Hotel 13 - Band 2: Das Rätsel der Zeitmaschine - Hotel 13 - E-Book

Hotel 13 - Band 2: Das Rätsel der Zeitmaschine E-Book

Hotel 13

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Beschreibung

„Okay“, lenkte Liv ein. „Ich verspreche, in Zukunft vorsichtiger zu sein. Also in der Vergangenheit, meine ich.“ Dann runzelte sie die Stirn und formulierte ihr Versprechen noch einmal neu: „In Zukunft werde ich in der Vergangenheit vorsichtiger sein!“ Tom, Anna und Liv setzen alles daran, Magellan endlich persönlich zu treffen, während Jack und Richard ihnen weiterhin dicht auf den Fersen sind und ihre eigenen undurchsichtigen Pläne verfolgen. Allmählich entdecken die drei Freunde, dass ihre Sprünge ins Jahr 1927 direkt die Gegenwart beeinflussen und selbst kleine Veränderungen in der Vergangenheit dramatische Folgen haben können. Als Anna auf einer der Zeitreisen in ein Unglück hineinschlittert, steht plötzlich nicht nur ihre Zukunft auf dem Spiel. Wird es den Freunden mit Magellans Hilfe gelingen, die Rätsel der Zeitmaschine im Hotel 13 zu lösen und das Schicksal in die richtige Bahn zu lenken? Der Roman zur TV-Serie – mehr Informationen im Internet: www.hotel-13.com Jetzt als eBook: „Das Rätsel der Zeitmaschine“, der Roman zur Serie „Hotel 13“. jumpbooks – der eBook-Verlag für junge Leser.

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Seitenzahl: 230

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Über dieses Buch:

Tom, Anna und Liv setzen alles daran, Magellan endlich persönlich zu treffen, während Jack und Richard ihnen weiterhin dicht auf den Fersen sind und ihre eigenen undurchsichtigen Pläne verfolgen. Allmählich entdecken die drei Freunde, dass ihre Sprünge ins Jahr 1927 direkt die Gegenwart beeinflussen und selbst kleine Veränderungen in der Vergangenheit dramatische Folgen haben können. Als Anna auf einer der Zeitreisen in ein Unglück hineinschlittert, steht plötzlich nicht nur ihre Zukunft auf dem Spiel. Wird es den Freunden mit Magellans Hilfe gelingen, die Rätsel der Zeitmaschine im Hotel 13 zu lösen und das Schicksal in die richtige Bahn zu lenken?

Bei jumpbooks sind bereits die drei folgenden Romane zur TV-Serie HOTEL 13 erschienen:

HOTEL 13: Das Abenteuer beginnt HOTEL 13: Das Rätsel der Zeitmaschine HOTEL 13: Wettlauf gegen die Zeit

***

eBook-Neuausgabe April 2016

© 2013 Studio 100 Media GmbH

TM Studio 100

Die Druckausgabe wurde herausgegeben von der Panini Verlags GmbH, Stuttgart. Text: Claudia Weber, basierend auf den Drehbüchern zur TV-Serie »Hotel 13« von Dennis Bots, Koen Tambuyzer, Jasper Beerthuis, Elke De Gezelle, Bjorn Van den Eynde, Catherine Baeyens, Hans Bourlon und Gert Verhulst.

www.studio100.de

Copyright © der eBook-Ausgabe 2013 dotbooks GmbH, München

Copyright © 2016 jumpbooks. jumpbooks ist ein Imprint der dotbooks GmbH.

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Lektorat: Ray Bookmiller

Titelbildgestaltung: Nicola Bernhart Feines Grafikdesign, München

Titelbildabbildung: © 2013 Studio 100 Media GmbH

E-Book-Herstellung: Open Publishing GmbH

ISBN 978-3-96053-055-8

***

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Hotel 13

Das Rätsel der Zeitmaschine

Der Roman zur TV-Serie

jumpbooks

MIT DER POSTKARTE FING ALLES AN

»Verdammt!«, fluchte Tom und warf einen Stein in die Brandung. Dann ließ er sich am Strand nieder und beobachtete die Wellen, die über den feinen, hellen Sand rollten und sich wieder zurückzogen.

Anna setzte sich neben ihn und legte ihre Hand auf seinen Arm.

Tom war dankbar, dass sie in der kurzen Pause, die der Ferienjob im Hotel ihnen ließ, mit ihm durch die Dünen zum Meer gegangen war. Es tat gut, den Wind durch die Haare wehen zu lassen. So würde er wieder einen klaren Kopf bekommen.

»Ich kann nicht fassen, dass die Postkarte weg ist«, sagte Tom. »Seit acht Jahren trage ich sie nun mit mir herum, passe auf, dass niemand sie zu Gesicht bekommt …« Er hielt inne und schaute Anna an. »Vor dir habe ich sie noch nie jemandem gezeigt.«

Anna nickte und strich sich eine Strähne ihrer langen dunkelbraunen Haare aus dem Gesicht. Sie wusste, dass sie der erste Mensch war, dem Tom sein Geheimnis anvertraut hatte. Ein unglaubliches Geheimnis.

Alles hatte mit der Postkarte begonnen. Tom hatte sie als Siebenjähriger im Garten seines Elternhauses gefunden. In einer kleinen Kiste unter der Erde.

»Lieber Tom!«, war darauf zu lesen. »Diese Nachricht ist meine letzte Hoffnung. Nur eine Person auf der Welt kann mir noch helfen – du! Sprich mit niemandem darüber. Schon gar nicht mit Richard. Es geht um Leben und Tod! Mach dich in acht Jahren auf den Weg zum Hotel 13. Suche die Kiste. Finde Zimmer 13.« Und statt einer Unterschrift stand nur ein einziger Buchstabe da: »M«

All die Jahre hatte Tom gerätselt, wer ihm die Postkarte geschrieben hatte und warum. Bis er vor ein paar Wochen zum Hotel 13 aufgebrochen war. Hier wollte er den mysteriösen M. finden und das Rätsel der Karte lösen. Und Anna half ihm dabei.

Anna musste unwillkürlich lächeln. Ohne die Karte hätten sie und Tom sich niemals kennengelernt. Ein dummer Zufall hatte sie beide zur gleichen Zeit an den gleichen Ort gebracht, weil sie sich beide für den gleichen Ferienjob beworben hatten. Und natürlich, weil sie beide eine Zusage für diesen Job bekommen hatten – ein Missverständnis, wie sich gleich nach ihrer Ankunft herausstellte. Jack Leopold, der Sohn des gefürchteten Direktors von Hotel 13, hatte sich vertan. Doch nach einwöchiger Bewährungszeit hatte Richard Leopold, der Hotelchef höchstpersönlich, sowohl Anna als auch Tom einen Job gegeben.

Aber nicht nur ihnen – auch Victoria von Lippstein. Die reiche, verwöhnte Tochter einer einflussreichen Geschäftsfrau, musste ihre Ferien statt in einer Luxussuite an der Côte d'Azur nun im Servicebereich von Hotel 13 verbringen, wo sie – anstatt am Strand Cocktails zu schlürfen – Betten machte und Toiletten putzte. Und pausenlos darüber lamentierte, dass die weiß-rote Hoteluniform ihren Teint ruinierte. Schließlich war auch noch Annas beste Freundin aufgetaucht: Liv Sonntag, die Tom für total durchgeknallt hielt. Anna zuliebe versuchte er jedoch, mit ihr klarzukommen.

Sie alle bildeten das Team der Ferienjobber, die dem Juniorchef Jack Leopold unterstanden. Außer, Jack war mal wieder in Ungnade gefallen – und das konnte bei dem unberechenbaren Hoteldirektor Richard Leopold leicht passieren. Tom und Anna hatten beinahe ein wenig Mitleid mit dem armen Jack, der es seinem Vater nie recht machen konnte. Aber nur beinahe. Denn Jack war ein gemeiner, hinterlistiger Typ, der schwer zu durchschauen war. Dabei war er gerade mal siebzehn, also nur zwei Jahre älter als Tom, Anna, Liv und Victoria. Nicht auszudenken, wie er mit zwanzig oder fünfundzwanzig Jahren sein würde. Noch intriganter als jetzt? Das war kaum vorstellbar.

Zum Glück gab es im Hotel auch noch den Küchenchef Lenny, dessen Herz fast so groß war wie sein stattlicher Körperumfang, und den Koch-Azubi Flo, dessen größte Leidenschaft das Zaubern war. Obwohl … seit er Victoria von Lippstein zum ersten Mal gesehen hatte, war er mehr verzaubert, als dass er ein Zauberer war.

Außerdem war da noch Ruth Melle, die gute Seele des Hotels, die immer wieder mit Geschick, Diplomatie und Fingerspitzengefühl zwischen dem Direktor und dem Hauspersonal vermittelte. Und das war des Öfteren nötig. Denn Richard Leopold regierte sein kleines Reich mit eiserner Hand. Mehr wie ein Diktator als ein Direktor. Er war stets korrekt gekleidet, sauber rasiert und so gepflegt, dass er aalglatt wirkte. Mit seinen kalten Augen erinnerte er Anna oft an ein Reptil. Fehlte nur noch, dass eine gespaltene Zunge zwischen seinen dünnen Lippen hervorschnellte …

Richard Leopold hatte das Hotel 13 von seinem Vater übernommen. Seit mehreren Generationen war der schöne Jugendstilbau in den Dünen nun bereits im Besitz der Familie Leopold. Und im Lauf der Jahre war in den Mauern des Anwesens so einiges geschehen. Wenn Steine sprechen könnten, würden sie ganze Bände voller Geschichten erzählen. Und Tom würde Satz für Satz verschlingen, um zu erfahren, was genau hier vor über achtzig Jahren passiert war. Genauer gesagt im Jahr 1927. Denn damals hatte ein gewisser Professor Magellan im Hotel gelebt. So viel hatten Tom, Anna und Liv bei ihrer geheimen Suche bereits herausgefunden. Diesem Professor war es gelungen, eine Zeitreisemaschine zu konstruieren – eine Metallkugel, die die drei Freunde in einem Kellerraum unter dem Hotel entdeckt hatten. Und dieser Raum war über einen geheimen Zugang erreichbar, vom dem lediglich Tom, Anna und Liv wussten.

Es hatte eine ganze Weile gedauert, bis Tom das geheimnisvolle Zimmer 13 gefunden hatte, von dem auf seiner Postkarte die Rede war. Auf dem Hotelflur befand sich zwischen den Zimmern 12 und 14 nämlich nur eine Wand mit einer muschelförmigen Lampe. Niemand außer Anna, Tom und Liv wusste, dass in dieser Wand ein Schlitz zum Vorschein kam, wenn man die Lampe um neunzig Grad drehte. Der Schlitz diente als Einwurf für einen münzenförmigen Schlüsselanhänger, auf dem in erhabenen Ziffern die Zahl 13 zu sehen war. Auf abenteuerlichen Wegen waren die drei Freunde in den Besitz dieses Schlüsselanhängers gekommen. Sobald er in den Schlitz hinter der Lampe eingeworfen wurde, setzte er einen ausgeklügelten Mechanismus in Gang, und die Wand am Ende des Flurs schob sich nach oben, um den Zugang zu Zimmer 13 preiszugeben.

Wenn er darüber nachdachte, konnte Tom immer noch nicht so recht glauben, was er, Anna und Liv alles herausgefunden hatten. Aber es war nun mal so: Das mysteriöse Zimmer 13 hatte sich als Aufzug entpuppt, der in das Untergeschoss des Hotels führte – in einen Gang, der bei der Zeitmaschine endete. Und mit eben dieser Zeitmaschine waren Tom, Anna und Liv bereits mehrmals in die Vergangenheit gereist. Um genau zu sein, in das Jahr 1927. Damals war Robert Leopold, der Großvater von Richard Leopold, Direktor im Hotel 13 gewesen. Die Ähnlichkeit zwischen Robert und Richard war frappierend. Und den Charakter hatte der jetzige Hotelchef wohl auch von seinem Großvater geerbt. Jedenfalls schikanierte Robert Leopold seinen Sohn Paul nicht weniger als Richard Leopold seinen Sohn Jack.

Wie auch immer – den ersten Teil seiner Mission hatte Tom bereits erfüllt. Er hatte Zimmer 13 gefunden. Die zweite Aufgabe musste er allerdings noch bewältigen. »Suche die Kiste. Finde Zimmer 13«, murmelte er.

»Du kannst den Text von der Postkarte doch in- und auswendig«, stellte Anna fest.

»Willst du damit etwa sagen, es spielt keine Rolle, dass jemand die Karte gestohlen hat?«, fuhr Tom sie an.

»Nein, natürlich nicht«, antwortete Anna. Sie hatte Tom nur trösten wollen. Aber das konnte sie ihm nicht sagen. Sie traute sich einfach nicht. »Wir finden schon irgendwie heraus, wer es war«, versuchte sie ihn stattdessen aufzumuntern.

»Na ja, eigentlich kann es ja nur einer gewesen sein«, meinte Tom und rückte das schwarze Brillengestell auf seiner Nase zurecht.

Anna schaute ihn fragend an. »Du meinst Jack?«

»Klar, sonst kommt niemand infrage«, erwiderte Tom. »Jack hat die Karte unter meiner Matratze entdeckt.«

»Und was ist mit Herrn Leopold?«

»Der würde doch nie in unseren Zimmern herumstöbern«, meinte Tom. »Das ist eindeutig Jacks Handschrift.«

Anna nickte und schaute ein paar Möwen nach; sie flogen kreischend über den Strand hinweg. Instinktiv griff sie an die kleine Uhr, die sie wie ein Medaillon um ihren Hals trug. »Es wird Zeit«, erklärte sie. »Wir müssen zurück zum Hotel.«

»Und wir müssen diese Kiste finden«, ergänzte Tom. Dann stand er auf und klopfte sich den Sand aus den Hosen. »Wenn wir wenigstens einen Anhaltspunkt hätten, wo wir suchen müssen …«

Anna blickte ihn fragend an.

»Ich meine, in der Vergangenheit oder in der Gegenwart«, stellte Tom klar.

Während er mit Anna durch die Dünen ging, dachte er noch einmal über den Text auf seiner Postkarte nach.

Diese Nachricht ist meine letzte Hoffnung. Nur eine Person auf der Welt kann mir noch helfendu!

Eindringlicher konnte ein Hilferuf kaum klingen. Tom war sich inzwischen sicher, dass der geheimnisvolle »M.«, der die Karte geschrieben hatte, niemand anders war als Professor Magellan, der Erfinder der Zeitmaschine im Hotel 13. Der Professor schwebte in höchster Gefahr. Und das war ihm nur allzu bewusst – sonst hätte er nicht geschrieben, dass es um Leben und Tod ging.

Unwillkürlich beschleunigte Tom seine Schritte. Er dachte an die letzte Reise, die er mit Anna und Liv in das Jahr 1927 unternommen hatte und auf der Anna eine wichtige Entdeckung gemacht hatte: Bis 1921 hatte es ein Zimmer 13 gegeben, und der letzte Gast, der das Zimmer bewohnte, war Professor Magellan gewesen. Während Anna die alten Gästebücher durchsuchte, hatte Tom herausgefunden, dass Robert Leopold, der Hoteldirektor von 1927, Magellan aus dem Weg räumen lassen wollte. Offenbar, weil der Professor nicht bereit war, seine Zeitmaschine zu verkaufen. Doch Robert Leopold hatte bereits einem zwielichtigen Geschäftsmann versprochen, ihm Magellans geniale Erfindung zu übergeben. Dabei ging es um viel Geld. Sehr viel Geld.

Tom hatte keine Wahl. Er musste den Professor warnen, dass sein Leben in Gefahr war. Und das ging nur, wenn er so schnell wie möglich wieder in die Vergangenheit reiste und Magellan fand, bevor es zu spät war.

Jack eilte über den Flur des Personalbereichs und betrat die schwarz-gelb gestreifte Sperrzone vor der Tür, die zum Büro des Hoteldirektors führte. Neben seinem Vater war er der Einzige, der das Büro betreten durfte, ohne vorher um Erlaubnis bitten zu müssen. Trotzdem klopfte er an. Bei seinem Vater wusste man nie, in welcher Stimmung er sich gerade befand. Und da er meistens schlecht gelaunt war, war es am besten, immer vorsichtig zu sein.

»Ich hoffe, du hast einen guten Grund, mich zu stören«, brummte Richard Leopold und warf seinem Sohn einen kurzen, genervten Blick zu, bevor er sich wieder den Papieren auf seinem Schreibtisch zuwandte.

»Allerdings«, erwiderte Jack und zog eine alte Postkarte hervor, die er unter der roten Weste seiner Hoteluniform versteckt hatte. Mit einem triumphierenden Lächeln auf den Lippen reichte er seinem Vater das kostbare Fundstück.

»Hm, eine alte Postkarte – das ist ja toll, Jack«, spöttelte der Hoteldirektor, der gar nicht begriff, was er da in den Händen hielt. Stattdessen fragte er unwirsch: »Was soll das?«

»Lies sie doch erst mal«, forderte Jack seinen Vater auf.

Richard Leopold betrachtete kurz die Vorderseite der alten Ansichtskarte, auf der eine vergilbte Schwarz-Weiß-Fotografie zu sehen war. Wenn man sich etwas Mühe gab, konnte man die Wellen des Meeres erkennen, die schäumend an den Strand rollten. Ungeduldig drehte der Hotelchef die Karte um und sah eine schwungvolle Handschrift. Schön und gleichmäßig, wie sie heutzutage nur noch selten zu finden war.

»Lieber Tom, das mit Edison tut mir leid«, las Richard Leopold und stutzte. Seine Neugierde war geweckt. »Diese Nachricht ist meine letzte Hoffnung. Nur eine Person auf der Welt kann mir noch helfen – du! Sprich mit niemandem darüber. Schon gar nicht mit Richard.« Erstaunt zog er die Augenbrauen hoch und warf seinem Sohn einen alarmierten Blick zu, bevor er weiterlas. »Es geht um Leben und Tod! Mach dich in acht Jahren auf den Weg zum Hotel 13. Suche die Kiste. Finde Zimmer 13. M.«

Der Hoteldirektor brauchte nicht lange, um zu verstehen, was er da vor sich hatte.

»Tom hat also den Auftrag bekommen, nach Zimmer 13 zu suchen«, stellte er fest und legte die Postkarte vor sich auf den Schreibtisch. Dann schlug er mit beiden Händen auf die Tischplatte und sprang auf. Die Zornesröte stieg ihm ins Gesicht, als ihm klar wurde, dass er all die Jahre einer falschen Spur gefolgt war. Richards Vater, Paul Leopold, hatte ihm von dem geheimnisvollen Zimmer 13 erzählt. Aber nicht, wie es zu finden war. Und nun kam ihm womöglich dieser Rotzlöffel Tom zuvor! Nein, niemals. »Wir müssen das Zimmer finden. Und zwar bevor Tom es tut«, zischte er, und seine Augen verengten sich zu schmalen Sehschlitzen.

»Was, wenn sie's schon gefunden haben?«, gab Jack zu bedenken.

»Nein!«, rief Richard Leopold, und die Zornesröte stieg ihm ins Gesicht. Er ging in seinem Büro auf und ab wie ein Tiger im Käfig. »Du sagst doch selbst, dass Tom überall herumschnüffelt! Und an den merkwürdigsten Orten auftaucht!«, meinte er zu seinem Sohn. »Das ist das typische Verhalten eines Suchenden, mein Junge!« Der Gedanke schien den Hotelchef zu beruhigen. Jedenfalls blieb er stehen, und seine Gesichtsfarbe nahm langsam wieder eine normale Farbe an. »Nein, nein, glaub mir! Tom ist noch immer mit der Suche beschäftigt! Aber wir werden ihm zuvorkommen!«

»Wir?«, wiederholte Jack. Dieses Wort hörte er so gut wie nie aus dem Mund seines Vaters.

»Jawohl, wir!«, bestätigte Richard Leopold. »Du und ich. Vater und Sohn.«

Dann klopfte er seinem Sprössling – zum ersten Mal überhaupt – anerkennend auf die Schulter. »Gut gemacht, Jack«, sagte er, und ein teuflisches Grinsen machte sich auf seinem Gesicht breit. »Gut gemacht!

M WIE MÄRCHENHAFTES MEER

»Eigentlich ist es hier draußen viel zu schön, als dass wir den Sommer in geschlossenen Räumen verbringen«, stellte Anna fest und blinzelte in die Sonne.

»Na ja«, meinte Tom. »Schließlich machen wir hier ja keinen Urlaub, sondern einen Ferienjob.«

Und ohne den hätten wir uns nie kennengelernt, fügte er in Gedanken hinzu.

Er war so froh, Anna getroffen zu haben. Mit ihr konnte er über alles reden. Ihr hatte er sogar sein Geheimnis anvertraut. Und ohne sie wäre er niemals so weit gekommen. Er hätte Zimmer 13 nicht entdeckt, die Zeitmaschine ebenso wenig –und er wäre nicht in die Vergangenheit gereist. Anna und er ergänzten einander einfach perfekt. Irgendwie war ihm das schon klar gewesen, als er sie zum ersten Mal gesehen hatte.

Tom warf Anna einen kurzen Blick von der Seite zu. Sie ging neben ihm her und strich sich eine lose Haarsträhne aus der Stirn. Mit ihren geflochtenen Zöpfen und der kurzen blauen Latzhose, die über und über mit weißen Segelschiffchen bedruckt war, sah sie total süß aus. Zum Glück machte der Strandhafer den Weg durch die Dünen so schmal, dass sie sehr nah nebeneinander gehen mussten. Ab und zu berührten sich ihre Arme, und Tom konnte sogar Annas Haut riechen. Diese weiche, zarte, blasse Haut, die er am liebsten gestreichelt hätte. Aber er traute sich nicht. Was, wenn Anna ihn nur als Freund sah? Als Kumpel? Als Kollegen beim Ferienjob?

Ach was, dachte er. Sie mag mich. Und wenn ich ihr nicht bald sage, wie sehr ich sie mag, ist unsere Zeit hier zu Ende, und ich sehe sie vielleicht nie mehr!

»Was ist?«, fragte Anna, als Tom plötzlich stehen blieb.

»Hier müsste doch irgendwo der Liebesbaum sein, oder?«, sagte Tom und schaute sich um.

Anna nickte. »Der berühmte Liebesbaum«, lachte sie. »Wer da seine Initialen einritzt, wird angeblich ein Paar.« Sie merkte, dass sie rot wurde, und fügte rasch hinzu: »Sagen zumindest Lenny und Ruth.«

Tom wurde ebenfalls rot. Vor ein paar Tagen hatte er ein A und ein T in die Rinde geritzt. A wie Anna und T wie Tom.

»Komm«, meinte Tom. »Ich muss dir was zeigen.« Wenn er sich schon nicht traute, ihr zu gestehen, was er für sie empfand, wollte er zumindest, dass sie die Initialen sah, die er in die Rinde des Liebesbaums geschnitten hatte. Vielleicht würde sie ihn dann verstehen.

Tom nahm Annas Hand und zog sie zu dem Wrack des alten Boots, in dessen Nähe der Liebesbaum stand. Aber weit und breit war nur Sand zu sehen. Sand und Dünengräser. Keine Spur von einem Baum.

»Der Liebesbaum ist verschwunden«, stellte Tom fest.

»Das gibt's doch nicht!«, rief Anna. »So einen Baum fällt doch keiner! Komm, wir fragen Ruth oder Lenny. Vielleicht weiß von denen jemand, was passiert ist.«

Tom, den der Mut wieder verlassen hatte, nickte und ging schweigend neben Anna zurück zum Hotel.

Als die beiden in der Empfangshalle auf Ruth trafen, wollte Tom sofort wissen, wo der Liebesbaum geblieben war.

»Welcher Liebesbaum?«, wollte Ruth wissen und schaute Tom irritiert an.

»Der berühmte Liebesbaum«, erklärte Anna. »Beim alten Boot.«

»Der, von dem du uns erzählt hast«, ergänzte Tom.

»Wovon redet ihr denn?«, lachte Ruth, die sich nicht sicher war, ob die beiden sie auf den Arm nehmen wollten. »Da steht doch gar kein Baum.«

Tom und Anna sahen sich fragend an. Was hatte das zu bedeuten?

Tom beschloss, Flo zu fragen. Der hatte seine und Victorias Initialen mit einem scharfen Küchenmesser in die Rinde des magischen Baums geritzt. Und seitdem verstanden sich die beiden wunderbar. Aber als Tom den Koch-Azubi auf den Liebesbaum ansprach, wusste auch der nicht, was Tom meinte.

»Leiden die alle an Gedächtnisverlust?«, fragte Anna, nachdem Tom ihr davon erzählt hatte. »Oder haben wir uns alles nur eingebildet?«

»Quatsch«, meinte Tom. »Wir sind uns doch beide sicher, dass es ihn gab!«

In diesem Moment stürmte Liv in die Halle.

»Der Liebesbaum ist weg!«, begrüßte Anna ihre Freundin.

Liv reagierte, als wäre sie beim Schuleschwänzen ertappt worden. Sie flüchtete sich von einer Ausrede in die nächste, und schnell wurde klar, dass sie beim letzten Ausflug in die Vergangenheit den Liebesbaum aus dem Boden gerissen hatte. Einfach so. Weil das Pflänzchen ihr im Weg war.

Tom verdrehte die Augen und atmete genervt durch. Das war mal wieder typisch für Liv. Sie handelte immer so unüberlegt! Ohne sich über die Konsequenzen ihres Tuns Gedanken zu machen.

»Es tut mir leid«, sagte Liv. »Ich konnte schließlich nicht wissen, dass dieser blöde, mickrige Zweig in fünfundachtzig Jahren mal unser Liebesbaum sein wird! Was soll überhaupt die ganze Aufregung?«

»Mann, hier geht es doch nicht nur um den Liebesbaum«, stellte Tom klar. »Dir ist anscheinend nicht bewusst, dass alles, was wir in der Vergangenheit tun, Auswirkungen auf die Gegenwart hat! Und wenn wir das nächste Mal nicht aufpassen, ist vielleicht das ganze Hotel verschwunden. Oder du. Oder Anna. Womöglich gibt es dann gar keine Gegenwart mehr!«

»Okay«, lenkte Liv ein. »Ich verspreche, in Zukunft vorsichtiger zu sein. Also in der Vergangenheit, meine ich.« Dann runzelte sie die Stirn und formulierte ihr Versprechen noch einmal neu: »In Zukunft werde ich in der Vergangenheit vorsichtiger sein!«

Anna konnte sich ein Schmunzeln nicht verkneifen. Tom dagegen war nicht zum Lachen zumute.

»Was wolltest du mir eigentlich zeigen?«, fragte Anna, um Tom wieder auf andere Gedanken zu bringen.

Tom zögerte. Den Liebesbaum, ging es ihm durch den Kopf. Mit unseren Initialen. Doch das konnte er ihr nicht sagen. Schon gar nicht vor Liv.

»Das geht jetzt nicht mehr«, antwortete er stattdessen und verzog das Gesicht. »Leider …«

»Sprich mit niemandem darüber. Schon gar nicht mit Richard. Es geht um Leben und Tod!«, brummelte Richard Leopold vor sich hin.

Er hielt die vergilbte Postkarte in der Hand und las sie nun bestimmt zum zehnten Mal. Er hatte nicht die geringste Ahnung, was die Nachricht bedeutete. Entnervt warf er die Karte auf seinen Schreibtisch. Doch sie ließ ihm keine Ruhe. Er zog eine Lupe aus der Schreibtischschublade und betrachtete die Handschrift genauer. Aber auch das brachte ihn nicht weiter.

»Wer ist M?«, fragte er sich und fasste den Buchstaben, mit dem der unbekannte Verfasser unterzeichnet hatte, ins Auge. Da blieb sein Blick plötzlich an etwas hängen. Es war eine Zahl – so klein gedruckt, dass sie mit bloßem Auge fast nicht zu erkennen war.

»1850«, las der Hotelchef und überlegte. »Dann wäre die Karte ja über 160 Jahre alt – das kann unmöglich sein!« Er schabte ein wenig an der rechten unteren Ecke der Postkarte und löste ein Stück des beschriebenen Papiers vom Untergrund ab. »Das werde ich meinem Freund Daniel schicken«, murmelte er, während er das Papierfitzelchen in eine kleine Dose legte. »Der soll das Papier und die Tinte in seinem Labor untersuchen …«

Es dauerte nicht lange, bis die chemische Analyse ausgewertet war, und Richard Leopold war sprachlos, als er erfuhr, dass die Tinte tatsächlich älter war als 150 Jahre.

»Wie kann denn dann auf der Postkarte stehen, dass Tom sich hüten soll vor … mir?«, überlegte er und ging ungeduldig in seinem Büro auf und ab. »Und wer hat dem Jungen vor acht Jahren eine Postkarte geschickt, die womöglich schon vor 150 Jahren geschrieben wurde? Das ist absolut unmöglich!«

Der Hoteldirektor runzelte die Stirn und kratzte sich am Kopf. Wenn er doch jemanden fragen könnte, was damals geschehen war. Von seinem Vater wusste er nur, dass es das geheime Zimmer 13 gab. Über eine historische Postkarte hatte Paul Leopold nie gesprochen.

»Die Person, die am längsten im Hotel lebt, ist Tante Amalia«, murmelte Richard. Er holte geräuschvoll Luft bei dem Gedanken an die alte Frau Hennings. Sie war eine entfernte Verwandte der Familie und bewohnte das Zimmer 10, so lange er denken konnte. Vielleicht wusste sie ja etwas über die Karte. Es war zwar unwahrscheinlich, denn sie war geistig verwirrt, aber einen Versuch wert.

Richard Leopold reckte entschlossen das Kinn nach oben und machte sich auf den Weg ins erste Obergeschoss. Er klopfte an die Tür mit der Nummer 10 und öffnete sie, ohne auf ein Herein zu warten.

»Na, wie geht's uns denn heute?«, fragte er in honigsüßem Ton und ging schnurstracks auf Frau Hennings zu.

Die alte Dame blickte den Hotelchef nicht einmal an. Sie saß geistesabwesend in ihrem Rollstuhl und starrte ins Leere.

»Kennst du diese Karte?« Richard Leopold wedelte mit dem vergilbten Papier vor Frau Hennings' Nase herum.

Keine Reaktion.

Was habe ich denn erwartet?, dachte Herr Leopold und ließ sich seufzend auf dem Bettrand nieder. Dass sie plötzlich klar im Kopf ist? Nur weil ich etwas wissen will?

»Ja.«

Frau Hennings' Antwort kam so unerwartet, dass Herr Leopold beinahe von der Bettkante rutschte. Hatte sie tatsächlich gesprochen? Ihm eine Antwort gegeben?

Der Hoteldirektor schluckte. Dann hielt er der alten Dame noch einmal Toms Postkarte unter die Nase. »Du weißt also etwas darüber«, meinte er ungläubig.

Doch Frau Hennings reagierte nicht mehr.

»Was weißt du über diese Karte?«, wiederholte Richard Leopold, und seine Stimme nahm einen beschwörenden Unterton an. »Sag es mir!«

Frau Hennings betrachtete die vergilbte Schwarz-Weiß-Fotografie. Dann sagte sie: »M.«

Dem Hotelchef blieb die Spucke weg. Er hatte ihr nur die Vorderseite der Postkarte gezeigt. Den Text auf der Rückseite konnte sie gar nicht gesehen haben. Und trotzdem wusste sie, wer die Karte geschrieben hatte?

»M, ja«, rief er aufgeregt. »M stimmt. M wie …«

Frau Hennings schaute ihn eindringlich an. Dann blickte sie wieder auf die Ansichtskarte und tippte mit dem Zeigefinger auf die Schwarz-Weiß-Fotografie. »Märchenhaftes Meer«, sagte sie schließlich, und ein schelmisches Lächeln spielte um ihre Mundwinkel.

Ich verliere gleich den Verstand, dachte Herr Leopold, der noch nie viel Geduld mit der alten Dame gehabt hatte. »Und Zimmer 13?«, fügte er hinzu. »Was weißt du von Zimmer 13?«

Doch Frau Hennings hatte sich bereits abgewandt und starrte wieder ins Leere. Herr Leopold wusste, dass er nicht mehr von ihr erfahren würde. Jedenfalls fürs Erste.

»Dann eben nicht«, zischte er, verließ das Zimmer und eilte zurück in sein Büro. »Ich finde andere Informationsquellen. Tom, zum Beispiel …«

Die Augen des Hotelchefs verengten sich abermals zu schmalen Schlitzen. Ein untrügliches Zeichen dafür, dass er wieder etwas Teuflisches ausheckte.

Der Junge ist schlauer, als ich dachte, sinnierte Richard Leopold. Es wird Zeit, ihn mit seiner Postkarte zu konfrontieren.

Wenig später stand Tom im Büro des Hotelchefs und zupfte nervös an seinem Hemd herum. Er wusste, dass es nichts Gutes zu bedeuten hatte, wenn er hierherzitiert wurde. Jack stand höhnisch grinsend da, während sein Vater etwas aus der Innentasche seines Jacketts zog.

Tom traute seinen Augen nicht. Es war die alte Postkarte. Er warf Jack einen wütenden Blick zu. Wusste ich's doch, dass du dahintersteckst, du gemeiner Dieb, dachte er, beschloss allerdings, sich zu beherrschen. Die beste Strategie war, alles zu leugnen.

»Woher hast du diese Karte?« Herrn Leopolds Stimme klang schneidend scharf.

»Die gehört mir nicht«, antwortete Tom. Sein Herz schlug ihm bis zum Hals.

Herr Leopold schien unbeeindruckt. »Gehört dir nicht, gehört dir nicht, gehört dir nicht«, murmelte er vor sich hin, während er Tom umkreiste wie ein Raubtier seine Beute. Dann blieb er plötzlich stehen und fixierte Tom mit seinen kalten Augen. »Du willst mich aber nicht für dumm verkaufen, oder?«, fragte er gespielt freundlich, als würde er mit einem kleinen Kind reden.

Tom schüttelte den Kopf und hielt die Luft an. Was würde Herr Leopold nun machen?

Eine Weile tat der Hoteldirektor gar nichts. Jack wusste, dass dieses eisige Schweigen die Ruhe vor dem Sturm war. Und ausnahmsweise galt der Zorn seines Vaters mal nicht ihm.

»Wenn du die Karte nie gesehen hast«, meinte Herr Leopold schließlich, »wie kommt sie dann unter deine Matratze? Und wieso steht dein Name darauf?«

Tom zuckte mit den Schultern. »'ne Karte von 1850«, sagte er und lachte unsicher, »was soll die mit mir zu tun haben?«

Herr Leopold blickte Tom prüfend an. »Ja, vielleicht hast du recht«, bemerkte er und bedeutete Tom, dass er das Büro verlassen konnte.

»Warum lässt du ihn denn gehen?«, fragte Jack, der sichtlich enttäuscht war, dass es kein Donnerwetter gegeben hatte.

»Weil ich jetzt hundertprozentig sicher bin, dass Tom mehr weiß«, antwortete Herr Leopold.

Jack verstand nicht, worauf sein Vater hinauswollte.

»Wenn er die Karte nicht kennt«, erläuterte der Hoteldirektor genüsslich, »woher weiß er dann, dass sie von 1850 stammt?«

SOLOTRIP FÜR LIV

»Seid ihr sicher, dass Victoria schläft?«, flüsterte Tom, als Anna die Tür des Mädchenzimmers hinter ihm schloss.