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Das Leben ist Theater. Für Tauschitz, den reichen Salzburger Industriellen, bedeutet die Kunst Unsterblichkeit. Um sie für seine Familie zu erreichen, stattet er seinen Sohn Caesar mit "Künstler-Genen" aus und lässt ihn als Schauspieler in "Oedipus Rex" auftreten, dem Glanzpunkt der Salzburger Festspiele. Doch die Grenzen zwischen Bühne und Wirklichkeit beginnen zu verschwimmen, das Drama um Schuld und Unschuld findet hier wie dort statt. Lydia Mischkulnig entführt in ihrem witzigbösen Roman auf die Hinterbühne der Salzburger Festspiele, wo sie die Oberflächlichkeit und Verlogenheit des Kulturbetriebs genussvoll demaskiert.
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Seitenzahl: 288
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Lydia Mischkulnig
Hollywood
im Winter
Roman
Wenn der Reif lag im Winter, packte ihn das Feuer der Leidenschaft. Jung war er und spritzig genug, und jeder Kälte trotzte er. Wie verrückt hob Tauschitz auf, was Künstler fallen ließen, ihm vermachten oder widmeten. Wenn einer nichts für ihn übrig hatte, beraubte er ihn, kassierte er Leib und Seele ein. Tauschitz holte sich die Grabsteine der toten Künstler und pflasterte mit ihnen die Terrasse. Jeder Stein der Festung sollte mit Kunst durchtränkt sein. Er packte seine Siebensachen und warf sich in den alten Hochzeitsanzug, schmutzabweisend, teuer und edel. Der Hochzeitsanzug war längst aus der Mode, eng und beinig mit Knöcheltrompeten, schwarzer Samt war der Stoff, dunkel und undurchdringlich. Tauschitz zog das Jackett über, tauchte in die Nacht und verschmolz mit ihr. Nur sein Gesicht blitzte auf, verräterisch blasse Haut, er rieb sie mit der Mohrenschminke des Othello ein.
Tauschitz hatte den Abriß einer Kirche initiiert, der Gemeinde einen moderneren Bau versprochen, ein zeitgenössisches Gotteshaus im Zentrum des Dorfes. Auf dem Grund der alten Kirche wollte er sein Tauschitzwerk erweitern. Nicht nur Abspielgeräte wollte er in Zukunft produzieren, sondern direkt in die Kunst eingreifen und Musik auf Platten pressen. Er selbst bringt keine Note heraus. Er kann auch keine Stücke inszenieren, er läßt Regie führen und ist nur im Hintergrund mit Geld und Einfluß im Spiel. Tauschitz hat auf seine Weise die Fäden in der Hand, die ein Netz für ihn wirken, mit dem er einkaufen gehen kann.
Damals wollte er mehr als einen Grund. Die Innereien eines berühmten Dirigenten vermoderten auf dem Friedhof der Kirche. Der Friedhof war bereits aufgelassen, und die Verlegung des Toten war beschlossen. Der Dirigent hatte testamentarisch befohlen, daß sein Leib ausgeweidet werden solle und die Gebeine verteilt auf der ganzen Welt. Nur die Innereien sollten eins werden mit der Heimaterde, sie düngen und fruchtbar machen. Es war für Tauschitz selbstverständlich, diesen Dünger zu holen und den Grabstein des Dirigenten in die Terrasse der Festung zu betten. Er atmete tief, das schwarze Gesicht war ernst und würdevoll, Tauschitz war sich bewußt, er vollziehe einen festlichen Akt.
Die Tauschitzfrau, Mutter Edith, pfiff ihn zurück, burschikos und teilnahmsvoll, mit Anmut in ihrer Stimme rief sie ihm nach: Nimm doch die Kinder mit. Tauschitz lächelte erfreut, eine gute Idee ist immer willkommen. Die Tauschitzfrau hat Sinn für die spannenden Momente im großbürgerlichen Stil. Sie setzt ihre Auftritte sparsam ein. Aber im Abseits der Bühne spielt sie die Rolle der Mutter geistesmächtig und gestaltungskräftig mit. Sie weckte die halbwüchsigen Spatzen. Caesar und Antonia.
Ein Knabe hat die Abenteuerlust in den Knochen und ein Mädchen den Gehorsam. Antonia schlief zu fest. Tauschitz rüttelte sie wach, komm, du kannst etwas erleben. Antonia schreckte hoch, starrte in das schwarze Gesicht, schlug aus und schrie. Tauschitz herrschte sie an, steh auf und zieh dich an. Der schwarze Mann beugte sich herab. Antonia spürte den Atem, heiß und erregt, ich nehm dich mit. Sie kratzte ihm über das Gesicht, zog Spuren in die Schminke. Tauschitz sprang zurück und drehte das Licht an. Antonia zog sich die Decke über den Kopf, lugte heraus und sah ihren Vater mit weißen Linien über den Wangen, Notenzeilen auf der Haut, und Tauschitz schimpfte im Akkord über das dumme Mädchen, bis Mutter Edith mit Othellos Schminke die Maskerade korrigierte, die Kratzer mit Farbe und beruhigenden Worten überspielte. Caesar erwachte. Das Licht stach wie Sand, und er rieb sich die Augen. Bis er sehen konnte, was los war, zog ihm Mutter Edith schon den Pyjama aus und die Winterkleider an. Tauschitz stand in der Tür, winkte ihm zu, es gibt ein Abenteuer für dich.
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