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Die Fachwelt und Presse über die Serie:
"Brillant! Brillant! Brillant! Unvergleichlich großartig!" Anne McCaffrey
"Keiner schreibt bessere Space Opera als David Weber!" Publishers Weekly
"Großartig! Fesselnde Weltraumgefechte kombiniert mit einnehmenden Charakteren ergeben ein großartiges Abenteuer." Locus
"Weber vereint in seinem Werk den Geist von Krieg der Sterne mit C. S. Foresters Romanen um Horatio Hornblower. Großartig!" Science Fiction Age
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Seitenzahl: 630
Sturm derSchatten
Roman
Aus dem Amerikanischenvon Dietmar Schmidt
BASTEI ENTERTAINMENT
Vollständige E-Book-Ausgabe
des in der Bastei Lübbe AG erschienenen Werkes
Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG
Deutsche Erstausgabe
Copyright © 2009 by David Weber
Published by Arrangement with BAEN BOOKS, Wake Forest, NC USA
Titel der Originalausgabe: »Storm from the Shadows« (Teil 2)
Originalverlag: BAEN BOOKS, Wake Forest, NC USA
Dieses Werk wurde vermittelt durch die Literarische Agentur
Thomas Schlück GmbH, 30827 Garbsen
Für die deutschsprachige Ausgabe:
Copyright © 2010/2014 by Bastei Lübbe AG, Köln
Textredaktion: Mona Gabriel
Lektorat: Ruggero Leò
Titelillustration: Arndt Drechsler, Regensburg
Umschlaggestaltung: Guter Punkt, München
E-Book-Produktion: Urban SatzKonzept, Düsseldorf
ISBN 978-3-8387-0976-5
Sie finden uns im Internet unterwww.luebbe.de
Bitte beachten Sie auch: www.lesejury.de
Ich möchte mal wissen, ob das wirklich so eine gute Idee war, fragte sich Helen Zilwicki, als sie in die Liftkabine stieg und die Zielkombination eingab.
Ein wenig hatte sie befürchtet, der Commodore könnte seine Auswahl eines Flaggleutnants rückgängig machen, sobald er entdeckte, wie wenig sich ein so rangniedriger Offizier wie sie für diese Aufgabe eignete. Vermutlich war das überflüssig gewesen; inzwischen hatte sie mehr als einmal festgestellt, dass er zu seinen Entschlüssen stand, und bislang schien er seine Entscheidung noch nicht ernsthaft bereut zu haben. Das konnte Helen von sich nicht behaupten.
Sie verzog das Gesicht bei dem Gedanken, doch er war nicht ganz unrichtig. Früher einmal hatte sie geglaubt, eine Midshipwoman stehe auf ihrer Kadettenfahrt unter intensivem Druck, und wahrscheinlich war dem auch so. Mehr als ausreichend erschöpft hatte sie sich in dieser Zeit jedenfalls gefühlt! Doch ihr gegenwärtiger Einsatz brachte eine ganz eigene Qualität der Belastung mit sich.
Ach, hör auf zu jammern!, schalt sie sich. »Auch das geht vorbei« - wie Meister Tye immer gern zu sagen pflegte. Du gewöhnst dich schon noch daran. Schließlich bist du erst seit vier Tagen Flaggleutnant! Dieser Gedanke war ihr jedoch nur ein schwacher Trost, als sie nun im Auftrag Commodore Terekhovs die Gänge von HMS Quentin Saint-James durchstreifte.
Wenn sie es recht bedachte, konnte sie sich allerdings des Verdachts nicht erwehren, dass der Commodore sie härter antrieb, als er tatsächlich musste.
Ein Beispiel war ihr gegenwärtiger Auftrag. Beim besten Willen wollte ihr kein Grund einfallen, weshalb der Commodore den Taktischen Offizier der Quentin Saint-James, Commander Horace Lynch, nicht Ärger anrief, um ihm mitzuteilen, was sie ihm nun ausrichten sollte. Das wäre mit Sicherheit effizienter gewesen. Aber nein - er hatte entschieden, dass Ensign Zilwicki zu Lynchs Büro dackeln und die Botschaft persönlich überbringen sollte. Helen hatte nichts gegen Bewegung, und die Nachricht war auch recht interessant, aber es blieb die Tatsache, dass der Commodore ihn auch auf andere - durchaus zweckmäßigere - Weise hätte verständigen können.
Aber so bleibe ich beschäftigt, dachte sie und beobachtete, wie der Positionsanzeiger der Liftkabine über das Display zuckte. Und er gibt mir viele solcher Aufträge, seit wir von diesem Attentatsversuch auf Torch erfahren haben. Gegen ihren Willen erschauderte sie bei dem Gedanken, wie knapp ihre Schwester dem Tod entkommen war. Und sie kannte Berry Ärger zu gut. Sie wusste genau, wie ihre Schwester den Tod so vieler Menschen aufgenommen hatte, die bei einem Anschlag auf sie selbst ums Leben gekommen waren. Helen konnte auch gut verstehen, weshalb sie dazu keine Nachricht von ihrem Vater erhalten hatte. Wahrscheinlich raste schon in diesem Augenblick ein Kurierboot Richtung Spindle, wo es die Neuigkeit zur Hexapuma weiterleiten sollte. Helen bezweifelte jedoch nicht, dass er - wahrscheinlich zusammen mit Cachat, diesem beängstigenden Mistkerl, wenn ich es mir recht überlege - bereits unterwegs war … auf der Suche nach den tatsächlichen Verantwortlichen.
Im Gegensatz zu den meisten Untertanen des Sternenkönigreichs von Manticore war Helen alles andere als überzeugt, dass Haven hinter dem Anschlag auf Torch steckte. Sie besaß freilich unfairen Vorteil in Gestalt der Briefe ihres Vaters und ihrer Schwester, aus denen hervorging, dass Victor Cachat, dieses ansonsten völlig gefühllose Trampeltier von havenitischem Geheimagenten, sich wahnsinnig in eine gewisse Thandi Palane verliebt hatte, die zufällig Berrys inoffizielle »große Schwester« war und außerdem Oberbefehlshaberin der Streitkräfte des Planeten Torch. Cachat hätte sich nicht nur niemals auf einen Anschlag eingelassen, bei dem Palane möglicherweise ums Leben kam, sondern er wusste sicherlich auch, wie Thandi auf seine Komplizenschaft bei einem Versuch, Berry oder Prinzessin Ruth zu töten, reagiert hätte. Und wenn er nichts damit zu tun hatte, dann galt das mit absoluter Sicherheit auch für jeden anderen havenitischen Agenten im Maya-Sektor. Es konnte nicht anders sein, so eng, wie Cachat, der Audubon Ballroom - und mein eigener lieber Vater natürlich - in der nachrichtendienstlichen Szene Torchs miteinander verflochten waren.
Leider war Helen Zilwicki einer der »frischsten« Subalternoffiziere innerhalb der Royal Manticoran Navy. Dass sie überzeugt war, dass jemand anderes den Abzug gedrückt hatte, hinterließ bei den »hohen Tieren« keinen großen Eindruck. Für sie stand außerdem außer Frage, dass ein gewisser Anton Zilwicki bereits so hoch oben in den Nachrichtendienstkreisen, wie er nur konnte, angesetzt hatte, um Manticore von der Richtigkeit der (ihrer bescheidenen Meinung nach) überdeutlich selbstverständlichen Tatsache der (ausnahmsweisen) Unschuld Havens zu überzeugen. Wenn er schon kein Gehör fand, brauchte sie sich gar keine Hoffnungen zu machen.
Bleiben wir fair, räumte Helen widerstrebend ein. Wir Zilwickis besitzen eben ein bisschen mehr Erfahrung mit der schmutzigen Welt der Spionage und den schäbigen Tricks als die meisten Menschen. Und allzu viel von dieser Erfahrung haben wir im Zusammenhang mit den Herren und Damen von Manpower gewonnen. Wahrscheinlich liegt es für uns genauso nahe, nach einer Verbindung mit Mesa zu schnüffeln, wie für andere, sich die Augen nach einer Verbindung mit Haven auszugucken. Trotzdem wünschte ich mir, ein paar von denen, die denken, Haven hätte den Anschlag verübt, würden einmal innehalten und sich überlegen, was für eine Waffe bei dem Attentat benutzt worden ist. Gewiss hat die Volksrepublik seinerzeit viele Mordanschläge verübt, aber soweit es unserer Seite bekannt ist, wurde dabei nie ein solch ausgeklügeltes Nervengift eingesetzt. Haven arbeitete immer mit Bomben, Pulserbolzen und Lenkwaffen. Bei Manpower jedoch … bei Manpower liegen biochemische Waffen geradezu nahe.
Viel ausrichten konnte sie jedoch nicht, zumal die Quentin Saint-James (die von ihrer Crew bereits Jimmy Boy genannt wurde, obwohl ihre Indienststellung noch keine drei T-Monate zurücklag) genau in die falsche Richtung unterwegs war. Daher tat Helen ihr Möglichstes, ihre Sorgen beiseitezuschieben, und als die Liftkabine hielt und die Türen aufglitten, wandten sich ihre Gedanken dem anderen Grund zu, aus dem Commodore Terekhov sie, wie sie argwöhnte, derart auf Trab hielt.
Sie hatte nicht richtig darüber nachgedacht, als der Commodore ihr den Posten seines Flaggleutnants anbot, doch es gab etliche sehr gute Gründe, weshalb diese spezielle Position niemals jemandem angeboten wurde, der nicht wenigstens den Rang eines Lieutenants Senior-Grade bekleidete - und zwei davon hatten ihr die letzten paar Tage besonders deutlich vor Augen geführt.
Erstens war der Grund, weshalb ein Flaggoffizier einen Adjutanten brauchte, der für ihn Terminkalender und Aufgaben organisierte, überdeutlich klar. Allgemein gesagt erforderte es größere Erfahrung mit den Abläufen, als ein Ensign sie gesammelt haben konnte, um dieser Organisationslast gewachsen zu sein. Helen war niemals wirklich klar gewesen, wie viel Zeit ein Flaggleutnant damit verbrachte, sicherzustellen, dass die Zeit seines Flaggoffiziers so effizient und produktiv genutzt wurde wie nur möglich.
Als ihr aufging, wie gründlich sie sich mit allen Abteilungen und Ressorts des Geschwaders auskennen musste, war sogar ihre von Natur aus schwer erschütterbare Seele erbebt. Sich in kürzester Frist anzueignen, wie die Verwaltung und Koordination sämtlicher dieser Stellen ablief - hinzu kamen operative und logistische Aspekte -, war Helen sehr schwergefallen. Und dass dem Geschwader noch immer ein Operationsoffizier, ein Stabsastrogator, ein Stabssignaloffizier und ein Nachrichtenoffizier fehlten, erleichterte ihr diese Aufgaben nicht gerade. Im Augenblick leitete Commander Lynch für Commodore Terekhov die Operationsabteilung, und Lieutenant Commander Barnabe Johansen und Lieutenant Commander Iona Torok, Astrogator beziehungsweise Signaloffizier der Quentin Saint-James, versahen die entsprechenden Stabsressorts, doch das gesamte Arrangement erschien ihr ausgesprochen zusammengeschustert und provisorisch.
Helen vermutete, dass die anderen sich in dieser Hinsicht genauso aus dem Gleichgewicht gebracht fühlten wie sie, aber wenigstens waren sie jeweils die Leiter ihrer eigenen Abteilungen an Bord des Geschwaderflaggschiffs. Daher wussten sie erheblich besser, was sie tun sollten, als sie. Auch wenn eine Midshipwoman während ihrer Kadettenfahrt in jeder Abteilung Erfahrungen sammelte, hatte Helen während ihrer Zeit an Bord der Hexapuma doch alles aus untergeordneter Perspektive kennengelernt. Nun musste sie nicht nur wissen, was jede Abteilung tat, sondern auch, wie ihre Beziehungen zu allen anderen Abteilungen aussahen, und das war etwas völlig anderes. Außerdem stand selbst Lieutenant Ramon Morozov, Terekhovs Versorgungsoffizier, im Rang zwei Stufen über ihr. Vor die anderen Abteilungsleiter zu treten und ihnen auszurichten, der Commodore wünsche, dass sie dies oder das täten, konnte ganz schön … einschüchternd sein, gelinde ausgedrückt.
Schlimmer jedoch war die Furcht, sie könnte durch ihren Mangel an Erfahrung irgendetwas Entscheidendes vermasseln. Sie wusste, sie konnte darauf zählen, dass Commodore Terekhov sie im Auge behielt, aber sie hatte auch begriffen - und zwar auf die harte Tour, die, wie sie oft dachte, von allen am einprägsamsten war -, dass man durch Fehler mehr lernte als durch Erfolg. Leider war sich auch der Commodore dieser kleinen Tatsache bewusst, und für Helen bestanden überhaupt keine Zweifel, dass er bereit war, sie hier und dort aufs Glatteis zu führen, wenn er glaubte, dass sie dabei etwas Wichtiges lernen konnte. Aus seiner Sicht mochte das gut und richtig sein, für Helen jedoch war diese Vorstellung grauenhaft. Sie war es nicht gewöhnt zu versagen. Sie mochte es nicht, wenn es geschah, sie konnte nicht gut damit umgehen, und während sie durch die Gänge des Schiffes dem Weg zu Lynchs Büro folgte, war ihr der Gedanke absolut zuwider, durch ihre Unfähigkeit könnte jemand Nachteile erleiden.
Diese Überlegung brachte sie auf den anderen Grund, weshalb ihr gegenwärtiger Posten normalerweise einem Lieutenant vorbehalten war. Die Position des Flaggleutnants gab es nicht allein deshalb, weil ein Flaggoffizier einen Adjutanten brauchte, sondern auch, weil der Flaggleutnant während dieser Verwendung Erfahrungen sammeln sollte. Das galt natürlich für jede Verwendung in der Flotte - oder sollte zumindest so sein. Manticoranische Flaggleutnante waren allerdings mehr als nur Adjutanten (deshalb gab es eine eigene Bezeichnung) und Botengänger; die Position blieb in der Regel Offizieren vorbehalten, die man sorgsam für Kommandoverwendungen schulen wollte. Zu lernen, wie der Terminkalender eines Flaggoffiziers verwaltet werden wollte, bei Stabsbesprechungen zugegen zu sein und
Entscheidungsfindungen zu beobachten, in die andere gleichrangige Offiziere niemals Einblick erhielten - all das sollte einen Flaggleutnant früh mit den Aufgaben eines Flaggoffiziers vertraut machen. Durch diese Aufgabe sollten junge Offiziere, deren Vorgesetzte der Ansicht waren, sie hätten bereits das Potenzial bewiesen, später einmal selbst Flaggoffizier zu werden, lernen, wie man dessen Pflichten versah - und auch, wie man es nicht tun sollte.
Bislang hatte sich noch keiner der höheren Offiziere, mit denen sie arbeiten musste, dagegen verwahrt, dass sie nur ein kleiner Ensign sei. Sie wusste nicht, wie lange diese Nachsicht anhalten würde, und hatte das entmutigende Gefühl, dass mehr als ein Lieutenant, mit denen sie zu tun hatte, sie seinen Neid auf ihre Stellung spüren lassen würde. Ganz abgesehen davon würde unter Garantie irgendwann später in ihrer Laufbahn eine Vorgesetzte, bei der sie sich zum Dienst meldete, in ihre Personalakte sehen und den Schluss ziehen, dass sie Commodore Terekhovs kleiner Liebling gewesen sei.
Und damit hätte sie ja nicht einmal ganz unrecht, räumte Helen ein. Der Gedanke kam ihr nicht zum ersten Mal, und sie führte in ihrem innerlichen Widerstreit die Argumente an, die Commander Kaplan gegenüber Abigail geltend gemacht hatte. Gleichzeitig fragte sie sich, ob sie sich nicht Ärger zu viele Gedanken um sich selbst machte … und ob sie sich damit nicht auf dem besten Wege befand, mit etwas zu enden, was ihr Vater immer einen hoffnungslosen Fall von unbegrenzt sich aufblähendem Ego bezeichnet hatte.
Sie erreichte ihr Ziel und drückte die Klingel.
»Ja?«, fragte ein samtiger Tenor aus dem Lautsprecher über dem Knopf.
»Ensign Zilwicki, Commander«, sagte sie knapp. »Commodore Terekhov schickt mich.«
Die Tür öffnete sich, und Helen trat hindurch.
Lynchs Büro war um einiges größer als Helens bescheidenes Kabäuschen. Tatsächlich bot es sogar mehr Platz, als an Bord eines älteren, personalintensiveren Schiffes dem Ersten Offizier zur Verfügung stand. Doch bei einer so kleinen Besatzung wie der Crew eines Saganami-Cs konnte den einzelnen Personen ein klein wenig mehr Raum zugebilligt werden.
Der Commander saß in seinem Uniformhemd vor seinem Rechner, und die Arbeitsplatte rings um das Terminal war mit ordentlichen Stapeln aus Datenchips und Ausdrucken gefüllt. Er war ein Mann von mittlerer Größe mit sandfarbenem Haar und tief liegenden braunen Augen, und er gebot über eine großartige Singstimme. Außerdem schien er recht gut in seinem Job zu sein.
»Und was kann ich heute Morgen für den Commodore tun, Ms. Zilwicki?«, fragte er.
»Der Commodore hat mich gebeten, Ihnen das hier zu bringen, Sir«, sagte sie und legte einen Chipordner auf die Ecke seines Schreibtischs. »Es geht um einige Gedanken, die er sich um die neuen Modifikationen der Lasergefechtsköpfe gemacht hat.«
»Verstehe.« Lynch zog den Ordner zu sich, ohne ihn anzusehen. Er hatte den Kopf zur Seite geneigt und musterte Helen mit seinen scharfen braunen Augen. »Und wäre es möglich, dass er einige dieser Gedanken mit Ihnen erörtert hat, ehe er Sie zu mir schickte?«
»Das ist richtig, Sir, er hat etwas darüber gesagt«, antwortete Helen ein wenig vorsichtig.
»Dachte ich's mir doch.« Helen weitete leicht die Augen, und Lynch lachte leise auf, dann wies er auf einen Stuhl mit einem hohen Stapel aus taktischen Handbüchern der einen oder anderen Art. »Schmeißen Sie das Zeug runter und setzen Sie sich, Ms. Zilwicki«, sagte er.
Helen räumte gehorsam den Stuhl leer und nahm Platz, während er sich zurücklehnte und sie versonnen betrachtete. Helen fragte sich, was er dachte, aber der Commander wäre ein großartiger Pokerspieler gewesen. Sein Gesicht gab so gut wie nichts preis, und sie versuchte, nicht allzu angespannt und starr vor ihm zu sitzen.
»Also, erzählen Sie, Ms. Zilwicki - Helen. Was halten Sie von den neuen Lasergefechtsköpfen?«
»Ich glaube, sie sind eine großartige Idee, Sir«, antwortete sie nach kurzem Zögern, dann verzog sie das Gesicht. »Verzeihen Sie, Sir. Das klang ziemlich dämlich, oder? Natürlich sind sie eine großartige Idee.«
Vielleicht zuckten Lynchs Lippen ein klein wenig, doch wenn dem so war, so unterdrückte er den Ansatz seines Lächeln gekonnt.
»Ich glaube, wir können uns darauf einigen, dass das eine gute einleitende Bemerkung ist«, sagte er. »Aber nachdem wir das nun erledigt haben, was halten Sie von ihnen?«
Das leichte Funkeln, das Helen in seinen Augen entdeckt zu haben glaubte, linderte ihre Anspannung ein wenig, und sie merkte, wie sie eine etwas bequemere Sitzhaltung einnahm.
»Ich glaube, sie werden im taktischen Bereich großen Eindruck machen, Sir«, sagte sie. »Der Typ 16 ist für sich schon ein großer Vorteil gegen andere Kreuzer und Schlachtkreuzer, aber mit den neuen Lasergefechtsköpfen ist er sogar in der Lage, echte Großkampfschiffe zu treffen.« Sie schüttelte den Kopf. »Ich glaube nicht, dass die Haveniten sie sehr mögen werden.«
»Wohl kaum«, stimmte Lynch zu. »Aber ich darf Sie doch wohl nicht so verstehen«, fuhr er fort, »dass Sie glauben, es wäre mit den neuen Lasergefechtsköpfen eine gute Idee für einen Schweren Kreuzer, einen Superdreadnought anzugreifen?«
»Nein, Sir. Selbstverständlich nicht«, beeilte sich Helen zu antworten. »Ich habe wohl nur gerade an Monica gedacht, Sir. Wenn wir dort die neuen Lasergefechtsköpfe gehabt hätten, wären die Schlachtkreuzer gar nicht erst auf ihre Gefechtsentfernung an uns herangekommen. Und wenn doch, dann hätten sie schon bei der Annäherung erheblich größere Verluste erlitten.«
»Das, Ms. Zilwicki, halte ich für eine sehr zutreffende Feststellung«, sagte Lynch.
»Außerdem glaube ich, dass das neue Waffensystem zumindest ein paar Auswirkungen für ausgewachsene Mehrstufenraketen haben wird«, fuhr sie fort. »Ich meine, ich sehe keinen Grund, wieso die gleichen Modifikationen nicht auch auf größere Lasergefechtsköpfe anwendbar sein sollten.«
Diesmal nickte Lynch nur.
Dafür, dass es so lange gedauert hatte, bis der Lasergefechtskopf den nuklearen Kontaktgefechtskopf als Weltraum-Langstreckenwaffe der Wahl ersetzt hatte, gab es einen guten Grund. Das Konzept des Lasergefechtskopfs war tatsächlich relativ Ärger; man hatte es auf Alterde bereits vor der Diaspora gekannt. Grundsätzlich wurde ein haarfeines, zylindrisches Filament aus geeignetem Material (die Royal Manticoran Navy benutzte Hafnium als Medium) dem Röntgenstrahlenimpuls einer Kernexplosion ausgesetzt, was es veranlasste, kohärente Röntgenstrahlung auszusenden, bis der thermische Impuls der Detonation das Filament erreichte und es vernichtete. Das Problem lag stets im inhärenten, außerordentlich geringen Wirkungsgrad des Vorgangs. Unter normalen Umständen gelangten nur wenige Prozent der Milliarden Megajoule, die ein nuklearer Gefechtskopf im Megatonnenbereich freisetzte, in einen einzelnen dieser Röntgenlaserstrahlen, und das lag hauptsächlich daran, dass eine Kernexplosion sich - unter normalen Bedingungen - als Kugelschale ausdehnte; jedes Filament entsprach nur einem aberwitzig geringen Anteil an der gesamten Kugelfläche der Explosion und konnte daher nur einen entsprechend winzigen Prozentsatz der Gesamtenergie empfangen. Folglich ging die Vernichtungswirkung zum überwältigenden Teil verloren.
Der verwertete Anteil war schlichtweg zu niedrig; er war bereits an den Kampfschiffpanzerungen gescheitert, die man vor zwei oder drei T-Jahrhunderten gekannt hatte; und ehe der Laserstrahl besagte Panzerung überhaupt erreichte, musste er sich nicht nur durch den Seitenschild bohren, sondern auch die Strahlungsabschirmung durchschlagen. Obwohl die Chancen, mit einem nuklearen Kontaktgefechtskopf einen Volltreffer zu erzielen, nicht sonderlich hoch lagen, nutzen die meisten Raumstreitkräfte diese Systeme als Hauptlangstreckenbewaffnung, da man bei ihnen wenigstens darauf hoffen durfte, tatsächlich Schäden anzurichten, wenn das Ziel getroffen wurde. Die Raketen aus der Zeit vor den Lasergefechtsköpfen hätten schon allein durch ihre kinetische Energie höchst zerstörerisch gewirkt, wenn sie denn tatsächlich einen Kontakt von Außenhaut zu Außenhaut erzielten. Das allerdings ließ sich selbst mit den besten Seitenschilddurchdringungshilfen nicht erreichen, und so wurde die Atomrakete mit Annäherungszünder hauptsächlich zur Ausschaltung der Seitenschilde eingesetzt; sie sollte weniger Rumpfschäden verursachen, als vielmehr die Seitenschildgeneratoren durch Überlastung unbrauchbar machen.
Dummerweise, wenigstens aus Sicht dessen, der die Raketen abfeuerte, war bereits damals die aktive Lenkwaffenabwehr so hoch entwickelt, dass die »nicht sonderlich hohen Chancen auf einen Volltreffer« bald zu »auf keinen Fall möglich« abgewertet werden mussten. Das war der eigentliche Grund, weshalb beim Bau von Großkampfschiffen der Schwerpunkt immer mehr auf Energiewaffenbatterien verlagert worden war. Raketen waren vielleicht gegen schwächere Gegner noch ganz wirksam, aber gegen die aktive und passive Abwehr eines Großkampfschiffs weitgehend nutzlos. Die einzige Möglichkeit, ein Gefecht zu führen, bestand also darin, sich einander anzunähern, bis man das Weiße in den Augen des Gegners sehen konnte, und es dann mit den Bordstrahlwaffen auszukämpfen.
Doch vor etwas mehr als einem Jahrhundert hatte sich alles geändert, als irgendein kluger Zeitgenosse herausfand, wie man etwas erzeugte, das im Grunde nichts anderes war als eine nukleare Hohlladung. Die Möglichkeit war schon beträchtlich länger durch die verschiedenen Journale über Raumkriegführung der Galaxis gegeistert, doch eine Technik, um sie in die Praxis umzusetzen, gab es lange nicht. Dazu hatten erst Verbesserungen des gravitatorischen Klammereffekts, der in modernen Fusionsreaktoren zum Einsatz kam, auf Aggregate angewendet werden müssen, die in die Nase einer Großkampfschiffsrakete gezwängt werden konnten.
Hinter dem Gefechtskopf wurde ein Ring aus Gravitationsgeneratoren als Manschette angeordnet. Sobald der Gefechtskopf die Detonation einleitete, fuhren die Generatoren einige Millisekunden vor der tatsächlichen Explosion hoch, was gerade genügte, damit die geschichteten Brennpunkte einer Gravitationslinse statt einer sphärischen Ausdehnung einen Gauß-Strahl erzeugten und die Röntgenphotonen und die thermische Wirkung an der Gefechtskopflängsachse nach vorn lenkten. Dadurch wurde von der Explosionsenergie weitaus mehr eingefangen und in die Richtung gelenkt, in der sich die Laserfilamente befanden. Nach modernen Standards waren die ersten Lasergefechtsköpfe recht blutarm gewesen, auch wenn sie bei Weitem alles übertrafen, was bis dahin möglich gewesen war. Daraufhin hatten die Konstrukteure der Großkampfschiffe die bereits massive Panzerung von Dreadnoughts und Superdreadnoughts weiter verstärkt. Doch der alte Wettlauf zwischen Panzerung und Waffe war wieder in Gang gekommen, und seit fünfzig bis sechzig T-Jahren war der Lasergefechtskopf auch für schwerstgepanzerte Schiffe eine klare Bedrohung.
Natürlich spielten bei der Entwicklung eines erfolgreichen Lasergefechtskopfes noch ganz andere Faktoren eine Rolle. Die Länge und der Durchmesser eines Laserfilaments bestimmte seine Strahldivergenz, was wiederum Auswirkungen hatte auf den Prozentsatz an Energie, die der Laserstrahl auf eine gegebene Entfernung transportierte. Bordgestützte Energiewaffen mit ihren starken Gravitationslinsen konnten die Strahldivergenz auf einen Wert senken, der für jeden Lasergefechtskopf unerreichbar blieb. Die für solche Linsen erforderlichen Generatoren ließen sich nicht derart miniaturisieren, dass sie in einen Lasergefechtskopf passten, der trotz vieler Verbesserung in der Konstruktion letzten Endes aus einem Ärgeren, zum Verbrauch bestimmten Laserfilament bestand, das jeder Physiker aus der Zeit vor der Diaspora sofort als solches erkannt hätte.
In der aktuellen Lenkwaffe Typ 23 waren die Lasergefechtsköpfe (die Baugruppen, die die Laserfilamente enthielten) grob fünf Meter lang mit einem Durchmesser von vierzig Zentimetern. Sie enthielten die fadendünnen Hafniumfilamente, die in einem gelartigen Medium trieben. Die Lasergefechtsköpfe umfassten außerdem die Wolter-Spiegel zur Verstärkung des Strahlwegs, Schubdüsen, viel Treibstoff, Energiespeicher, Telemetrieanlagen und Sensoren. Sie befanden sich in Schächten auf allen Seiten des Waffenträgers und wurden ausgeworfen, sobald die Rakete den endgültigen Zielanflugvektor erreicht hatte. Jeder Gefechtskopf besaß sein eigenes Schubdüsensteuersystem, erfasste das Ziel mit eigenen Sensoren, glich sich an dessen Vektor an und manövrierte sich rasch in eine Position einhundertfünfzig Meter vor der Rakete. Sobald sie erreicht war, entstand die Gravitationslinse, der Gefechtskopf detonierte, und das Ziel bekam Probleme.
Die entscheidenden Faktoren waren die Filamentabmessungen, die Strahlungsausbeute der Detonation und - in vielerlei Hinsicht am wichtigsten - die verfügbare Verstärkung durch die Gravlinse. Letzter Faktor war der Hauptgrund, weshalb die Raketen von Großkampfschiffen eine so viel höhere Vernichtungskraft besaßen als die kleineren Raketen an Bord von Kreuzern und Zerstörern. Bei der Konstruktion des Gravlinsengenerators war nach wie vor eine Masse-Volumen-Beschränkung zu berücksichtigen, und eine größere Rakete konnte Ärger einen stärkeren Generator tragen und längere - und folglich wirkungsvollere - Laserfilamente, die eine größere Entfernung vom Ziel erlaubten. Daher bestand die große Herausforderung darin, in die neue LAC-Abwehrrakete »Viper« überhaupt einen Lasergefechtskopf zu quetschen, auch wenn er nur Leichte Angriffsboote auszuschalten brauchte. Der Schacht für das eine Laserfilament, das der Viper-Gefechtskopf besaß, lief über zwei Drittel der Raketengesamtlänge, und überhaupt eine Stelle zu finden, in die er hineingepresst werden konnte, war alles andere als Ärger gewesen.
Der allgemeine Technologievorsprung Manticores gegenüber der Republik Haven wurde auch in der Konstruktion der Lasergefechtsköpfe deutlich. Manticoranische Gravitationsgeneratoren waren auf den beanspruchten Raum bezogen immer stärker gewesen, manticoranische Sensoren und Zielerfassungssysteme stets überlegen. Das versetzte das Sternenkönigreich in die Lage, kleinere Gefechtsköpfe und größere Linsenverstärkung zu verwenden, um Lasergefechtsköpfe zu schaffen, die den Anforderungen gewachsen waren, zumal es darauf zählen konnte, dank seiner überlegenen Feuerleit- und Zielerfassungssysteme eine größere Trefferzahl zu erzielen. Die Republik hingegen war gezwungen gewesen, nach der Holzhammermethode vorzugehen und beträchtlich größere Gefechtsköpfe mit schwereren Laserfilamenten einzusetzen, weshalb havenitische Raketen stets einen höheren Raumanspruch hatten als ihre manticoranischen Entsprechungen.
Doch nun hatten die ständigen Anstrengungen des Sternenkönigreichs, seine überlichtschnelle Gravimpulskommunikation zu verbessern, auch auf die Waffentechnik ihre Auswirkungen, und BuWeaps hatte soeben die Erprobung einer neuen Generation wesentlich stärkerer Gravitationsgeneratoren für die Kreuzerlenkwaffe Typ 16 abgeschlossen und mit der Serienproduktion begonnen. Es war gelungen, den Verstärkungsfaktor der Gravlinse fast zu verdoppeln und gleichzeitig die Strahlungsausbeute des Gefechtskopfes zu erhöhen, was aufgrund der Skalierungsverhältnisse mindestens genauso viel Erfindungsgabe erforderte wie die neuen Verstärkergeneratoren. Einige Baugruppen hatten anders als im Originaltyp 16 angeordnet werden müssen, damit alles ins Gehäuse passte; dadurch waren einige Waffenträgerkomponenten ins Heck gewandert, doch Helen glaubte nicht, dass irgendjemand Einwände gegen das Endergebnis erheben würde. Mit seinem 15-Megatonnen-Gefechtskopf war Typ 16 in der Lage, die Panzerung eines Schweren Kreuzers oder eines Schlachtkreuzers zu durchschlagen, geriet aber an seine Grenzen, wenn seine Strahlen ins Innere eines Schlachtkreuzers vordringen sollten. Mit dem 40-Megatonnen-Gefechtskopf der neuen Modifikation G und den verbesserten Gravlinsen besaß Typ 16 beinahe so viel Durchschlagskraft wie eine fünf oder sechs T-Jahre alte Großkampfschiffs-Lenkwaffe.
Die Produktion der Modifikation G hatte allerdings letzten Endes eine völlige Neukonstruktion der alten Typ-16-Waffenträger erfordert, und da BuWeaps entschieden hatte, dass es weder sämtliche auf Lager befindlichen Typ 16er verschrotten noch auf die Verbesserungen verzichten wollte, hatten Admiral Hemphills Untergebene einen Aufrüstsatz entwickelt, durch den sich die Modifikation E zur E-1 umbauen ließ. (Was genau aus der Modifikation F geworden war, konnte Helen nicht sagen. Jeder Taktische Offizier wusste allerdings, dass die Nomenklatur von BuWeaps seltsame Wege beschritt.) Typ 16E-1 war im Grunde die Variante E, bei der die alten Gravitationsgeneratoren durch das neue, verbesserte Modell ersetzt waren. Das war die einzige Änderung, und sie hatte keine neuen Kabelkanäle und kein Umsetzen innerer Baugruppen erfordert. Die neuen Lenkwaffen passten reibungslos in die existierenden Typ-16-Zuführungen und konnten die gleichen Angriffsprofile verwenden. Mit ihrem schwächeren Originalgefechtskopf blieben sie natürlich der Typ 16 G unterlegen, denn ihre Zerstörungswirkung hatte sich »nur« verdoppelt - während die Durchschlagskraft der Modifikation G um einen Faktor größer fünf gesteigert worden war.
Und, dachte Helen, wenn sie mit dem Typ 23 das Gleiche machen - vorausgesetzt, die neuen Gravlinsen lassen sich übertragen -, und es dann mit dem Feuerleitsystem koppeln, das Herzogin Harrington bei Lovat eingesetzt hat …
»Und was hat der Commodore Ihnen noch dazu gesagt, Ensign Zilwicki?« Lynchs Frage schreckte Helen aus ihren Gedanken, und sie riss sich zusammen.
»Sir, das ist alles auf den Chips«, erwiderte sie respektvoll und wies auf den Ordner, den sie ihm gebracht hatte.
»Da bin ich mir sicher. Andererseits kenne ich den Commodore mittlerweile ein wenig besser, und deshalb bezweifle ich, dass er zufällig mit Ihnen darüber gesprochen hat, bevor er Sie losschickte, um mir die Chips zu bringen. Er kommt mir nicht wie jemand vor, der oft etwas ›zufällig‹ tut, ohne einen bestimmten Zweck zu verfolgen. Warum betrachten wir dies nicht als Gelegenheit zu einem kleinen taktischen Brainstorming nur zwischen uns beiden?«
Helen hatte das deutliche Gefühl, dass sie ins Nichts stürzte, und unterdrückte einen starken Drang zu schlucken. Dann, als Lynch seinen Sessel ein wenig nach hinten kippte, bemerkte sie die Belustigung in seinen Augen. Keine Belustigung, sie festgenagelt zu haben, wie es bei einigen anderen Vorgesetzten hätte geschehen können, sondern eine Belustigung, die daraus entstand, dass er beobachtete, wie sie seine Überlegung nachvollzog und entdeckte, dass er, was die Absichten des Commodores betraf, fast mit Sicherheit richtig lag.
»Also gut, Sir«, erwiderte sie lächelnd und senkte sich behaglicher in ihren Sessel. »Womit sollen wir Ihrer Meinung nach beginnen?«
Ihr Ton war respektvoll und doch beinahe herausfordernd, und er grinste sie an, als er es hörte.
»Das ist die richtige Haltung, Ensign Zilwicki! Mal sehen …« Er schaukelte einige Augenblicke lang hin und her, dann nickte er bedächtig.
»Sie haben erwähnt, was in Monica geschehen ist«, sagte er. »Ich habe die taktischen Berichte über das Gefecht gelesen, und ich weiß, dass Sie während des Kampfes auf der Brücke waren. Genauer gesagt, Sie haben als Raketenabwehroffizier fungiert, richtig?«
»Jawohl, Sir.« Helens Blick verdüsterte sich ein wenig, denn seine Frage brachte Erinnerungen zurück: Erinnerungen daran, wie sie an Abigail Hearns' Seite die Raketenabwehr des gesamten Geschwaders koordinierte, während die mit Monicanern besetzten solarischen Schlachtkreuzer immer näher aufkamen.
»Dann beginnen wir doch damit, dass Sie für mich abschätzen, wie die Verfügbarkeit von Modifikation G - oder eher von E-1 - Commodore Terekhovs taktische Entscheidungen beeinflusst hätte.«
Helen runzelte die Stirn, und die finsteren Erinnerungen verblassten, als sie sich auf seine Frage konzentrierte. Mehrere Sekunden lang dachte sie sorgfältig darüber nach, dann warf sie leicht den Kopf zurück.
»Ich denke, der Hauptunterschied würde darin bestanden haben, dass er es auf frühe Abschüsse angelegt hätte.«
»Wie genau meinen Sie das?« Lynchs Tonfall war eine Einladung, ihre Gedanken zu äußern, und sie lehnte sich leicht vor.
»Die Sache war die, Sir: Wir wussten wohl alle, dass wir nur eine realistische Chance hatten, diese Schlachtkreuzer zu stoppen, und zwar mit massiven Raketenbeschuss auf relativ kurze Distanz. Sicher, einen haben wir auf äußerste Reichweite erwischt, aber das musste ein Glückstreffer sein. Auf keinen Fall konnten wir so wirksam zielen, um irgendetwas zu treffen, wodurch das Schiff Ärger explodierte!«
Sie schüttelte wieder den Kopf, mit grimmigem Gesicht, als sie das spektakuläre Ende von MNS Typhoon und seiner gesamten Besatzung noch einmal vor Augen sah. Dann rief sie sich innerlich zur Ordnung und konzentrierte sich wieder auf die Gegenwart.
»Auf jeden Fall stand fest, dass wir die Monicaner auf keinen Fall auf Energiewaffenreichweite an uns heranlassen durften. Wir wussten, dass unsere Lasergefechtsköpfe sehr viel leichter waren, und daher war uns klar, dass wir Treffer sowohl örtlich als auch zeitlich konzentrieren mussten, wenn wir ihre Panzerung durchdringen wollten. Die Kitty … - ich meine, die Hexapuma - war unser einziges Schiff mit Typ 16ern, also konnten wir diese Konzentration nicht außerhalb der Raketenstandardreichweite erzielen. Mit dem Beschuss auf große Entfernung versuchte der Captain daher tatsächlich nur ein möglichst gutes Gefühl für die aktive Abwehr und die Eloka-Fähigkeiten der Monicaner zu erhalten. Mit den Typ 16ern hat er sie gezwungen, sich zu verteidigen, damit wir Emissionen ihrer Abwehrsysteme messen konnten. Diese Werte wurden an den Rest des Geschwaders weitergegeben, um die Wirksamkeit unseres Feuers zu maximieren, sobald der Gegner in Reichweite unserer übrigen Schiffe kam.
Aber wenn wir 16Gs anstelle der alten 16Es gehabt hätten, dann wäre es selbst auf äußerste Reichweite kein Problem gewesen, die Panzerung der Schlachtkreuzer zu durchschlagen, und das ohne die Konzentration, die wir am Ende der Schlacht einsetzen mussten. In dem Fall hätte der Commodore wahrscheinlich trotzdem nach Informationen gestochert, aber gleichzeitig …«
Helen Zilwicki lehnte sich noch weiter vor und begann ganz in das Thema versunken zu gestikulieren, während sie all ihre Bedenken wegen ihres niedrigen Ranges und ihrer mangelnden Erfahrung vergaß. Sie bemerkte nicht einmal die amüsierte Anerkennung in Horace Lynchs Augen, als sie sich völlig der Diskussion ergab.
»Sie wollten mich sprechen, Mylady?«
»Richtig.« Baronin Medusa blickte auf und winkte Gregor O'Shaughnessy in ihr Büro. »Ich hatte befürchtet, Sie hätten die Residenz schon verlassen«, fügte sie hinzu, als er gehorchte und auf seinem Lieblingssessel Platz nahm.
»Ambrose hat angerufen und gesagt, dass er in irgendeiner Kräfteanalysediskussion festhängt. Wir haben unsere planmäßige Besprechung um zwei Stunden nach hinten verlegt.«
»Es wäre durchaus möglich, dass diese Konferenz gar nicht stattfindet.« O'Shaughnessy spitzte innerlich die Ohren, als er den Tonfall der Gouverneurin hörte, und als er eine Augenbraue hochzog, machte sie ein Gesicht, das mehr Grimasse war als Lächeln.
»Darf ich davon ausgehen, dass es eine neue Entwicklung gibt, Mylady?«, fragte er schließlich.
»Eher eine neue Sorgenfalte bei einer Entwicklung, die uns längst Kopfzerbrechen bereitet«, antwortete sie. »Ich habe eine formelle Mitteilung von Alesta Cardot erhalten.«
»Aha?« O'Shaughnessy runzelte die Stirn. »Hat das irgendetwas mit den Vorgängen im Pequod-System zu tun, Mylady?«
»Das mochte ich an Ihnen schon immer, Gregor«, sagte Medusa mit einem Schnauben aufrichtiger Belustigung. »Ihre rasche Auffassungsgabe.«
»Ein angeborenes Talent, Mylady.« O'Shaughnessy lächelte kurz, dann wurde er nüchtern. »Und was hatte die Außenministerin New Tuscanys über ihre ungebärdigen Handelsschiffer zu sagen?«
»Interessanterweise hat sie zu den Raumfahrern gar nichts gesagt, aber dafür eine Menge zu dem Gebaren unserer Flottenangehörigen.«
»Warum überrascht mich das nicht?«, murmelte O'Shaughnessy. Er lehnte sich zurück, legte die Unterarme auf die Armlehnen und trommelte mit den Fingern, während er nachdachte.
Medusa ließ ihn eine Weile nachdenken. Wenn Gregor O'Shaughnessy es darauf anlegte, konnte er einen Menschen zur Raserei bringen. Obwohl er sich große Mühe gab, es zu verbergen, brach seine Neigung zu intellektueller Überheblichkeit immer wieder durch, und er war dafür bekannt, Kollegen mit einer geringschätzigen Geduld zu behandeln, die nur allzu leicht als Arroganz herüberkam. Wenn man ehrlich war, handelte es sich manchmal tatsächlich um Arroganz, auch wenn er selbst das nicht bemerkte. Gelegentlich verwandelte sich diese Arroganz in etwas beträchtlich Unangenehmeres und Geringschätzigeres, und zwar immer dann, wenn ihm der Empfänger seines Zorns besonders dumm vorkam, weil er nicht begriff, was er, O'Shaughnessy, sagte. Doch dieser kleinen Charakterschwäche standen beeindruckende Stärken gegenüber. Zum einen war er auf geradezu rücksichtslose Weise ehrlich. Zum anderen war er stets bereit, eigene Fehler einzugestehen, wenn jemand sie ihm darlegen konnte, und wie schneidend er sich auch während der Diskussion ausdrückte, die zu dieser Darlegung führte, er trug es der anderen Person niemals nach, wenn sie recht hatte. Außerdem war er sehr, sehr klug.
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