen Dank, dass ihr heute Abend hier aufgeschlagen seid«, sage ich, und die drei Paare strecken mir ihre Gläser entgegen.
»Auf Borkum, Clara und Henning!«
»Auf Borkum und das Brautpaar«, wiederhole ich nachdenklich.
Als ich am nächsten Morgen in die Küche komme, finde ich Hotelkoch Magnus völlig aufgelöst auf dem hölzernen Küchenstuhl vor. Er birgt sein Gesicht in den Händen, seine strohblonden Haare stehen wild ab, und der Topf mit Wasser, in dem die Eier kochen, läuft über. Es zischt und spritzt.
»Was ist denn hier los?« Ich haste zum Herd, ziehe den Topf von der Platte und stelle sie aus.
»Es ist eine Katastrophe!« Magnus sieht auf und knibbelt an seiner Nagelhaut.
»So schlimm?«, frage ich und schrecke die Eier ab.
»Katastrophe«, nuschelt Magnus und knibbelt weiter, immer schneller.
Ich lasse ihm Zeit, sich zu sammeln, und drapiere die Eier im Körbchen mit dem Reis, der sie warmhält.
Dann lasse ich meinen Blick diskret durch die ordentliche Küche schweifen. Es scheint alles an seinem Platz zu sein. Die Küchenmesser stecken im Messerblock, die Kochlöffel sind nach Größe und Beschaffenheit in den jeweiligen Besteckkörben sortiert, die Geschirrtücher akkurat aufeinandergestapelt und alle Küchenschränkchen geschlossen. Nichts, was Magnus aus seiner Komfortzone werfen sollte. Silke hat mir bei der Übergabe erzählt, dass Magnus sich auf dem autistischen Spektrum befindet. »Er ist ein großartiger Koch«, hat sie zu mir gesagt, »aber sein Ordnungswahn und seine Eigenheiten sind manchmal eine echte Herausforderung.«
»Kann ich dir helfen, die Katastrophe zu beseitigen?«, frage ich sanft.
Magnus hält inne. »Der Honig fehlt. Er ist weg. Gestern stand er noch im Schränkchen. Jetzt ist er weg. Und er war nicht leer, da bin ich mir sicher. Der Honig ist weg. Heute gibt es keinen Honig …« Er knibbelt wieder an seiner Nagelhaut.
Ach du liebe Zeit! Natürlich … der Honig!
»Oh nein, Magnus, es tut mir leid. Ich habe gestern Abend völlig vergessen, den Honig wieder in den Schrank zu räumen. Wir haben ihn für einen Smoothie gebraucht. Ich werde ihn gleich holen, ja? Es tut mir leid.« Mir wird heiß.
»Der Honig ist weg«, sagt Magnus ausdruckslos.
Ich könnte mich ohrfeigen.
»Ich bringe ihn dir gleich, ja?« Sofort eile ich aus der Küche. Einen handlungsunfähigen Koch in der Frühstückszeit kann ich kompensieren. Dennoch muss Magnus sich bis zur Vorbereitung des Abendessens wieder fangen, und das könnte tatsächlich zum Problem werden. Für Magnus darf heute nichts mehr schieflaufen, sonst muss ich womöglich selber mit meinem nicht vorhandenen Kochtalent am Herd stehen. Und das will ich den Gästen und der Küche nicht zumuten.
Ich laufe zielstrebig zur Bar. Na bitte, der Honig steht neben dem gefüllten Obstkorb. Es bleibt noch genügend Zeit, bis die ersten Gäste zum Frühstück aufschlagen, trotzdem wird mir mulmig bei dem Gedanken daran, Magnus beruhigen zu müssen. Ich bin einfach noch nicht sicher im Umgang mit ihm. Wie kann ich solche schwierigen Momente für ihn oder mit ihm gemeinsam lösen? Immerhin arbeiten wir noch nicht lange zusammen.