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Jetzt zum ersten Mal als E-Book verfügbar: Die Reihe "Hohlbein Classics" versammelt die frühen Werke von Wolfgang Hohlbein, die seinerzeit im Romanheft erschienen sind.
Die Story: Sie wurde gnadenlos gejagt. Damona King macht sich ernste Vorwürfe, so unvorsichtig zu Werke gegangen zu sein. Niemals hätte sie annehmen dürfen, sich gegen Ulthar behaupten zu können. Er war zu mächtig und hatte sich mit Hilfe seiner Spiegel bereits ein kleines Heer geschaffen, das Damona jetzt auf den Fersen war. In Coney Island sollte die Jagd zu Ende sein. Dort würden die Bestien Ulthars die Weiße Hexe stellen - und dort sollte sie der Hölle geopfert werden. Gefangen in der Gondel eines Riesenrads sollte Damona ihr unauswichliches Schicksal erwarten ...
"Im Labyrinth des Wahnsinns" erschien erstmals am 10.08.1981 unter dem Pseudonym Henry Wolf in der Reihe "Damona King".
Der Autor: Wolfgang Hohlbein ist der erfolgreichste deutschsprachige Fantasy-Autor mit einer Gesamtauflage von über 40 Millionen Büchern weltweit.
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Seitenzahl: 149
Jetzt zum ersten Mal als E-Book verfügbar: Die Reihe »Hohlbein Classics« versammelt die frühen Werke von Wolfgang Hohlbein, die seinerzeit im Romanheft erschienen sind.
Im Labyrinth des Wahnsinns
Ein Damona King Roman
Sie wurde gnadenlos gejagt. Damona King macht sich ernste Vorwürfe, so unvorsichtig zu Werke gegangen zu sein. Niemals hätte sie annehmen dürfen, sich gegen Ulthar behaupten zu können. Er war zu mächtig und hatte sich mit Hilfe seiner Spiegel bereits ein kleines Heer geschaffen, das Damona jetzt auf den Fersen war. In Coney Island sollte die Jagd zu Ende sein. Dort würden die Bestien Ulthars die Weiße Hexe stellen – und dort sollte sie der Hölle geopfert werden. Gefangen in der Gondel eines Riesenrads sollte Damona ihr unauswichliches Schicksal erwarten ...
»Im Labyrinth des Wahnsinns« erschien erstmals am 10.08.1981 unter dem Pseudonym Henry Wolf in der Reihe »Damona King«.
Wolfgang Hohlbein ist der erfolgreichste deutschsprachige Fantasy-Autor mit einer Gesamtauflage von über 40 Millionen Büchern weltweit.
WOLFGANG
HOHLBEIN
Im Labyrinth des Wahnsinns
Ein Damona King Roman
BASTEI ENTERTAINMENT
Aktualisierte Neuausgabe der im Bastei Lübbe Verlag erschienenen Romanhefte aus der Reihe Damona King
Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG
Copyright © 2015 by Bastei Lübbe AG, Köln
Lektorat/Projektmanagement: Esther Madaler
Covergestaltung: Christin Wilhelm, www.grafic4u.de unter Verwendung von © shutterstock/Natykach Nataliia; shutterstock/Dmitry Natashin
E-Book-Erstellung: Dörlemann Satz, Lemförde
ISBN 978-37325-1435-9
Gespensterkrimi von Henry Wolf
Die Schritte waren jetzt ganz nahe; das Knirschen von Kies unter harten Schuhsohlen, das Rascheln von Kleidung, dazwischen die hektischen, stoßweisen Atemzüge ihres Verfolgers.
Damona King schmiegte sich eng an die dünne Bretterwand. Der Kistenstapel neben ihr warf einen scharf abgegrenzten Schlagschatten, aber sie wusste, dass er nicht ausreichen würde, sie zu verbergen. Ihre Hände zitterten unmerklich, und ihr Herz hämmerte so laut, dass sie für einen Moment befürchtete, der Mann draußen müsse es hören. Ihr Blick saugte sich wie hypnotisiert am hellen Rechteck der Türöffnung fest.
Sie war eine verdammte Närrin gewesen, sich im Ernst einzubilden, entkommen zu können. Gegen Ulthars Willen, das war ihr jetzt klar, hätte sie das Spiegelkabinett niemals verlassen können. Aber die Erkenntnis kam zu spät. Die gnadenlose Jagd hatte bereits begonnen.
Damona sah sich verzweifelt nach einer Fluchtmöglichkeit oder wenigstens einem besseren Versteck um. Der Raum war winzig; vielleicht zweimal drei Meter groß und mit ausrangiertem Mobiliar, Kisten und Kartons voll gestopft. Eine fingerdicke Staubschicht hatte sich wie eine graue, flockige Decke über den Boden und das Sammelsurium ausrangierter und vergessener Gegenstände ausgebreitet. Die Luft schmeckte bitter – nach Moder, Verfall und Vergessen. Sie kratzte in ihrer Kehle und reizte zum Husten.
Die Schritte verstummten, als der Mann stehen blieb.
Damonas Herz machte einen spürbaren Satz. Der Raum hatte keinen zweiten Ausgang. Wenn die Kreatur auf den Gedanken kam, auch nur einen flüchtigen Blick durch die Tür zu werfen, war sie verloren. Sie hatte sich selbst in eine perfekte Mausefalle hineinmanövriert.
Aber sie hatte ja auch keine Zeit gehabt, sich nach einem besseren Versteck umzusehen. Ulthar hatte den Vorsprung, den er ihr zugestanden hatte, fast auf die Sekunde genau berechnet. Seine Häscher wären aufgetaucht, kaum dass Damona Zeit gefunden hatte, zwischen den verlassenen Gebäuden von Coney Island unterzutauchen.
Nicht so früh, dass eine Flucht aussichtslos erschien, dachte sie bitter. Aber früh genug, um ihr keine Chance zu lassen, wirklich davonzukommen. Der wahnsinnige Magier trieb ein grauenhaftes, böses Spiel mit ihr. Ein Katz-und-Maus-Spiel, bei dem sie die Rolle der Maus übernommen hatte, die zwischen den Krallen der Katze hin und her rennt und nicht begreift, dass sie schon längst verloren hat.
Bei der Vorstellung regte sich so etwas wie Zorn in ihr. Niemand hatte das Recht, einen Menschen nach Belieben hin- und herzuschieben wie eine Schachfigur. Sie richtete sich lautlos auf und versuchte, durch die Ritzen in der papierdünnen Bretterwand einen Blick nach draußen zu werfen.
Es war früher Morgen. Die Sonne war erst vor wenigen Augenblicken aufgegangen, aber hier auf Coney Island war das Leben noch nicht erwacht. Es würde nie erwachen. Der Vergnügungspark war vor vierzig Jahren oder mehr in einen Dornröschenschlaf versunken, aus dem ihn kein verzauberter Prinz wieder wachküssen würde. Alles, was hier noch lebte, waren Ratten, Ungeziefer und ein paar streunende Hunde und Katzen – und Ulthars Kreaturen.
Ein eisiger Schauer lief über ihren Rücken, als sie an ihre erste Begegnung mit den lebenden Spiegelbildern zurückdachte. Niemand hätte einen Unterschied zwischen ihnen und einem wirklichen Menschen feststellen können, und doch gab es ihn. Sie waren ... Damona suchte nach einem passenden Ausdruck, aber sie fand keinen. Vor ihrem geistigen Auge stand immer noch das Bild dieses endlosen Labyrinths, in dem Hunderte, vielleicht Tausende der Kreaturen auf die Befehle ihres Herrn warteten. Jedes dieser Wesen war einmal ein Mensch gewesen. Aber ein Blick in Ulthars magische Spiegel hatte sie zu dem werden lassen, was sie jetzt waren: Ungeheuer. Negative Duplikate ihrer früheren Persönlichkeiten. Spiegelbilder, in denen jede positive Eigenschaft, jedes bisschen Menschlichkeit und Liebe ins Gegenteil verkehrt worden waren.
Sie schauderte, als sie daran dachte, wie knapp sie selbst dem gleichen Schicksal entronnen war. Ulthar hatte sie – genau wie Mike Hunter und Romano Tozzi – in sein höllisches Kabinett gelockt, um ein negatives Duplikat von ihr entstehen zu lassen und sie selbst für alle Zeiten in den Spiegel zu verbannen. Nur unter Aufbieten all ihrer Kraft war es ihr gelungen, den magischen Spiegel zu zerbrechen und zu entkommen.
Damona atmete innerlich auf, als der Verfolger sich umdrehte und mit langsamen Schritten davonging. Die Erinnerung an die übermenschliche Kraft dieser lebenden Spiegelbilder war noch zu frisch in ihr, als dass sie eine zweite Konfrontation riskiert hätte.
Sie drehte sich um, schlich zur Tür und spähte vorsichtig hinaus. Keiner der Verfolger war in Sicht. Mit etwas Glück konnte sie diese Mausefalle verlassen und irgendwo im Labyrinth des verlassenen Vergnügungsparks untertauchen.
Sie atmete tief ein und spurtete los. Das Geräusch ihrer Schritte schien überlaut zwischen den leer stehenden Gebäuden widerzuhallen, und für einen Moment hatte sie das Gefühl, von einer Million unsichtbarer Augenpaare angestarrt zu werden. Aber sie erreichte die Gasse unbehelligt. Für eine halbe Sekunde blieb sie schwer atmend stehen, sah sich gehetzt um und rüttelte prüfend an einer fleckigen Feuerschutztür. Sie war verschlossen, aber das rostzerfressene Metall zerfiel unter ihren Händen zu rotbraunen Krümeln. Sie öffnete die Tür und schlüpfte in das Gebäude.
Das Innere war überraschend kühl und hell. Das Dach existierte praktisch nicht mehr. Die Stützbalken waren eingebrochen und unter der Last der Dachschindeln wahrscheinlich schon vor Jahrzehnten zusammengefallen. Die Trümmer bildeten einen wüsten, staub- und unratverkrusteten Haufen auf dem Boden.
Sie schloss die Tür hinter sich und ging mit schnellen Schritten durch den Raum. Es gab einen zweiten Ausgang auf der gegenüberliegenden Seite und eine weitere, verzogene Tür, die in einen stockfinsteren Raum führte. Eine Ratte schoss mit protestierendem Quietschen über Damonas Füße und verschwand in dem Trümmerhaufen, als sie die Tür öffnete.
Sie schlug die Hand vor den Mund und unterdrückte im letzten Augenblick einen erschrockenen Aufschrei.
Sie musste vorsichtiger sein. Sie wusste nicht, ob die Spiegelwesen über schärfere Sinne als ein normaler Mensch verfügten, aber auf dem fast totenstillen Gelände musste jeder Laut doppelt deutlich hörbar sein.
Der Gedanke brachte sie erneut zu ihren Verfolgern zurück. Ulthar hatte eine Reihe dieser Kreaturen hinter ihr hergeschickt – wie viele, wusste sie nicht. Vier, oder fünf hatte sie gesehen, aber das bedeutete sicher nicht, dass es nicht noch mehr gab.
Aber auch diese vier reichten ja im Grunde schon. Einem Verfolger, der keine Erschöpfung kannte und so gut wie unverwundbar war, konnte man auf die Dauer nicht entkommen.
Sie ging zur Tür auf der gegenüberliegenden Seite und spähte auf den Hof hinaus. Hinter dem Gebäude lag ein runder, vielleicht zehn Meter durchmessender Platz, der von den Resten einer ehemals rot-weiß gestrichenen Barriere eingerahmt wurde. Vielleicht waren hier früher einmal Kinder für ein paar Pennys im Kreis herumgeritten, oder Elefanten und Bären hatten ihre Kunststücke vorgeführt. Jetzt war es nichts als eine runde, schlammige Fläche, auf der es absolut keine Deckung gab.
Damona biss sich nachdenklich auf die Lippen. Logisch betrachtet saß sie in der Falle. Coney Island hatte etwa die Form einer aufgeblähten, sanft geschwungenen Sichel, deren Spitze aufs Meer hinausdeutete. Die Verbindung zum Festland bestand nur aus einem schmalen Sandstreifen, kaum mehr als ein Grat, über den ein morscher Holzsteg führte. Der Zugang war durch ein stabiles Maschendrahttor verschlossen – und sie zweifelte keinen Augenblick daran, dass eine oder mehrere von Ulthars Kreaturen sie dort erwarten würden, wenn sie wirklich so dumm wäre, die Insel auf diesem Weg verlassen zu wollen.
Sie trat in das Gebäude zurück, sah sich suchend um und stieg schließlich mit entschlossenen Bewegungen auf den Trümmerberg, der von den Resten der zusammengestürzten Dachkonstruktion und der Einrichtung gebildet wurde. Der ausgezackte Rand des Loches war nur wenige Zentimeter von ihren Fingerspitzen entfernt, als sie die Arme ausstreckte. Sie federte hoch, bekam ein Stück rostiges Blech zu fassen und zog sich vorsichtig auf das sanft geneigte Dach hinaus. Irgendetwas schnitt heiß und schmerzhaft in ihre Handflächen, aber sie ignorierte den Schmerz. Gespannt spähte sie in die Runde. Von hier aus hatte sie einen besseren Überblick als vom Boden.
Coney Island glich auf bedrückende Weise jenen Bildern von ausgebombten Städten, die man manchmal in alten Magazinen oder Filmen sieht. Von oben aus war die Zerstörung nicht zu übersehen. Es war weniger der Verfall der einzelnen Gebäude – trotz ihres ramponierten Aussehens standen die meisten Hütten und Buden noch – sondern eher eine Art globaler Zerstörung, der Eindruck des Verfalls, des Alters, der das natürlich gewachsene Gefüge des Parks zerstört hatte. Es war, als läge ein dunkler, drohender Schatten über der Halbinsel, die körperlich spürbare Ahnung des Alters. Damona schüttelte sich. Selbst im hellen Tageslicht war es ein unheimlicher Anblick.
Zwei von Ulthars Spiegelkreaturen bewegten sich rechts von ihr zwischen den Gebäuden, der Rest war irgendwo außer Sichtweite. Wahrscheinlich, überlegte Damona, hatten sie sich in mehrere Gruppen aufgeteilt; eine, die das Gelände durchkämmte, und ein oder zwei andere, die alle möglichen Fluchtwege besetzt hielten.
Im Grunde konnte sie genauso gut aufgeben.
Vielleicht hätte sie es sogar getan, wenn es hier nur um ihr eigenes Schicksal gegangen wäre. Aber darum ging es nicht. Nicht allein. Nicht einmal um das von Mike oder Romano.
Damona spürte einen dumpfen, quälenden Schmerz, als sie an Mike zurückdachte. Sie hatte ihn seit der verhängnisvollen Party bei Oberbürgermeister Connelly nicht mehr gesehen, aber sie zweifelte nicht daran, dass Ulthar auch ihn in seine Gewalt gebracht hatte. Wahrscheinlich gab es in diesem Augenblick bereits zwei Mikes: einen, der in der zweidimensionalen Hölle des Spiegels gefangen war, und den Zweiten, negativen, der seine Stelle in der realen Welt eingenommen hatte.
Aber im Moment konnte sie nichts für ihn tun.
Sie musste erst einmal hier heraus. Heraus aus einer Falle, aus der es kein Entkommen zu geben schien.
***
»Sie entkommt!« sagte Asmodis.
Seine Stimme blieb bei diesen Worten vollkommen ruhig. Aber in seinem Blick flammte deutlich der Hass und die hilflose, zerstörerische Wut, die der Höllenfürst empfand.
Er stand hoch aufgerichtet vor dem deckenhohen Spiegel, auf dessen Oberfläche sie die Geschehnisse wie auf einem überdimensionalen Bildschirm verfolgen konnten. Vor wenigen Augenblicken war die junge Frau in einem niedrigen, baufälligen Gebäude verschwunden, ohne bisher wieder aufgetaucht zu sein. Ulthars Häscher hatten auf Asmodis Drängen hin das Gebäude durchsucht. Aber da war Damona nicht mehr gewesen.
Asmodis fuhr mit einer ruckhaften Bewegung herum. »Die Hexe entkommt!« wiederholte er.
Ulthar schüttelte ruhig den Kopf. »Sie kann nicht entkommen«, sagte er überzeugt. »Meine Diener bewachen den einzigen Ausgang. Es kann nur noch wenige Augenblicke dauern, bis wir sie in unserer Gewalt haben.« Er lächelte dünn. »Die Falle ist zugeschnappt, Asmodis.«
Das Oberhaupt der Schwarzen Familie schnaufte abfällig. »Das hast du bereits einmal versprochen«, sagte er drohend. »Aber sie ist trotzdem aus deinem Kabinett entkommen. Ich würde mich nicht wundern, wenn sie dir ein zweites Mal entwischt. Vielleicht«, fuhr er nach einer winzigen Pause fort, »war es ein Fehler, sich auf den Pakt mit dir einzulassen. Letztlich bist du nur ein Mensch.« Er spie das Wort hervor, als wäre es die schlimmste Beschimpfung, derer er fähig war. »Ich hätte es wissen müssen«, sagte er wütend. »Diese Hexe ist mir schon oft entwischt – zu oft.« Er bedachte Ulthar mit einem stummen, drohenden Blick und wandte sich wieder dem Spiegel zu.
»Sie entkommt nicht«, sagte Ulthar bestimmt. Er trat neben Asmodis und fuhr versonnen mit den Fingerspitzen über das matt glänzende Spiegelglas. Neben der hünenhaften Gestalt des Höllenfürsten wirkte er alt und zerbrechlich. Trotzdem schien er keine Furcht vor dem Erzdämon zu haben.
Er lachte leise und meckernd. »Wenn du darauf bestehst, Asmodis, lasse ich sie dir in wenigen Augenblicken holen. Aber ich möchte das Spiel noch ein wenig fortsetzen. Es beginnt mir zu gefallen.«
Asmodis drehte den Kopf und sah Ulthar nachdenklich an. Es war nicht das erste Mal, dass ein sterblicher Mensch die Mächte der Finsternis um Hilfe bat. Asmodis kannte diese Menschen zur Genüge – kleine, naive Geister, die sich einbildeten, ihm oder der Schwarzen Familie einen Dienst erweisen zu können und die in Wirklichkeit keine Ahnung hatten, mit was für Mächten sie sich da einließen. Wenn sie es erst einmal merkten, war es meist zu spät. Wen die Schwarze Familie einmal in ihren Klauen hatte, den ließ sie nie wieder los. Die dunkle Seite der Magie war eine Einbahnstraße, ein Weg ohne Umkehr, den jeder, der ihn einmal eingeschlagen hatte, bis zum bitteren Ende gehen musste.
Aber aus Ulthar wurde Asmodis einfach nicht schlau. Der alte, einarmige Magier mochte auf den ersten Blick wie ein verrückter alter Mann wirken, der vom Hass verblendet war und vor nichts zurückschreckte, um seine Ziele zu verwirklichen.
Aber das stimmte nicht. Das, was Asmodis von Ulthar sah, war nur eine Maske. Selbst die schwarze Magie des Höllenfürsten reichte nicht aus, um Ulthar wirklich zu durchschauen. Der Alte besaß Macht, ungeheure Macht. Das Geheimnis der Zauberspiegel war selbst für Asmodis unlösbar, und er hatte sich in der vergangenen Nacht mehr als nur einmal insgeheim gefragt, ob es nicht ein Fehler gewesen war, sich mit dem Alten einzulassen. Manchmal kam es ihm vor, als benutze Ulthar ihn genauso; wie er seine Spiegelbilder benutzte.
Aber letztlich, redete Asmodis sich ein, war Ulthar nur ein Mensch. Ein Mensch – und kein Mensch, auch wenn er noch so mächtig war, konnte sich im Ernst einbilden, mit der geballten Macht der Hölle fertigwerden zu können.
Asmodis fuhr aus seinen Gedanken hoch und lächelte sardonisch. »Ich vergaß, dass wir eine Abmachung getroffen hatten«, sagte er mit falscher Freundlichkeit. »Ich werde jetzt meinen Teil der Abmachung erfüllen. Ich werde Damona für dich fangen. Und ich verspreche dir, dass du bei dem Schauspiel auf deine Kosten kommen wirst.« Er streckte den Arm aus, hob die Hand und murmelte Worte in einer kehligen, unverständlichen Sprache.
Ein greller Blitz schien den Spiegel zu spalten. Für einen Augenblick verblasste das Bild unter der grellen Lichtflut.
Als Ulthars Augen sich von dem schmerzhaften Blitz erholt hatten, hatte sich die Szenerie drastisch verändert.
Eines der Gebäude war von dem Ausbruch schwarzer Magie getroffen und buchstäblich zermalmt worden. Die Trümmer waren in weitem Umkreis verstreut, und dort, wo das Haus gestanden hatte, befand sich ein rauchender Krater mit brandigen, geschwärzten Rändern. In seinem Zentrum schien sich eine schwarze, formlose Masse zu bewegen.
Ulthars Augen weiteten sich entsetzt, als er begriff, was Asmodis mit seinen Worten gemeint hatte.
»Nicht!« schrie er. »Tu es nicht, Asmodis!«
Aber es war zu spät. Aus dem dunklen Etwas im Zentrum des Kraters quollen Dutzende von schuppigen, muskulösen Gestalten.
***
Frank Porter schob den Feldstecher sorgsam in das Lederfutteral an seinem Gürtel zurück, runzelte die Stirn und ging schließlich mit fast widerwilligen Bewegungen den Hang hinunter.
»Na, hast du irgendetwas entdeckt?« fragte Mickey.
Porter zögerte mehrere Sekunden, ehe er antwortete. Schließlich zerquetschte er ein »Nein« zwischen den Zähnen, griff in die Satteltasche seiner Honda und zündete sich umständlich eine Zigarette an.
Mickey zuckte die Achseln, reckte sich und gähnte ungeniert. »Wenn du mich fragst«, sagte er, »vergeuden wir hier unsere Zeit, wir sollten machen, dass wir wegkommen.«
Porter nickte abwesend. Er hatte nur mit halbem Ohr hingehört, aber er war froh, dass Mickey es bei seinem Nein bewenden ließ und nicht weitergrub.
Er hatte etwas gesehen, als er auf dem Hügelkamm lag und durch das Okular des Feldstechers nach Coney Island hinüberstarrte. Aber das konnte er unmöglich erzählen. Mickey hätte ihm kein Wort geglaubt. Er glaubte es ja selbst nicht.
Mickey grinste, schwang sich mit einer geschmeidigen Bewegung in den Sattel seiner Kawa, die neben Franks Honda abgestellt war und mit ihrem bulligen Sechs-Zylinder-Motor wie ein Überbleibsel aus grauer Vorzeit wirkte, tippte auf den Anlasser und kickte den Seitenständer weg. »Lass uns abhauen«, schrie er über den Lärm der leer laufenden Maschine hinweg. »Ist nicht zu gut, so lange hier herumzustehen. Womöglich kommen noch die Bullen vorbei und stellen einen Haufen dummer Fragen.«
Porter zuckte in gespieltem Gleichmut die Achseln. »Ist nicht verboten, am Strand zu stehen, oder?«, fragte er.
Mickey starrte ihn einen Moment lang nachdenklich an. »Von mir aus bleib noch hier«, sagte er schließlich. »Ich hab jedenfalls zu tun. Sehen wir uns heute Nachmittag?«
»Bei Steve«, nickte Porter.
Mickey grinste zum Abschied, legte den Gang ein und fuhr los. Die Maschine wälzte sich wie ein versteinertes Mammut über Gras und Büsche, riss einen tiefen, feucht glänzenden Streifen in das wild wuchernde Gras der Böschung und sprang mit einem Satz auf den Asphalt der Straße hinaus.
Porter starrte ihr nach, bis das infernalische Dröhnen des Motors in der Ferne verklungen war. Dann schnippte er seine halb aufgerauchte Zigarette im hohen Bogen von sich, fuhr auf dem Absatz herum und rannte die gegenüberliegende Böschung hinauf.