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Zwischen Stolz und Leidenschaft: Der historische Liebesroman »Highland Love – Die Liebe des Highlanders« von Gerri Russell als eBook bei venusbooks. Das Schicksal der Highlands liegt in ihren Händen … Seit Generationen hat der Clan der Glencarrons eine heilige Pflicht: Er wacht über den »Stein von Scone«, an den das Schicksal aller Schotten gebunden ist. Auch Scotia ist zu einer furchtlosen Schwertmaid herangewachsen, der sich niemand entgegenzustellen wagt – aber ist sie so zu einem Leben voller Einsamkeit verdammt? Als der von Rachsucht getriebene Ian MacKinnon sie bittet, ihm die Kunst des Schwertkampfs zu lehren, zögert Scotia: Kann ihr das Verlangen, das sie vom ersten Moment an für den stürmischen Highlander empfindet, zum Verhängnis werden? Denn während Scotia und Ian sich auf ein gefährliches Spiel der Gefühle einlassen, rücken ihre Feinde immer näher … »Ein überzeugender, herzerschütternder historischer Liebesroman!« Romance Junkies Jetzt als eBook kaufen und genießen: das Romantik-Highlight »Highland Love – Die Liebe des Highlanders« von Gerri Russell. Lesen ist sexy: venusbooks – der erotische eBook-Verlag.
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Seitenzahl: 545
Über dieses Buch:
Das Schicksal der Highlands liegt in ihren Händen … Seit Generationen hat der Clan der Glencarrons eine heilige Pflicht: Er wacht über den »Stein von Scone«, an den das Schicksal aller Schotten gebunden ist. Auch Scotia ist zu einer furchtlosen Schwertmaid herangewachsen, der sich niemand entgegenzustellen wagt – aber ist sie so zu einem Leben voller Einsamkeit verdammt? Als der von Rachsucht getriebene Ian MacKinnon sie bittet, ihm die Kunst des Schwertkampfs zu lehren, zögert Scotia: Kann ihr das Verlangen, das sie vom ersten Moment an für den stürmischen Highlander empfindet, zum Verhängnis werden? Denn während Scotia und Ian sich auf ein gefährliches Spiel der Gefühle einlassen, rücken ihre Feinde immer näher …
»Ein überzeugender, herzerschütternder historischer Liebesroman!« Romance Junkies
Über die Autorin:
Gerri Russells große Leidenschaft ist das Schreiben – sei es als Journalistin, Kolumnistin oder Autorin historischer Liebesromane. Für ihr Werk wurde sie bereits mehrfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem renommierten »Gold Heart Award« der Romance Writers of America. Gerri Russel lebt mit ihrer Familie in der amerikanischen Pacific-Northwest-Region.
Mehr Informationen über die Autorin gibt es auf ihrer Website: www.gerrirussell.net
Bei venusbooks veröffentlichte Gerri Russell bereits die Fortsetzung von »Highland Love – Die Liebe des Highlanders«: »Highland Love – Das Verlangen des Highlanders«.
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eBook-Neuausgabe Juli 2020
Die amerikanische Originalausgabe erschien erstmals 2008 unter dem Originaltitel »The Warrior Trainer« bei Dorchester Publishing, New York. Die deutsche Erstausgabe erschien 2010 unter dem Titel »Vermächtnis der Leidenschaft« im Heyne Taschenbuch.
Copyright © der amerikanischen Originalausgabe 2008 by Gerri Russell; published by Arrangement with Geraldine G. Russell
Copyright © der deutsche Erstausgabe 2010 der deutschen Ausgabe by Wilhelm Heyne Verlag, München, in der Verlagsgruppe Random House GmbH
Copyright © der Neuausgabe 2020 venusbooks Verlag. venusbooks ist ein Verlagslabel der dotbooks GmbH, München.
Dieses Werk wurde vermittelt durch die Literarische Agentur Thomas Schlück GmbH, 30161 Hannover.
Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.
Titelbildgestaltung: Nele Schütz Design, München, unter Verwendung von Bildmotiven von shutterstock/Kanuman und Adobe Stock/VJ Dunraven
eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (ts)
ISBN 978-3-95885-779-7
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Gerri Russell
HIGHLAND LOVE Die Liebe des Highlanders
Roman
Aus dem Amerikanischen von Ralph Sander
venusbooks
Soweit ich zurückdenken kann, haben mich Steine aller Art schon immer fasziniert. Egal, ob es sich um einen einfachen weißen Kieselstein am Strand oder um die Monolithen von Stonehenge handelte, ich war von allen gleichermaßen begeistert. Meine Beschäftigung mit Steinen insgesamt, mit ihrer Herkunft und Geschichte und den Menschen, die sie besaßen, brachte mich zum Krönungsstein. Nachdem ich von diesem Stein und von der Kriegerin gehört hatte, die ihn behütete, wusste ich, das war eine Geschichte, die ich erzählen wollte.
Die Geschichten über die Herkunft und den Zweck des Krönungssteins, der auch als der Stein von Scone bekannt ist, reichen über Jahrhunderte zurück und erstrecken sich über zwei Kontinente – zunächst als heiliges Relikt, später als Nationalheiligtum.
Der von den Ägyptern, Griechen, Spaniern und Engländern begehrte und umkämpfte Stein hat seinen Ursprung im Mittleren Osten und gelangte nach Ägypten, wo man ihn für das Kissen hielt, auf das Jakob seinen Kopf gebettet hatte, als er seinen bekannten Traum von einer Himmelsleiter hatte. Schließlich wurde das Relikt nach Griechenland geschickt, wo es von einer Frau namens Scotia bewacht wurde, einer Kriegerin und Meisterin des Kampfsports.
Als Scotias Mann in einem Gefecht fiel, beschloss sie, ihr Volk zur Isle of Destiny zu führen, so wie es ein hebräischer Prophet mit Namen Moses vorausgesagt hatte. Nach monatelanger Reise erreichten sie ein fernes Land nördlich des heutigen Irland. Dieses neue Land nannten sie, nach ihrer Königin, Scotia und die neuen Herrscher bezeichneten sich als Scoti.
Über Generationen hinweg spielte der Stein bei der Krönung der schottischen Könige eine wichtige Rolle und für die Schotten entwickelte er sich zu einem Nationalheiligtum. Solange sie diesen Stein besaßen, verteidigten sie ihre Freiheit gegen England.
Als aber die Engländer unter der Herrschaft von Edward I. in Schottland einfielen, wurde es immer schwieriger, den Stein vor ihnen zu beschützen. Edwards Armee ließ nichts unversucht, um den Stein in englischen Besitz zu bekommen und die Schotten auf diese Weise zu unterwerfen.
Und damit sind wir am Anfang unserer Geschichte …
Schottland, 1308
Unheilvolles Hufgetrappel hallte durch das Dörfchen Glenfinnon. Vier Männer zu Pferd, jeder mit der Waffe in der einen und einer Fackel in der anderen Hand, preschten voraus und hatten nur eines im Sinn: das Dorf zu vernichten und jeden seiner Bewohner zu töten.
Seit nunmehr drei Monaten spielten die vier Männer ihre Rollen als Reiter der Apokalypse und wüteten überall in Schottland.
»Wo ist die Kriegerin?«, knurrte der Weiße Reiter, während er einen der Dorfbewohner unter den Hufen seines Tiers begrub, die den glücklosen Mann auf der Stelle zermalmten. Die anderen Dörfler stieben in alle Richtungen davon, um sich in Sicherheit zu bringen.
»O ja, lauft nur davon. Das macht die Jagd umso spannender«, spottete der Weiße Reiter. Er und seine berittenen Begleiter würden ihre Suche nach dem Krönungsstein und der Frau, die ihn beschützte, noch tage-, monate- und notfalls sogar jahrelang fortsetzen. Und wenn sie ihn endlich gefunden hätten, würde der Stein England gehören – der Stein, und auch jenes legendäre Glück, das er seinem Besitzer brachte. Sein König würde ihn dafür großzügig belohnen.
Die unerbittliche Jagd hatte ihn bis zu diesem winzigen Dorf nahe der Küste geführt. Wie eine aus der Hölle geborene Macht schoss der Weiße Reiter vor, zum Töten bereit. Er löste die Armbrust aus, und im nächsten Moment bohrte sich ein Pfeil in die Brust seines Gegners.
Heute war ein guter Tag, um Rache zu üben und um Antworten zu erhalten. Jemand musste wissen, wo der Stein und die Lehrmeisterin verborgen waren. Und jemand würde reden, sonst müssten sie alle sterben.
Der Weiße Reiter legte einen neuen Pfeil in seine Armbrust, dann drückte er die Fersen in die Flanken seines Pferdes, um das Tier voranzutreiben. Er ließ die Fackel einmal kreisen und steckte dabei ein trockenes Reetdach in Brand. Ein wütendes Fauchen war zu hören, als das Dach Feuer fing und im nächsten Moment lichterloh brannte.
Das laute Kreischen eines Kindes durchdrang das Kriegsgebrüll und die Schreie der Sterbenden. Ein Mädchen, noch keine acht Jahre alt, rannte aus dem brennenden Haus. Die Flammen hatten das gelbe Kleid der Kleinen erfasst. Tränen liefen ihr über die Wangen, während sie versuchte, das Feuer zu ersticken, den Flammen mit ihren Bemühungen aber nur noch mehr Nahrung gab.
Eine leichte Beute. Der Reiter zog an den Zügeln, damit sein Pferd die Verfolgung des Kindes aufnahm. Die Kleine würde sterben, so wie auch alle anderen hier, und das allein aus dem Grund, dass sie Schotten waren, wilde Barbaren, die so ganz anders waren als die ihnen überlegenen Engländer. Noch drei Schritte, dann gehörte das Mädchen ihm, und er konnte es von seinem Pferd zu Tode trampeln lassen. Vorfreude und Begeisterung bemächtigten sich seiner. In seinen Händen lag die Macht über Leben und Tod. Und der Tod war das, was alle Schotten dafür verdienten, dass sie sich weigerten, einen so wertvollen Schatz wie den Stein von Scone herauszugeben. Wenn er ihn erst einmal in seinen Besitz gebracht hatte, konnte er für England in die Schlacht ziehen, wann und wo er wollte – und er würde niemals verlieren.
Noch ein Schritt. Ein letzter entsetzter Schrei. Er riss an den Zügeln, das Pferd bäumte sich auf, die Hufe waren bereit, zu töten, doch in dem Moment wurde das Reittier durch eine Bewegung so irritiert, dass es fast das Gleichgewicht verloren hätte. Eine Frau rannte auf das Kind zu, schlug auf die Flammen ein und riss es unter den drohenden Hufen weg, um sich dann mit ihm im nahe gelegenen Wald in Sicherheit zu bringen.
Unbändige Wut erfasste den Reiter, der sein Pferd abermals kehrtmachen ließ, um der Frau zu folgen. Er sah, wie sie allein vom Wald weglief – zweifellos in der Absicht, ihrem Kind das Leben zu retten. Ihr würde er schon zeigen, was er von ihrem Gebaren hielt. Und wenn er mit der Mutter abgerechnet hatte, würde er sich dem Kind zuwenden.
In vollem Galopp verfolgte der Weiße Reiter die Frau und hatte sie nach wenigen Schritten bereits eingeholt. Als er auf gleicher Höhe war, beugte er sich zur Seite und griff durch ihre Kappe hindurch in ihr volles schwarzes Haar. Vor Schmerz verzog sie das Gesicht, aber sie schrie nicht auf, sondern ließ sich tonlos von ihm neben dem Pferd herschleifen. Diese Frau war mutig, aber besaß sie auch genug Mut, um ihm die Wahrheit zu sagen? Er ließ sein Pferd ein Stück weit auslaufen, dann brachte er es zum Stehen.
Die Frau wehrte sich gegen seinen Griff und schlug nach der Hand, die tief in ihrem Haar vergraben war. »Lasst mich los!«
»Vielleicht zeige ich mich gnädiger, wenn du meine Fragen beantwortest«, erwiderte er mit höhnischem Grinsen.
»Was für Fragen?« Sie hörte auf, mit ihren von blauen Flecken übersäten Armen zu fuchteln.
Er riss ihren Kopf herum, damit sie ihm in die Augen schaute. Als er sah, wie die Angst ihr Gesicht bleich werden und einen Schatten auf ihren Blick fallen ließ, verspürte er wieder dieses ungeheure Machtgefühl.
»Wo finde ich die Lehrmeisterin? Und wo ist der Stein?«, fragte er und schüttelte die Frau leicht, um seinen Worten Nachdruck zu verleihen.
»Ich weiß nicht, wovon Ihr da redet.« Erneut versuchte sie, sich aus seinem Griff zu befreien.
»Sag es mir auf der Stelle!« Er schüttelte sie so heftig, dass ihre Zähne aufeinanderschlugen, wobei er mit jeder Faser genoss, wie hoffnungslos diese Frau ihm ausgeliefert war.
»Was für ein Stein denn?«, keuchte sie, während sie zusammensackte.
Unerbittlich zog er sie wieder hoch, damit sie ihn anschaute. »Der Krönungsstein. Ich weiß, er befindet sich immer noch in diesem gottverdammten Land.«
»Wisst Ihr das denn nicht?« Wilde Entschlossenheit trat an die Stelle der Furcht in ihrem Blick … »Euer König hat den Stein vor Jahren gestohlen und Schande über uns alle gebracht.«
Der Reiter machte eine verächtliche Miene. »Ein Mönch aus Scone sagte uns, dass der Stein eine Fälschung sei – nachdem wir ihm jeden Finger und alle Zehen abgehackt hatten.« Als er die nackte Angst in den Augen der Frau sah, musste er lächeln. »Wir wissen, der echte Stein ist immer noch hier und wird von der Kriegerin bewacht.« Er musterte sein Opfer aufmerksam, um festzustellen, ob das Mienenspiel auf irgendein Wissen hindeutete, das die Frau für sich behielt.
»Nein!« Tränen liefen ihr über die Wangen und hinterließen im Schmutz auf der Haut blasse Spuren.
Er stieß die Frau zu Boden, da er keine Lust hatte, sich noch länger ihre Lügen anzuhören.
Die Frau lief davon und sprang scheinbar mühelos über einige Äste und Steine, die eigentlich ihr Vorankommen hätten behindern müssen, doch sie wurde nicht mal langsamer. Schon erstaunlich, welche Wirkung Angst auf diese nutzlosen Kreaturen hatte. Der Reiter hob seine Armbrust hoch. »Ich werde die Lehrmeisterin und den Stein finden, und wenn ich jeden einzelnen Highlander persönlich umbringen muss.«
Die Frau rannte weiter, und er ließ ihr gerade genug Zeit, damit sie den Geschmack der Freiheit kosten konnte, dann zielte er. Mit einem Pfeil raubte er ihr das Leben als teilweise Begleichung jener Schulden, die die Highlander immer noch zu bezahlen hatten. Schließlich ließ er sein Pferd kehrtmachen, um im Wald nach dem Kind zu suchen. Niemand machte sich über England oder über ihn lustig und lebte lange genug, um irgendwem davon berichten zu können.
Niemand.
Vor dem Torhaus von Glencarron Castle saß Ian ab und sah sich um, während er den Hals des Tieres tätschelte. Der Frühnebel hatte sich über die Highlands hinweg zurückgezogen und einen intensiv blauen Himmel zum Vorschein kommen lassen, von dem sich deutlich die grünen, zur See hin steil abfallenden Hügel abhoben.
Die Wellen, die am Fuß dieser Hügel gegen die Küste gedrückt wurden, klangen wie ein anhaltendes Wispern, nicht wie jenes rhythmische Schlagen, das er in seinem Dorf Kilninian hören konnte. Überhaupt schien hier alles sehr ruhig und friedlich zu sein. Zu ruhig für den Ort, an dem ein mächtiger Krieger zu Hause war.
Ian band sein Pferd an einem Erikastrauch ganz in der Nähe an und suchte die Nebengebäude und die Türme nach Hinweisen auf Bewohner oder Wachen ab. Alles wirkte verlassen, was ihn in seinem Verdacht bestätigte, dass die Lehrmeisterin nichts weiter war als eine Legende, auch wenn sein Pflegevater das Gegenteil behauptete. Er sollte umkehren, zu seinem Clan zurückreiten, der auf seinen Schutz angewiesen war, anstatt hier noch mehr Zeit zu vergeuden. Aber das Versprechen gegenüber seinem Vater, lernen zu wollen, so zu kämpfen wie die Vorfahren, trieb ihn weiter in Richtung Tor. Er war so weit geritten, und er war es seinem Vater schuldig, es zu Ende zu führen, ob mit oder ohne Lehrmeister.
Als Ian sich dem schmiedeeisernen Fallgitter näherte, vernahm er leise Stimmen und hörte Vieh muhen. »Seid gegrüßt!«, rief er. Gerade wollte er noch einen Ruf ausstoßen, da schlurfte vom Torhaus kommend ein schmaler alter Mann auf ihn zu, der sich schwer auf einen Stock stützte.
»Was wollt Ihr?« Mit trüben, wässrigen Augen blickte der Mann hoch zu Ian.
Dessen Miene wurde ernster. »Ich möchte zur Lehrmeisterin.«
»Was sagt Ihr da?«
»Ich möchte zur Lehrmeisterin«, wiederholte Ian lautstark, wobei er jede Silbe betonte.
Der Mann wich zurück und betrachtete Ian mit einer Mischung aus Überraschung und Verärgerung. »Ihr müsst nicht schreien, Junge. Bin ja nicht taub.«
Ian verkniff sich eine zornige Erwiderung. »Bitte«, sagte er stattdessen. »Es ist von großer Dringlichkeit.«
Der Alte humpelte davon, und kurz darauf war zu hören, wie in ein Horn gestoßen wurde. Augenblicke später vernahm Ian ein lautes Füßescharren von den Zinnenkränzen, als eine Reihe von mit Pfeil und Bogen bewaffneten jungen Männern über die Brustwehr spähten und ihre Aufmerksamkeit dabei ganz auf ihn richteten. Dennoch fühlte er sich durch das Auftauchen dieser Wachen nicht bedroht. Vielmehr verspürte er eine sonderbare Erleichterung darüber, dass die Burg und die mythische Lehrmeisterin bewacht wurden, mochten diese Männer auch noch so jung sein.
Kettenrasseln und hölzernes Knarren ertönten, als man begann, das Fallgitter langsam hochzuziehen. Kaum war genug Platz für ihn, duckte sich Ian unter dem Gitter hindurch, dann eilte er zu dem alten Mann und half ihm, das Gitter wieder herabzulassen. »Wo finde ich die Lehrmeisterin?«, fragte er.
»Sie wird im Hauptturm sein.«
Also existierte sie tatsächlich. »Ich muss zu ihr.«
Ein rätselhafter Ausdruck huschte über das Gesicht des alten Mannes, der mit einem Seufzer Ian in Richtung des Hauptturms weiterwinkte.
Ian bedankte sich, dann lief er über einen anscheinend nur selten genutzten äußeren Burghof, von dem er zum inneren Burghof gelangte. Diener trugen volle Heugabeln zu den Ställen, wo das Vieh auf seine Mahlzeit wartete. In einem gleichmäßigen Takt schlug ein Hammer lärmend auf Eisen, jeder grelle Schlag bohrte sich durch die Luft bis tief ins Ohr. Frauen überquerten den weitläufigen Burghof und trugen dabei aromatisch duftende Brotlaibe von einem Steinofen zu dem Gebäude, in dem die Küche untergebracht war.
Als er den Hof überquerte, konnte er fast die Blicke spüren, die ihm bei jedem Schritt folgten – Blicke, von denen ihn einige weiterdirigieren wollten, während andere ihn zurückzuhalten schienen. Ian ignorierte sie mit dem gleichen Geschick, das er sich bereits angeeignet hatte, um gegen die Mitglieder seines eigenen Clans gewappnet zu sein, wenn die ihn anstarrten. Er hatte sich daran gewöhnt, ein Außenseiter zu sein. An dem ausladenden Portal angekommen, klopfte er mit seiner behandschuhten Faust energisch und selbstbewusst an. »Ich bin gekommen, um die Lehrmeisterin zu sprechen.«
»Legt Eure Waffe ab, wenn Ihr hier eintreten wollt«, forderte ihn eine Männerstimme von der anderen Seite der Tür auf.
Ian kniff die Augen zusammen. »Erst will ich die Lehrmeisterin sehen, bevor ich meine Waffe ablege.«
»Dann werdet Ihr sie heute nicht zu sehen bekommen.«
Er sollte seine Waffe ablegen? »Was ist das für ein Krieger, der nur unbewaffnete Männer empfängt?«
»Das ist meine Vorschrift, nicht ihre. Und jetzt legt Eure Waffe ab, sonst könnt Ihr wieder gehen.«
Er wollte diese Angelegenheit einfach nur hinter sich bringen. Sobald er seine Verpflichtung seinem Vater gegenüber eingelöst hatte, konnte er die Vier Reiter jagen und Vergeltung üben. Das war das Mindeste, was die Familienehre von ihm verlangte.
Mit einem mürrischen Brummen zog Ian sein Claymore aus der Scheide auf seinem Rücken und legte die Waffe vor seinen Füßen auf den Boden. »Ich bin unbewaffnet.«
Knarrend öffnete sich die Tür, und zum Vorschein kam ein runzliger alter Mann mit weißem Haar und buschigen Augenbrauen, der ihn wachsam musterte. »Auch den Dolch.«
Ian gehorchte, nahm seinen Blick aber nicht von seinem steinalten Gegenüber. Auch wenn er keine Waffe mehr trug, war er keineswegs wehrlos. »Ich muss sofort zu ihr.«
Der gebückt dastehende Mann ging zur Seite und bedeutete Ian, er solle eintreten. Der schaute sich in dem höhlenartigen Raum vor ihm um. Von einem Feuer abgesehen, das in einem Kamin auf der anderen Seite brannte, gab es hier nichts zu entdecken.
»Was führt Euch her?« Der runzlige Alte starrte Ians Gesicht an, als suche er darin nach irgendetwas.
Ian seinerseits richtete seine Aufmerksamkeit auf sein Gegenüber und wahrte einen ruhigen, gelassenen Blick, der nichts verriet. Hier gab es niemanden, mit dem er ein Geheimnis geteilt hätte.
Dennoch konnte er nicht anders, als sich zu fragen, welche Geheimnisse die legendäre Kriegerin in ihrer Feste versteckt hielt. Es musste einen wirklich finsteren Grund geben, dass sie so zurückgezogen lebte. In ganz Schottland nahm man an, sie sei vor zwölf Jahren ums Leben gekommen, als die Vier Reiter durch das Land zogen und die Abtei von Scone eroberten.
Bis auf einmal vor drei Monaten Meldungen von ihrem Überleben unter den Clans zu kursieren begannen. Er hatte die Geschichten gehört und als Wunschdenken abgetan, als fantastische Behauptungen, die den Clans Hoffnung geben sollte, dass es ihnen gelingen würde, das von den Vier Reitern angerichtete Chaos zu überleben.
Aber Ian blieb keine Zeit, um über die Geheimnisse der Lehrmeisterin nachzudenken. Er war hergekommen, um schnellstens von ihr ausgebildet zu werden, und dann würde er sich auch schon wieder auf den Rückweg machen. Es kostete ihn Mühe, den Ärger über die ständigen Verzögerungen runterzuschlucken. »Ich habe keine Zeit zu vergeuden. Ihr werdet mich jetzt zur Lehrmeisterin vorlassen.«
Die Miene des Mannes verfinsterte sich augenblicklich. »Dann seid Ihr gekommen, um zu kämpfen?«
»So ist es!«
»Also ein weiterer Narr«, murmelte der alte Mann und wandte sich ab, um auf den Kamin zuzugehen. »Wenn Ihr unbedingt zur Lehrmeisterin wollt, dann kommt mit.«
Ian folgte dem Alten durch eine Tür auf der anderen Seite des großen Saals, durch die sie in einen weiteren Raum gelangten. In dessen Mitte brannte eine einzelne Kerze, die von einem Ring aus düsteren Schatten umgeben war, wohin er auch schaute.
»Wartet hier.«
Aufgebracht darüber, dass er erneut vertröstet wurde, drehte sich Ian um und wollte verlangen, zur Lehrmeisterin vorgelassen zu werden, doch der alte Mann war bereits mit den Schatten verschmolzen. Dennoch fühlte Ian, dass er in diesem Raum nicht allein war. Als sich seine Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten, konnte er am Kopf der Treppe einen menschlichen Schatten ausmachen. Alle seine Sinne waren in höchster Alarmbereitschaft. »Zeigt Euch.«
»Welche mörderische Absicht führt Euch her?« Die Frauenstimme klang alt und schroff, ganz anders als er es von der Lehrmeisterin erwartet hätte.
Er beabsichtigte nicht, jemanden zu ermorden, ausgenommen natürlich die Vier Reiter, und sie würden schmerzhaft und schnell seine Vergeltung dafür zu spüren bekommen, dass sie seinen Clan angegriffen und seinen Bruder Malcolm ermordet hatten. Sobald er seiner Pflicht gegenüber seinem Vater nachgekommen war, würde er den Mann zur Rechenschaft ziehen, der die Verantwortung für diese Taten trug.
»Tretet in den Lichtkreis«, forderte Ian lautstark, während er sich den Stufen näherte und versuchte, die Gestalt dort oben besser zu erkennen. Eine klare Silhouette, die sich vom diesigen Grau des Raums abhob.
»Die Dunkelheit dient meinem Zweck«, erwiderte die Gestalt so leise, dass die Worte fast nicht wahrzunehmen waren.
Augenblicke verstrichen, Schweigen lag über dem ganzen Raum. Ians ganzer Körper war angespannt, seine Instinkte waren hellwach. Etwas stimmte nicht. Seine Hand griff nach dem Heft seines Schwerts, fasste aber ins Leere. Zu spät fiel ihm ein, dass er seine Waffen vor der Tür abgelegt hatte. »Warum sollte eine Frau, der man nachsagt, die größte Kämpferin im ganzen Land zu sein, sich in der Dunkelheit verstecken müssen, wenn sie einem unbewaffneten Mann gegenübersteht?«, wollte er wissen und suchte die Schatten nach einer Antwort ab.
»Ich stelle hier die Fragen.«
Die Stimme zitterte so minimal, dass es ihm fast nicht aufgefallen wäre. Aus welchem Grund?
»Was wollt Ihr hier? «, fragte sie. »Kämpfen? So wie all die anderen auch?«
Der schwache Schein einer Kerze erhellte den Raum hinter Ian, doch er schaute nicht über seine Schulter, um den Ursprung dieses Scheins zu erkunden. Stattdessen konnte er nur die erleuchtete Vision vor ihm betrachten: eine alte Frau mit schneeweißem Haar, die ihn voller Angst ansah.
Beim Anblick der wahren Natur dieser Bedrohung beruhigte sich Ian. »Das ist unmöglich. Die Lehrmeisterin … eine alte Frau?«, wunderte er sich.
»Hattet Ihr jemand anders erwartet?« Die Frau musterte ihn skeptisch.
Es musste eine logische Erklärung geben. Die krumme Alte konnte ihm auf keinen Fall irgendetwas beibringen, was er nicht längst beherrschte. Doch sein Vater war davon überzeugt gewesen, die Frau könne ihm bestimmte Kampftechniken aus fernen Ländern vermitteln – Methoden, wie er seinen Körper bewegen musste, wie er die Handlungen seines Gegners vorausahnen konnte, wie er ein Schwert führen musste, alles, was ihm helfen würde, sich und seinen Clan gegen die Vier Reiter zu verteidigen. Kampfkunst, so hatte sein Vater ihre Methoden bezeichnet, aber Ian war nach wie vor skeptisch.
»Warum seid Ihr hier? «, wiederholte sie, ohne sich von der Stelle zu rühren.
»Um mit der Kriegerin zu üben.«
Ihre Miene hellte sich auf. »Um zu üben? Nicht um zu kämpfen?«
»Nun ja«, antwortete Ian gedehnt und kniff die Augen leicht zusammen. Was ging hier eigentlich vor? Die Frau trug ihren stählernen Brustpanzer auf dem Rücken und den Rückenpanzer vor der Brust. Eine Armkachel bedeckte ihren rechten Ellbogen, nicht jedoch den linken. An der linken Hand trug sie einen Panzerhandschuh, doch das Schwert hielt sie in ihrer Rechten. Entweder hatte sie sich in aller Eile angekleidet, oder sie war nicht die, für die sie sich ausgab.
»Seid Ihr die Lehrmei…«
»Nein, nicht, Burke!«
Ian drehte sich noch gerade rechtzeitig um, sodass er sehen konnte, wie ihm ein schwarzes Objekt entgegengeschleudert wurde. Plötzlich fuhr ihm ein stechender Schmerz in die Schläfe und ein übler dumpfer Knall hallte in seinem Kopf wider. Ungläubig starrte Ian den grinsenden alten Kerl an, der einen eisernen Kessel in den Händen hielt.
Es war das Letzte, was er sah, als das Licht sich zurückzog und er von der Finsternis geschluckt wurde.
»Ich habe doch gesagt, du sollst es nicht machen!«, rief Maisie aus, als der hünenhafte Mann bewusstlos zu Boden sank. Wenn ihr Instinkt sie nicht täuschte, war er derjenige, auf den sie gewartet hatten. Wie vereinbart hatte Abbus ihn endlich geschickt, jenen Krieger, der würdig war, Scotias Stammbaum fortzusetzen.
»Ich hab’s ja versucht, aber der Kessel war nicht mehr aufzuhalten«, erwiderte Burke und zuckte entschuldigend mit den Schultern.
»Musstest du auch unbedingt zum Kessel greifen?« Maisie kam die Stufen herab, ihre hastig übergeworfene Rüstung schepperte bei jedem Schritt. Als sie den niedergestreckten Mann erreicht hatte, warf sie ihrem buckligen Helfer, der ihr gerade einmal bis zur Schulter reichte, einen missbilligenden Blick zu. »Vielleicht gefällt er Scotia nicht mehr, wenn sein Kopf auf einer Seite eingebeult ist.«
»Ich habe sonst nichts gefunden, womit ich ihn niederschlagen konnte«, gab Burke zurück.
Maisie schüttelte entrüstet den Kopf. »Man soll Frauenarbeit wirklich nie einem Mann überlassen – zumindest nicht auf dieser Burg.« Sie beugte sich über den großen, muskulösen Fremden. Er war in einen Plaid in den Farben Rot, Grün, Blau und Weiß gekleidet, also eindeutig ein MacKinnon, wie es vor Jahren zwischen Abbus MacKinnon und Scotias Mutter vereinbart worden war. Lange war es her, dass sie jemanden aus dem Clan MacKinnon nahe Loch Glencarron gesehen hatte. Sie drückte einen Finger in seinen Oberarm und nahm mit einem Lächeln zur Kenntnis, wie straff seine Muskeln waren. »Er ist ein ansehnlicher Bursche, und er ist seit langer Zeit der Erste, der an unsere Tür anklopft, weil er tatsächlich ausgebildet werden möchte.«
»Er könnte auch hier sein, um uns zu täuschen, so wie der Letzte, der auch herkam und ausgebildet werden wollte.« Burke schauderte, als er den eisernen Kessel auf dem Boden absetzte und sich neben dem Besucher hinkniete. »Ich sage, wir werfen ihn raus.«
»Pfui! Dieser junge Mann ist hier, um uns zu helfen, nicht um uns Schaden zuzufügen, du Narr. Er wird genau richtig sein. Oder hast du schon vergessen, wie viele Monde verstrichen sind, seit unser Mädchen fünfundzwanzig geworden ist? Sie muss ihrer Pflicht nachkommen und bald ein Mädchen zur Welt bringen, das ihr als Lehrmeisterin nachfolgt, sonst enttäuschen wir ihre Mutter und ganz Schottland.«
Burke seufzte schwer. »Nicht wir und auch nicht ihre Mutter, sondern sie selbst sollte entscheiden, wer der Vater ihres Kindes wird, Maisie.« Ein bedauernder Ausdruck zeichnete sich in seinen grauen Augen ab. »Wir haben lange genug über ihr Leben bestimmt, sie verdient die Freiheit, ihre eigenen Entscheidungen zu treffen.«
»Steckt eigentlich kein Funke schottische Seele in dir? Es ist nicht ihre Entscheidung, sondern ihre Pflicht, die Linie der Lehrmeisterinnen fortzusetzen, so wie es bereits ihre Vorfahrinnen getan haben. Scotia muss sich diesem Mann unterwerfen, wie es vor Jahren zwischen ihren Eltern vereinbart wurde. Und wir werden ihr dabei helfen, dass es auch mit Sicherheit dieser Bursche ist, den sie mit in ihr Bett nimmt.« Begeistert rieb sie ihre knorrigen Hände. »Wir müssen sorgfältig planen.«
»Du bist ein dummes Weib, weißt du das? Wann hat sich Scotia jemals jemandem unterworfen? Oder hast du schon ihre Wutausbrüche vergessen, mit denen sie uns traktierte, als sie noch jünger war? O weh!« Mühsam richtete er sich auf und verfluchte dabei seine müden Knochen. »Ich finde, wir sollten diesen Dummkopf ziehen lassen, bevor Scotia von unserem Plan erfährt und uns auch noch das Fell über die Ohren zieht.«
Maisie ignorierte Burkes Bedenken und packte den reglosen Krieger an den Armen, dann versuchte sie ihn über den Steinboden zu ziehen. Vor langer Zeit war sie kräftig genug gewesen, um einen Mann wie diesen ohne Schwierigkeiten von der Stelle zu bewegen, aber mittlerweile war sie älter und schwächer geworden. »Du könntest aufhören zu brabbeln und stattdessen einer alten Frau behilflich sein«, keuchte sie, während sie sich abmühte, den Bewusstlosen in Richtung des Schlafgemachs zu ihrer Rechten zu schaffen. »Ich bin nicht mehr die Jüngste, und er ist um einiges schwerer, als er aussieht.«
Burke zeigte ihr ein zahnloses Grinsen und blieb stehen. »Geschieht dir ganz recht, wenn du dich in anderer Leute Angelegenheiten einmischst, Maisie.«
Ian verspürte ein Pochen in seiner Schläfe, als er aufwachte. Als er versuchte die Schultern zu bewegen, musste er feststellen, dass man seine Hände auf dem Rücken gefesselt hatte. Er zog die Brauen zusammen, bereute es aber sofort, da dies einen Stich durch seinen Kopf jagte. Es war schlimm genug, dass er in seinem Dorf als exzellenter Krieger galt und sich hier von zwei klapprigen Alten überrumpeln ließ. Nur mussten sie ihn auch noch fesseln? So etwas war ihm bisher nie widerfahren! Dafür war er viel zu umsichtig und zu schlau. Zumindest hatte er das bislang immer von sich geglaubt.
Er zerrte an dem Seil, das man um seine Handgelenke gebunden hatte, und bemerkte, wie es ein wenig nachgab. Ein weiterer Versuch, und seine Fesseln lockerten sich noch etwas mehr, womit er den nötigen Spielraum bekam, um sich zu befreien. Seine Widersacher mochten gerissen sein, aber sie konnten noch das ein oder andere über das Binden eines Knotens lernen. Einen Moment später zog er die Fesseln um seine Knöchel los, dann begab er sich zur Tür dieses dunklen Zimmers, bei dem es sich um ein Schlafgemach zu handeln schien.
Eigentlich sollte er dankbar dafür sein, dass man ihn nicht in ein Verlies gebracht hatte. Ian gestattete sich ein listiges Grinsen. Jetzt wusste er mit Sicherheit, es hatte sich bei keinem der Alten um die Lehrmeisterin gehandelt. Aus einem unerfindlichen Grund beschützten die beiden ihre Herrin, und Ian wollte diesen Grund erfahren.
Leise öffnete er die Tür und spähte in den Korridor. Eine Wache war nirgends zu sehen, tiefe Schatten tauchten entlang der grauen Steinwände immer wieder längere Abschnitte in völlige Finsternis. Er verließ den Raum, hielt inne und versuchte dem Pochen in seiner Schläfe ein Ende zu setzen.
Da sich die Schmerzen nicht seinen Wünschen beugen wollten, beschloss er, sie zu ignorieren, und schlich leise im Schutz der Schatten zur Treppe. Noch immer war niemand zu sehen.
Es wäre ein Leichtes, die Stufen hinunterzugehen und durch die Tür zu entwischen, um von hier zu verschwinden. Doch allein schon dieser Gedanke wurmte ihn. Wenn er jetzt ging, musste er seine Niederlage eingestehen. Die Vier Reiter würden ungestraft davonkommen und vielleicht sogar in sein Dorf zurückkehren, um die Mitglieder seines Clans zu töten. Das Schlimmste aber war die Vorstellung, seinem Pflegevater unter die Augen zu treten, in dem Bewusstsein seine Aufgabe nicht erledigt zu haben! Nein, er musste bleiben und seine Pflicht erfüllen.
Ian schob entschlossen das Kinn vor. Zunächst einmal würde er die Lehrmeisterin suchen. Am Fuß der Treppe angekommen, blieb er stehen und ließ sich Zeit, um die ungewohnte Umgebung zu erforschen. Sein Plan war ausgesprochen simpel. Er musste sie nur finden, darauf bestehen, dass sie ihm half, und von ihr die Geheimnisse des Kämpfens lernen, dann konnte er zu seinem Clan zurückkehren. Die Zeit spielte eine entscheidende Rolle, wenn er Malcolms Tod rächen und seine Leute retten wollte.
Im Schutz der Schatten schlich Ian in den großen Saal zu seiner Linken. Der Raum war sauber und aufgeräumt, die Stühle standen an der Wand aufgereiht, die Tische waren leergeräumt, die Streu war frisch verteilt worden. Das alles waren Dinge, die für einen gepflegten Haushalt sprachen.
Vier junge Frauen standen in der Nähe des Kamins, eine von ihnen stocherte in der Glut. Sie hatten ihm den Rücken zugewandt, was Ian dankbar zur Kenntnis nahm, während er sich seinen Weg durch den Saal bahnte, um in den Korridor am anderen Ende zu gelangen. Dort angekommen, sah er zwei Türen, die den Gang zu beiden Seiten flankierten. In beide Durchgänge warf er einen Blick, und erst als er sich davon überzeugt hatte, dass sich in den Gemächern dahinter niemand aufhielt, ging er zu den Türen ein Stück weiter den Flur entlang. Nachdem er auch im sechsten Gemach keine Menschenseele antraf, regte sich bei ihm Verwunderung und Gereiztheit. Wie viele Räumlichkeiten konnte es hier im Hauptgebäude noch geben? Er war bereits um drei Ecken gebogen, und es gab nur noch eine Seite der Burg zu erkunden.
Er ging weiter durch den Korridor, bis er abermals auf eine Tür stieß. Er hob den Riegel an, die Tür schwang auf und gab den Blick frei auf einen viel größeren Raum als alle anderen. Er war außergewöhnlich hoch und endete in einem Kuppeldach, das ihm die gleiche weite Atmosphäre verlieh wie der Kirche in der Nähe seines Dorfs. Nur war dies hier keine Kirche. Schwerter, Äxte, Piken, Dolche und verschiedene Rüstungsteile säumten die Wände, das auf Hochglanz polierte Metall schimmerte im Licht, das durch eine Reihe hoher Bogenfenster auf zwei Seiten des Raums ins Innere fiel.
So viele gefährliche Waffen – eine militärische Schlagkraft, die eines jeden Kriegers würdig war. Allerdings war der Krieger in diesem Fall eine Kriegerin. Bei dem Gedanken daran versteifte er sich. Frauen sollten Säuglinge in ihren zarten, fürsorglichen Armen halten, keine zerstörerischen Waffen. War sie womöglich noch nicht dem Mann begegnet, der sie zum Umdenken bewegen konnte?
Diese Überlegung brachte ihn zum Lächeln, aber er war hergekommen, um sich einzig und allein um seine Ausbildung zu bemühen. Sobald er seine Verpflichtung gegenüber seinem Pflegevater erfüllt hätte, würde er diese Burg und ihre Geheimnisse hinter sich zurücklassen.
Er ging weiter bis zur Wand und streckte seine Hand nach einer todbringend aussehenden Klinge aus, doch er hielt abrupt inne, als er spürte, wie kalter scharfer Stahl gegen seine Kehle gedrückt wurde.
»Eine Bewegung, und Ihr tragt eine Wunde davon, die Euch in Euer Grab begleiten wird«, drohte ihm eine raue Stimme dicht hinter ihm.
Ian bewegte den Kopf nur minimal, damit erkennbar wurde, dass er verstanden hatte. Gleichzeitig ließ er den Arm sinken und verfluchte sich insgeheim, dass er nicht schneller gewesen war und das Schwert von der Wand genommen hatte. »Sind alle Bewohner dieser Burg so freundlich wie die, die ich bislang kennengelernt habe?«
Ein zweiter Dolch stach unterhalb der Rippen in sein Fleisch und ließ ihn vor Schmerz zusammenzucken. Mit Humor kam er offenbar nicht weiter.
Seine Verärgerung wandelte sich schnell in Faszination. Was für ein Typ war diese Frau, die Krieger ausbildete? Noch nie hatte ihn eine Frau in einem so herrischen Tonfall angesprochen. Dass sie eine Frau war, daran gab es keinen Zweifel, denn sie drückte ihren Körper gegen seinen Rücken – eine Kombination aus Kraft und hartem Metall, eingehüllt in das sanfte Aroma von Erika.
»Wenn Ihr mich loslasst, werde ich tun, was Ihr verlangt«, erklärte er.
Die Klinge, die gegen seinen Bauch drückte, wurde weggenommen, die andere Klinge presste nicht mehr so fest gegen seinen Hals. Diesen Augenblick nutzte er, um sich aus ihrem Griff zu befreien. Eigentlich wollte er zu ihr auf Abstand gehen, doch ihr Anblick fesselte ihn mindestens so sehr, wie es zuvor ihre Arme getan hatten. O ja, sie war eindeutig eine Frau. Obwohl ihr Oberkörper unter einem mit verblasstem rotem Samt überzogenen Panzerhemd verborgen war, konnte die Rüstung doch nicht die weiblichen Kurven verdecken. Die untere Hälfte ihres Körpers war von einem Schutz aus Metall und Leder bedeckt, aber der Schwung ihrer Hüften spielte unübersehbar mit dem weichen roten Stoff ihres Rocks. Nichts davon verzauberte ihn allerdings auch nur annähernd so sehr wie der Anblick ihres langen vollen Haars, das vom Schlaf zerzaust war. In dem dämmrigen Licht schien es dunkel, vielleicht rot, vielleicht aber auch braun. Ungestüme Locken breiteten sich über ihren Schultern aus und fielen bis über den Rand ihres Brustpanzers, während sie den Dolch in eine Scheide an ihrer Taille zurücksteckte. Was für eine sonderbare Zusammenstellung – das wilde, weibliche Haar und dazu die kalte, männliche Rüstung.
»Seid Ihr die Lehrmeisterin?«, fragte Ian und versuchte zu überspielen, dass ihr Anblick seinen Atem stocken ließ.
»Ich sollte diejenige sein, die hier die Fragen stellt, Eindringling.« Sie zog unter ihrem Gürtel einen langen, schmalen Lederstreifen hervor, der an beiden Enden ein Gewicht aufwies.
»Ian MacKinnon vom Clan MacKinnon.« Sein Blick war weiter auf ihre Waffe gerichtet, mit der sie ihm die Fähigkeit rauben konnte, sich zu rühren, sollte er seinen Angriff wagen. Aber würde sie diese Waffe einsetzen? Oder gehörte die nur zu irgendeiner Art von Spiel?«
»Warum seid Ihr hier, Ian MacKinnon?«
Seine gemeine Seite wollte herausfinden, ob sie auch nur halb so resolut war, wie sie sich gab. Er machte zwei Schritte auf sie zu.
Sofort ließ sie die beschwerten Enden des Lederstreifens an ihrer Seite kreisen, sodass der Raum zwischen ihnen von einem bedrohlichen Luftwirbel erfüllt wurde.
Eine falsche Bewegung, und er würde sich mit dem Lederband um seinen Hals wiederfinden, noch bevor er sich ihr weiter hätte nähern können. Er brauchte sie nicht weiter auf die Probe zu stellen, sondern hielt inne. »Ich suche die Lehrmeisterin.«
Sie schnaubte alles andere als damenhaft. »Ihr seid ein kläglicher Lügner. Wenn Ihr gekommen wärt, um mit der Lehrmeisterin zu sprechen, warum erwische ich Euch dann hier bei dem Versuch, eines meiner Schwerter zu stehlen, anstatt Euch im großen Saal anzutreffen, wo Ihr Euch mir vorstellen würdet?«
»Man hat mir keine Wahl gelassen«, entgegnete er und verspürte mit einem Mal Ungeduld, weil er seine Zeit mit Wortgefechten vertrödelte. Wenn sie die Lehrmeisterin war, warum gab sie sich nicht einfach zu erkennen? Dann könnten sie mit der Ausbildung beginnen. Ian verschränkte die Arme vor der Brust. »Hätte ich die Wahl, würde ich um Verzeihung bitten und Euch ersuchen, mich zu empfangen.«
»Und Ihr seid der Meinung, das hätte Euch eine Audienz bei mir eingebracht?« Sie ließ die Waffe weiterhin langsam kreisen.
»Ich hatte gehofft, es würde meiner Absicht dienlich sein.«
»Wenn Eure einzige Absicht die ist, gegen mich zu kämpfen, dann seid Ihr ein Narr.«
Im nächsten Moment wickelte sich das Lederband um seine Arme, die beiden schweren Gewichte trafen seine Brust und pressten die Luft aus seinen Lungen. Der kraftvolle Treffer brachte ihn aus dem Gleichgewicht. Er versuchte, zur Seite auszuweichen und sich von seinen Fesseln zu befreien, aber sie war zu schnell für ihn und traf ihn mit dem Fuß in die Magengegend, sodass er rücklings auf dem Boden landete.
Langsam kam sie auf ihn zu, wie eine Wildkatze auf der Pirsch, und setzte sich so auf ihn, dass ihre in Leder gekleideten Beine gegen seine Brust drückten. In aller Ruhe betrachtete sie ihn mit einem sonderbar traurigen Gesichtsausdruck, ohne den Anflug eines Lächelns, die grünen Augen so ernst, dass er sich fragte, ob sie wohl jemals fröhlich dreinblicken konnten.
»Ihr wolltet die Lehrmeisterin kennenlernen?«, fragte sie. »Betrachtet Euch als ihr vorgestellt. Nachdem nun die Gefälligkeiten ausgetauscht wurden, dürft Ihr gehen.«
»Ich werde nicht gehen, bevor ich nicht das bekommen habe, wofür ich herkam«, gab MacKinnon zurück. »Lasst mich frei!«
Der blonde Mann betrachtete Scotia mit ruhigem Blick. Obwohl sie auf seiner Brust saß, hatten seine Augen etwas an sich, das ihre Wangen zum Glühen brachte.
Entnervt stand sie auf und ging ein paar Schritte nach hinten, da sie hoffte, dass dieser Abstand genügte, um ihre Verwirrung vor ihm zu verbergen. Er war schließlich nur ein Mann. Langsam und gleichmäßig atmete sie durch, um ihre Fassung wiederzuerlangen. Seit sie mit dem Schwert umgehen konnte, hatte sie mit Hunderten von Männern gekämpft und sie ausgebildet. Was war an diesem Mann anders, dass er sie zum Erröten brachte?
Aufmerksam und abschätzend musterte sie ihn. Ein Hauch von kaum zu verbergender Gefahr umgab ihn. Das sah sie seinen angespannten Schultern ebenso an wie dem grimmigen Mund. Er sah aus wie ein Mann, der bereit war, es mit der ganzen Welt aufzunehmen und sie seinem Willen zu unterwerfen, ohne Rücksicht auf die Konsequenzen Aber sie nahm auch eine gewisse Verwundbarkeit wahr, die sie jedoch nicht so recht zu deuten wusste.
»Heute wird es keine Kämpfe geben«, erklärte sie ungehalten und wütend auf sich selbst, da ihr solch alberne Gedanken über einen Fremden durch den Kopf gingen, der in ihre Feste eingedrungen war und der nach wie vor eine Bedrohung darstellte.
Er befreite sich von der Waffe, die sich um ihn geschlungen hatte, dann stand er da, ohne sich ihr zu nähern, aber auch ohne sich zurückzuziehen. »Ich bin nicht hier, weil ich mit Euch kämpfen will. Ich möchte, dass Ihr mich ausbildet.«
Scotia fuhr zusammen, als sie diese Worte hörte, und brauchte einen Moment zu lange, bevor sie ihre Reaktion überspielen konnte. Sie durfte sich keine Hoffnungen machen.
Ich möchte, dass Ihr mich ausbildet.
Gegen ihren Willen gingen ihr diese Worte wieder und wieder durch den Kopf. Es waren die zwölf längsten und schwierigsten Jahre ihres Lebens gewesen, seit sie jemanden außerhalb ihrer Burg diese Worte hatte sprechen hören.
Die letzten Krieger, ein Vater mit seinem Sohn, waren gekommen, um sich von ihrer Mutter ausbilden zu lassen, als Scotia dreizehn war. Der Sohn, ein Junge von fünfzehn, mokierte sich zunächst über ihr Alter, aber er musste schon bald feststellen, dass Geschick und Können mehr zählte als die Anzahl der Lebensjahre. Der Vater hatte sein Wissen genutzt, um sich den Streitkräften anzuschließen, die gegen die Engländer kämpften. Der Sohn war bei ihr geblieben und hatte sich über die Jahre hinweg zu ihrem wertvollsten Krieger entwickelt: Richard.
Doch was war mit diesem Krieger, der vor ihr stand? Welche Absichten hegte er wirklich?
Flüchtige Gefühlsregungen, unterschwellig und zurückhaltend, huschten über sein adlerähnliches Gesicht. Angst? Verzweiflung? Scotia musterte ihn und suchte in seinem Blick nach einem Hinweis auf seine wahren Absichten. Konnte sie ihm glauben? Oder war das nur ein Trick, damit sie unachtsam wurde und er zuschlagen konnte, wenn sie am verwundbarsten war? Ein solches Täuschungsmanöver hatte keiner der anderen Herausforderer je versucht, die vor ihm hergekommen waren, um ihr ihren Titel streitig zu machen. »Warum sollte ich Euch glauben?«
»Ich gebe Euch mein Wort. Ich bin nur hier, um ausgebildet zu werden.«
Wieder reagierte er anders als erwartet. Warum zog er nicht einfach eine an seinem Leib verborgene Waffe, so wie es die anderen auch alle gemacht hatten? »Was ist Euer Wort wert?«
»So viel wie der Name MacKinnon«, erwiderte er mit einem Selbstbewusstsein, das nicht zu dem Schatten passte, der sich auf seine braunen Augen legte.
Hoffnung regte sich in ihr, doch sie erstickte sie, bevor die sich entfalten konnte. Sie musste Gewissheit haben, weil zu viel auf dem Spiel stand – Dinge, die noch kostbarer waren als ihre Ehre oder ihr Leben. Sie durchforstete ihr Gedächtnis, und tatsächlich erinnerte sie sich daran, dass einer ihrer Erkundungstrupps ihr erzählt hatte, welch katastrophale Verluste viele Clans in jüngster Zeit hatten hinnehmen müssen. Gehörte sein Clan zu den Opfern dieser Verheerungen? Konnte es sein, dass er die Wahrheit sprach? Und falls ja, war Ian MacKinnons Anwesenheit ein Zeichen dafür, dass die Clans wieder ein wenig Vertrauen gefasst hatten und die Lehrmeisterin in der Lage sahen, ihnen zu helfen? »Warum wendet Ihr Euch an mich?«
Sein Blick blieb auf sie gerichtet, eindringlich und entschlossen. »Mein Pflegevater ist überzeugt davon, dass der Clan Eure Hilfe benötigt, um unsere Leute vor den Vier Reitern zu beschützen.«
»Euer Pflegevater. Nicht Ihr.« Vielleicht war er doch so wie all die anderen.
In den kühlen Tiefen seiner dunklen Augen regte sich ein Aufbegehren. »Ich … brauche Eure Hilfe.« Schweigen machte sich breit. »Bitte.«
Das eine Wort war wie ein Schlag, gegen den ihre Rüstung nichts ausrichten konnte. Andere, die sie herausgefordert hatten, waren anmaßend und aufdringlich gewesen, um ihre Hilfe zu erlangen. Keiner von ihnen hatte jemals Bitte gesagt.
Sie ging einen Schritt nach hinten, um einer plötzlich spürbaren Verwundbarkeit zu entrinnen, dann blieb sie abrupt stehen, als er sich vor ihr hinkniete und den Kopf senkte.
»Ich flehe Euch an.« Auch wenn seine Miene keinerlei Regung zeigte, klang seine Stimme belegt, so als würde er das Gleiche empfinden wie sie selbst. »Ich bitte demütigst darum, von der Lehrmeisterin Unterricht erteilt zu bekommen. Ich schwöre beim Leben meines Pflegevaters und bei der Ehre meines Clans, dass ich die Wahrheit sage.«
Scotia wandte den Blick ab. Eine solche Respektbezeugung wurde ihr nicht mehr zuteil, seit ihre Mutter daran gescheitert war, die Invasion Schottlands durch Edward I. zu verhindern. Von dieser Niederlage mussten sich die Schotten erst noch erholen, und ihrer Ansicht nach war das auch der Grund, weshalb ihre Landsleute sie nicht länger aufsuchten, um von ihr ausgebildet zu werden und vielleicht auch der Grund, weshalb nur noch Männer herkamen, die sie herausforderten, um ihr das Einzige zu nehmen, was sie noch besaß: ihren Ruf als beste Kämpferin im ganzen Land.
Wenigstens hatte keiner von ihnen bislang ihr wahres Geheimnis entdeckt. Der Stein war damit in Sicherheit, gut versteckt, und die Verbindung zwischen der Lehrmeisterin und dem Hüter des Steins hatte sich in den letzten zwölf Jahren verloren.
Langsam und vorsichtig begegnete sie seinem Blick. Es war ihre Pflicht, Krieger auszubilden, so wie es ihre Vorfahren auch getan hatten. Mit den Gedanken bei ihrer wahren Verpflichtung zog Scotia nervös an ihrem Panzerhemd und unterdrückte ein Zucken, als sie den Schmerz der Schnittwunde spürte, die der letzte Herausforderer ihr an der Schulter zugefügt hatte. Doch sie weigerte sich, diese Verletzung zur Kenntnis zu nehmen, stattdessen zupfte sie ihre Lederhandschuhe zurecht. Mit gestrafften Schultern nahm sie die Haltung eines Kriegers ein und sagte: »Ich werde Euch ausbilden, MacKinnon.«
»Ian.« Erleichterung überkam ihn, aber auch Stolz, als er aufstand. »Ich bin hier, um zu lernen. Doch ich warne Euch, das ist das einzige Mal, dass ich mich vor Euch demütig gezeigt habe.«
Scotias Nackenhaare sträubten sich. Sie hatte ihn nicht darum gebeten, vor ihr auf die Knie zu gehen. Er war der Einzige, der dies je gemacht hatte. »Es gibt mehr als nur eine Art, demütig zu sein.« Sie wandte ihm den Rücken zu, damit er ihr nicht den Aufruhr an Gefühlen ansehen konnte, den er in ihr ausgelöst hatte, und zog an dem Hanfseil nahe der Tür. Die Glocke hatte gerade erst zu läuten begonnen, da kamen auch schon Maisie und Burke in den Raum gestürmt. An den bekümmerten Blicken der beiden war deutlich zu erkennen, dass sie vor der Tür gestanden und gelauscht hatten.
»Der MacKinnon wird eine Weile bei uns bleiben.«
»Ich werde schnell lernen«, fiel er ihr ins Wort.
Scotia ignorierte ihn. »Bringt ihn bitte zum hinteren Gemach.« Dann drehte sie sich weg, dankbar dafür, dass sie ihre übliche Selbstbeherrschung zurückerlangt hatte. »Wir beginnen morgen.«
»Wir beginnen jetzt.« Er machte zwei Schritte nach vorn, doch als sie eine Hand an ihr Schwert legte, blieb er stehen.
»Ich unterweise Euch, wenn ich bereit dazu bin. Oder es geschieht überhaupt nichts.«
Ein fassungsloser, ungläubiger Blick huschte über sein Gesicht, war aber sogleich wieder verschwunden. Seine Augen wurden ausdruckslos, dennoch deutete er eine knappe Verbeugung an. »Wie Ihr wünscht.«
»Kommt mit mir mit.« Burke deutete auf die Tür.
Ian MacKinnon warf ihr einen letzten forschenden Blick zu, dann wandte er sich um und folgte Burke nach draußen.
Scotia stand so steif und kerzengerade da, wie ihre Mutter es ihr beigebracht und wie sie es selbst ihren Leuten vermittelt hatte. Tritt deinem Feind furchtlos gegenüber. Zeige niemals deine Gefühle. Sie musste an ihren eigenen Ratschlag denken. Äußerlich hatte sich in den letzten Augenblicken nichts an ihr verändert, doch ihr Inneres fühlte sich anders an als zuvor.
Wenn sie nur wüsste, was es war.
»Wenigstens ist jemand hergekommen, um unterwiesen zu werden, aber nicht, um Euch Euren Titel als beste Kämpferin im Land streitig zu machen.« Maisie hob die Lederriemen auf, aus der sich MacKinnon befreit hatte, dann gab sie diese an Scotia zurück. »Ist das kein Grund zum Feiern?«
»Noch nicht«, antwortete Scotia und erlaubte sich endlich, sich zu entspannen, während sie die Waffe aufrollte und an ihrem Gürtel befestigte. »Ich traue ihm noch nicht.«
Maisie runzelte die Stirn. »Dann würdet Ihr Euch weigern, ihn auszubilden?«
»Nein, das kann ich nicht machen, wenn ich meinem Namen treu bleiben will. Dennoch hat er etwas an sich, Maisie, das ich noch nicht ganz verstehe. Er scheint übereifrig zu sein, etwas zu lernen. Ist ihm nicht bewusst, dass diese Dinge Zeit, Geduld und Übung benötigen?«
»Es liegt an seinem Alter und an seiner verzweifelten Situation, fürchte ich. Früher schickte man die Anwärter aus gutem Grund in jungen Jahren zu Eurer Mutter. Sie waren leichter zu formen und zu bändigen.« Ihr Blick wanderte zur Tür. »Dieser hier hat bereits vom Erfolg auf dem Schlachtfeld gekostet. Es verletzt seinen Stolz, hier zu sein.«
Scotia ging zu der Wand, an der sie MacKinnon hatte stehen sehen. Seufzend griff sie nach dem Schwert ihrer Mutter und nahm es von der Halterung – das Schwert, das er fast in die Hand genommen hatte. »Warum ist er dann hier? Er sagte, sein Vater habe ihn geschickt, aber das kann doch nicht alles sein.«
»Ich bin mir sicher, er hat seine Gründe«, gab Maisie zurück und stellte sich zu Scotia. »So wie Ihr Eure Gründe habt, Euch an seiner Gegenwart hier zu erfreuen.«
Scotia wirbelte zu ihrer Kastellanin herum. »Was genau soll das heißen?«
»Fandet Ihr ihn denn nicht gutaussehend?«
»Er sieht so gut aus wie jeder Mann.« Noch während sie diese Worte sprach, wusste sie, es war gelogen. Im Geiste sah sie seine braunen Augen – im einen Moment gefühllos und wissend, im nächsten forschend und besorgt –, ein Bild, das sie auf eine beunruhigende Weise ansprach. Unwillig schüttelte sie den Kopf, um ihre Gefühle abzuwehren.
»Es ist die Vorsehung, die diesen Mann zu Eurer Tür geführt hat, meine Liebe.«
Scotia rührte sich nicht, und selbst ihr Herz schien einige Schläge lang auszusetzen. »Was willst du damit sagen, Maisie?«
»Dass er hier ist, um ein Kind mit Euch zu zeugen und, dass Ihr eine Gelegenheit beim Schopf fassen solltet, die sich womöglich niemals wieder ergibt.«
Nein, sie würde es sich nicht erlauben, dass man ihrem Gesicht den Schock ansähe, den diese Worte ausgelöst hatten. Vielmehr gelang es ihr, jene Selbstbeherrschung zur Schau zu stellen, zu der sie von klein auf angehalten worden war, und als sie das Schwert zurück an die Wand hängte, war kein Laut zu hören.
Ein Kind zeugen, um die Linie fortzusetzen. Sie kannte ihre Pflichten. Die Worte an sich genügten schon, um einen Stich durch ihr Herz zu jagen und Schuldgefühle zu wecken, die tief in ihrem Inneren schwärten, seit sie erwachsen geworden war. Wie sollte sie ein Kind austragen? Wie konnte sie sich freiwillig der Verwundbarkeit aussetzen, die eine Schwangerschaft mit sich bringen würde? Ihr Körper konnte niemals ein Kind hervorbringen, wenn ihr ganzes Leben von Konflikten und Feindseligkeiten geprägt wurde, die noch heftiger waren als alles, was ihre Vorfahrinnen durchgemacht hatten. Und sie besaß auch nicht die Wärme und Geduld, die eine Mutter aufbringen musste. Selbst wenn sie all diese Dinge außer Acht ließ, konnte sie keinem Kind zumuten, das gleiche zurückgezogene und lieblose Dasein zu ertragen, das sie hatte erfahren müssen.
Und doch sehnte sie sich manchmal danach, ein Kind im Arm zu halten. Dann wünschte sie sich, ihr Leben könnte noch einem anderen Zweck als nur der Ausbildung von Kriegern dienen. Der Gedanke ließ sie innehalten, denn sie wusste, solche Wünsche durfte sie nicht hegen.
»Wie kann ich ein Kind bekommen, Maisie? Welches Schicksal würde ich einem solchen Kind aufzwingen?«, fragte Scotia mit belegter Stimme. Die Rüstung, die ihre Empfindungen abschirmte, geriet ins Rutschen, und zurück blieb nur das immer gleiche hohle, verlassene Gefühl.
Maisie schaute sie voller Mitleid an und mit einem Mal war ihrem sonst so sorglosen Gesicht das Alter sehr deutlich anzusehen. Ihre Falten rund um die Augen und auf der Stirn wirkten tiefer als je zuvor. Seit der Herrschaft von Scotias Mutter als Lehrmeisterin hatte sie viele Veränderungen miterlebt. Und nun, in dieser Phase der Ungewissheit, war Maisie nach und nach dem unerbittlichen Mahlwerk der Zeit zum Opfer gefallen.
»Ein Mädchen muss gezeugt werden. Das Vermächtnis von Scotia muss fortgeführt werden, indem Ihr ein Mädchen zur Welt bringt, so wie Eure Mutter und deren Mutter vor Euch. Der Stein muss einen neuen Hüter bekommen, sonst wird Schottlands Seele zugrunde gehen«, erklärte Maisie aufgebracht und traurig zugleich.
Scotia wollte sich abwenden und die Bitte überhören, so wie sie es immer tat. Stattdessen jedoch zwang sie sich, Maisies Blick entschlossen zu erwidern. Wie sollte sie ihr all diese Unwägbarkeiten zu verstehen geben, war sie doch der Ansicht, dass sie weder lieben noch geliebt werden könnte? »Ich soll ein Mädchen zur Welt bringen, nur damit es von denen getötet wird, die mich herausfordern? Nein, zu etwas so Grausamen könnte ich niemals fähig sein.«
Die alte Frau schaute sie nachsichtig an. »Ich verstehe Eure Ängste, meine Liebe. Aber ist Euch nicht klar, dass Ihr keine Wahl habt? Schottlands Wohl hängt von Euch ab.«
Langsam schloss Scotia die Augen und wünschte, die Dunkelheit würde den Schmerz bezwingen, den diese Worte ihr bereiteten. Ihr Leben lang hatte sie im Dienst ihres Landes gestanden. Ihre Liebe zu Schottland war das einzige Gefühl, das sie nicht hatte verdrängen können. Sie kannte ihre Pflichten, doch das Wissen, diese Pflichten niemals erfüllen zu können, schmerzte sie so wie eine langsam blutende Wunde.
Trotz der unerträglichen Last, die dieses Gefühl zu versagen für sie bedeutete, war sie stets irgendwie in der Lage gewesen, weiterzumachen – allerdings zu einem sehr hohen Preis. Von dem neugierigen, spitzbübischen kleinen Mädchen war nichts mehr geblieben. An dessen Stelle war die kühle, zurückhaltende Kriegerin getreten, deren Temperament nie mit ihr durchging und die nur selten einmal lächelte. Doch Selbstbeherrschung und Tapferkeit konnten sie nicht vor der Verzweiflung schützen. Die Hoffnung auf eine Zukunft, in der sie wieder all das für Schottland sein würde, was ihre Vorfahrinnen für das Land hatten sein können, schien verloren. Sie konnte nicht ein Kind in eine Welt setzen, die diesem nur Verantwortung und Einsamkeit bescheren würde. Aber wenn sie genau das nicht täte, wer sollte dann die nächste Lehrmeisterin werden?
Entschlossen, sich nicht von der Verzweiflung unterkriegen zu lassen, verbrachte sie die Tage damit, weiter an ihren ohnehin längst fehlerfreien Fähigkeiten zu arbeiten. Sie zwang sich zu härteren Übungen, damit ihre Arme und Beine muskulös genug wurden, um ihren männlichen Widersachern überlegen zu sein. Sie hatte gelernt, sich selbst und ihre Weiblichkeit hinter der Rüstung zu verbergen, die sie immer trug – selbst dann, wenn sie schlief oder ein Bad nahm. Es war der Schutz, den sie brauchte, um allen einen Schritt voraus zu sein. Würde ein Herausforderer sie wehrlos vorfinden, dann wäre das vermutlich ihr Ende.
Und alles nur wegen des Steins. Vielleicht war der Zeitpunkt gekommen, das Versteck des Steins bekannt zu geben, damit das ganze Land die Verantwortung für dieses Artefakt von unschätzbarem Wert übernehmen konnte. Scotia schlug die Augen auf. Eine solche Denkweise würde nur den Kämpfen mit England neue Nahrung geben.
Besser war es da schon, zum Schutz der Clans den Stein an einer Stelle zu verstecken, die nicht einmal Burke oder Maisie bekannt war, damit das Wissen um das Versteck mit ihr starb.
Scotia stöhnte leise auf. Warum musste bloß alles so kompliziert sein? »Ein Sturm tobt in mir, Maisie. Ich benötige mehr Zeit, um die verschiedenen Möglichkeiten zu erwägen.«
Über Maisies Gesicht huschte ein schmerzhafter Ausdruck. »Dieser junge Mann wird vielleicht nicht lange bleiben. Außerdem hatte ich Eurer Mutter versprochen …«
»Manche Versprechen«, unterbrach Scotia sie mit erhobener Hand, »sind dazu da, gebrochen zu werden.«
»Nein, Kind«, widersprach Maisie kopfschüttelnd. Ihre Stimme war energisch, aber zugleich auch sanft. »In diesem Punkt irrt Ihr Euch. Mutter Natur ist stärker, als Ihr Euch das vorstellen könnt. Und sie nimmt sich ihre Opfer, auch wenn die sich noch so sehr dagegen zu wehren versuchen.«
Wieder musste Scotia stöhnen. »Ich werde nie ein solches Opfer werden, dessen kannst du dir sicher sein. Ich kann mich gegen jeden und alles beschützen. Auch gegen Mutter Natur. Wirklich, Maisie, du verstehst mich rein gar nicht.«
Ein Lächeln blitzte in Maisies müden grauen Augen auf. »Manchmal kenne ich Euch besser als Ihr selbst.«
Scotia verschränkte die Arme vor ihrem Panzerhemd und zuckte wegen der Schmerzen zusammen, die diese Geste auslöste. »Ich kam hierher, um meine Schultermuskeln zu lockern, aber nicht um über ein Kind zu diskutieren.« Sie streckte den Arm aus und ließ ihn in kleinen Kreisen rotieren. »Deine Kräuter haben die Blutung gestillt, aber er fühlt sich immer noch steif an. Diese Herausforderung, die Brodie Haldane aussprach, hat mich einen Teil meiner Beweglichkeit gekostet.«
»Es war die Verletzung, die er Euch an der Schulter zufügte, die das bewirkte.«
»Ja schon, aber ich kann nicht zulassen, dass ich deswegen in meiner Schnelligkeit nachlasse.«
Maisies Lächeln verblasste. »Seid Ihr Euch sicher, es ist die neue Verletzung, die Euch stört, nicht die alte?«
Die Muskeln in Scotias Schulter spannten sich an, obwohl sie versuchte, sie unter Kontrolle zu bekommen. Auch nach so vielen Jahren genügte die bloße Erwähnung des Pfeils in ihrem Rücken, um sie all ihr Wissen vergessen zu lassen. Beinahe hätte der sie das Leben gekostet. Beinahe hätte der Weiße Reiter gesiegt. Ihre momentane Verletzung war nichts im Vergleich zu dem, was der Reiter ihr in jener Nacht angetan hatte.
Trotz dieser lebendigen Erinnerung versuchte sie sich zu entspannen und den wilden Rhythmus zu bändigen, der ihr Herz vorantrieb. Sie atmete tief durch und fühlte, wie ein innerer Frieden Einkehr hielt, die Unruhe überwand und jene Erinnerungen verschwimmen ließ, die sie so sehr vergessen wollte. »Nur neue Verletzungen können mir jetzt wehtun, Maisie.«
»Wir könnten es mit einem Wickel versuchen, um den Schmerz zu lindern«, schlug Maisie sanft vor.
Scotia schüttelte den Kopf. »Wenn ich morgen früh unseren ungeduldigen Besucher unterweisen soll, dann muss ich meinen Arm kräftigen, aber nicht den Schmerz betäuben.«
Gerade wollte Maisie zu einer Erwiderung ansetzen, da brachte Scotia sie mit einem Blick zum Schweigen. »Ich werde ihn ausbilden, Maisie. Aber mehr als das kann ich mit ihm nicht anfangen.«
Am nächsten Morgen trat Scotia ihrem Schüler im Übungsraum gegenüber und musterte ihn aufmerksam. Er stand mit gespreizten Beinen da, balancierte auf den Ballen, hielt das Schwert in der Hand und schaute sie wachsam an. Gute Voraussetzungen für einen Krieger, dennoch ruhte sein Gewicht mehr auf seinem rechten als auf seinem linken Fuß, und er drückte seine Schultern leicht nach vorn – zwei offensichtliche Schwächen. Er würde wie ein wütender Stier angreifen und mit all seiner Kraft auf sie losstürmen, und sie würde ihm dennoch überlegen sein. Scotia unterdrückte das Gefühl von Befriedigung, das sich in ihr regte. Noch bevor diese Stunde vorüber wäre, würde er aus seinen Fehlern gelernt haben.
»Seid Ihr bereit?« Ungeduld blitzte in seinen Augen auf.
Dass sie zu Beginn immer alle so ungeduldig sind, dachte Scotia fast amüsiert. Bei den Kämpfen, die sie in ihrer Jugend außerhalb der Burgmauern ausgetragen hatte, war ihr bewusst geworden, dass Männer, die bereit waren, in den Krieg zu ziehen, oftmals den Kampf begannen, ohne nachzudenken, ohne zu planen und ohne sich ein Bild von ihrem Gegner zu machen, das ihnen helfen würde, dessen Absichten vorauszuahnen. Dieser MacKinnon schien willens zu sein, die gleichen Fehler zu machen wie all die anderen.
Scotia nickte, dann salutierte sie kurz mit ihrem Schwert. »Alba gu brath«, sagte sie auf Gälisch. Schottland für immer.
Wie erwartet stürmte er auf sie zu und holte mit seiner Waffe nach ihr aus. Scotia wehrte seine Klinge ab, versetzte ihm mit der gesunden Schulter einen Stoß und schickte ihn damit zu Boden.
Mit einem dumpfen Knall landete er auf den Steinplatten, rollte sich zur Seite und sprang auf, um wieder zu attackieren.
Der Mann kämpfte gut, aber nicht gut genug, um gegen sie bestehen zu können. Scotia machte einen Satz zur Seite und ließ ihre Klinge an seinem Kopf vorbeisausen, weit genug entfernt, um eine Verletzung zu vermeiden, trotzdem immer noch nah genug, um ihm ein paar Haare abzutrennen.
Der MacKinnon riss die Augen auf. »Versucht Ihr mich umzubringen?«, fragte er mit einer Mischung aus Verärgerung und Erstaunen.
»Nein, ich versuche Euch etwas beizubringen. So wie ich es mit allen anderen auch gemacht habe.«
Wieder und wieder trafen ihre Klingen aufeinander, das Klirren des Stahls hallte rhythmisch von den Wänden wider und erfüllte den ganzen Raum. Diese Geräuschkulisse war ihr vertraut aus der Zeit, als sie die Jungs aus dieser Burg unterwies. In den letzten zwölf Jahren waren sie zu Männern herangewachsen. Einige hatten die Burg verlassen, um beim Schutz ihrer Landsleute zu helfen, andere hatte sie zu Spähern ausgebildet, damit sie Informationen über die Vier Reiter zusammentrugen.
Während ihr Schwert die Luft zerschnitt, geriet ihr Blut in Wallung, und ihre Seele wurde wieder von einer Daseinsberechtigung erfüllt. Er hatte nicht gelogen. Ein Krieger war gekommen, um sich ausbilden zu lassen.