Herzlich willkommen ihr Süßen - Robert Deuml - E-Book

Herzlich willkommen ihr Süßen E-Book

Robert Deuml

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Beschreibung

Mit spitzbübischer Boshaftigkeit und scharfem Spott erzählt Robert Deuml aus dem reichen Fundus seiner täglichen Kaffeehausaufenthalte. Deuml liebt besonders die Dinge, die uns alle Menschen schwierig, ja sogar oft unerfreulich werden lässt. Wie kann man nur so unverschämt sein, sich an jenen Dramen zu erfreuen? Der Deuml erklärt es euch: Es bereitet ihm einfach nur Spaß! Und lernen tut die Menschheit aus seinen Beobachtungen ohnehin. Ihr, die Armen, landet täglich mit der Nase im Staub und der Deuml macht eine Story daraus. Ob er nun die Engstirnigkeit jener Spießgesellen attackiert, die zu jeder Zeit glauben, dass sie ihren Intellekt mit der Muttermilch eingesogen haben. Oder von solchen Zeitgenossen - ob nun menschlicher oder tierischer Natur - denen das Unglück stets zur Seite steht. Die Liebe zu seinen Mitmenschen beweist Deuml dadurch, dass er Ihnen in diesem Buch ein würdiges Denkmal setzte. Deuml hat für alle ein passendes Fettnäpfchen parat. Ihr müsst nur darauf aus sein, in eine solche Fettmine zu treten. Und wenn es sich einrichten lässt, dann bitte mit beiden Füßen gleichzeitig! Meine Herrschaften, glauben Sie mir, Sie werden sich in mancher Story wiederfinden. Garantiert! Deuml weiß, wovon er redet, denn auch er selber hatte so manche Gelegenheit vom puren Chaos umzingelt zu sein. Nur die Helden, die mit einem geschlossenen und einem offenen Auge durchs Leben wandern, werden tagaus tagein von der Unglücksgöttin großzügig belohnt. Interessant sei, von den Erziehungsmaßnamen zu erfahren, die ein despotischer Fabrikbesitzer bisweilen von seiner liebenden Gattin genoss. Oder über Brachial-Katzen, die aus verzweifelten Mäusen Helden machen. Und nicht zu vergessen der Zigarettenqualm, deren Genuss sich nur noch Vermögende leisten können. Nur um einiges zu nennen. Also Vorsicht, Ihr Armen, die Ihr tagaus tagein oft zu Unrecht gequält und geschunden werdet, ihr seid das bevorzugte Opfer von Robert Deuml!

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Inhaltsverzeichnis

Mal schauen, wer sich meldet

Jagdfreuden

Im nächsten Leben will ich ein Vogel sein

Hier wird nicht geraucht

Fuck! Nur drei Streichhölzer

Einer Frau kann man vertrau’n!

Die Beichte

Das Rendezvous

Das erste Mal

Bitte, bitte, jetzt nur nicht aufwachen

Amore im Hasenstall

Zeitweilige Obdachlosigkeit

Was macht den Sex so toll

Visuelle Ansicht

Stark, aber dumm wie trockenes Stroh

Rainer Allwissend

Psycho-Samen

Ach, die lieben Verwandten

Der Hustensaft

Der stressfreie Spaziergang

Ich hab sie

Montagmorgen in der Geisterbahn

Vegan-Terroristen

Zwei abgefuckte Wölfe

Zum Buch

Robert Deuml (vita)

Ich will aufrichtig danke sagen

1 Mal schauen, wer sich meldet

(Oder: Wer kocht für mich?)

„Mann, hab ich es satt, allein zu sein!“

So spricht nur einer, der es gewohnt war, von einem Partner verwöhnt zu werden. Alfred Selzmeier, ein gestandenes Mannsbild in den besten Jahren, war so einer. Alfred hatte das Pech, seit zwei Jahren von seiner Braut Olga geschieden zu sein. Eigentlich war es zu keiner Zeit eine Liebeshochzeit, aber immerhin stand man nicht alleine auf weiter Flur. Seine Ex lernte er auf einem russischen Folklorefestival mit Tanz und noch mehr Suff kennen. Die Anziehung der beiden war immens. Kein Wunder, wo doch die Olga die Hübscheste von allen anwesenden Frauen am Set war. Und beflügelt von Wodka und den schönen Augen Olgas begab sich Alfreds Vernunft auf eine kurzzeitige Reise. Und allen Gästen war klar: „Die beiden werden sicher ein Paar!“

Was nach zwei Wochen Verliebtheit Gewissheit werden sollte. Der Alfred und seine Olga tauchten ein in das Abenteuer, das sich Ehe nannte.

Anfangs lief noch alles gut, aber mit der Zeit schlich sich der berühmte Alltag im Eheleben der Selzmeiers ein. Die verliebte Stimmung von einst wurde mehr und mehr zu einem unrühmlichen Fiasko. Am Ende ihrer Ehe angelangt, verging kein Tag, an dem sich die Eheleute nicht in die Haare kriegten. Meist war Alfred derjenige, der dann mit blauen Blessuren umherlief. Die Olga hatte nun mal russisches Blut in sich und so eine Russin trägt eben das feurige Temperament der slawischen Nation in sich. Und nun ist selbst ewiges Streiten vorbei. Wie so oft in heutiger Zeit endete die Ehe der Selzmeiers nicht mit dem Tod, sondern durch einen geldgierigen Rechtsanwalt. Das Drama ereignete sich im August vor zwei Jahren. Seitdem hatte unser Alfred das Pech, nur von ungesunder Konservenkost und langweiligen Tütensuppen zu leben.

Und die tägliche Onanie erst, der Sex mit der eigenen Hand führt oft dazu, das einem sämtliche Glieder schmerzen. Und was seine Wohnung betrifft, sollte hier und dort etwas Staub gewischt werden. Eigentlich braucht die Oberschlampe Alfred zur Orientierung einen wegweisenden Kompass, damit er den Ausgang seines vermüllten Rattenetablissements findet. Um Alfreds Charakter näher zu beleuchten, darf man gut und gerne behaupten, dass er eine totale Niete ist.

Aber auch Nieten haben – obwohl sie es meist nicht verdient haben – ihre Bedürfnisse. Und genau aus diesem Grund wendete sich Alfred mit einer aussagekräftigen Annonce an die örtliche Zeitung.

Hallo, ihr Lieben!

Ein gut aussehender Single (42, männlich, 1,65, 82 kraftstrotzende Kilo, Sternzeichen Fische), z.Z. arbeitslos, sucht eine vorzeigetaugliche Dame mit dem gewissen Etwas. Du solltest nicht zu dick und nicht älter als vierzig sein, aber alle Attribute besitzen, was jeden Mann verrückt werden lässt. Außerdem wäre es von Vorteil, wenn du der deftigen Küche Herr wärst, und anschließend sollte es dir Freude bereiten, das weiträumige Areal unserer Wohnung (zwei Zimmer) in Schuss zu halten. Und was bekommst du von mir? Na alles, was sich eine Dame nur wünschen kann. Angefangen mit total geilem Sex, gefolgt von Wohlstand und in ferner

Zukunft grenzenlosen Reichtum. Ob du selbst vermögend bist, ist mir völlig egal, würde mich aber nicht von meinem edlen Vorhaben abhalten, dich als meine neue Partnerin anzusehen.

Also, ran ans Telefon, ihr Mädels, ich warte!

Zu erreichen unter dieser Tel.-Nr. 089/ 17… Jetzt hieß es für Alfred nur noch geduldig zu warten!

Doch trotz des einladenden Textes war keine der Damen bereit, sich dem Angebot zu stellen.

„Ich hab doch alles richtig gemacht! Oder?“, sinnierte Alfred.

Erst eine Woche später sollte das Telefon schellen.

„Hallo, mein Guter, ich bin genau das, was du suchst!“, hauchte eine Dame mit einem vielversprechenden Tonfall ins Telefon.

„Toll!“, rief Alfred am anderen Ende des Kabels.

Man vereinbarte an einem neutralen Ort ein Treffen.

Und was das Neutrale betrifft, ist ein Bahnhof das geeignete Refugium.

Mit seinen letzten fünfzig Euro machte sich Alfred per Fahrrad auf den Weg zum Bahnhof der Nachbarstadt. Mit einem selbstgepflückten Blumenstrauß von einem nahegelegenen Park wartete er gespannt auf die Dame, die ihn von der Konservenkost befreien würde. Am vereinbarten Ort wartete und wartete Alfred. Nichts! Keine Dame weit und breit. Der Arme fühlte sich auf den Leim gegangen und hatte schon Angst, dass er wieder alleine den Weg zu seiner Bruchbude antreten darf. Zwei volle Stunden ging er den Bahnhofsweg auf und ab. Doch dann sah Alfred das, was ihm das Blut in den Adern gefrieren ließ. Eine Dame! Aber was für eine! Es war Olga, seine Ex.

„Mann, was tut die hier? Die alte Krähe will doch nicht etwa verreisen!“

Hinter einer Anzeigetafel versteckte sich Alfred vor Olgas Augen.

„Gerade jetzt muss läuft sie mir über den Weg, wo ich doch eine wichtige Verabredung habe!“

Am Bahndamm blieb Olga stehen, auch sie schien auf etwas zu warten. Rein zufällig kreuzten sich ihre Augen, was zu einem gefrusteten Blick führen sollte.

Die Olga war die Erste, die es wagte, ihren Exgatten anzusprechen.

„Hey, du alte Schlaftablette, was tust du hier? Verfolgst du mich etwa?“

„Äh“, versuchte Alfred zu antworten.

„Ich bin verabredet.“

Mehr wollte er – wegen Prügelgefahr – nicht sagen.

Er kannte ja seine Olga. Und die konnte recht rabiat werden.

Jetzt ging es den beiden nur noch darum, weshalb man sich ausgerechnet hier an diesem Ort traf.

„Ich warte auf jemand!“, sprach Olga.

„Auf wen?“, konterte Alfred. „Doch nicht auf einen neuen Kerl!“

„Ja!“, antwortete Olga höhnisch mit der Absicht, Alfreds Eifersucht anzukurbeln.

Den beiden dämmerte ’s, jetzt sprang die sprichwörtliche Katze aus dem Sack.

Die einzige Dame, die auf Alfreds Annonce geantwortet hatte, war Olga, seine Ex.

„Toll!“, dachte sich Alfred. „Wie es aussieht, bekomme ich die alte Tucke nie los!“

Doch es sollte anders kommen als erwartet. Die Olga sah dem Alfred sehr lange und intensiv in seine himmelblauen Augen. Und mit einem Ruck verflüchtigte sich jede Wut auf seine Ex.

„Meine Alte sieht heute mal richtig lecker aus!“, dachte er sich.

„Vielleicht sollten wir es noch einmal probieren!“

Und so geschah es auch!

Auch Olga versprach ihrem Alfred das Blaue vom Himmel. (Dabei ist sie – wie Alfred – leider auch die größte Schlampe auf diesem Planeten.)

Man einigte sich auf ein weiteres Ehequartal. Die beiden schlenderten verliebt wie zwei Teenager Hand in Hand zu einem nahegelegenen Hotel. Die Nacht für zwei Personen im Nullsternhotel mit Frühstücksbuffet, an dem jede Nacht Hunderte Kakerlaken Party feiern, und einer defekten Dusche für den lächerlichen Preis von nur zwanzig Euro. Die beiden Neuverliebten wollten hier ihre Flitterwochen oder Tage verbringen. Nix mehr Onanie! Alfred gebrauchte seine Hände nur noch, um seine Olga in den Orgasmushimmel zu verfrachten.

Und so begann eine weitere Lovestory bei den Selzmeiers. Die beiden gaben sich ein zweites Mal das Eheversprechen.

„Dieses Mal“, so die einhellige Meinung der frisch Vermählten, „sollte unser Jawort für das ganze Leben gelten.“

Alfred nahm die täglichen Wutausbrüche seiner Olga, ohne zu murren, in Kauf. Immerhin musste er sich von nun an nicht von der widerlichen Dosenkost ernähren. Und wichsen musste er nur noch sehr, sehr selten. Dafür kann ein Mann ruhig mal eine gelangt bekommen. Wie denkt ihr darüber?

2 Jagdfreuden

Samstagabend bei den Schlottys. Die Familie sitzt vereint in der guten Stube und gönnt sich einen geruhsamen Fernsehabend mit Bier und Kartoffelchips. In der Glotze läuft gerade der Hollywood-Klassiker „Der Jäger und die Gejagten!“. Eigentlich war es für den Herrn des Hauses absolutes Pflichtprogramm, denn Josephus Schlotty liebt zwar seine Gattin, die Erna, aber das Jagen in freier Natur sollte seine wahre Leidenschaft sein. Nicht nur Josephus, auch seine Erna empfand in der Jagd größtmögliche Genugtuung. Nur hasste sie als sensible Person blutigen Wettkampf, weshalb sie in der Treibjagd mehr Erfolg für sich verbuchen konnte.

Wie oft trieb sie den ungehorsamen Gatten mit dem Besen durchs weiträumige Haus.

Doch an diesem Abend war das Morden in der TV-Kiste angesagt. Und genau in jenen Augenblick, wo John Wayne der Rothaut eine Kugel durch den Leib jagen wollte, unterbrach die Erna das spannende Geschehen.

„Josephus, ich sollte morgen zu Mittag wieder mal einen Feldhasen nach Jägerart auf den Tisch stellen.

Du weißt doch, den, der in den Steinpilzen, Frühkartoffeln und der leckeren Sahnesoße badet.“

„Aber Schatzi-Mausi“, antwortete Josephus kleinlaut und ahnte dabei, dass sich der idyllische Abend dem Ende zuneigte.

„Ich dachte da mehr an einen Schweinebraten mit Semmelknödeln und Sauerkraut.“

„Nix da“, keifte Erna, „entweder Hase oder Wurstbrot! Du hast die Wahl! Ich will Hasen und keine Sau, verstanden! Mann, du bist Jäger, es wird dir doch möglich sein, ein Karnickel zur Strecke zu bringen. Also mach mir Ehre und besorg für morgen das Mittagessen, oder soll ich dich mit dem Besen dazu überreden!“

Da lässt sich nichts machen, gegen den Eigensinn einer Frau ist selbst Gott machtlos. Für Josephus hieß es Hase oder ein Gymnastiklauf durchs Haus.

Punkt vier Uhr morgens. Es erschallte die liebliche Musik des Weckers durchs Schlafgemach. Wie eine chloroformierte Schnecke stürzte Josephus aus dem Bett, denn er hatte eine ehrenvolle Aufgabe vor sich. Noch schnell einen steifen Kaffee und ein kurzer Blick in den Spiegel – man will ja einen seriösen Eindruck hinterlassen – und der Waidmann war bereit, sich den mordlüsternen Feldhasen mutig und todesverachtend entgegenzustellen. Josephus hängte sich seine Donnerbüchse und das Fernglas um die Schultern und mit einer Wurstbrotstulle und einer Thermoskanne Tee (angewärmter Doppelkorn mit einem Schuss Tee) im Rucksack sollte es losgehen. Begleitet wurde er wie immer von seinem schwanzwedelnden Jagdhund Waldi.

Dieses treue Tier hatte sich auf dem zweiten Bildungsweg vom einstigen Blindenhund zu einem Jagdhund ausbilden lassen. So was nennt man wahre Flexibilität. Der optimale Begleiter für das wild um sich schießende Medium Josephus. Gemeinsam schlichen die beiden aus dem Haus, mit lauwarmem Eifer wollten sie dem Auftrag, den ihnen die Hausherrin aufgetragen hatte, einen Hasen zu erledigen, nachkommen. Am Ziel angekommen.

Ein vielversprechendes Rübenfeld mit einer naturbelassenen Wiese sollte das Interesse der Jagdgemeinschaft wecken. Man machte es sich auf einem Jägerhochsitz bequem und wartete auf das Volk der Feldhasen. Seine Erfahrung erlaubte es Josephus, zuversichtlich zu sein. Hier keines dieser Hoppeltiere vor die Flinte zu kriegen wäre schlichtweg unmöglich. Doch dieses eine Mal sollte sich Josephus in Bezug auf die Gewohnheiten seiner Hasen irren. Nichts! Kein einziger Mümmelmann ließ sich an diesem Morgen blicken. Die Stunden vergingen, das Wurstbrot war vertilgt und der zuvor schon erwähnte Tee aus der Thermoskanne wurde von Josephus in der Zeit des Wartens entsorgt. Was sein Augenlicht sicher nicht schärfer werden ließ. Irgendwann wurde es dem Waidmann zu viel der ewigen Warterei.

„Mann“, rief er zu sich und seinem Hund Waldi.

„Wo sind die verdammten Hasen? Ich sehe jedes Mal Tausende von denen, aber wehe meine Erna bildet sich partout Hasenbraten ein, dann haben diese Viecher ihren freien Tag.“

Der arme Kerl konnte einem richtig leidtun! Aber zum besseren Verständnis muss ich erwähnen, dass Josephus zu viel Tee genossen hatte. Denn hätte er sich nur ein einziges Mal umgedreht, wäre ihm aufgefallen, dass hinter seinem Rücken sämtliche Feldhasen der ganzen Umgebung eine Gourmetparty abhielten. Was bedeutet, dass die Langohren außerhalb Josephus’ Sichtfeld schamlose Orgien feierten.

Was trieb die Tiere zu jenem Entschluss? Das lässt sich leicht erklären! Dadurch, dass sie gestern das vordere Wiesenareal bis auf den letzten Grashalm leer gefressen hatten, mussten sie an diesem Morgen auf die Grasfläche hinter Josephus ausweichen.

Und Josephus? Der war gezwungen, wegen des anregenden Tees in nur die eine Richtung zu starren.

Aus diesem Grund war es ihm nicht möglich, die frivole Hasenpopulation zu erspähen.

Jetzt wird sich mancher fragen: „Wenn schon der Josephus – der ja mit dem Teekonsum zu kämpfen hatte – nicht der Herr der Lage war, zu was taugte sein sogenannter Jagdhund?“

Ach ja, der Waldi! Als ehemaliger Blindenhund war es die alte Töle gewohnt, nur in die Richtung zu starren, in der sich sein Herrchen befand.

Mit der Zeit wurde Josephus immer nervöser, kein Wunder, wo doch die Teequelle seit einer Stunde versiegt war. Eine endlos lange Stunde des Wartens und Zähneklapperns, dann war es so weit. Auf der Wiese bewegte sich was. Josephus griff sofort zum Fernglas und lugte hindurch.

„Wo ist die verdammte Wiese?“, sprach er.

Der Waldi stupste mit seiner Nase sein Herrchen an, was so viel bedeutete wie „Mann, nimm doch einfach die andere Seite des Feldstechers!“.

Wau, das ewig müde Flohhotel war also doch zu was zu gebrauchen. Der Fachmann im Hasenjagen befolgte den Befehl, den ihm sein Begleiter per Gedankenübertragung übersandte. Und was sah er?

Auf der Wiese tummelte sich ein Langohr, nicht allzu groß, aber immerhin. Josephus stellte sein Augenlicht auf Jagdmodus ein, indem er seine Pupillen ordnete. Er wechselte von der mehrmaligen zur einmaligen Sehweise.

„Was sehen meine Augen?“, dachte er sich. „Da hoppelt doch nicht etwa ein Hase?“

Mit seiner Vermutung sollte er recht behalten, es war tatsächlich das Tier, das ihm seine Erna als Sonntagsbraten befohlen hatte. Und dieses Tier hoppelte gemächlich auf der leer gefressenen Wiese umher.

„So, Freundchen“, sprach Josephus, „mach dein Testament und verabschiede dich von deiner Familie, denn ab jetzt gehen für dich alle Lichter aus!“

Josephus wie auch sein Jagdhund Waldi begannen aufgeregt zu zittern. Die beiden wurden vom Instinkt des Jagdfiebers gepackt. Langsam, sehr langsam, um nicht noch kurz vorm Ziel vom Hasen bemerkt zu werden, fingerte Josephus nach seiner Flinte. Er legte an, zielte und, und, und, der Jäger befand sich mitten im Blutrausch.

„Gleich hab ich dich!“, dachte sich Josephus.

Jetzt war das zu schießende Objekt genau im Zentrum seines Visiers. Der Zeigefinger umspannte den Abzugshahn, gleich sollte sich der Schuss lösen.

Gleich konnte man es kilometerweit hören, dass ein Hase seiner Bestimmung entgegengegangen ist. Nur noch für einen Bruchteil von Sekunden sollte sich der Hase an unserer guten alten Erde erfreuen.

Und dann! Klick! Nur ein kaum hörbarer Klick, was die Mechanik des Gewehres von sich gab. Was hatte das zu bedeuten! Wo blieb das alles Entscheidende Peng?

Zu diesem donnernden Geräusch sollte es nicht kommen. Weshalb? Na, weil ein Gewehr ohne Munition kein Peng verursachen kann. Diese Logik ist weit verbreitet in der Gilde der Jägerschaft.

Aber wie stand es um den Hasen? Der blieb brav in der Zielrichtung des Jägers stehen und wartete geduldig auf seine baldige Hinrichtung. Jetzt hieß es für den Josephus schnell handeln. Eilig griff er in seinen Rucksack und durchwühlte ihn auf der Suche nach Munition von links nach rechts, nach oben und unten. Das Einzige, was er fand, war die angenagte Butterbrotrinde vom letzten Jagdausflug. Außerdem fand er eine Uraltausgabe der Männerzeitschrift St.

Pauli Nachrichten, einen unbezahlten Bierdeckel, auf dem die Summe 52,30 stand und darauf wartete, beglichen zu werden, und eine leere Bierdose. Doch das Schlimmste kam erst noch, im Rucksack fand Josephus eine halb leere Zigarettenpackung, ohne dazugehöriges Feuerzeug.

Wie, der Kerl rauchte heimlich?

Obwohl es ihm seine Erna unter Androhung von körperlicher Gewalt verboten hatte!

Was für ein Saukerl! Schämen sollte er sich!

Wenden wir uns wieder dem Suchen nach Munition zu!

Nichts! Es war nichts im Sack, was einem Hasen in seiner Entwicklung schaden konnte. Spätestens jetzt dämmerte es dem Jäger, dass er die Munition im Waffenschrank hat liegen lassen. Und mit Kieselsteinen als Wurfgeschoss – das wusste selbst Josephus – lässt sich kein noch so mickriger Hase freiwillig zum Sterben überreden.

Sein Jagdhund Waldi verschränkte verzweifelt seine Pfoten über dem Kopf und mit einem leisen Winseln gab er seinem Herrn zu verstehen: „Hättest du, mein Herrchen, nicht zu viel Tee gesoffen, würde der Hase jetzt uns gehören. Mann, und für den habe ich meine vielversprechende Karriere als Blindenhund an den Nagel gehängt!“

Josephus’ einziger Kommentar zu dieser prekären Situation:

„Das mit dem Hasen wird wohl nichts werden!

Schade!“

Eigentlich war Josephus völlig vom Stress befreit!

Nur eine Sorge quälte ihn.

„Durst! Jetzt wäre ein halbes Bier recht. Hätte ich doch ein paar Bierchen eingeladen. Ohne flüssige Inspiration macht das Jagen auf Langohren keinen Spaß.“

Wie es aussieht, sollte seine Erna entweder Wurstbrote essen oder, wenn es ihr beliebt, erwartungsvoll in den leeren Backofen gucken. Eine dritte Alternative war laut Josephus nicht in greifbarer Sichtweite.

„Ach was“, sprach Josephus mit Hund Waldi. „Ich frag einfach meine Kollegen im Klubhaus, ob von denen einer einen Hasen entbehren kann.“

Um es klarer auszudrücken, Josephus brauchte unbedingt seinen Tee, Bier, Wein oder Sonstiges, was der Harmonie diente. Mit schnellem Schritt verließen beide, Herrchen wie sein Hund, den Ort, an dem die Hasen schlauer und gewiefter waren als die Jäger.

Im Klubheim angekommen offenbarte sich dem Waidmann ein frivoles Festgelage mit Tanz, Wein und Weib. Die Gattin des ersten Vorsitzenden des örtlichen Jagdvereins, Anna-Bettina von Kullenberg, war an diesem Tag besonders gut drauf. Die adelige Dorfschönheit feierte ihren dreißigsten Geburtstag ohne ihren spießigen Ehemann, denn der weilte wie jedes Jahr zur selben Zeit in Norwegen auf der Suche nach Braunbären.

Wenn der wüsste, was sein Frauchen im Klubheim alles vom Stapel ließ.

Diese Dame war bekannt dafür, dass sie gerne – oder eigentlich immer – an einem Weinglas nippte.

Und wie so oft am Höhepunkt der Feier angelangt, vergaß die alte Schluckeule jede Moralbedenken und war, beflügelt durch diverse Drinks, zu jeder Schandtat bereit. Josephus rannte direkt auf die Baronin zu, küsste gekonnt und etikettengetreu ihre Hand und übersendete einen Geburtstagsgruß.

„Frau Baronin, Sie lassen unser Klubheim mit Ihrem adretten und bezaubernden Aussehen in einem sonnigen Glanz erblühen. Ehrfurchtsvoll übersende ich Ihnen die besten Wünsche für Ihren heutigen Jubeltag!“

„Josephus, du oller Schlawiner“, lallte das Geburtstagskind. „Es freut mich ungemein, dass auch du mit von der Partie bist. Hier nimm und lass es dir schmecken!“

Und die feierfreudige Dame überreichte Josephus einen Krug voll mit dem unter Jägern bevorzugten Tee.

Für Josephus und seinen Waldi begann eine Feier der Superlative. Wie? Auch Waldi sollte zu seinem Spaß kommen? Ja! Auch wenn der Loser meist schlafend anzutreffen war, sollte was für ihn dabei sein. Mit einer neckischen Dackeldame tollte er verliebt durchs Klubheim. Na, wenn da mal kein Malheur passiert!

Das Feiern zog sich den ganzen Tag hindurch und so manch edler Waidmann segelte unter den Tisch.

Zu Hause bei den Schlottys stand Erna währenddessen wartend auf den Hasen in der Küche und wundert sich.

„Wo bleibt mein Mann? So wie ich den alten Suffkopf kenne, geht der im Klubhaus geradewegs vor die Hunde!“

Auf der Geburtstagsfeier indes ging es weiter hoch her, die gesamte Jägerschaft tanzte mit der Baronin eine Polonaise durch den Saal.

Eigentlich war von denen keiner mehr so recht ansprechbar. Vergessen waren alle Hasen, Rehe, Wildschweine, kapitale Hirsche oder sonstiges Getier, das sich erschießen lässt. Es ging nur noch darum, wer von den Herrn oder Damen mehr Alkohol konsumieren konnte.

Und zu Hause bei den Schlottys! Purer Frust! Als sich das Warten zu sehr in die Länge zog, machte sich Josephus’ Frau Erna wütend auf den Weg zum Klubhaus der Jäger. Was die Dame dort sah, wurde von sämtlichen Glaubensrichtungen bei Androhung des Höllenfeuers an den Pranger gestellt. Ein wahrhaftiges Sodom und Gomorrha! Dort lag ihr seliger Gatte samt seinen Vereinskollegen berauscht von allem, was die Alkoholindustrie zu bieten hatte, unter den Biertischen. Und mittendrin lag die schlafende Baronin Anna-Bettina von Kullenberg. Zur Freude von Erna war die Adelsdame fast nackt. Nicht komplett nackt, aber beinah. Die zuvorkommenden Männer hatten ihr, damit sie ihre intimsten Stellen verdecken konnte, alles Unkeusche mit Klebestreifen beklebt. Die gab ihr Bestes!

Als eine Spielverderberin konnte man jene Dame nicht bezeichnen.

Die Erna schaffte es sogar, ihren Alten aus dem Komma zurück ins Leben zu holen, wenn auch unter massiver Kraftanstrengung und mit der Zuhilfenahme eines Eimers voll mit eiskaltem Wasser. Mit netten Gesten führte Erna ihren ehrlosen Prinzgemahl an den heimischen Herd.

Im Hause Schlotty gab es an diesem Wochenende weder Wurstbrote noch Hasenbraten: aber dafür jede Menge Streicheleinheiten, die die Wangen von Josephus rosarot einfärbten. Die Liebesbekundungen der einfühlsamen Erna gegenüber ihrem lasterhaften Trunkenbold sollten dazu führen, dass die Handflächen der aufgebrachten Dame noch nach einer Woche unangenehm schmerzten.

Und Baronin Anna-Bettina von Kullenberg? Was sagte die zu ihrem unerfreulichen Absturz? Die machte sich erst mal eine Flasche Cognac auf. Erst nachdem die Flasche leer und sie voll war, machte sie sich daran, eine mustergültige Ausrede für ihren ahnungslosen Gatten einfallen zu lassen.

3 Im nächsten Leben will ich ein Vogel sein

Wie wäre es, wenn wir uns nach unserem irdischen Dasein aussuchen könnten, als welches Lebewesen wir erneut auf unsere Erde zurückkämen. Ich fände es toll! Kein Problem! In der Glaubenslehre der ewigen Wiedergeburt ist dies – oder gar fast alles – möglich. Ich würde mich für einen riesigen Elefantenbullen entscheiden. Ein Monstrum mit zwei meterlangen Stoßzähnen. Ach was! Wer will schon Elefant sein, ich hab mir da schon was ganz Besonderes ausgedacht, doch darüber erfahren Sie einige Zeilen weiter. Ein anderer – ein ewiges Weichei – wäre zu gerne ein gefährlich fauchender Königstiger. Nicht immer nur brav und gehorsam sein. Nein!

Dieses Mal will der Herr Angst und Schrecken verbreiten und nicht seinen gesenkten Kopf zu einem erzwungenen Ja senken. Und als solches Untier lauert er im Gras und wartet auf einen Unvorsichtigen oder auch nur einen depressiven Hirsch, der am Leben hadert. Depressiv deshalb, weil seine alles geliebte Hirschkuh mit einem anderen Kerl durchgebrannt ist. Und dem armen Loser legt sich der gnadenlose Killer samt der untreuen Hirschkuh gemütlich auf seine schmatzende Zunge. Und wiederum andere – besonders sensible Damen, die sich gerne auf dem Laufsteg sehen würden – wählten einen bunt schillernden Schmetterling. Und ehemalige Herrschaften, die damit beschäftigt waren, uns gebeutelten Arbeitssklaven mit ihren Steuern zu traktieren, würden zu gerne als Läuse, Flöhe oder gar Wanzen wiederkommen. Denn das Blutsaugen war deren Berufung und sollte, wenn möglich, im nächsten Leben weitergeführt werden. Das alles lässt sich machen!Man sagt doch, dass in der tibetischen Glaubenswelt eine immerwährende Wiedergeburt unter bestimmten Voraussetzungen möglich sei. Erst wenn der Verstorbene seine Untaten aus all seinen früheren Leben abgetragen hatte, durfte er den Kreislauf des ewigen Wiederkommens beenden.

Aber bis es so weit war, muss der sündhafte Mob jedes Mal aufs Neue rechnen, in einem anderen Lebewesen, ob nun Tier, Pflanze oder Sonstiges, auf die Welt zu kommen. Einer unserer besten Freunde war der Erwin. Der größte Säufer im gesamten Landkreis. Mit seinen achtzig Lenzen auf seinem alten Buckel und seinem Humor hatte der sicher alles erlebt. Nur eines sollte ihm in all den Jahren verwehrt bleiben. Er hatte nie die Chance gehabt, die Erde aus der Perspektive eines Vogels zu betrachten. Wie das Schicksal so manchen einen Streich spielt, hatte er in seinen jungen Jahren kein Geld, um zu fliegen. Und heute? Heute erlaubt es sein Arzt nicht mehr. An manchen Tagen saßen wir alle vereint in unserem Klubheim – einem Sportverein – und sinnierten darüber, in was wir uns nach dem irdischen Leben verwandeln wollen. Der Franz – ein erfolgloser Unternehmer – möchte als Hund wiederkommen. Er wollte es am eigenen Leib erleben, welches Gefühl es auslöst, wenn ein anderer seine Steuern bezahlt. Nur das lästige Kastrieren sollte, wenn es denn so weit ist, verboten werden. Und Emil, unser Vereinstrottel? Der dachte an eine Weinbergschnecke. Diese – so seine Meinung – haben schon mit ihrer Geburt ihr eigenes Haus. Und dafür müssen sie nicht mal horrende Hypothekenzinsen an die gierigen Bankengeier bezahlen. Aber das Wichtigste: Er musste beim Hausbau keinen Finger rühren. Denn das Wort Arbeit ließ ihn die Gänsehaut – hervorgerufen durch Angst – bekommen. Emil wusste genau, wie viele Tage er in seinem Leben schon gearbeitet hatte! Wie viel? Dafür reichen ihm die fünf Finger einer Hand.

Seine Begabung lag mehr darin, in einer Minute eine ganze Maß Bier zu schlucken. Respekt! Unter Alkoholikern war dies ein wahrer Geniestreich.