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»Absolut lesenswert. Das Leben schmeckt nun mal nach Honig mit Salz!« Leser*innenstimme Ein Familienurlaub mit streitenden Eltern, vielen Vielleichts und Lipgloss mit Melonengeschmack Gibt es etwas Öderes, als 13 Jahre alt zu sein und mit den Eltern in den Urlaub zu fahren? Da ist auch Griechenland kein Trost – insbesondere, wenn die Ferienwohnung ein ganzes Stück entfernt vom Meer ist. Ari weiß schon, warum sie keine Lust mehr auf Sommerurlaub mit ihren Eltern hat. Darauf, mit Papa an übervollen Stränden rumzuhängen, sich Mamas Vorträge über längst vergessene Tempel anzuhören oder die ganze Zeit die Streitereien der beiden mitzukriegen. Wie viel toller wäre es, wenn sie allein mit ihrer Freundin Elif verreisen könnte! Dann würden sie selbst bestimmen, was sie tun wollen, endlos reden oder einfach bis zur nächsten Insel schwimmen. Aber dann hätte sie auch Pegasos nicht kennengelernt, der mit dem Mofa durch die engen Gassen kurvt und Ari zum Träumen bringt. In kurzen, schnörkellosen Sätzen gelingt es der vielfach preisgekrönten Autorin Tamara Bach, die Gefühle und Gedanken ihrer jugendlichen Protagonistin ganz genau einzufangen. Sie erzählt von der der Suche nach Halt in einer haltlosen Zeit. Von der Sehnsucht nach Unabhängigkeit und vom Aufbruch ins Ungewisse. ***Ein griechischer Sommer voller Höhen und Tiefen, in dem nichts zu stimmen scheint – und am Ende doch alles möglich ist***
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Veröffentlichungsjahr: 2023
Ari hat keine Lust mehr auf Sommerferien mit ihren Eltern. Darauf, mit Papa an übervollen Stränden rumzuhängen, sich Mamas Vorträge über längst vergessene Tempel anzuhören oder die ganze Zeit die Streitereien der beiden mitzukriegen. Wie viel lieber wäre sie allein mit ihrer Freundin Elif verreist. Dann würden sie jetzt selbst bestimmen, was sie tun wollen, endlos reden oder einfach bis zur nächsten Insel schwimmen.
Aber dann hätte sie auch Pegasos nicht kennengelernt, der mit dem Mofa durch die engen Gassen kurvt und Ari zum Träumen bringt. Von Morgen und von eigenen Reisen.
»Mühelos, humorvoll und mit einem feinen Gespür für Situationen und Stimmungen.«
Süddeutsche Zeitung über Sankt Irgendwas
Buch lesen
Vita
Draußen ist es hell. Hallo, denkt Ari. Hallo, Insel.
Sie macht ihr Handy an. Es brummt
Du fehlst mir jetzt schon. Das wird so öde!!!
Elif hat noch drei heulende Emojis dahintergeschrieben.
Ari lächelt. Mama und Papa stehen im Gang und ziehen das Handgepäck aus der Gepäckablage.
Und du mir erst!
Ari schaut raus und blinzelt.
»Komm«, sagt Mama. Ari schiebt sich über zwei Sitze zum Gang. Steht.
Papa legt Ari von hinten die Hände auf die Schultern und das Kinn auf ihren Kopf. Er schaukelt sie leicht hin und her und singt »Ich war noch niemals in New York«.
»Stimmt doch gar nicht«, sagt Mama. Sie schaut über ihre Schulter und lächelt Papa und Ari an. »Los geht’s.«
Aris Schultern werden leicht. Papa schiebt Ari vor sich her. Am Ausgang legt ihr die Stewardess ein kleines silbern verpacktes Bonbon in die Hand. Aegean Airlines steht drauf.
Papa singt »We are going on a summer holiday«.
»Oh nein, Ari, wir haben deinen Vater daheim vergessen und Karaoke-Achim mit in den Urlaub genommen«, sagt Mama und geht die Gateway entlang.
»Ich bin für das Entertainment zuständig«, sagt Papa mit komischer Stimme in Aris Rücken. Mamas federnde Schritte. Wie der Boden unter Aris Schuhen vibriert.
»Holst du die Koffer und ich geh zur Autovermietung?«, fragt Mama.
Papa nickt und zieht Ari hinter sich her zum Gepäckband.
Aris Handy brummt.
Hau doch einfach ab und komm zu mir!
Jaaaaaa! Ich komm jetzt sofort! Das kriegen die eh nicht mit! Ich bin ja schon am Flughafen!
Ari grinst und schaut sich um. Stellt sich vor, wie sie einfach in einen anderen Flieger steigt, nur mit ihrem Rucksack, der Jeansjacke und Handy. Abenteuer, denkt Ari.
Papa schiebt sich durch die anderen Menschen zum Band, wo der erste Koffer liegt, schwer. Papa hievt ihn vom Band, niemand macht ihm Platz. Andere Hände greifen nach anderen Koffern.
Ari steht da nur, das Handy in der Hand, sieht, wie das Gepäckband seine Runden dreht wie ein schlechtes Karussell. Wie sich Menschen aneinander vorbeischieben. Nebenan ein Flug aus London. Keiner mehr da, nur noch ein einsamer Koffer.
»Ari!«, ruft Papa, und sie schaut hoch. »Hol mal einen Gepäckwagen.«
Ari kramt in ihrer Tasche nach der Sonnenbrille.
Der Asphalt unter Aris Füßen fühlt sich weich an. Sie geht den Eltern hinterher zum Parkplatz, bleibt bei einem Auto stehen, als die Eltern stehen bleiben. Das Schloss entsperrt laut. Sie laden die Koffer ein, Papa geht zur Fahrertür, Mama gibt ihm im Vorbeigehen den Schlüssel. Ari öffnet die Tür hinter der Fahrertür, steigt ein.
Atmet tief ein und riecht das Auto.
»Oh, noch ganz neu, was?«, sagt Mama und schnallt sich an. Sie schaut nach hinten zu Ari. Ari lächelt Mama an. Nickt.
Aris Handy brummt. Elif schreibt, dass es jetzt Essen gibt, dass sie aber geschworen hat, dass sie nie wieder essen will, jetzt, wo sie gesehen hat, wie dick alle Frauen in ihrer Familie sind.
Dann schreibt sie, dass das Essen voll lecker ist.
Dass sie dann einfach dick wird.
worth it
Mama tippt die Adresse ins Navi. Papa fährt los.
Die Luft im Auto wird langsam kälter. Ari schaut zum Fenster raus.
»Schau, dahinten ist das Meer!«, ruft Mama zu Ari. Ari streckt sich.
»Siehst du?«
Ari sieht nichts und nickt, lächelt Mama an. Mama lächelt zurück, legt Ari kurz eine Hand aufs Knie.
Das Navi scheppert seine Anweisung.
Ari sieht wieder raus. Sie lassen den Flughafen hinter sich. Ari macht kurz die Augen zu.
Als sie auf der Schnellstraße sind, macht Papa das Radio an. Mama dreht es leiser.
Er schaut sie an.
»Navi«, sagt sie.
Papa seufzt.
Ari setzt sich auf. Weiße Häuser. Dahinter endlich das Meer. Hallo, Meer, denkt Ari und lächelt.
Sie fahren weniger als eine halbe Stunde an der Küste entlang, dann ab von der Straße auf eine andere, kleinere, einen Hang hoch. Ari dreht den Kopf, solange sie kann, bis sie das Meer nicht mehr sieht.
Die Straße schlängelt sich, windet sich, malt Schlaufen auf den Berg.
Ari sieht Gestrüpp, sieht Bäume, »Oliven«, sagt Mama und deutet. Sie sieht Ziegen als weiße Punkte am Hang.
»Da«, zeigt Mama, und Ari sieht eine Windmühle weiter oben, klein, weiß, die Flügel Segel, ein Schiff ohne Meer.
»Ist nicht mehr weit«, sagt Papa nach vorne.
Ari lehnt sich nach rechts, versucht an ihm vorbeizuschauen. Da ist nur Hang, da ist nur Straße.
Kakteen. Bäume.
»Schau mal, Zitronen!«, ruft Mama.
Die Straße wird flacher. Ari dreht sich um und hält sich am Türgriff fest.
Das Meer ist jetzt eine Fläche, sie sieht das Weiß der Wellen, wie es sich kräuselt.
»Ist gar nicht so weit weg«, sagt Mama. Sie dreht sich zu Ari, streichelt ihr die Wange mit den Fingerspitzen. »Schau, wir fahren ganz oft runter.«
»Wir hätten ja auch unten an der Küste mieten können«, sagt Papa.
»Aha«, sagt Mama und schaut ihn an.
Papa antwortet nicht, fährt weiter geradeaus, dann hebt er einen Zeigefinger.
»Wir sind da.«
Der Wagen kriecht durch enge Gassen.
Dann halten sie an.
Sie steigen aus.
»Ich hol mal den Schlüssel im Laden«, sagt Mama und geht los.
Hallo, Haus, denkt Ari.
»Hilfst du mir?«, fragt Papa Ari.
Ari zieht ihren Koffer über Steinstufen, heben, rollen, heben, rollen.
»Das macht Muskeln«, sagt Papa.
Ari lacht halb. Viertel. Sie stellt den Koffer ab. Schnauft.
Papa springt die Treppen runter, holt den letzten Koffer. Mama kommt die Straße entlang und winkt mit dem Schlüssel.
Papa setzt den Koffer ab. Er stemmt die Fäuste in die Seiten und nickt. »So. Urlaub«, sagt er.
Zwei Mofas fahren an Mama vorbei. Aris Augen folgen, bis sie um eine Häuserecke biegen. Ari schaut weiter, wo nichts mehr ist.
»Dorfjugend«, Papa kichert. Er schubst Ari in die Seite. Ari guckt auf den Boden. Legt sich eine Hand an die Wange.
»Da können wir auch gleich ein bisschen einkaufen«, sagt Mama noch, als sie die Stufen hochsteigt. »Die haben von allem was, das reicht für den Anfang. Heut Abend können wir ja essen gehen.«
»Hast du Hunger?«, fragt Papa Ari.
Sie zuckt mit den Schultern. Lauscht in ihren Bauch, ob da Hunger ist.
»Dann gehen wir gleich hin und du suchst dir was aus. Aber erst mal auspacken.«
Mama schließt die Tür auf und schiebt sich an den Koffern vorbei ins Haus. Kalte Luft schwappt nach draußen.
Mama holt tief Luft, dann schnüffelt sie.
»Hier riecht es«, sagt sie, sagt aber nicht, wonach. Sie fängt an, die Fenster zu öffnen.
An der Wand ist ein Herd, ein Kühlschrank, Küchenschränke mit Arbeitsplatte. Mitten im Raum steht ein langer Tisch mit Stühlen drum herum. Auf den Sitzflächen bunte Kissen. Ari sieht ein müdes Sofa an einer Wand, daneben unentschlossen ein Sessel, auf beiden Kissen und Tücher.
Papa hat die Koffer reingeholt. Mama ist fertig mit Fensteröffnen und fängt an mit Türenöffnen. »Hier ist dein Zimmer«, sagt sie zu Ari.
Ari nimmt ihren Koffer und zieht ihn in das Zimmer.
Der Koffer rumpelt über die Steinplatten.
Das Zimmer ist klein. Ein Bett, ein Schrank. An der Wand ein schmaler kleiner Tisch, auf dem ein buntes Deckchen liegt, darauf eine leere Schale. Ari starrt die Schale an.
Der Koffer ist zu groß fürs Zimmer. Ari kann ihn nicht aufklappen.
Der Koffer klemmt mit halb offenem Maul wie ein verhindertes Krokodil zwischen Wand und Bett. Ari macht ein Foto und schickt es Elif.
Elif lacht zurück.
Dann schaut Ari aus dem Fenster.
Der Himmel ist blau wie ausgedacht. Die Häuser alle weiß wie in einer Waschmittelwerbung. Ari kneift die Augen zusammen. Auf der Mauer gegenüber läuft eine Katze entlang. Hält inne, schaut zu Ari und setzt sich hin. Ari schaut die Katze an. Hallo, Katze, denkt Ari und fragt sich, ob Katzen Gedanken lesen können. Die Katze schaut zurück.
»Ari!«, ruft Mama und steckt wenig später den Kopf ins Zimmer.
»Oh«, sagt sie, als sie den Koffer sieht. »Komm, hilf mal«, sagt sie, dann hievt sie mit Ari den Koffer aufs Bett.
»Auspacken schaffst du, ne?« Ari nickt. »Gut, dann pack aus, und dann gehen wir was zu essen holen.«
Mama lässt die Tür offen.
Ari schaut zum Fenster. Die Katze ist weg. Sie hört Mofageräusche.
Um das Haus herum läuft die Terrasse. Jetzt fällt Schatten auf den Tisch, der da steht. Mama packt die Tüte aus, Brot, Oliven, Käse, Tomaten, Weintrauben. Milch.
Papa kommt raus. »Ich kann keine Kaffeemaschine finden.« Papa hat eine Karaffe Wasser in der Hand, steht da.
Mama dreht sich zu ihm. »Ich guck gleich«, sagt sie.
Papa nickt. Er stellt das Wasser auf den Tisch.
Die Mofas fahren die Straße auf und ab.
Mama schaut auf die Uhr. »Haben die hier nicht Siesta?«
»Spanien«, sagt Papa.
»Das weiß ich auch!«
Mama guckt ihn an. Papa schiebt Dinge auf dem Tisch herum.
»Dann find ich halt jetzt die Kaffeemaschine«, sagt sie und geht ins Haus.
Ari steht neben dem Tisch und macht nichts.
Wieder kommt ein Mofa vorbei. Ein Junge mit Helm, einer ohne Helm hinter ihm. Der hält sich am Gepäckträger fest. Und schaut zu Ari.
Ari schiebt sich die Haare hinters Ohr.
»Gläser«, sagt Papa und geht ins Haus.
Ari schaut ihm hinterher.
Das Mofa fährt vorbei, der Junge ohne Helm hebt eine Hand und winkt Ari. Er grinst. Aris Blick klebt fest. Sie hört Lachen. Hallo, denkt Ari.
Im Haus reden Mama und Papa.
Ari schaut die Straße runter. Es bleibt still. Sie fühlt etwas an ihrer Wade, erschrickt. Die Katze reibt sich an ihr. Maunzt.
»Oh, eine Glückskatze«, sagt Papa, als er rauskommt.
Er beugt sich runter, streichelt sie. Die Katze schnurrt Papa an.
»Die ist doch bestimmt total verlaust und verwurmt, die würd ich nicht anfassen«, sagt Mama. Sie stellt den Kaffee auf den Tisch.
Papa streichelt die Katze weiter. »Bist du verwurmt? Bist du verlaust? Nein, oder?«
Die Katze reckt sich nach Papas Hand, schließt die Augen.
Mama verzieht das Gesicht.
Papa steht auf, hebt die Hände und knurrt wie ein Monster.
»Wage dich!«, sagt Mama und weicht zurück.
Die Katze schaut beide an, leckt sich die Pfote und läuft dann langsam zum Oleander.
Papa jagt Mama.
Ari schaut die Straße lang. Nichts. Ari wartet.
»Nein, Achim, geh dir bitte die Hände waschen, bitte, ich finde das so ekelig!«
»Meine Güte«, sagt Papa.
Mama setzt sich hin. Papa steht hinter ihr, die Hände halb in der Luft, schaut er ihren Rücken an. Dann geht er ins Haus.
Mamas Handy piept.
Sie schaut aufs Display, kriegt zwei Furchen über der Nase.
Ari fährt mit dem Zeigefinger den Tellerrand entlang. Die Katze sitzt unter dem Oleander und schaut mit geschlossenen Augen in den Himmel. Die Luft macht ein Geräusch, das kein Motor ist.
Papa kommt zurück, dreht seine Hände vor Mamas Gesicht hin und her. Wie das Fähnchen auf dem Turme sich kann dreh’n bei Wind und Sturme, denkt Ari,
»Da, sauber«, sagt Papa.
Mama schaut ihn nicht an, guckt auf ihr Handy.
»Arbeit?«, fragt er.
Mama brummt.
Papa holt Luft.
»JA«, sagt Mama.
»ICH WEISS«, sagt sie.
Papa atmet aus, dann schenkt er die Gläser ein.
Er grinst Ari an. »Na?«
Ari macht den Arm lang, hangelt nach den Trauben. Papa schiebt ihr die Schale zu.
»Wassermelone hätten wir auch kaufen können, bei der Hitze.«
So warm ist es nicht, denkt Ari. Mama sagt nichts. Sie geht ins Haus.
»Gleich«, sagt sie im Weggehen, Papa schaut ihr hinterher.
Die Katze lauert. Papa schneidet das Brot in Scheiben.
Ari schaut zur Terrassentür, aber Mama kommt nicht wieder.
»Der hätte mich noch drei Stunden weiter zugetextet, wenn ich nicht irgendwann gesagt hätte, dass mein Akku aufgibt.«
Mama steht an der Arbeitsfläche, hat die Arme verschränkt. Papa trocknet einen Teller ab.
Mama reibt sich die Stirn.
»Und jetzt?«, fragt Papa
Sie zuckt mit den Schultern.
»Das können die doch nicht machen. Du hast doch Urlaub!«
»Meine Kollegin ist gestorben, Achim!«
»Ja, sorry.«
Mamas Mund macht leise sein Sorry nach, er sieht es nicht.
Ari sitzt auf dem Sofa. Das Sofa fühlt sich an wie ein Sack voller Altkleider.
Ari ruckelt den Po hin und her. Zieht die Beine an. Legt sich ein Kissen unter.
»Willst du jetzt etwa wieder heimfahren?«, fragt Papa.
»NEIN!«, sagt Mama. Sie schaut aus dem Fenster an Papa vorbei. »Also abwarten. Wir haben hier ja WLAN.«
Papa zieht die Augenbrauen hoch und wendet sich ab von Mama.
Ari hat ein Buch auf den Knien liegen. Sie hat eine Hand auf die Seiten gelegt, damit es nicht wieder zuklappt.
Mama schaut auf Papas Rücken. Der räumt plötzlich viel weg.
Mama legt eine Hand auf seine Schulter. Dann geht sie ins Elternschlafzimmer.
Irgendwann dreht sich Papa zu Ari.
»Dann machen wir halt unser Ding, was? Strand? Wanderungen? Abenteuer!«
Ari nickt und lächelt Papa zu. Papa nickt zurück. Dann hängt er das Geschirrtuch auf.
Mama bleibt die nächste Stunde im Schlafzimmer. Ari hört ihre Arbeitsstimme durch die Tür.
Papa mischt Karten und schaut immer wieder zur Tür, dann teilt er aus. Ari legt eine Strichliste an.
»Tabula rasa«, sagt Papa. »Danke, dass du mir meine alten Schulden nicht mit in den Urlaub schleppst.«
Ari zieht die Buchstaben nach, nimmt das Lineal aus dem Mäppchen. Stifte rutschen über Stifte, eine Büroklammer fällt auf den Tisch. Ari schiebt sie zurück, zieht eine Linie unter Ari und Papa, eine zwischen sie.
Tabula rasa. Sie nimmt die Karten auf. Fängt an zu sortieren.
Papa gewinnt drei Mal, Ari zwei Mal.
»Weil ich die Katze gestreichelt habe«, sagt Papa.
Die Schlafzimmertür geht auf, Mama läuft zu Papa, umarmt ihn von hinten. Papa streichelt Mamas Unterarm.
»Können wir jetzt was essen gehen?«, fragt Mama in Papas Haare.
Papa brummt Ja.
»Und vielleicht ein bisschen Alkohol trinken?«, fragt Mama.
»Na, ich weiß nicht«, sagt Papa, und Mama beißt ihm ins Ohr.
Ari schaut auf ihr Handy. Elif hat Fotos vom Essen geschickt. Ari hat plötzlich wieder Hunger.
»Na komm, essen«, sagt Mama und sieht Ari an. Sie zieht Papa hoch, bis er steht, bis er sie noch mal in die Arme nimmt.
Ari geht in ihr Zimmer und steht ein bisschen da.
»Kommt, mach hinne, ich hab Hunger«, sagt Mama. Sie steht im Türrahmen.
Ari nimmt ihre Jacke, Labello, das Handy.
»Das muss mit, klar«, sagt Mama. Sie streicht Ari über die Haare. »War ja nur ein Scherz.«
»Du warst doch selbst eben nur am Handy«, sagt Papa.
»Ich hab doch gesagt, dass das nur ein Scherz war. Ari hat das verstanden, nicht, Ari?«
Ari nickt.
»Siehst du?« Mama schaut Papa an. »Bist du fertig? Ich schon. Und Ari auch.«
Papa schnauft. Dann nimmt er die Schlüssel, sein Portemonnaie und schiebt Mama und Ari zur Tür raus.
Die Luft ist lau, und hätte sie eine Farbe, dann wäre sie pfirsichfarben. Die Sonne schwebt über dem Horizont, als hätte sie Zeit und noch keine Lust unterzugehen.
Mamas Hand nimmt Papas Hand. Schlendern.
Ari einen halben Schritt dahinter. Die Fenster der Häuser stehen offen. Sie hört Musik, hört Unterhaltungen, die sie nicht versteht. Riecht fremdes Essen, warm.
Mama dreht sich um. »Ich hab so Hunger!« Dann knurrt sie Papa ins Ohr. Ari grinst.
»Hätteste vorhin mal was gegessen, statt zu telefonieren«, sagt Papa.
Mama schaut ihn im Weitergehen von der Seite an. Aus Schlendern wird Gehen.
Ari schaut in eine Straße, sieht einen Platz mit einem Baum, darunter eine Bank. Vor der Bank zwei Mofas, auf der Bank ein Junge ohne Helm. Schaut. Ari geht weiter und spürt ihre Ohren, ein Rauschen, kratzt sich die Nase und schaut ihren Füßen beim Gehen zu.
Drei Ecken weiter sagt Mama: »Das hier. Das sieht nett aus.«
Das Restaurant hat eine Terrasse mit Aussicht. Die Aussicht ist die Sonne, die jetzt doch langsam versinkt. Ari sieht einen Vogelkäfig am Eingang, sieht den Fink im Vogelkäfig. Fragt sich, warum sie weiß, dass das ein Fink ist.
Schwarz-Weiß-Bilder in bunten Rahmen an weißen Wänden. Musik.
Mama schaut sich um, Papa schaut sich um, dann deutet er auf einen Tisch und nickt Mama und Ari zu. Die Stühle sind laut und schwer.
Jemand macht andere Musik an. Ari macht ein Foto von der Aussicht und schickt es Elif.
Elif antwortet Herzchenaugen.
In einer Ecke zwei alte Männer, die beide Zeitung lesen. Nicht essen. Nur trinken. Reden auch nicht.
Einer der beiden schaut hoch, sieht zu ihnen, ruft laut in den Raum.
Ruft noch mal. Ari schaut und sieht eine Tür aufgehen.
Ein Grinsen kommt schnell zum Tisch gelaufen. So viele Zähne, so weiß.
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Tamara Bach: Honig mit Salz
Wohin soll es gehen?
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