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Admiral Lady Dame Honor Harrington hat den Oberbefehl über die Achte Flotte erhalten - die wichtigste Offensivstreitkraft der Allianz und daher wie geschaffen für den "Salamander", wie die Medien Honor nennen. Im direkten Vergleich zur neuen Feindflotte ist die Navy des Sternenkönigreichs jedoch stark in der Unterzahl. Und die Siegesaussichten verschlechtern sich täglich... Zweiter und abschließender Teil von "Um jeden Preis".
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Seitenzahl: 726
Auf Biegenund Brechen
Roman
Ins Deutsche übertragenvon Dietmar Schmidt
BASTEI ENTERTAINMENT
Vollständige E-Book-Ausgabe
des in der Bastei Lübbe AG erschienenen Werkes
Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG
Deutsche Erstausgabe
Für die Originalausgabe:
Copyright © 2005 by David M. Weber
Published by arrangement with
Baen Publishing Enterprise, Wake Forest, NC
Titel der Originalausgabe: »At all costs« (Teil 2)
Originalverlag: Baen Publishing Enterprises, Wake Forest, NC
Für die deutschsprachige Ausgabe:
Copyright © 2007/2014 by Bastei Lübbe AG, Köln
This Work was negotiated through Literary Agency
Thomas Schlück GmbH; 30827 Garbsen
Lektorat: Uwe Vöhl / Ruggero Leò
Titelillustration: David Mattingly / Agentur Schlück
Umschlaggestaltung: Tanja Østlyngen
Datenkonvertierung E-Book:
Urban SatzKonzept, Düsseldorf
ISBN: 978-3-8387-0972-7
Sie finden uns im Internet unterwww.luebbe.de
Bitte beachten Sie auch: www.lesejury.de
Für
Richard Andrew Earnshaw
1951 – 2005
Nach vierzig Jahren, die wir zusammen gelacht,
geliebt und geweint haben, fällt das Loslassen schwer.
Aber es ist Zeit.
Also fliege, Richard.
Wo immer du bist,
Wohin Gott dich auch führt,
Fliege hoch.
Du warst mir teuer.
Und für Edward Ormondroyd,
Lieferant prächtiger Wunder für die Jugend,
in tiefem Dank.
»Wir haben unsere bisherigen Kriterien zur Zielauswahl und Angriffsstärke überdacht«, sagte Andrea Jaruwalski und blickte im Flaggbesprechungsraum in die Runde.
An der Einsatzbesprechung nahmen sämtliche Divisionskommandeure der Achten Flotte elektronisch teil, und jeder von ihnen hatte in dem riesigen Holodisplay, das über dem Konferenztisch schwebte, einen eigenen Ausschnitt. Die Chefs der Geschwader und Kampfverbände und Scotty Tremaine, in seiner Eigenschaft als dienstältester COLAC der Achten Flotte waren physisch anwesend. Selbst jetzt, fast drei Tage nach dem Massaker auf der Flaggbrücke, spürte Honor noch die Nachwirkungen des Schocks – den innigen Wunsch, nicht glauben zu müssen, was geschehen war. Doch die Erinnerungen ließen sich einfach nicht abschütteln.
»In dieser Hinsicht«, fuhr Jaruwalski fort, die ihrem persönlichen Schmerz durch forsche Professionalität zu entkommen suchte, »stimmen Commander Reynolds und ich mit Ihrer Hoheit überein. Haven hat begonnen, auf Raupenfraß Eins und Zwo zu reagieren. Worin diese Reaktionen bestehen, können wir nicht vorhersehen. Wir wissen natürlich, welche Reaktion wir uns vom Gegner wünschen. Doch selbst wenn wir Haven erfolgreich dazu bewegen könnten, das zu tun, was die Admiralität wünscht, hätte die Situation für die Achte Flotte dennoch definitiv eine Schattenseite. Genauer gesagt werden unsere Ziele gefährlicher. Ob wir es nun einfach mit verbesserter Doktrin zu tun bekommen – wie zum Beispiel im Chantilly-System – oder einer Neuverteilung von Kampfkraft, Haven wird in jedem Fall dafür sorgen, dass die nächsten Einsätze für uns keine Spaziergänge werden.
Infolgedessen kürzen wir unsere Zielliste für Raupenfraß Drei auf nur zwo Sonnensysteme zusammen: Lorn und Solon. Admiral Truman befehligt den Angriff auf Lorn, Ihre Hoheit den Schlag gegen Solon. Jeder Angriffsverband erhält ein Trägergeschwader, und die Schweren Kreuzer und Schlachtkreuzer werden schwesterlich geteilt.«
Sie hielt inne, blickte auf und musterte die Gesichter ihrer Zuhörer, ob stofflich oder elektronisch, dann fuhr sie fort.
»Auch ohne jede präventive Neuverteilung der havenitischen Kräfte sind beide Sonnensysteme wahrscheinlich erheblich stärker verteidigt als unsere bisherigen Angriffsziele. Lorn etwa ist eine relativ wichtige Ausweichwerft der RHN. Dort wird zwar nicht gefertigt, aber sehr viel umgerüstet; allerdings ist die Werft vor allem auf Einheiten ausgelegt, die kleiner sind als Wallschiffe. Wir wissen von früheren Aufklärungsvorstößen, dass Lorn recht stark in die Programme zum Bau der neuen havenitischen LACs eingebunden ist. Deswegen erwarten wir mit relativ hoher Wahrscheinlichkeit, zumindest auf leichte und mittelschwere Kampfschiffe in nicht zu vernachlässigenden Zahlen zu treffen.
Solon ist weniger direkt am Bau oder der Wartung havenitischer Flottenschiffe beteiligt. Allerdings ist das System erheblich dichter bevölkert als alle, die wir bisher angegriffen haben. Nach den letzten Volkszählungsdaten, die uns zur Verfügung stehen, beträgt die Population mehr als zwo Milliarden Menschen, und die Wirtschaftskraft des Systems bildete selbst vor Pierres Staatsstreich einen der wenigen Lichtblicke für Haven. Aus unserer Sicht ist das System daher besonders wertvoll, denn ein erfolgreicher Angriff dürfte erheblichen politischen Druck auf Theisman erzeugen, schwere Einheiten für die Heimatverteidigung abzustellen. Außerdem würde Haven den wirtschaftlichen Schaden, der durch die Vernichtung der Infrastruktur im Solon-System entstünde, deutlich spüren. Alles zusammengenommen bedeutet es natürlich, dass Solon schwerer verteidigt sein wird als die weniger dicht bevölkerten Systeme, die wir bisher angegriffen haben.«
Sie unterbrach sich wieder und überflog die Notizen auf ihrem eigenen Display, dann sah sie wieder auf.
»Damit wäre die Übersicht abgeschlossen, Hoheit. Möchten Sie lieber die Punkte diskutieren, die bereits angesprochen wurden, oder würden Sie es vorziehen, wenn ich mit der systematischen Einsatzbesprechung begänne?«
»Ich glaube, wir fangen damit an, dass wir nachfragen, ob jemand Ihre Ausführungen kommentieren möchte«, antwortete Honor.
Nun blickte sie in die Runde, auf leibhaftige und elektronische Gesichter, und sie lächelte trotz ihrer Erschöpfung und des schmerzlichen Bewusstseins der leeren Flecke hinter ihr, die eigentlich Simon Mattingly und Timothy Meares hätten einnehmen sollen.
»Wer will den ersten Ball ins Spiel bringen?«, fragte sie.
In der Stille klang der Summer des Intercoms erschreckend laut.
Honor setzte sich rasch auf, fuhr sich mit der rechten Hand über die Augen und verzog das Gesicht, als sie die Zeitanzeige des linken Auges aufrief. Kaum fünfzig Minuten lang hatte sie sich auf der Liege ausgestreckt, und nach dem bisschen Schlaf, in den sie gefallen war, fühlte sie sich eher noch stärker gerädert als vorher.
Das Intercom summte wieder, und sie rappelte sich auf und ging hinüber.
»Mac«, sagte sie mit ungewohnter Heftigkeit, »ich dachte, ich hätte gesagt-«
»Es tut mir schrecklich leid, Ma’am«, unterbrach MacGuiness sie. »Ich weiß, dass Sie vor dem Abendessen nicht gestört werden wollten. Es ist jedoch jemand hier, den Sie empfangen sollten.«
»Mac«, sagte sie wieder, ohne die vorherige untypische Hitzigkeit, aber müde, »solange es kein Notfall ist, möchte ich wirklich niemanden sehen. Kann Mercedes sich nicht um die Sache kümmern?«
»Ich fürchte, nein, Ma’am«, erwiderte MacGuiness. »Er kommt direkt von der Admiralität und hat ausdrücklich darum ersucht, Sie persönlich zu sprechen.«
»Oh.«
Honor straffte den Rücken und atmete tief durch. Es war gerade genug Zeit verstrichen, dass ihre erbitterten Kommentare zu Mandel die Admiralität erreicht und eine Reaktion hervorgerufen haben konnten. Und dass man jemanden gesandt hatte, um diese Reaktion persönlich zu überbringen, war ein Hinweis, dass Admiral Givens und das JAG-Corps vielleicht nicht sehr glücklich waren mit Honors Verhalten.
Na, so ein Pech aber auch, dachte sie grimmig. Ich bin Admiral, Flottenchefin, Herzogin und Gutsherrin. Dieser Fall ist zu wichtig, um durch Engstirnigkeit in den Sand gesetzt zu werden, und diesmal werden die maßgeblichen Stellen verdammt noch mal Rücksicht auf mich nehmen!
Der Zorn in ihren Gedanken erstaunte sie ein wenig. Sie fragte sich – nicht zum ersten Mal –, wie viel von diesem Zorn ihren Schuldgefühlen entsprang. Doch das spielte keine Rolle. Nicht wenn sie unerschütterlich sicher war zu wissen, was man Timothy Meares angetan hatte.
»Also gut, Mac«, sagte sie schließlich, »geben Sie mir zwo Minuten, dann können Sie ihn reinschicken.«
»Jawohl, Ma’am.«
Honor schaltete das Intercom ab, nahm ihre Uniformjacke auf, zog sie sich über, schloss sie und blickte in den Spiegel am Schott. Sie zuckte mit den Schultern, damit sich die Jacke richtete, und fuhr sich mit der rechten Hand leicht übers Haar. Das Haar reichte ihr nun halb bis zu den Hüften, wenn sie es offen trug, aber sie hatte die straffen, enggeschlungenen Zöpfe für das allzu kurze Nickerchen nicht gelöst, und sie nickte zufrieden. Die leichte Anspannung rings um ihre Augen hätte jemandem, der sie sehr gut kannte, verraten, wie müde sie tatsächlich war, aber sie fand an ihrer äußeren Erscheinung nichts auszusetzen.
Sie blickte Nimitz an, aber der ’Kater hatte sich auf seine Schlafstange drapiert und schlummerte fest. Sie spürte ihn im Hinterkopf, so wie er sich auch im tiefsten Schlaf, wie sie wusste, ihrer stets wenigstens am Rande bewusst war. Sie weckte ihn nicht. Er war genauso erschöpft wie sie, und auch ihn beschäftigte nach wie vor die Trauer um zwei verlorene enge Freunde.
Simon Mattinglys Begräbnis hatte geholfen … ein wenig. Es hatte zumindest ein wenig Katharsis gebracht, doch zugleich hatte Honor nur umso deutlicher gespürt, wie weit er sich von seiner Heimatwelt entfernt hatte, nur um zu sterben. Für den Gottesdienst hatte sie sich Bruder Hendricks ausgeborgt, den Feldgeistlichen eines graysonitischen LAC-Geschwaders unter Alice Truman. Aus schmerzlicher Erfahrung wusste sie, dass die graysonitische Tradition verlangte, einen Waffenträger dort zu bestatten, wo er gefallen war, und während des kurzen Militärbegräbnisses standen Andrew LaFollet und Spencer Hawke steif wie die Ladestöcke hinter ihr. Danach trugen sie, Alistair McKeon, Michelle Henke und James MacGuiness den mit der Flagge des Gutes von Harrington verhüllten Sarg zur wartenden Luftschleuse.
Die beiden Waffenträger standen wieder in steifer Habtachtstellung hinter ihr, während die innere Luke der Luftschleuse sich schloss. Dann ergriff Bruder Hendricks leise das Wort.
»In die Hände des Allmächtigen Gottes empfehlen wir die Seele unseres dahingeschiedenen Bruders und übergeben seinen Leib dem endlosen Meer des Weltalls in der sicheren Hoffnung in die Auferstehung zum Ewigen Leben durch den Fürbitter, unseren Herrn Jesus Christus, bei dessen Ankunft, um zu richten in glorreicher Majestät über das Universum, es seine Toten aufgeben muss und die vergänglichen Leiber jener, die in Ihm schlafen, verändert werden sollen durch Seine mächtigen Werke, mit denen Er alles nach Seinem Ebenbild schaffen kann, auf dass sie seien wie Sein rühmlicher Leib. Amen.«
Honor hatte die Hand ausgestreckt, während er sprach, und drückte beim letzten Wort den Knopf neben der Luke. Die Luftschleuse warf Simon Mattinglys Sarg aus. Der kleine Reaktionsantrieb aktivierte sich, als er sich hinreichend vom Schiff entfernt hatte, drehte den Sarg und brachte ihn auf einen Kurs, der im fernen Fusionsofen von Trevors Stern enden würde, und Honor hatte das Gefühl gehabt, dass ihr Herz mit auf die Reise ging.
Vielleicht wäre sie später in der Lage, Trost aus den alten Worten des Abschieds zu ziehen. Und gewiss, wenn je ein Mann gelebt und die Prüfung seines Lebens bestanden hatte, so Simon Mattingly. Aber, ach, sie vermisste ihn so sehr.
Sie atmete wieder tief durch, ging an den Schreibtisch und setzte sich dahinter. Dann schaltete sie das Terminal ein, damit es so aussah, als befasse sie sich mit einem Dokument, und wartete.
Genau einhundertzwanzig Sekunden nach dem Augenblick, in dem sie ihm den Befehl erteilt hatte, öffnete MacGuiness die Luke.
»Hoheit«, sagte er, »Sie haben einen Gast.«
Seine Stimme klang eigenartig, seine Gefühle schmeckten noch merkwürdiger, und Honor blickte scharf auf.
»Hallo, Honor«, sagte ihr Besucher, und sie schoss von ihrem Sessel hoch.
»Hamish!«
Danach verschwammen ihre Erinnerungen. Sie spürte nur, dass sie plötzlich in seinen Armen lag.
Hinter sich hörte Honor einen dumpfen Aufprall; Samantha war von Hamishs Schulter gesprungen und huschte über den Teppich. Sie schmeckte Nimitz’ Erwachen und sein plötzliches Entzücken, als das Geistesleuchten seiner Partnerin ihn erreichte.
»Hamish«, wiederholte sie leiser, fast verwundert, und ließ den Kopf an seiner Schulter ruhen.
»›Salamander‹, das passt wirklich zu dir.« Hamishs tiefe Stimme klang mehr als nur ein wenig angeschlagen, und der Druck seiner Arme nahm zu. »Verdammt, Frau – kannst du denn nirgendwohin gehen, ohne dass jemand versucht, dich umzubringen?«
»Tut mir leid«, sagte sie, ohne die Augen zu öffnen, während sie seine aufrichtige Besorgnis schmeckte. »Es tut mir leid, aber damit hat niemand rechnen können.«
»Ich weiß, ich weiß.« Er seufzte, und seine Umarmung lockerte sich ein wenig.
Er legte ihr seine Hände auf die Oberarme, hielt sie auf Armeslänge Abstand und blickte ihr in die Augen. Ihre empathischen Fähigkeiten fehlten ihm, aber erneut schmeckte sie den Widerhall einer Baumkatzenbindung zwischen ihnen, und sie wusste, dass sie ihre innersten Empfindungen genauso wenig vor ihm verbergen konnte wie umgekehrt er vor ihr.
»Arme Honor«, sagte er dann. »Liebste, als wir die erste Nachricht erhielten, da waren Emily und ich …« Er verstummte und schüttelte heftig den Kopf. »Sagen wir einfach, wir haben es nicht gut aufgenommen. Ich wollte auf der Stelle persönlich herkommen, aber ich fürchtete mich vor der Aufmerksamkeit, die das vielleicht auf sich gezogen hätte. Aber dann hast du Mandel gefeuert, und ich entschied, zum Teufel mit der Aufmerksamkeit, die es erregt. Ich kenne dich, Honor. Du hättest ihn niemals so hart niedergeknüppelt, wenn er sich nicht wie ein vollkommener, hoffnungsloser Idiot verhalten hätte und du keine alles überragende Notwendigkeit empfunden hättest, ihn durch jemand Kompetentes zu ersetzen – andernfalls hättest du wirklich sehr schwer trauern müssen. In beiden Fällen musste ich hierherkommen.«
»Ich glaube, es war ein wenig von beidem«, gab sie zu, trat zurück und hakte sich bei ihm ein. Sie zog ihn durch die Kabine, und sie nahmen Seite an Seite auf der Couch Platz. Behaglich lehnten sie sich aneinander.
»Ich trauere sehr«, sagte sie leise. »Nicht nur um Simon. In gewisser Hinsicht nicht einmal hauptsächlich um ihn. Tim …«
Sie verstummte und biss sich auf die Lippe. Ihr Blick verschwamm, und sie erinnerte sich, wie vehement sie Mercedes Brighams Vorschlag zurückgewiesen hatte, darüber nachzudenken, wie sie die Lücke in ihrem Stab füllen wollte, die Meares’ Tod hinterlassen hatte. Kein Admiral war jedoch gezwungen, sich einen Flaggleutnant zu nehmen, und Honor weigerte sich, Timothy Meares zu ersetzen. Es war vielleicht nicht die vernünftigste Entscheidung, die sie je getroffen hatte, aber sie hatte nicht die Absicht, es sich noch einmal zu überlegen.
»Ich trauere«, wiederholte sie. »Und so wird es noch lange bleiben. Aber ich glaube, mein Verhalten ist weitgehend darauf zurückzuführen, dass sich Mandel wie ein eckiger Stift benahm, der in ein rundes Loch wollte.«
»Wegen des Tons deiner Depeschen – und offen gesagt auch seines Berichts an Pat Givens – habe ich mir so etwas schon gedacht«, sagte er. »Allerdings weiß ich auch, dass Mandel wirklich einen guten Ruf als tüchtiger Ermittler hat.«
»Das bezweifle ich auch nicht«, sagte sie. »Ja, wenn ich ganz ehrlich bin, was ich eigentlich gar nicht sein möchte, dann stelle ich mir vor, dass er sich wirklich gut auf seine Arbeit versteht – unter normaleren Umständen. Aber in diesem Fall ist er einfach nicht der richtige Mann. Vielleicht ist er zu erfahren. Es ist, als … als hätte er Scheuklappen. Er weiß, was er weiß, und darauf konzentriert er sich und erledigt seine Aufgabe ohne irgendwelche Ablenkungen durch Amateure, die sowieso nichts von einer kriminalistischen Untersuchung verstehen.«
Hamish zog eine Augenbraue hoch, wie er sie so reden hörte.
»Du bist wirklich sauer auf ihn«, stellte er fest.
»Ich bin enttäuscht«, verbesserte sie ihn. »Na gut, und vielleicht auch sauer, weil er mich so enttäuscht hat. Aber er wollte mir nicht glauben, dass Tim unter irgendeinem Einfluss stand, und er war auch nicht bereit zu glauben, dass Nimitz’ Verstand ausreicht, um zu erfassen, was vor sich geht – vorausgesetzt, eine ’Katz hat wirklich überhaupt irgendwelche telepathische Fähigkeiten –, oder irgendetwas Vernünftiges mitzuteilen.«
»Himmel, er hat aber auch kein Fettnäpfchen ausgelassen, was?«
»Kaum«, gab sie zu und lächelte schwach über den Humor in seiner Stimme. »Aber er war völlig auf den Gedanken fixiert, mein Schuldgefühl brächte mich dazu, nur das Beste von Tim zu glauben. Er war nicht bereit sich anzuhören, was ich ihm über den wirklichen Ablauf sagen wollte. Und er hätte es sich auch niemals anders überlegt. Das wusste ich genau.«
Sie klopfte sich mit dem Zeigefinger leicht an die Stirn und zog ein schiefes Gesicht, und er nickte.
»Dachte ich es mir doch gleich. Und nach allem, was du erzählst, wolltest du ihm wohl nicht sagen, dass du es warst, die gespürt hat, was geschah?«
Honor schnaubte nur, und er lachte ohne große Heiterkeit in sich hinein.
»Offen gesagt, ich bin ganz froh, dass es du es gelassen hast. Mir wäre es lieber, wenn du deine kleine Fähigkeit so lange in Reserve hältst, wie es nur geht. Die Leute sollen ruhig denken, dass Nimitz für die Empathie verantwortlich ist. Es schadet nie, in mancher Hinsicht unterschätzt zu werden.«
»Ich weiß. Ganz zu schweigen davon, dass ich es nicht gern hätte, wenn die Leute mich für eine Gedanken lesende, in ihre Privatsphäre eindringende Missgeburt hielten.«
»Hm.«
Hamish sah einige Augenblicke ins Leere, dann schaute er sie wieder an.
»Ich bezweifle nichts von dem, was du sagst«, versicherte er ihr, »aber ich muss dir schon sagen, ich habe mir die gleiche Aufnahme der Brückenüberwachung angesehen.« Sein Gesicht wurde hart. »Ich hatte dabei eine Höllenangst, obwohl ich schon wusste, dass dir nichts passiert war, ehe sie es mir zum ersten Mal zeigten.«
Er schüttelte den Kopf, und eine Sekunde lang traten seine Kiefermuskeln hervor. Honor umarmte und drückte ihn.
»Was ich eigentlich sagen wollte«, fuhr er nach einigen Herzschlägen mit normalerer Stimme fort, »ich habe gesehen, was passiert ist, und ich begreife, wieso jemand, der deine Fähigkeiten nicht kennt, kaum glauben kann, dass Lieutenant Meares sich von der eigenen Tat abhalten wollte. Er hat sich so schnell bewegt, Honor. So geschickt. Als hätte er nicht nur geplant, was er tun wollte, sondern es auch vorher eingeübt. Ich weiß nicht, ob dir immer klar ist, wie schnell deine Reflexe wirklich sind, aber du hast ihn nur einen Sekundenbruchteil früher getötet, als er dich getötet hätte. Und ich glaube nicht, dass irgendjemand sonst dazu imstande gewesen wäre, Trickfinger hin oder her.«
Honor blickte auf ihren Handschuh.
»Ich weiß, dass es schnell ging«, sagte sie. »Wenn ich nur einen Sekundenbruchteil mehr gehabt hätte – wenn ich mehr hätte tun können, als nur Simons Namen zu rufen –, dann hätten wir vielleicht …«
Sie verstummte und zwang sich zum Durchatmen.
»Ich werde mich immer fragen, ob es besser gewesen wäre, nicht zu rufen«, sagte sie und gab vor Hamish etwas zu, bei dem sie sich nicht sicher war, ob sie es allein vor sich hätte zugeben können. »Habe ich ihn abgelenkt? Habe ich ihn bewegt, in meine Richtung zu schauen, genau in die falsche Richtung also, während er sonst vielleicht etwas gesehen, etwas bemerkt hätte?« Sie sah Hamish in die Augen. »Habe ich seinen Tod verschuldet?«
»Nein.« Hamish schüttelte bestimmt den Kopf. »Ja, du hast ihn vielleicht abgelenkt, aber wovon? Von einem jungen Mann, den er schon tausendmal in die Flaggbrücke hat treten sehen, mit völlig legitimer Absicht?« Er schüttelte wieder den Kopf. »Nicht einmal ein graysonitischer Waffenträger hätte so etwas erwarten können, Liebes.«
»Aber er war mein Freund«, flüsterte Honor. »Ich … er hat mir etwas bedeutet.«
»Das weiß ich.«
Nun drückte Hamish sie, und sie ergab sich seiner Umarmung.
»Dennoch«, fuhr er fort, »deutet mir der Umstand, dass du so wenig Zeit zum Reagieren hattest, Verschiedenes an.«
»Zum Beispiel?«
»Erstens, dass er auf keinen Fall ein havenitischer Agent sein konnte. Das hätte er vor dir – oder vor Nimitz – niemals so lange verbergen können. Zwotens, dass er, was immer mit ihm geschehen ist, jedenfalls nicht psychojustiert war.«
»Wieso das denn nicht? Ich meine, wie kannst du dir da so sicher sein?«
»Zum Teil, weil Mandel, egal wie stur du ihn findest, recht hatte. Eine Justierung braucht Zeit – viel Zeit, auch bei jemandem ohne die Sicherheitssperren, die bei Offizieren zum Standard gehören. Zum Teil aber auch, weil jemand, der justiert wurde, sich dessen gewahr ist. Auf irgendeiner Ebene weiß er, dass er nicht vollkommen Herr dessen ist, was er tut. Ich habe deshalb mit Samantha sogar einen raschen Abstecher zum Haus deiner Eltern auf Sphinx gemacht und mich bei den Sagen-Künderinnen des Clans vom Hellen Wasser nach dem versuchten Anschlag auf Königin Adrienne erkundigt.«
»Weißt du, das hatte ich vollkommen vergessen«, sagte Honor mit bekümmerter Stimme.
»Du hast viel Stress gehabt«, entgegnete Hamish. »Aber Samantha hat das Sagenlied der ganzen Episode zu hören bekommen. Sie sagt, dass der Attentäter schon in dem Augenblick, in dem er in Dianchects geistige Reichweite kam, genau wusste, was mit ihm geschah. Es war keineswegs so, als … wäre ein Schalter umgelegt worden. Dianchect hat ihn entdeckt, ehe er in Sichtkontakt zu der Kronprinzessin kam, und er wusste in der gleichen Sekunde, in dem er das Geistesleuchten des Attentäters schmeckte, dass etwas furchtbar falsch war. Das ist hier nicht der Fall gewesen.«
»Nein, das nicht«, stimmte Honor zu. »Als Tim durch die Luke kam, war er bester Stimmung. Alles war normal, ganz wie immer. Und dann plötzlich riss er Simons Pulser an sich.«
»Also ist er nicht justiert gewesen«, sagte Hamish nachdenklich, »sondern er war programmiert.«
»So kann man es wohl ausdrücken. Aber wie kann das zuwege gebracht worden sein?« Honor schüttelte den Kopf. »Deshalb denke ich immer wieder daran zurück. Wie in Gottes Namen könnte jemand einen anderen Menschen auf diese Weise programmieren, ohne dass dieser sich auch nur gewahr ist, dass es geschah?«
»Die Antwort darauf kenne ich nicht«, sagte Hamish grimmig, »aber hier ist noch eine Frage: Wieso ist es jetzt passiert? Wieso nicht früher?«
»Du willst damit sagen, dass man ihn während seines letzten Ausflugs nach Manticore programmiert hat, wie auch immer es vonstatten ging?«
»Vermutlich, aber das CID hat seinen gesamten Besuch aufs Genauste unter die Lupe genommen, ohne irgendetwas Ungewöhnliches zu finden. Und davon mal ganz abgesehen, warum dann und dort? Warum nicht bei einer Stabsbesprechung oder bei einer Einladung zum Abendessen?«
»Vielleicht wegen der Gelegenheit«, erwiderte Honor nachdenklich. Als er sie anblickte, zuckte sie mit den Schultern. »Ich glaube, das war das erste Mal, dass er mit mir und nur einem Waffenträger zusammen war. Oder zumindest, dass nur ein Waffenträger dabei war, dem er sich aus gutem Grund auf Armeslänge so natürlich nähern konnte, dass selbst ein graysonitischer Waffenträger daran nichts ungewöhnlich gefunden hätte.«
»Und warum wäre das wichtig?«
»Weil«, sagte sie grimmig, »meine Waffenträger die einzigen ständig bewaffneten Personen in meiner Nähe sind. Um mich zu töten, brauchte er zunächst eine Waffe, und dann musste er meine Leibwache … ausschalten. Indem er Simon die Waffe abnahm, konnte er beide Ziele gleichzeitig erreichen.«
»Verstehe.« Hamish runzelte die Stirn, dann zuckte er die Achseln. »Du könntest auf der richtigen Fährte sein. Ich weiß es nicht. Ich weiß aber, wo etwas Ähnliches schon einmal geschehen ist.«
»Wo etwas Ähnlich … Ach! Oberstleutnant Hofschulte!«
»Genau. Pat Givens hat bereits eine Depesche an die Andermaner gesandt, in der sie um sämtliche Akten im Fall Hofschulte bittet, weil es sich sehr ähnlich anhört: ein vollkommen vertrauenswürdiger, vollkommen treuer langjähriger Gefolgsmann, der plötzlich überschnappt und versucht, Prinz Huang und dessen gesamte Familie zu ermorden. Wenn ich mich recht erinnere, ist die Möglichkeit einer Justierung sehr genau erwogen worden, aber Hofschulte war nie lange genug außer Sicht, um so etwas zu ermöglichen. Und auch das klingt ganz genau wie bei uns.«
»Aber warum sollte Haven den andermanischen Kronprinzen ermorden lassen?«, fragte Honor verwirrt.
»Das kann ich dir nicht sagen«, gab Hamish zu. »Ich weiß nur, dass der Modus Operandi sehr ähnlich zu sein scheint. Ich könnte mir einige Vorteile denken, die sie jetzt dadurch hätten, wo sie sowohl mit den Andermanern als auch mit uns im Krieg liegen, aber damals?« Er schüttelte den Kopf. »Natürlich hat damals noch die SyS ihre gesamte Geheimdienstmaschine beherrscht. Vielleicht hatte man ein Motiv, das wir aus unserer Perspektive einfach nicht sehen.«
»Das ist nur schwer vorstellbar«, sagte Honor nachdenklich. »Ich frage mich nur …«
»Was fragst du dich?«, erkundigte sich Hamish nach einigen Sekunden.
»Was? Oh!« Honor holte sich in die Gegenwart zurück. »Ich habe mich nur gefragt, ob es vielleicht noch jemanden gibt, jemanden, der eine Technik entwickelt hat, die es ermöglicht, solche Anschläge zu unternehmen, und der sich anheuern lässt?«
»Gut denkbar.« Hamish überlegte. »Sogar sehr gut denkbar. Denn ich könnte mir außer Haven niemanden denken, der sowohl Motiv als auch Ressourcen hätte, um so etwas auszuführen.«
»Ich auch nicht«, stimmte Honor ihm zu, aber ihr Stirnrunzeln verschwand nicht.
Ja, Mordanschläge waren stets eine bevorzugte Taktik der Volksrepublik gewesen, egal ob durch InAb oder SyS ausgeführt. Mit einem Thomas Theisman jedoch hätte sie solche Methoden nicht in Verbindung gebracht. Andererseits kam Eloise Pritchart aus dem havenitischen Widerstand, und ihren Aprilisten waren mehrere Dutzend Ermordungen von Legislaturisten und InAb-Mitarbeitern in Schlüsselpositionen zugeschrieben worden. Und wie immer Honor es sehen wollte, als Kommandeurin der alliierten Flotte, die den Zivilisten wie dem Militär der Republik den größten Schaden zugefügt hatte, war sie eindeutig ein legitimes militärisches Ziel.
Und ein Mordschlag vernichtete einen auch nicht mehr als ein bombengepumpter Röntgenlaser.
»Naja«, sagte Hamish schließlich, »einer der Gründe, weshalb ich hierhergekommen bin, war, dir zu sagen, dass Pat es zu schätzen wüsste, wenn du beim nächsten Mal den Dienstweg bemühen würdest. Aber wenn du Mandel los sein willst, dann wird er abgezogen. Und sie hat mir anvertraut, dass er, wenn er dir zu nahe getreten wäre, statt nur ein Klotzkopf zu sein, sich auf einen langen Fall hätte einstellen können.«
»Nein.« Honor schüttelte den Kopf. »Nein, so sehr meine gehässige Seite das auch gern sehen würde, das Problem war wirklich nur seine … mangelnde Aufgeschlossenheit gegenüber neuen Hypothesen.«
»Meine Güte, wie diplomatisch du dich ausdrückst«, brummte ihr Ehemann. Dann grinste er schief. »Als Zwotes hat sie gefragt, ob Commander Simon dir genehm ist.«
»Das ist sie. Wegen ihres Namens ist es zwar, als würde ich mir mit dem Finger in der Wunde stochern, aber sie ist aufgeschlossener als Mandel. Ich will nicht sagen, dass sie mir zustimmt – noch nicht jedenfalls –, aber wenigstens schließt sie die Möglichkeit nicht aus. Und sie hat sich auch noch nicht mit einer eigenen Theorie verheiratet. Sie glaubt offenbar, was die Xenologen in den letzten Jahren über Baumkatzen und ihre Fähigkeiten veröffentlicht haben.«
»Gut, dann soll Samantha mit ihr reden. Wahrscheinlich haben wir nicht so viel Glück, dass sie Gebärdensprache lesen kann?«
»Nein, das kann sie nicht.«
»Schade. Wenn das so ist, werde ich wohl dolmetschen müssen.« Hamish zuckte mit den Achseln. »Das könnte ein interessantes Gespräch werden, besonders wenn Samantha ihr von dem Sagenlied über Königin Adrienne erzählt. Und ich kann dabei wenigstens das Gefühl haben, ich unternehme etwas gegen die Dreckskerle, die versucht haben, meine Frau zu ermorden.«
Beim letzten Satz war seine Stimme hart geworden, und sie spürte den Zorn – und die Furcht – dahinter.
»Versucht haben sie es vielleicht, und vielleicht haben sie eine Reihe anderer Menschen tatsächlich ermordet, aber mich nicht, und sie bekommen mich auch nicht«, versprach sie ihm und hob die rechte Hand, um ihn an der Wange zu berühren.
»Nicht durch Attentäter zumindest«, entgegnete Hamish mit einem leicht gezwungenen Lächeln. »Nicht wenn du und dein pelziger Schatten die Augen aufhalten.«
Honor erwiderte sein Lächeln und versteifte sich.
»Das ist es«, sagte sie leise.
»Was ist ›das‹?«, fragte er, als sie nicht augenblicklich weitersprach.
»Nun, wenn es wirklich eine neue Technik für Mordanschläge gibt, die sie bei Tim angewendet haben, ohne dass er lange genug verschwand, um justiert zu werden, dann könnten sie es mit jedem tun. Das heißt, wirklich jeder könnte ein programmierter Mörder sein, ohne es auch nur zu ahnen.«
»Wo wir gerade von Albträumen reden«, brummte Hamish, und Honor nickte grimmig.
»Aber in dem Augenblick, in dem die Programmierung sich einschaltet, weiß man, dass jemand oder etwas einen kontrolliert«, sagte sie, »und keine Baumkatze könnte so etwas übersehen.«
»Wie Vorkoster«, sagte Hamish bedächtig. »Oder Kanarienvögel in Kohlebergwerken auf Alterde.«
»Mehr oder weniger«, stimmte sie zu. »Sehr viel Vorwarnzeit hat man nicht, aber wenigstens etwas. Und wenn die Leibwächter der Zielperson wissen, dass die ’Katz ihnen das Stichwort geben wird, dann könnte das reichen.«
»Der Palastschutz und das Queen’s Own achten nun schon seit Jahrhunderten auf Baumkatzen«, sagte Hamish. »Wenigstens sie hätten dabei kein Problem.«
»Nein, du musst unbedingt Dr. Arif und ihre Kommission einschalten. Genau auf so etwas wartet sie, und sie ist bereits in einer Position, sämtliche Baumkatzenclans zu verständigen, dass Freiwillige gesucht werden. Wir können nicht überall Baumkatzen postieren – es gibt von ihnen nicht genug, auch wenn sie alle bereit oder mental gerüstet sind, mit so vielen Menschen auf solch engem Raum zusammenzuarbeiten –, aber mit ihrer Hilfe können wir wahrscheinlich die meisten der wichtigsten Zielpersonen von Ministerebene aufwärts schützen.«
»Eine ausgezeichnete Idee«, lobte Hamish und lächelte sie auf ganz andere Art an.
»Was ist?«, wollte sie wissen, als sie die plötzliche Verlagerung seiner Gefühle schmeckte und tief in ihr eine angenehme Wärme darauf reagierte.
»Nun«, sagte er und drehte sich auf der Couch zur Seite, damit er ihr Gesicht zwischen die Hände nehmen konnte, »ich kann nun wahrheitsgemäß meinen Mitlords der Admiralität berichten, dass ich meinen offiziellen Anliegen nachgekommen bin, als ich hier draußen war. Nachdem das also erledigt ist, warum kümmern wir uns nicht um ein kleines inoffizielles Anliegen, Ms Alexander-Harrington?«
Und damit küsste er sie.
»Also sagen Sie schon, Chef. Sind wir uns sicher, dass es diesmal eine gute Idee ist?«, fragte Captain Molly DeLaney.
Admiral Lester Tourville blickte sie mit angedeutetem Stirnrunzeln an, und sie zuckte die Schultern.
»Ich sage nicht, dass es keine gute Idee wäre«, erklärte seine Stabschefin. »Nur als uns das Oktagon das letzte Mal auf solch eine kleine Mission schickte, lief es gar nicht so gut.«
Die Zeiten haben sich wirklich geändert, reflektierte Tourville. Unter dem alten Regime wäre ein Offizier, der ausgesprochen hätte, was DeLaney gerade gesagt hatte, verhaftet, wegen Defätismus und Verrat am Volke angeklagt und fast mit Sicherheit füsiliert worden – wahrscheinlich innerhalb von weniger als vierundzwanzig Stunden.
Nicht dass sie völlig unrecht hätte, räumte er bei sich ein.
»Doch, Molly«, sagte er jedoch. »Zufällig halte ich es tatsächlich für eine gute Idee. Und«, fügte er mit ganz leichter Betonung hinzu, »was Sie mir wie jetzt unter vier Augen sagen, ist eine Sache.«
»Verstanden, Sir«, erwiderte DeLaney ein wenig förmlicher – aber, wie Tourville zufrieden feststellte, ohne eine Spur von Unterwürfigkeit.
»Ich will aber zugeben«, fuhr der Admiral dann fort, »dass ein Angriff auf ein Ziel wie Sansibar wirklich nichts für schwache Nerven ist, aber wenigstens steht uns diesmal etwas wie angemessene – und zutreffende – operative Aufklärung zur Verfügung. Und vorausgesetzt, unsere Zahlen stimmen, bringen wir diesmal auch einen genügend großen Hammer mit.«
»Das weiß ich«, entgegnete DeLaney, und in ihrem Lächeln lag vielleicht eine Spur von Verlegenheit. »Es ist nur, dass wir beim letzten Mal so komplett mit runtergelassener Hose erwischt worden sind.«
»Das«, gestand Tourville ein, »ist uns gewiss passiert. Diesmal allerdings können wir uns ziemlich sicher sein, dass Honor Harrington woanders ist. Und während ich nicht besonders zum Aberglauben neige, muss ich zugeben, dass ich das für ein gutes Omen halte.«
DeLaney und er tauschten ein Grinsen, das mehr als ein wenig gezwungen wirkte, während sie sich an die Schlacht von Sidemore Station erinnerte. Es war das zweite Mal gewesen, dass Lester Tourville mit Honor Harrington die Klingen gekreuzt hatte. Beim ersten Mal hatten Schiffe unter ihrem Kommando ihr Schiff zusammengeschossen und sie gefangen genommen. Beim zweiten Mal, das gab er offen zu, hatte sie ihm so sehr in den Hintern getreten, dass dieser ihm zwischen die Ohren hüpfte.
Hinter seinem gelassenen Gesichtsausdruck verbarg sich ein innerliches Schaudern, das ihn befiel, wann immer er an den Albtraum im Marsh-System zurückdachte. Vierhundert Lichtjahre von der Heimat entfernt mit einer Flotte unter seinem Kommando, die eigentlich einen entscheidenden Vorteil gegenüber dem unvorbereiteten, ahnungslosen Gegner haben sollte. Er hatte aber entdecken müssen, dass sein Gegner alles andere als ahnungslos war – und tatsächlich sehr gut vorbereitet.
Als Harrington ihre Falle zuschnappen ließ, rechnete Tourville zunächst nicht damit, noch zu entkommen. Dennoch gelang es ihm, beinahe ein Drittel seiner Schiffe herauszuholen. Was natürlich nur eine andere Formulierung dafür darstellte, dass er mehr als zwei Drittel seiner Flotte verlor. Und er hätte alle verloren, hätte Shannon Forakers Verteidigungsdoktrin nicht so gut funktioniert. Die meisten Schiffe, die er retten konnte, waren schwer angeschlagen, und obwohl er in den Tiefen des Hyperraums alle Verfolger abschütteln konnte, war die Heimreise ein ganz eigener Albtraum gewesen. Durch die Schäden auf die Delta-Bänder beschränkt, war die maximale Scheingeschwindigkeit auf 1300 c beschränkt, und die Reise dauerte über drei Monate. Drei Monate, in denen der Verband mit beschränkten Bordmitteln gegen Gefechtsschäden ankämpfen musste. Drei Monate, in denen Tourville zusehen musste, wie seine Verwundeten sich erholten – oder nicht –, obwohl selbst seine überlebenden Einheiten dreißig Prozent des medizinischen Personals verloren hatten. Drei Monate ohne die geringste Idee, wie der ganze Rest von Unternehmen Donnerkeil verlaufen war.
Zum Glück lautete die Antwort auf diese letzte Frage, dass die Operationen recht gut verlaufen waren. Der Erfolg der anderen Flottenchefs hätte vielleicht ein wenig mehr Salz in der Wunde seiner Niederlage bedeuten können, doch wenigstens war Manticore alles in allem weit schlimmer getroffen worden als die Republik. Schade war, dass Javier Giscard sich gegen den Angriff auf Trevors Stern entschieden hatte. Doch Tourville konnte ihm diese Entscheidung nicht verübeln – nicht wenn er zugrundelegte, was Giscard zum Zeitpunkt der Entscheidung gewusst hatte. Der Angriff auf Grendelsbane hingegen war ein besonderer Erfolg gewesen, und im Oktagon hatte niemand Tourville oder seinem Stab vorgeworfen, was der Zweiten Flotte im Marsh-System zugestoßen war.
Der eine oder andere Politiker hatte sich dazu geäußert. Zwei davon so lautstark, dass Lester Tourville sie unverzüglich auf seiner ganz persönlichen Schwarzen Liste verewigt hatte. Das war eine Seite einer lebenden, atmenden Demokratie, auf die er gut und gerne verzichten konnte. Das deutlichste Zeichen, dass er nach wie das Vertrauen seiner Vorgesetzten besaß, war jedoch sein neues Kommando.
Die Zweite Flotte war neu. Die alte Zweite Flotte – ihr Rest – war nach Donnerkeil aufgelöst worden, und das Grundgerüst der neuen bestand aus kampferprobten Einheiten, die bevorzugt Neubauten erhielten, nachdem sie die Fortbildung unter Shannon Forakers Oberaufsicht im Schlupfloch-System abgeschlossen hatten. Als man ihm den Befehl übertrug, hatte er angenommen, dass noch wenigstens ein T-Jahr verginge, ehe die Flotte ins Gefecht geschickt wurde, wahrscheinlich noch mehr Zeit. Die Zweite Flotte sollte der Schlagring sein, von dem niemand auf der Gegenseite etwas wusste, bis Tourville ihm damit einen vernichtenden rechten Haken verpasste.
Doch selbst die besten Pläne konnten sich ändern, und das Unternehmen Gobi war genau das Richtige für einen Lester Tourville. Es verlangte auch nicht, seine gesamte Stärke einzusetzen; er konnte vielmehr den erforderlichen Angriffsverband aus seinen erfahreneren, kampferprobten Einheiten zusammenstellen, ohne die Neulinge preiszugeben. Er hätte die gesamte Operation durchaus einem seiner Kampfverbandschefs übertragen können – wenn denn auch nur die kleinste Chance bestanden hätte, dass er einen solchen Einsatz nicht selbst kommandierte.
Interessant sollte es trotzdem werden«, sagte er nach kurzem Schweigen. »Ich war nicht dabei, als Sansibar während Ikarus zum letzten Mal niedergeknüppelt wurde, aber ich glaube nicht, dass es die Sansibaraner besonders freuen wird, schon wieder von einem Fluglastwagen überrollt zu werden. Und Sansibar ist für die Kriegsanstrengungen der Allianz mindestens so wichtig wie für alle Systeme zusammengenommen, die Harrington bisher angegriffen hat.«
DeLaney nickte. »Weiß ich, Chef. Ich glaube, das ist mit ein Grund, weshalb ich mich vielleicht ein bisschen sorge.« Tourville sah sie mit hochgezogener Braue an, und sie zuckte mit den Achseln. »Den Mantys muss klar sein, wie wichtig Sansibar für sie ist, wenn wir es schon wissen. Und sie haben eine Menge über ihre Verteidigungsaufstellungen preisgegeben, als wir sie zuletzt dort angriffen. Wenn ich an ihrer Stelle wäre, hätte ich mittlerweile einiges geändert.«
»Und genau das wird im Operationsplan auch vorausgesetzt«, sagte Tourville. »Solange Manticore sich nicht entschlossen hat, sehr viele Wallschiffe dorthin zu verlegen, wird die Allianz eine Variante dessen benutzen, was wir bereits gesehen haben. Und im Gegensatz zu ihnen sind wir durchaus bereit, einen großen Schlachtwall einzusetzen.« Er grinste. »Ich glaube kaum, dass den Mantys das Spiel genauso sehr gefallen wird wie uns.«
Honor stand auf der Flaggbrücke der Imperator, die Arme locker auf dem Rücken verschränkt, und beobachtete auf ihrem Plot, wie die Achte Flotte zur Operation Raupenfraß III aufbrach. Die Blutspritzer waren natürlich längst beseitigt worden, die zerschossenen Konsolen und Sessel ersetzt. Niemand auf der Brücke würde jedoch so rasch vergessen, dass hier sechs Menschen gestorben waren, die sie alle gekannt hatten. Und Honor spürte Spencer Hawke, der an Simon Mattinglys Platz neben der Luke stand.
Sie sah zu, wie die stillen, friedlichen Icons durch das Display zogen, konstant zur Hypergrenze von Trevors Stern beschleunigten, und versuchte ihre Empfindungen zu analysieren. Trauer herrschte vor, fand sie. Und dann … nicht ganz Schuld, aber doch etwas Ähnliches.
Zu viele Waffenträger waren in Ausübung ihrer Pflicht für sie gestorben, sei es, während sie Honor schützten, sei es als Unbeteiligte bei Raumgefechten, an deren Nähe sie ohne Honor nicht einmal gekommen wären. Zuerst war sie beinahe wütend auf die Waffenträger gewesen, weil ihr Tod ihr Verantwortungsgefühl belastete. Allmählich erst hatte sie begriffen, dass es so eigentlich gar nicht war. Ja, sie waren gestorben, weil sie ihre Waffenträger waren, aber jeder einzelne von ihnen war ein Freiwilliger. Sie dienten Honor, weil sie sich dazu entschieden hatten. Sie waren nicht versessener zu sterben als andere, aber sie vertrauten darauf, dass sie jemandem ihre Dienste schenkten, der ihrer würdig war – so wie Honor sich genau dessen sicher gewesen war, als sie zum ersten Mal Elisabeth III. von Angesicht zu Angesicht gegenübertrat. Und weil dem so war, war es nicht Honors Aufgabe, ihre Waffenträger am Leben zu halten – sie hatte die Aufgabe, des Dienstes immer würdig zu sein, den zu erweisen die Waffenträger sich entschieden hatten.
Und dennoch trug sie am Gewicht ihres Todes, wie sie die Last aller Menschen spürte, die durch sie ums Leben gekommen waren, und wünschte sich verzweifelt, dass sie noch lebten. Und was immer sie wegen Simon Mattinglys Tod und wegen der anderen Toten aus dem Brückenpersonal empfand, es blieb immer Timothy Meares. Der junge Mann, den sie getötet hatte.
Sie stand fast am gleichen Fleck, an dem sie damals gestanden hatte. Wenn sie sich umdrehte, konnte sie sehen, wo Simon gefallen war und wo Meares’ Leichnam auf das Deck geprallt war. Sie wusste, dass sie keine andere Wahl gehabt und dass Meares sie noch im Augenblick seines Todes verstanden hatte. Aber er war so jung gewesen, so vielversprechend, und so sterben zu müssen – von einer Freundin niedergeschossen, damit er nicht noch mehr Freunde tötete …
Nimitz bliekte ihr tadelnd ins Ohr, und als sie seine Empfindungen schmeckte, rief sie sich geistig zur Ordnung. Auch er trauerte um Simon und Meares, aber er gab weder ihr noch Meares die Schuld. Sein ganzer Hass war reserviert für die Unbekannten, die Timothy Meares in seinen letzten, entsetzlichen Einsatz geschickt hatten, und Honor begriff, wie recht er hatte.
Sie wusste nicht, wer ihre Ermordung angeordnet oder ihre Ausführung geplant hatte – aber sie würde es erfahren. Und dann würde sie persönlich etwas … unternehmen.
Nimitz bliekte wieder, und nun klang er noch blutdürstiger und zugleich sanft vor Beifall.
»Sir, melde den Kampfverband bereit zum Auslaufen.«
Lester Tourville wandte den Kopf und sah in das kleine Comdisplay. Captain Celestine Houellebecq, Kommandantin von RHNS Guerriere, Flaggschiff der Zweiten Flotte, blickte ihm daraus entgegen.
»Was?«, fragte Tourville mit einem matten Lächeln. »Keine Verzögerung in letzter Sekunde? Keine Abschiedsparty mehr im Gang?«
»Nichts dergleichen, Sir«, erwiderte Houellebecq ausdruckslos. »Ich habe die Bodenstreife angewiesen, jeden, der sich verspätet meldet, als abschreckendes Beispiel neben dem Shuttlelandeplatz zu füsilieren.«
»Das ist genau der Geist, den ich mir wünsche!«, rief Tourville, doch wenn er ehrlich war, fand er den Witz angesichts der Taten der Vorgängerregierung ein wenig zu makaber. »Immer eine Methode finden, das Personal positiv zu motivieren.«
»Das war meine Absicht, Sir.«
»Na, dann setzen wir uns mal in Marsch, Celestine. Wir haben eine Verabredung mit den Mantys.«
»Jawohl, Sir.«
Houellebecq verschwand vom Display und erteilte die Befehle, die Kampfverband 21 benötigte, um die Parkumlaufbahn zu verlassen, und Tourville wandte sich wieder dem taktischen Plot zu.
Ein Zivilist hätte den langsam sich bewegenden Lichtcodes wenig entnehmen können, doch dem geübten Auge boten sie einen beeindruckenden Anblick. Tourville machte die behäbige Kraft seiner vier Schlachtgeschwader aus, die in Marschformation gingen, während sie langsam beschleunigten. Dem Verband voraus bewegten sich die Icons von zwei Schlachtkreuzergeschwadern, und sechs LAC-Träger der Aviary-Klasse folgten. Ein Gesprenkel aus leichteren Schiffen breitete sich vor der Hauptformation aus wie ein Collier aus Edelsteinen. Sie wachten aufmerksam nach jedem Anzeichen für ein unidentifiziertes Sternenschiff, und ein Trio aus schnellen Nachschubschiffen, beladen mit zusätzlichen Raketenbehältern, folgten hinter den Trägern.
Kein einziges Großkampfschiff im Display war älter als drei T-Jahre, und erneut empfand Tourville etwas, das der Ehrfurcht verdächtig ähnelte. Die Republican Navy war vielleicht technisch der Royal Manticoran Navy in mancher Hinsicht noch immer unterlegen, doch im Gegensatz zur RMN hatte sie sich aus der Asche der Niederlage erhoben. Ihre Offiziere und ihre höheren Unteroffiziere hatten erfahren, was es hieß, eine Schlacht nach der anderen zu verlieren. Doch nun hatten die gleichen Offiziere und Unteroffiziere gelernt, wie es war, wenn man siegte. Und noch mehr, sie waren nun sieggewohnt, und Lester Tourville fragte sich, ob Manticore schon vollends begriffen hatte, wie groß ihr Recht darauf war.
Na, dachte er, wenn sie es jetzt noch nicht erkannt haben, geben wir ihnen in etwa zwo Wochen mal einen kleinen Wink.
»Sir, haben soeben einen Hyperabdruck erfasst. Sieht nach wenigstens zwo Schiffen aus, wahrscheinlich Zerstörer oder Leichte Kreuzer.«
»Wo?«, fragte Captain Durand und durchquerte das Kommandodeck der Raumstation zur Ortungsabteilung.
»Zwoundvierzig Lichtminuten von der Sonne entfernt, auf unserer Seite und genau in der Ekliptik, Sir«, antwortete Lieutenant Bibeau.
»Aha, die Füchse kundschaften den Hühnerstall aus«, murmelte Durand.
Der Ortungsoffizier bedachte ihn mit einem seltsamen Blick; Charles Bibeau stammte aus den Elendsvierteln von Nouveau Paris, während Durand von der Agrarwelt Rochelle kam, und immer wieder benutzte der Skipper komische Metaphern und Vergleiche. Trotzdem begriff der Lieutenant, was der Kommandant sagen wollte, und nickte zustimmend.
»Gut, Lieutenant«, sagte Durand schließlich und ließ eine Hand leicht auf Bibeaus Schulter ruhen, während er zusah, wie die Hyperabdrücke aus dem Plot verschwanden. »Behalten Sie das Ganze im Auge. Wenn wir ihre Aufklärungsdrohnen finden, umso besser, aber vor allem möchte ich wissen, wann noch jemand ankommt.«
»Aye, Sir.«
Durand klopfte ihm noch einmal auf die Schulter, dann wandte er sich ab und ging langsam zu seinem Kommandosessel zurück.
Irgendwo dort draußen, so viel wusste er nun, schlich sich heimlich ein Netz aus manticoranischen Aufklärungsdrohnen systemeinwärts, um die Verteidigung des Solon-Systems in allen Einzelheiten auszuspionieren. Er wusste, was sie sehen würden, und das war in keiner Weise beeindruckend: eine einzige Division alter Superdreadnoughts, ein leicht unterbesetztes Schlachtkreuzergeschwader und zweihundert LACs. Kaum genug, um einen manticoranischen Angriffsverband ins Schwitzen zu bringen.
Und genau so wollte es Captain Alexis Durand. Genau so.
»Wir haben Commander Estwickes Bericht vorliegen, Hoheit«, sagte Andrea Jaruwalski.
»Gut.«
Honor wandte sich von dem wunderschönen Bild im visuellen Display ab. Kampfverband 82 durchpflügte den Hyperraum und näherte sich seinem Ziel in solch enger Formation, dass das Display die leuchtenden Scheiben der Warshawski-Segel des nächsten Schiffes zeigte. Es war die Intolerant, Schwesterschiff der Imperator und Flaggschiff von Konteradmiral Allen Morowitz, dem Divisionschef. Über ihre Segel dreihundert Kilometer durchmessend tanzte flackerndes Feuer wie ein Hitzegewitter, das durch die leuchtenden Abgründe des Hyperraums zog. Normalerweise genoss Honor diesen Anblick, doch als sie Jaruwalskis Meldung hörte, kehrte sie ihm fast erleichtert den Rücken.
»Lassen Sie sehen«, sagte sie und ging zu dem Sekundärplot an Jaruwalskis Brückenstation. Der Operationsoffizier berührte die Tastatur und legte die Daten von HMS Ambuscade ins Display. Dann traten sie und ihre Vorgesetzte zurück und sahen zu, wie die Darstellung sich aufbaute.
»Nicht so viel Feuerkraft, wie wir erwartet hätten, Hoheit«, stellte Jaruwalski fest, nachdem ein Augenblick verstrichen war.
»Nein.«
Honor rieb sich stirnrunzelnd die Nasenspitze. Ihre Planung war davon ausgegangen, dass von beiden Zielen Lorn stärker durch mobile Einheiten geschützt wäre, und deshalb hatte sie mit Alice Truman Superdreadnoughtdivisionen Alistair McKeons und Matsuzawa Hirotakas ältere Schlachtkreuzer gegen Michelle Henkes moderneres, aber unterbesetztes Geschwader getauscht. Außerdem hatte Alice von ihr Winston Bradshaws Schweres Kreuzergeschwader 7 mit seinen vier Kreuzern der Edward-Saganami-C-Kasse erhalten, während sie sich CruRon 12 unter Charise Fanaafi mit älteren Saganami- und Star-Knight-Kreuzern nahm. Dennoch, bei einem System, das so dicht bevölkert und wirtschaftlich wichtig war wie Solon, hatte sie einen stärkeren Wachverband erwartet.
»Ich sehe zwo Superdreadnoughts«, fuhr sie schließlich fort, »dazu sieben Schlachtkreuzer und knapp …« sie sah auf eine Seitenanzeige des Displays »einhundertneunzig LACs.«
»An mobilen Einheiten, jawohl, Hoheit«, stimmte Jaruwalski zu. »Es sieht aber ganz danach aus, als wäre eine ziemlich dichte Kugelschale aus Raketengondeln nahe an der Orbitalindustrie um Artus in Stellung.«
»Und ein weiterer kleiner Haufen dort um Merlin«, fügte Honor hinzu und zog die Stirn noch stärker in Falten. »Das ist ein recht merkwürdiger Punkt dafür, meinen Sie nicht auch?«
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