Himmelsstürmer - Thomas Fässler - E-Book

Himmelsstürmer E-Book

Thomas Fässler

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Beschreibung

Wie finde ich meinen Weg im Leben, treffe die richtigen Lebensentscheidungen? Diese Fragen kennen alle jungen Menschen. Pater Thomas und Pater Philipp aus dem Schweizer Kloster Einsiedeln führen diese Fragen weiter und geben jungen Männern Orientierung, die eine Berufung zum Ordensleben prüfen. Welche Gemeinschaft passt für mich? Was gibt mir Sicherheit, auf dem richtigen Weg zu sein? Die beiden Autoren erzählen von ihrem Berufungsweg, weitere Ordensleute bringen die Perspektive ihrer jeweiligen Gemeinschaft ein. Junge Männer, die sich von einem Leben im Kloster angesprochen fühlen, erhalten Antworten auf die wichtigsten Fragen.

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Thomas Fässler | Philipp Steiner

Himmelsstürmer

Berufungsguide zum Ordensleben

Wirf doch während der Lektüre dieses Buches auch mal einen Blick auf unsere ­Website, die wir für dich erstellt haben. Mit ihren interaktiven Tools sowie ihren Möglichkeiten zum Austausch und zu Rückfragen, aber auch zum gemeinsamen Gebet ist sie eine spannende Ergänzung zu dieser Publikation.

www.himmels-stuermer.org

© Verlag Herder GmbH, Freiburg im Breisgau, 2021

Alle Rechte vorbehalten

www.herder.de

Die Bibeltexte sind entnommen aus:

Die Bibel. Die Heilige Schrift

des Alten und Neuen Bundes

Vollständige deutsche Ausgabe

© Verlag Herder, Freiburg im Breisgau 2005

Umschlaggestaltung: Verlag Herder

Umschlagmotiv: Kufner-Foto / GettyImages

E-Book-Konvertierung: Daniel Förster, Belgern

ISBN Print 978-3-451-39069-2

ISBN E-Book 978-3-451-82347-3

Inhalt

Vorwort

1 Einleitung

2 Was ist »Berufung«?

Biblische Berufungsgeschichten

Die geistliche Berufung

Bin ich zum Ordensleben berufen?

3 Freundschaft mit Jesus und Taufe als Fundament

Die Freundschaft mit Jesus im Zentrum

Taufe als gemeinsames Fundament

4 Wer geht heute schon in einen Orden? – Sieben Richtungen, aus denen du Gegenwind spüren wirst

Die Kirche: Ein Haufen voller Probleme

Das Ordensleben: Eine Verschleuderung von Talenten

Die Gelübde: Keine Chance, sein Glück zu finden

Früher Ordenseintritt: Weggeworfene Jugend

Hohe Klostermauern: Weggesperrt und völlig abgeschottet von der Welt

Die Idee des Klosters: Gott kann ich auch anderswo nahe sein

Der Eintritt in einen Orden: Aufgabe aller Freiheiten

5 Prüfen und entscheiden

Wie schwer es doch ist, sich zu entscheiden!

Was dir hilft, eine Entscheidung zu treffen

Der Geist der Unterscheidung

6 Sieben Dos and Don’ts, wenn du über einen Ordenseintritt nachdenkst

Sieben Dinge, die dir helfen werden

Sieben Dinge, die dir nicht helfen werden

7 Das Leben in den unterschiedlichen Ordensgemeinschaften

Monastische Orden

Regularkanoniker

Mendikanten

Regularkleriker

Kongregationen

Brüderorden

Neuere geistliche Gemeinschaften

Geistliche Ritterorden

Gesellschaften des apostolischen Lebens

8 Was du vom Ordensleben erwarten darfst – und was nicht

Erwartungen an Gott

Erwartungen an andere

Erwartungen an dich selbst

9 Konkrete Schritte hin zu einem Ordenseintritt

Der erste Kontakt

Zu Gast in einer Gemeinschaft

Die Bitte um Aufnahme

Der Eintritt

Die Jahre bis zum definitiven Entschluss

10 Ein Wort mit auf den Weg

Anhang A: Meditationen zu biblischen Berufungsgeschichten

Samuels Berufung

Davids Salbung

Die Berufung des Propheten Jeremia

Die Berufung der ersten Jünger

Die Berufung Levis und das Mahl mit den Zöllnern

Die Berufung von Philippus und Natanaël

Die Bekehrung und Taufe des Saulus

Anhang B: Gebetsanregungen zum Rosenkranz

Die freudenreichen Geheimnisse

Die lichtreichen Geheimnisse

Die schmerzhaften Geheimnisse

Die glorreichen Geheimnisse

Anhang C: Einladung zu einem versöhnten Leben

Über die Autoren

Vorwort

Für ihr Buch wählten die beiden Autoren den bildhaften Titel »Himmelsstürmer«. Für mich sind »Himmelsstürmer« Menschen, die mit Leidenschaft und Hingabe, mit Mut und Begeisterung, ja auch mit Freude dem Himmel entgegenstreben, weil sie in ihm den Ort der Erfüllung all ihrer Hoffnung und Sehnsüchte erkennen. Auch Entschlossenheit und Tatkraft schwingen für mich bei diesem Begriff mit. Schließlich will da jemand irgendwo hinstürmen – und nicht einfach hinspazieren.

Dem Himmel entgegenstürmen kann jeder Mensch. Einige aber haben dazu einen besonderen Weg gewählt, indem sie es in Gemeinschaft und nach der Regel eines bestimmten Ordens tun. Freilich ist heute die Zahl solcher Menschen kleiner geworden, zumindest in vielen Teilen der westlichen Welt. Als ich jung war, sah die Welt, auch die unserer Kirche, völlig anders aus. Ordensleute gehörten in vielen Teilen der Welt ganz selbstverständlich zum Bild der Dörfer und Städte, sei es in Pfarreien, in Schulen oder in Spitälern. Auch in meiner Heimat Brasilien.

Einfach war allerdings der Schritt in einen Orden auch damals nicht. Das Ordensleben war vielmehr schon immer eine echte Alternative zu vielen anderen, ebenfalls attraktiven Lebensentwürfen. Jene aber, die sich für diesen Weg entschieden haben, taten dies in der Hoffnung, ja in der Überzeugung, dass dies ein Pfad ist, der das eigene Herz weit macht und zu Gott hin öffnet. Dabei müssen wir auf diesem Weg nicht planlos umherirren. Vielmehr sind ihn schon unzählige Menschen vor uns gegangen, von deren Erfahrungen wir uns nun bereichern lassen können.

Unter diesen »Himmelsstürmern« vor uns befinden sich große Ordensgründer aus verschiedenen Jahrhunderten, deren Charisma und Anliegen bis heute von unzähligen Menschen weiter getragen und lebendig gehalten werden. Wie unterschiedlich solche großen Gestalten waren, zeigt sich bis heute in der Vielfalt der von ihnen gegründeten Orden. Sie alle aber trieb dieselbe Sehnsucht. Es ist jene Sehnsucht, die hinter jedem Schritt in ein Leben als Ordensmann stehen sollte, die Sehnsucht, mit Gott durchs Leben zu gehen und ihn zum Mittelpunkt seines Lebens zu machen. Es ist die Sehnsucht, die vielleicht auch dein Herz bewegt. Du weißt möglicherweise noch nicht, wohin dich diese Sehnsucht führen wird, auf welchem Weg du selbst zu einem »Himmelsstürmer« wirst. Dieses Buch will dir auf dieser Suche helfen. Es wird dich dort abholen, wo du gerade stehst, und ich hoffe, dass es dich dorthin begleiten wird, wohin Gott dich ruft. Gerne lege ich dir deshalb seine Lektüre ans Herz.

Lieber Leser, möge dich dabei der Segen Gottes führen und stärken, während dich meine Gebete begleiten.

João Kardinal Bráz de Aviz

Präfekt der Kongregation für die Institute geweihten Lebens und für die Gesellschaften apostolischen Lebens, zuständig für alle Ordensleute in der katholischen Kirche.

1Einleitung

»Warum bin ich eigentlich hier, warum gibt es mich überhaupt?« Diese Fragen stellt sich bestimmt jeder mindestens einmal in seinem Leben. Es ist die Frage nach dem Sinn unseres Daseins. Wir stellen sie, weil wir nicht einfach so Tag um Tag aneinanderreihen wollen. Vielmehr wollen wir in dem, was wir tun und wofür wir uns einsetzen, einen Sinn sehen und etwas aus unserem Leben machen, sodass wir nicht das Gefühl haben, die vielen uns geschenkten Möglichkeiten ungenutzt zu vertun. Wir schaudern vor der Vorstellung, am Ende unseres Lebens auf die vergangenen Jahrzehnte zurückzublicken und uns dabei einzugestehen, dass wir sie sinnlos vertan haben.

Wenn uns nicht klar ist, weshalb und wofür wir eigentlich leben, wozu wir also berufen sind, fühlen wir uns schnell wie im berühmten Hamsterrad: Wir sind den ganzen Tag mit allerlei Dingen beschäftigt, mühen uns mit diesem und jenem ab, ohne zu wissen, wofür dies alles eigentlich gut sein soll. Je öfter sich dabei das Rad einmal mehr gedreht hat, je öfter wir beispielsweise im Frühling etwas ausgesät haben, um es im Herbst zu ernten, oder je öfter wir den Christbaum in der Stube schmücken geholfen haben, desto drängender wird diese Frage, wenn wir noch keine Antwort darauf gefunden haben. Solange ich dies nicht getan habe, solange ist es schwierig, in meinem Tun Erfüllung zu finden, weil ich eben nicht weiß, wozu ich eigentlich jeden Morgen aufstehe, die Zähne putze, mich anziehe, zur Arbeit gehe und schließlich etwas zu Abend esse und wieder zu Bett gehe, um dann am Morgen erneut aufzustehen …

Die Frage nach dem Sinn des Lebens: Gewiss stellst auch du sie dir.

»Warum bin ich hier?« Diese Frage kommt nie allein. Vielmehr führt sie zwei weitere mit sich – und zwar diese hier: »Woher komme ich?« und: »Wohin gehe ich?«

Zu diesen Fragen gibt es viele innerweltliche Antwortversuche, die sich jedoch letztlich alle im Kreis drehen. Denn wenn ich beispielsweise den Sinn des Lebens darin sehe, Leben oder Wissen weiterzugeben, verlagere ich die Frage letztlich nur auf die nächste Generation. Denn wozu soll diese wiederum denen, die ihr nachfolgen, Wissen und Leben weitergeben? Wir merken bald, dass wir auf der Suche nach einer Antwort nach dem Sinn unseres Daseins innerhalb unserer Welt, innerhalb unseres eigenen Systems nicht fündig werden können. Deshalb müssen wir ihn außerhalb von uns suchen. Denn nur dort kann der Sinn des Lebens zu finden sein – wenn es überhaupt einen gibt. Als gläubige Menschen bekennen wir freilich, dass es einen solchen Sinn gibt – und zwar in Gott, der uns geschaffen hat, der uns auf unserem Lebensweg begleitet und zu dem wir letztlich wieder zurückkehren. Dieser Gott ist uns – so glauben wir als Christen weiter – in Jesus von Nazareth, den wir als den Christus, als Messias also und Heiland bekennen, nahegekommen. In ihm ist der ewige, allmächtige Gott erfahr- und erfassbar geworden, einer wie wir, wobei wir in ihm – und entsprechend in seiner Nachfolge – auch den Weg erkennen, auf dem wir zu seinem und zu unserem Vater finden, ganz nach seinem eigenen Wort: »Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben. Niemand kommt zum Vater außer durch mich« (Johannes 14,6).

Wie prägt nun dieser Glaube die Art und Weise, wie wir unser Leben gestalten? Wir können verschiedene Pfade wählen – wie jemand, der für eine lange Zeit seine Heimat verlässt und in die Welt hinauszieht. Er kann dabei mit seinen Vertrauten zu Hause in engem Kontakt bleiben, sich mit ihnen über das Erlebte regelmäßig austauschen oder sie um Rat bei anstehenden Plänen fragen. Er fühlt sich so mit seinem Ursprung eng verbunden, der auch jenes Umfeld und jenen Ort bildet, zu dem er früher oder später wieder zurückkehren wird. Bei all seinen Abenteuern weiß er, wo seine Heimat liegt. Das gibt ihm Halt, Mut und Zuversicht. Natürlich könnte er sich nun aber auch vor seiner Abreise von allen verabschieden und sie für die nächsten Jahre nicht nur aus den Augen, sondern auch aus dem Sinn verlieren. Das geschieht schließlich schnell, wenn man völlig in dem aufgeht, was man gerade erlebt. Dabei sieht er sich ganz auf sich allein gestellt: Fragen und Sorgen, aber auch das, wofür er dankbar ist, kann er mit niemandem teilen. Freilich wird auch er eines Tages nach Hause zurückkehren, wobei er wohl nach all den Jahren kaum mehr eine klare Vorstellung davon hat, was ihn dort erwarten wird. Vielleicht macht ihn das auch etwas bang.

Du siehst wohl, was wir mit diesem Bild sagen möchten. Es geht um die Frage, wie wir während unserer Lebenszeit mit Gott in Verbindung bleiben, wie wir die Herausforderung angehen, mit jemandem eine Beziehung zu pflegen, den wir nicht unmittelbar wahrnehmen, von dem wir deshalb nur erahnen und glauben können, dass es ihn überhaupt gibt.

Seit vielen Jahrhunderten schon gestalten Menschen ihr ganzes Leben nach diesem Glauben. Einst zogen viele von ihnen in die Stille der Wüste hinaus, geführt von der Hoffnung, dort bei Gott zu sein, ungeteilt seinem Geheimnis immer näher zu kommen, von möglichst wenigem abgelenkt. Später wählten Menschen aus denselben Motiven die Abgeschiedenheit hinter Klostermauern, um sich auch dort der Suche nach Gott zu widmen. Sie taten es, weil sie den Sinn ihres Lebens darin sahen, eine Beziehung zu dem zu pflegen, der sie trägt – eine Beziehung, die ihr Leben auf Erden überdauert bis hinein in die Ewigkeit. Das Leben mit all seinen schönen, aber auch mit all seinen beschwerlichen Momenten konnte für sie nur einen Sinn haben, wenn das, was sie erlebten, nicht alles sein konnte. Dafür musste es etwas geben, das alles übersteigt, alles Unvollendete vollendet, alle Fragen beantwortet, alles Leid erklärt – nicht ein Etwas, sondern ein Jemand: Ihm wollten sie nahe sein, ihn wollten sie schon im Hier und Jetzt suchen.

»Gottsuche« ist ein großes Wort, dem du vielleicht auch schon begegnet bist. Was aber heißt eigentlich »Gott suchen«? Man könnte es definieren als den Versuch, im eigenen Leben, in den alltäglichen wie auch in den außergewöhnlichen Ereignissen, Gottes Spuren zu entdecken und über sie herauszufinden, wer denn dieser Gott ist, von dem wir eben bekennen, dass er unser Ursprung und unser Ziel ist. Wir glauben daran, dass er es war, der uns geschaffen hat. Es war seine Liebe zu uns, die ihn dazu gedrängt hat, uns zu erschaffen, damit es uns als Adressaten seiner Liebe überhaupt gibt.

Diese Liebe Gottes lässt in uns etwas auflodern, einen göttlichen Funken, eine Sehnsucht, die uns dazu drängt, den Ursprung dieses Feuers aufzusuchen. Was genau dabei geschieht und wie es geschieht, kann man letztlich nicht ergründen – genauso wenig wie das Geheimnis, weshalb diese Sehnsucht bei gewissen Menschen viel stärker ist als bei anderen, ja wieso sie einige überhaupt nicht in sich verspüren. Vielleicht ist stattdessen der Vergleich mit einem Gitarrenspieler erhellend, der mit seiner Melodie etwas in uns zum Schwingen bringt. Dabei wollen wir unbedingt herausfinden, woher diese Töne stammen, die uns so wohltun. Wenn wir uns nun zu dieser Suche aufmachen, müssen wir freilich nicht planlos umherirren. Vielmehr können wir uns leiten lassen von den Erfahrungen anderer vor uns, die der göttlichen Melodie ebenfalls gefolgt sind, weil sie ihr Herz angesprochen hat, und uns das, was sie auf diesem Weg erlebt haben, in ihren Schriften, allem voran natürlich in der Bibel, als Vermächtnis hinterlassen haben. Im Titel dieses Buches nennen wir solche Leute Himmelsstürmer. Sie erzählen uns, welche Pfade vielversprechend und welche als Irrwege zu meiden sind, weil sie uns zu steilen Abhängen oder vor schroffe Felswände führen. Sie motivieren und stärken uns – etwa in Zeiten, in denen wir das Gefühl haben, dass wir kaum vorwärtskommen. Schließlich können sie uns auch trösten, bei Zweifeln und Enttäuschungen etwa, weil ihnen selbst all dies nicht unbekannt geblieben ist. Denn auch sie haben erfahren: Gottsuche ist nicht einfach – und schon gar nicht an einem einzigen Nachmittag vollbracht. Es ist vielmehr ein lebenslanges Projekt, mit vielen Wendungen und Überraschungen, mit vielen Herausforderungen, aber auch mit vielen Momenten der erfüllenden Freude.

Auch einige von denen, die – wie vorhin beschrieben – alles hinter sich gelassen haben, um in der Stille der Wüste oder des Klosters der göttlichen Melodie zu lauschen, haben uns wertvolle Gedanken hinterlassen. Solche Menschen faszinieren uns. Sie tun es vielleicht deshalb, weil sie offenbar unbeirrt das umgesetzt haben, wonach möglicherweise auch wir uns in unserem Innersten sehnen, ohne dass wir es konsequent umzusetzen schaffen – oder wovon wir zumindest meinen, es nicht umsetzen zu können. Wir sind fasziniert von ihrer Radikalität, sehen wir doch keine Hintertür, die sie sich freigehalten hätten, um sich rückwärts hinauszuschleichen, sollte sie der eingeschlagene Pfad doch nicht das Erhoffte finden lassen. Sie setzten alles auf diese eine Karte, weil sie wussten, dass sie nur dann ihr Ziel erreichen würden, wenn sie beharrlich auf ihrem Weg bleiben, selbst wenn er durch trockene Steppen und über steinige Pässe führt. Diese Beharrlichkeit zeugt von einem endlosen Vertrauen auf Gott. Sie halten sich ihm ganz hin, weil sie von ihm alles erhoffen. Allein in ihm haben sie sich verankert. Der Halt, den sie dabei ausstrahlen, ja die Freude und die Hoffnung faszinieren uns.

Vielleicht hast du dich von diesen Zeilen angesprochen gefühlt, weil auch du eine Sehnsucht in dir verspürst, ein Leben zu führen, das Gott in den Mittelpunkt stellt. Die Tatsache, dass du überhaupt dieses Buch in die Hände genommen hast, zeigt jedenfalls, dass dein Herz diese Sehnsucht kennt, von der wir gesprochen haben – eine Sehnsucht, von der wir eben annehmen, dass sie niemand anderes als Gott selbst in uns hineingelegt hat.

Dieses Buch ist gedacht für Männer, die darüber nachdenken, ein Leben in einer Ordensgemeinschaft zu führen. Auch wenn sie vielleicht ebenso anregende Gedankenanstöße darin finden, ist es doch nicht für Frauen geschrieben, die eine Sehnsucht nach einem geistlichen Leben in sich spüren, oder für Männer, die sich überlegen, Weltpriester zu werden. Dies sind eigene Welten und Berufungen, die nicht nur eigenständig betrachtet werden müssen, sondern in denen wir uns auch zu wenig auskennen. Das vorliegende Buch zu schreiben haben wir aber gewagt. Denn unsere eigenen Fragen vor dem Klostereintritt, unsere Erlebnisse und Beobachtungen als Mönche sowie die vielen Gespräche mit Männern, die den Wunsch in sich spüren, denselben Weg wie wir einzuschlagen, scheinen uns eine fruchtbare Grundlage dafür zu bieten. Inspiriert wurden wir übrigens auch vom Buch A Living Sacrifice. Guidance for Men Discerning Religious Life der beiden US-amerikanischen Dominikaner Fr. Benedict Croell und Fr. Andrew Hofer (Vianney Vocations, Valdosta 2019). Ihnen danken wir für die vielen wertvollen Gedankenanstöße sowie die Erlaubnis, sie in unser eigenes Buch aufnehmen zu dürfen.

Was will nun dieses Buch? Weshalb haben wir es überhaupt geschrieben? Es soll dir helfen, dich besser kennenzulernen und herauszufinden, was du wirklich möchtest. Denn vieles, was du in dir wahrnimmst, kommt dir vielleicht vor wie in Nebelschwaden gehüllt, unklar und kaum zu fassen. Du kommst dir möglicherweise vor wie jener Sämann, von dem Christus im Evangelium spricht und der »Samen auf den Acker sät und dann schlafen geht und wieder aufsteht«. Es wird Nacht und Tag »und der Samen geht auf und wächst empor und er weiß nicht wie« (Markus 4,27). Auch du spürst möglicherweise, wie etwas in dir heranwächst, hast aber keine Ahnung, wie und was – geschweige denn, was du damit tun sollst. Fühlst du dich tatsächlich in einer solchen Situation, so helfen dir unsere Gedanken hoffentlich, Angst und Zögern zu überwinden und dich den richtigen Fragen zu stellen. Dieses Buch soll dir also Mut machen, die nächsten Schritte zu wagen – natürlich nicht hastig, sondern ruhig und wohlüberlegt.

Wenn wir dich also ermuntern wollen, dich besser kennenzulernen und deinen eventuellen Wunsch nach einem Leben in einem Orden genauer anzuschauen, dann geht es uns freilich nicht darum, dich zu etwas zu überreden, was du eigentlich gar nicht willst und wozu du auch nicht berufen bist. Es geht uns darum, dass du deine Berufung entdeckst – nicht darum, dass ein bestimmter Orden ein neues Mitglied erhält. Das ist uns wichtig zu betonen. Wir wollen dir auch nicht das Blaue vom Himmel versprechen und dir etwas vorgaukeln, was du letztlich im Ordensleben gar nicht antreffen wirst. Im Gegenteil geht es in diesem Buch unter anderem darum, dir ein realistisches Bild vom Ordensleben zu vermitteln, um so manche deiner Fragen dazu zu klären. Schließlich ist ein gründliches Wissen eine wichtige Voraussetzung für eine gute Entscheidung. Freilich bleibt der Schritt in eine Ordensgemeinschaft auch so noch ein Wagnis. Das ist aber auch gut so.

Welche Themen dich in diesem Buch sonst noch erwarten, entnimmst du am besten dem Inhaltsverzeichnis. Wir haben die Titel über den einzelnen Kapiteln bewusst so formuliert, dass sie von selbst erklären, was darunter folgt.

Mancher Berufungsweg ist ziemlich lang und wir wissen nicht, wo du dich selbst auf deinem persönlichen Weg gerade befindest: Ob du erst eine diffuse Sehnsucht nach mehr in dir spürst, ob du erst gerade davon gehört hast, dass es überhaupt Ordensleute gibt, die dieser Sehnsucht nachgehen, oder ob du schon länger ein konkretes Kloster bzw. einen bestimmten Orden im Blick hast, in den einzutreten du dir vorstellen könntest. Gewiss aber hast du einige Fragen und Unklarheiten, wohl auch Zweifel. Einige davon lauten vielleicht so:

Wie kann ich sichergehen, dass ich zum Ordensleben berufen bin?Was beinhaltet überhaupt das Leben in einem Orden?In meiner Vergangenheit habe ich Dinge getan, für die ich mich jetzt schäme. Darf ich da überhaupt noch an einen Ordenseintritt denken? Meine Familie ist nicht religiös, sodass sie ein Ordenseintritt völlig aus der Bahn werfen würde. Kann ich ihnen so etwas wirklich antun?Ein Kloster mit seinem stark rhythmisierten Alltag wäre mir zu eng. Gibt es auch ein etwas »freieres« Ordensleben?Was ist der Unterschied zwischen einem »Pater« und einem »Bruder«?Wie ist es, ein Leben als Ordensmann zu führen, Tag um Tag, Jahr für Jahr?Die Kirche scheint einen Haufen Probleme zu haben. Wieso soll ich diese zu meinen machen?

In manchen dieser Fragen findest du dich vielleicht selbst wieder, während dir andere völlig fremd sind. So wird es dir zweifellos auch bei der weiteren Lektüre dieses Buches ergehen. Schließlich ist jeder Mensch einzigartig, sodass jeder auch seine eigenen Herausforderungen hat. So kommt der eine aus einer wohlhabenden Familie und zögert bei dem Gedanken, so vieles für ein Leben in einem Orden aufzugeben. Einen anderen schreckt der Gedanke ab, dass seine Familie und Freunde seine Entscheidung, in einen Orden einzutreten, bestimmt ablehnen würden. Auf einen Dritten schließlich wirkt die Aussicht auf gesteigertes Ansehen in seinem Umfeld verlockend, doch weiß er nicht, ob seine Motive für einen Ordenseintritt wirklich gut und ausreichend sind.

Davon, dass jeder Berufungsweg einzigartig ist, zeugen auch unsere eigenen Wege, die uns ins Benediktinerkloster Einsiedeln geführt haben. Schon oft haben wir bei Führungen von ihm erzählt, was wir nun auch hier zu Beginn dieses Buches gerne tun:

Dabei erzähle ich – Pater Thomas – meine Geschichte als Erster. Vorausschicken möchte ich dabei, dass es kaum möglich ist, jemandem zu erklären, weshalb man eigentlich in ein Kloster eingetreten und Mönch geworden ist. Entweder braucht es hierfür keine Worte, weil das Gegenüber intuitiv versteht, was jemanden dazu bewegen kann, vielleicht weil er selbst eine ähnliche Sehnsucht in sich verspürt. Oder es ist auch mit vielen Worten nicht möglich, den Schritt in ein Kloster verständlich zu machen. Es ergeht mir dabei wie jemandem, der erklären sollte, weshalb er sich gerade in diese bestimmte Person verliebt hat. Rational kann man so etwas kaum beleuchten. Wohl gibt es nachvollziehbare Gründe, die dafür sprechen – aber letztlich ist Liebe etwas, das einfach geschieht, ohne dass man es sogar sich selbst erklären kann. Ja, auch für mich ist mein eigener Schritt ins Kloster in vielem nicht bis ins Letzte erklärbar. Der Klostereintritt ist ein Ja zu einem Ruf, den man nie ganz erfassen kann.

Die äußeren Umstände meines Berufungsweges sind freilich schnell erzählt, weil es keine abrupten oder spektakulären Wendungen gab. Prägend und grundlegend für meinen Weg war gewiss die Atmosphäre, die bei uns in der Familie herrschte und die einen fruchtbaren Nährboden bildete, in welchem der Samen der Berufung keimen konnte. Ich würde meine Familie zwar nicht als außerordentlich fromm bezeichnen, doch war es eine Selbstverständlichkeit, dass wir vor dem Essen sowie vor dem Zubettgehen beteten und Gott für all das dankten, womit er uns beschenkt hat. Auch der Besuch des sonntäglichen Gottesdienstes gehörte unhinterfragt zu unserem familiären Wochenendprogramm. Ein entscheidender Schritt auf meinem Berufungsweg war gewiss der Übertritt an die Stiftsschule, das Gymnasium unseres Klosters, in dem ich inzwischen selbst unterrichte. Es war freilich kein bewusster Entscheid für eine Klosterschule. Vielmehr war der Besuch dieses Gymnasiums im wahrsten Sinne des Wortes naheliegend, weil wir in einem kleinen Nachbardorf wohnten, keine fünf Kilometer von Einsiedeln entfernt. Damals unterrichteten an der Schule noch weit mehr Mönche als heute, und zwar in allen möglichen Fächern – von Sport über Chemie, Mathematik und Physik bis hin zu Griechisch. An dieser Schule drückte ich sechs Jahre lang die Schulbank, im Alter zwischen 13 und 18 Jahren. Das ist eine spannende Zeit, in der man zu überlegen beginnt, was man später selbst einmal im Leben machen möchte. Dabei stellte ich mir auch die Frage, weshalb wohl meine Lehrer in ihren schwarzen Benediktinerkutten diesen doch etwas sonderbaren Weg gewählt haben. Sie selbst habe ich dabei keineswegs als sonderbar erlebt, vielmehr als ganz normale Menschen, etwa bei der Mithilfe im Klosterladen, in Sommerlagern, auf Ministrantenreisen, bei der Mitarbeit an der Klosterpforte, ja beim Kochen und Kartenspiel. Mönche waren für mich keine schrulligen, unnahbaren Wesen, wie für viele andere, sondern vielmehr ein selbstverständlicher Teil meines Lebens als Heranwachsender. Die meisten von ihnen waren einst selbst an unserer Schule und hatten mehr oder weniger nahtlos das kleine Zimmer im Internat mit der Zelle in der Klausur getauscht. Wäre vielleicht ein solches Leben auch etwas für mich? Ich sah, wie abwechslungsreich, ja spannend dieses sein konnte und wie viel Entfaltungspotenzial es bot. Zudem ergab es für mich Sinn, mich in den Dienst anderer zu stellen. So wog ich diesen Gedanken während mehrerer Jahre ab, wobei ich mir in gewissen Phasen vorstellen konnte, selbst einmal ein Leben als Mönch zu führen, während dies zu anderen Zeiten wiederum überhaupt nicht infrage kam. Nach Abschluss der Schule wollte ich freilich etwas Abstand gewinnen. Hat mich der Klostergedanke vielleicht nur deshalb gereizt, weil ich mich an der Schule schlichtweg wohlgefühlt habe? Das wollte ich herausfinden. Bereits zuvor hatte ich mich zum Geschichts- und Lateinstudium in Fribourg angemeldet, das ich nach dem Militärdienst im Herbst 2003 aufnahm. Unter der Woche lebte ich in einer Wohngemeinschaft. Es war eine tolle Zeit: Die Vorlesungen sagten mir zu, genauso wie der kulturelle Betrieb in dieser mittelalterlichen Kleinstadt direkt an der Sprachgrenze zwischen dem französisch- und deutschsprachigen Teil der Schweiz. Irgendetwas aber vermisste ich. Ich hatte das Gefühl, dass ich nicht erfüllt war. Es fühlte sich an wie Heimweh. Sobald mir klar geworden war, wohin ich gehörte, nahm ich meinen ganzen Mut zusammen und offenbarte meinen Eltern den Wunsch, ins Kloster Einsiedeln einzutreten. Damals war für sie dieser Entschluss nicht ganz einfach, sie meinten jedoch auch, dass sie bereits geahnt hätten, dass ich eines Tages mit dieser Nachricht zu ihnen kommen würde. Meine Freunde wiederum reagierten unterschiedlich: Die einen waren erstaunt, während die anderen meinten, dass ich perfekt in ein Kloster passe. Beide Reaktionen freuten und bestärkten mich. Offenbar war der Entschluss nicht völlig abwegig, und doch hätte man sich für mich auch andere Wege vorstellen können. So meldete ich mich beim Novizenmeister. Statt Freudensprünge über einen jungen Klosterinteressenten zu machen, lehnte mich dieser jedoch erst einmal ab: Ein Eintritt komme frühestens infrage, wenn ich das Bachelordiplom erworben hätte. Dadurch würde er sehen, ob ich die nötige Entschlossenheit hätte, Begonnenes auch zu Ende zu führen. Nachdem ich erst vor Kurzem herausgefunden hatte, wohin es in meinem Leben gehen sollte, war dieses Stoppschild keineswegs einfach für mich. Im Nachhinein jedoch bin ich dankbar für die weiteren Erfahrungen, die ich in der Zeit bis zum Sommer 2006 machen konnte. Dann aber, mit dem ersten universitären Abschluss in der Tasche, klopfte ich erneut an die Klostertür, 21-jährig. Dieses Mal öffnete sich die Tür und ich trat ein.

Bei mir – Pater Philipp – sieht die Berufungsgeschichte etwas anders aus. Da ich nicht das klostereigene Gymnasium besucht habe, bin ich quasi als »Quereinsteiger« ins Kloster Einsiedeln gekommen. Ja ich bezweifle sogar, dass ich als Absolvent der Stiftsschule überhaupt jemals in dieses Kloster eingetreten wäre. Denn der Gedanke, mein ganzes Leben in einem »Schulhaus« zu verbringen und mit meinen ehemaligen Lehrern unter einem Dach zusammenzuleben, wäre mir nach der Matura wohl ziemlich abstrus vorgekommen. Allenfalls hätte ich mir eine andere Gemeinschaft gesucht.

Dies zeigt, dass die Berufungswege so unterschiedlich sind wie die Menschen, die sie gehen. Und trotzdem sind Pater Thomas und ich Mitglieder derselben Klostergemeinschaft. Wie kam es nun bei mir dazu?

Aufgewachsen bin ich ebenfalls ganz in der Nähe von Einsiedeln, wenn auch nicht ganz so nah wie Pater Thomas. Denn immerhin liegt zwischen meinem Heimatort und Einsiedeln – typisch Schweiz halt – ein Berg. Doch innerhalb einer halben Stunde hat man dieses Hindernis umfahren, und so kannte ich schon als kleiner Bub das beeindruckende Kloster mit seiner Schwarzen Madonna, dem Zentrum unseres Wallfahrtsortes. Ich stamme aus einer sehr aktiven Familie, die am Wochenende gerne in die Berge ging, Ausflüge machte, Verwandte besuchte oder selbst Besuch empfing. Stand mal kein solcher auf dem Programm oder verhinderte schlechtes Wetter eine Wanderung oder das Skifahren in den Bergen, ging es oft nach Einsiedeln. Kein Wunder, dass es ziemlich lange brauchte, bis ich diesen Ort auch mal bei schönem Wetter erlebte! Weil mich aber Kirchen schon seit meiner frühsten Kindheit fasziniert haben, störte mich der bleierne Himmel über Einsiedeln nicht. Vielmehr schlug mich der barocke Kirchenraum mit seiner Weite und Festlichkeit in seinen Bann. Das Kerzenanzünden bei der Schwarzen Madonna und ein paar Minuten Stille in der Unterkirche, unserer Krypta, gehörten bei jedem Besuch dazu. Ab und zu gingen wir nach dem Kaffee nochmals zurück in die Klosterkirche, um die Mönche das Salve Regina bei der Gnadenkapelle singen zu hören. Trotz dieser punktuellen Begegnung mit den Einsiedler Benediktinern war mir als Kind nur am Rande bewusst, dass es sich bei diesem riesigen Bau um ein Kloster handelte. Für mich war es primär ein Wallfahrtsort mit einer immens großen Kirche.

Schon als kleiner Junge wollte ich Pfarrer werden, auch wenn zeitweise andere Berufswünsche wie Archäologe oder Bauer auftauchten. Ich erinnere mich gut daran, wie ich als Kind gerne zu Bett ging, weil ich dann einige Minuten im Gebet verbringen konnte. Gott war für mich ein konkretes Gegenüber. Anders als mein Bruder besuchte ich auch gerne den Gottesdienst. Es faszinierte mich, was der Priester dort vorne am Altar tat. Dennoch wurde ich nur deshalb Ministrant, weil unsere Ministrantengruppe alljährlich einen Ausflug in einen großen Freizeitpark unternehmen durfte. Ja, Gott schreibt bekanntlich auch auf krummen Zeilen gerade! Doch an die Stelle dieser anfänglich etwas unlauteren Motivation trat schnell eine große Faszination: Ich war gerne Ministrant und glücklich, so nahe am heiligen Geschehen zu sein.

Dass ich einmal Theologie studieren und anschließend vielleicht Priester werden würde, war für viele Menschen in meinem Umfeld ziemlich klar. Dieser Zukunftswunsch war auch für mich der Grund dafür, dass ich auf das Gymnasium gehen wollte. Ich kann mich nicht erinnern, dass ich wegen meines Berufswunsches jemals gehänselt worden wäre.

Je näher jedoch die Maturaprüfung heranrückte, desto klarer kristallisierte sich für mich heraus, dass ich nicht Seelsorger in einer Pfarrei werden wollte. Dass ich mir stattdessen ein Leben als Mönch vorstellen konnte, behielt ich lange Zeit für mich. Schon länger beschäftigte ich mich mit dem Mönchtum und verschlang zu diesem Thema stapelweise Bücher. Obwohl mein Vater im Mutterhaus einer internationalen Schwesternkongregation arbeitete und seine leibliche Schwester selbst Ordensfrau war, blieb mein Zugang zum Klosterleben eher ein theoretischer. Denn bis zu meinem ersten Gastaufenthalt im Kloster Einsiedeln hatte ich nie persönlichen Kontakt zu einem Mönch.

Als ausgeprägter Familienmensch mit einer großen Liebe zur Liturgie und einer tiefen Verwurzelung in meiner Heimat fand ich das Leben als Benediktiner in einem nahen Kloster für mich besonders attraktiv. Dass das Kloster Einsiedeln zu jener Zeit zudem einige jüngere Mönche hatte und eine große Ausstrahlung besaß, machte es für mich naheliegend, als Erstes bei diesem Kloster anzuklopfen. Doch bis dahin gab es ein großes Hindernis zu überwinden: Ich musste meiner Familie von meinem Vorhaben erzählen. Dies eilte, wollten doch meine Eltern nach der obligatorischen Rekrutenschule wissen, für welchen Studienort ich mich entscheiden würde. Zuerst wollte ich ihnen meinen Plan an Heiligabend eröffnen. Dass ich dies schließlich doch nicht tat, war im Nachhinein eine gute Entscheidung. Denn Weihnachten 2005 wäre damit definitiv im Eimer gewesen! An einem Januartag habe ich dann aber doch meinen ganzen Mut zusammengenommen und mich zuerst meiner Mutter anvertraut. Die vorsichtige Ankündigung, einige Tage als Gast im Kloster Einsiedeln verbringen zu wollen, rief absolutes Unverständnis hervor, gefolgt von Strömen von Tränen, welche tagelang nicht versiegen sollten. Denn meine Mutter ahnte sehr wohl, dass hier mehr als nur »ein paar stille Tage im Kloster« anstehen würden. Sie meinte, ihren Sohn zu verlieren. Damit, dass ich Priester werden wollte, hatte sie sich irgendwie abgefunden, obwohl sie noch lange hoffte, dass ich mich irgendwann verlieben würde. Aber Mönch? Das schien für sie eine ganz andere Liga zu sein und rief entsprechende Widerstände hervor. Zum Glück sah es bei meinem Vater und meinem Bruder etwas anders aus: Sie fanden meine Pläne ganz in Ordnung. Also meldete ich mich für einen dreitägigen Gastaufenthalt an. Während dieser Tage schwebte ich auf Wolke sieben. Ich dachte mir: Das Leben im Kloster ist ja noch viel schöner, als ich gedacht hatte!

Ähnlich wie bei Pater Thomas erfolgte der Klostereintritt dann aber doch nicht so schnell wie von mir geplant. Denn auch mich mahnte der damalige Novizenmeister zur Geduld und riet mir, im Priesterseminar meiner Heimatdiözese das Propädeutikum, eine Art Entscheidungs- und Einführungsjahr, zu besuchen. Dort sollte ich Gewissheit hinsichtlich der Frage erlangen, ob das Leben als Diözesanpriester vielleicht nicht doch etwas für mich wäre. Denn so ganz war dieser Berufungsweg nicht aus meinem Blick verschwunden. Ich fühlte beinahe etwas wie eine Verpflichtung, angesichts des akuten Priestermangels auch diese Option genau zu prüfen, zumal ja das Priestertum meine »erste Liebe« war. Die Zeit bis zum Beginn des Propädeutikums wollte ich nutzen, um mir einen lang gehegten Wunsch zu erfüllen: einen längeren Aufenthalt im Heiligen Land. Während fünf Monaten arbeitete ich so in einem Heim für Kinder mit körperlicher und geistiger Behinderung nahe Jerusalem. Diese Erfahrung hat mich unglaublich bereichert.

Als ich anschließend ins Priesterseminar zog, zeigte sich allerdings schon bald: Meine Sehnsucht ruft mich unwiderstehlich ins Kloster. Trotzdem bin ich dankbar für diesen »Abstecher« ins Priesterseminar. Denn er verhalf mir zu einer klaren Entscheidung. Während meine Ankündigung, ins Kloster Einsiedeln einzutreten, in meinem Freundes- und Bekanntenkreis sowie in meiner großen Verwandtschaft auf Unterstützung stieß, hatte meine Mutter weiterhin große Vorbehalte. Dies änderte sich erst allmählich, nachdem ich Ende August 2007 tatsächlich im Kloster Einsiedeln meinen Weg als Mönch begonnen hatte.