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Naomi Klein hat das Buch der Stunde für die Zeit nach Corona geschrieben, wenn die Klimakrise wieder unsere Debatten bestimmen wird. Die berühmte Aktivistin sagt, was jetzt zu tun ist – und wie wir damit alles verändern können. Naomi Klein gilt weltweit als eine Führungsfigur des Green New Deal, des Plans zur Rettung unserer Gesellschaft vor den Verwerfungen des Klimawandels. How to change everything fasst die Geschichte der Klimaschützer, der Umweltzerstörungen und des Kampfes für eine bessere Gesellschaft und eine saubere Wirtschaft reich bebildert zusammen. Naomi Klein zeigt, wie die Lage so dramatisch werden konnte, vor welchen Herausforderungen wir jetzt stehen und wo Regierungen jetzt handeln müssen. Anhand vieler Mut machender Beispiele wird dabei deutlich, wie viel wir bewegen können, wenn wir uns zusammenschließen und engagieren. Ein Must-have für alle, die für die Einhaltung der Klimaziele demonstrieren, noch darüber nachdenken, oder sich darüber informieren wollen, warum gerade die Jugend so vehement für eine lebenswerte Zukunft demonstriert.
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Seitenzahl: 255
Naomi Klein | Rebecca Stefoff
How to change everything
Wie wir alles ändern können und die Zukunft retten
Aus dem Englischen von Gabriele Gockel und Barbara Steckhan
Hoffmann und Campe
In liebender Erinnerung an
Teo Surasky (2002–2020)
N. K.
In meiner Kindheit verbrachte ich viel Zeit unter Wasser. Als ich sechs oder sieben war, lernte ich bei meinem Vater das Schnorcheln, und die Erinnerungen daran gehören zu den glücklichsten meines Lebens. Ich war ein schüchternes Mädchen und oft unsicher. Aber es gab einen Ort, an dem das alles von mir abfiel, wo ich mich stets frei fühlte: das Meer. Den darin lebenden Geschöpfen ganz nahe zu kommen hat mich immer fasziniert.
Wenn man auf ein Korallenriff zuschwimmt, ergreifen die Fische für gewöhnlich sofort die Flucht. Doch wenn man sich ein paar Minuten still verhält und ruhig durch das Luftrohr atmet, wird man für sie zu einem Teil der Meereslandschaft. Dann schwimmen sie direkt auf die Maske zu oder knabbern sanft an der Haut deines Arms. Solche Augenblicke kamen mir immer vor wie im Traum. Alles war so friedlich.
Als ich Jahre später aus beruflichen Gründen nach Australien reiste, wollte ich meinem vierjährigen Sohn Toma dasselbe Erlebnis verschaffen, das mich als Kind so begeistert hatte. Das Meer mag an der Oberfläche vielleicht wenig aufregend oder sogar eintönig wirken, wenn man aber abtaucht, lernt man eine ganz neue bunte Welt kennen.
Toma hatte gerade schwimmen gelernt, und für mich war es der allererste Ausflug zum Great Barrier Reef. Es ist das größte aus Lebewesen bestehende Gebilde der Erde und besteht aus Millionen und Abermillionen kleiner und kleinster Geschöpfe.
Wir fuhren mit einer Filmcrew und einem Wissenschaftlerteam, das die Korallen bereits seit längerem untersuchte, zu dem Riff. Ich war mir nicht sicher, ob die Korallen Toma wirklich interessieren würden, aber dann war er von ihrem Anblick unglaublich begeistert. »Ich habe Nemo gesehen«, verriet er mir hinterher. Er entdeckte eine Seegurke, und wahrscheinlich hatte er auch eine Meeresschildkröte gesehen.
Als ich ihn am Abend in unserem Hotelzimmer ins Bett brachte, sagte ich: »Heute hast du herausgefunden, dass es unter Wasser eine geheimnisvolle Welt gibt.« Er blickte auf, und das Strahlen in seinem Gesicht zeigte mir, dass er es verstanden hatte. »Ich hab sie gesehen«, antwortete er.
Ich empfand Freude, aber auch Kummer, denn ich wusste, dass die Schönheit dieser Welt, die mein kleiner Sohn gerade erst zu entdecken begann, immer mehr verschwindet.
Für mich war das Great Barrier Reef das aufregendste Naturschauspiel, das ich je erlebt hatte – die Farbenpracht der Korallen, die Meeresschildkröten, die exotischen Fische überall. Zugleich aber war das Riff auch das Erschreckendste, was mir je unter die Augen gekommen war, weil große Abschnitte – Abschnitte, die ich Toma nicht zeigte – tot waren oder im Sterben lagen.
Diese Riff-Abschnitte kamen mir vor wie Friedhöfe. Da ich mich als Journalistin mit dem Thema Umweltzerstörung und Klimawandel beschäftigt hatte, wollte ich über das Riff schreiben. Mir war bekannt, was hier vor sich ging. Die Korallen sind von einer Krankheit befallen, die man »Massenbleiche« nennt. Zu diesen Bleichen kommt es in Zeiten, wenn die Wassertemperaturen sehr hoch sind. Die Korallen werden dabei gespenstisch weiß wie Knochen. Wenn die Temperaturen rasch wieder sinken, können sie sich erholen. Doch im Frühjahr 2016 hielten die hohen Temperaturen monatelang an. Ein Viertel des Riffs starb ab und wurde zu einem braunen fauligen Schwamm. Über die Hälfte des Riffs war ebenfalls schon angegriffen.
Für ein solch massives Sterben des Great Barrier Reef bedurfte es keiner großen Erwärmung des Pazifischen Ozeans. Die Meerestemperatur stieg nur um 1 Grad Celsius über das Niveau, in dem diese Korallen leben können. Das reichte für das Sterben und den Tod von großen Teilen des Riffs.
Aber es sind nicht nur die Korallen, die unter der Bleiche zu leiden haben. Viele Fischarten und andere Meeresbewohner sind angewiesen auf die Korallen, als Lebensraum und als Nahrungsquelle. Und viele Millionen Menschen auf der ganzen Welt sind angewiesen auf die Fische, weil sie sich von ihnen ernähren oder mit Fischfang ihren Lebensunterhalt verdienen. Das Sterben der Korallen hat also weitreichende Folgen. Traurigerweise ist das große australische Riff nicht das Einzige, was im Sterben liegt. Denn die Temperaturen steigen überall, und das verändert unsere Welt. In dem Buch, das ihr in Händen haltet, geht es um diese Veränderung. Es handelt davon, warum die Temperaturen steigen, wie dieser Anstieg das Klima verändert und dem Planeten Schaden zufügt, auf dem wir alle zusammen leben. Das Buch zeigt aber auch – und das ist das Wichtigste –, was wir dagegen tun können.
© Toby Hudson, Wikimedia, CCA-SA 3.0
Das pulsierende Leben eines gesunden Korallenriffs.
© Sergio Llaguno/Dreamstime.com
Sichtlich aufgeregt verließen sie ihre Schulen. In kleinen Rinnsalen ergossen sie sich aus Seitenstraßen auf die großen Alleen, wo sie sich mit Strömen singender und schwatzender Kinder und Jugendlicher vereinten. Man sah alle möglichen Outfits – von Leggings mit Leopardenmuster, Jeans und T-Shirt bis hin zu adretten Schuluniformen. In Dutzenden Städten auf der ganzen Welt wurden an diesem Tag aus den Rinnsalen rauschende Flüsse. Es waren Hunderte, Tausende, Hunderttausende.
Die Angestellten, die aus ihren Bürofenstern hinunter auf die Straße blickten, fragten sich wahrscheinlich, warum die vielen Jugendlichen nicht in der Schule waren. Und die Kunden in den Geschäften wunderten sich vermutlich über die aufgeregte Stimmung, die überall herrschte. Worum es ging, erfuhren sie von den Transparenten, die die Demonstrierenden trugen:
Unter den Zehntausenden von Schülerinnen und Schülern, die in New York auf die Straße gingen, befand sich ein Mädchen, das sein selbst gemaltes Plakat mit Hummeln, Blumen und Tieren des Dschungels hochhielt. Das Bild war bunt und fröhlich, der dazugehörige Text dagegen düster: 45 Prozent der Insekten vernichtet durch den Klimawandel. 60 Prozent der Tierarten in den letzten fünfzig Jahren ausgerottet. In die Mitte hatte das Mädchen eine rieselnde Sanduhr gemalt.
Die Organisatoren des ersten Schulstreiks schätzen, dass es ungefähr 2100 Klimastreiks in 125 Ländern mit über 1,5 Millionen jungen Teilnehmenden gab. Die meisten von ihnen blieben für eine Stunde oder einen ganzen Tag dem Unterricht fern, manche mit offizieller Genehmigung, andere ohne.
Viele gingen auf die Straße, weil sie eine erschreckende Entdeckung gemacht hatten. Ihre Schulbücher und die Dokumentarfilme im Unterricht zeigten ihnen die vielen Wunder unseres Planeten – das ewige Eis der Polarregionen, atemberaubende Korallenriffe, Regenwälder und exotische Tiere. Zugleich aber erfuhren sie, dass ein Großteil dieser Wunder wegen des Klimawandels bereits nicht mehr vorhanden war. Und dass noch viel mehr verloren gehen würde, wenn sie warteten, bis sie erwachsen waren, um etwas dagegen zu unternehmen.
Was sie über den Klimawandel erfahren hatten, hatte sie zu der Überzeugung gebracht, dass es so nicht weitergehen konnte. Deshalb folgten sie dem Beispiel so vieler Gruppen vor ihnen, die für Veränderungen gekämpft hatten, und versammelten sich zu Demonstrationen.
Doch die jungen Leute streikten nicht nur, um weiteren Schaden in naher Zukunft zu verhindern. Für viele von ihnen war die Klimakatastrophe schon jetzt in ihrem Alltag spürbar. Im südafrikanischen Kapstadt stimmten Hunderte Demonstrierende Sprüche an, mit denen sie die Politikerinnen und Politiker aufforderten, keine neuen Projekte mehr zu genehmigen, die zur weiteren Erwärmung unseres Planeten beitragen würden. Ein Jahr zuvor hätte es in der Großstadt fast kein Wasser mehr gegeben. Es hatte in der Region seit Jahren nicht mehr geregnet, sodass es zu schweren Dürren gekommen war, was wahrscheinlich durch den Klimawandel verursacht oder zumindest durch ihn verschlimmert worden war.
Im Inselstaat Vanuatu im Pazifischen Ozean skandierten junge Streikende: »Hebt eure Stimme, nicht den Meeresspiegel!« Im Nachbarstaat, den Salomonen, waren bereits fünf kleine Inseln im Meer versunken, das ständig ansteigt, da sich bei höheren Temperaturen Wasser ausdehnt und Gletscher und Eisschilde abschmelzen.
»Ihr habt unsere Zukunft für eure Profite verkauft«, riefen Schüler in der indischen Hauptstadt Delhi durch ihre weißen Schutzmasken. Delhi leidet unter Luftverschmutzung, die so schlimm ist wie fast nirgendwo sonst auf der Welt. Dies liegt daran, dass in Indien besonders viel Kohle verbrannt wird. Dabei entstehen gesundheitsschädliche Smogwolken. Aber diese sichtbare Luftverschmutzung ist nicht das einzige Problem. Zugleich werden nämlich auch unsichtbare Stoffe freigesetzt, die sogenannten Treibhausgase. Und wie die dort streikenden Schüler wussten und wie wir euch zeigen werden, sind diese Gase verantwortlich für die Veränderung unseres Klimas.
© Holli/Shutterstock
Aufbruchstimmung beim ersten Schulstreik für das Klima im australischen Sydney. Über den Aktivisten schwebt eine große aufblasbare Erdkugel.
An diesem Tag im März 2019 formierte sich der erste weltweite Schulstreik für das Klima. Ausgerufen und organisiert hatten ihn Schülerinnen und Schüler. Mit der Aktion und den weiteren, die folgten, forderten junge Menschen auf der ganzen Welt ein Mitspracherecht bei der Gestaltung ihrer Zukunft.
Mit dem Schulstreik für das Klima im März 2019 trat eine große und immer weiter anwachsende Jugendbewegung in Erscheinung, die im Wesentlichen auf den Einsatz eines fünfzehnjährigen Mädchens in Stockholm zurückgeht.
Am Heiligen Abend des Jahres 2019 kam es in der Antarktis zu einem neuen Rekord – aber keinem guten. An diesem Tag schmolz die Eisdecke des Kontinents innerhalb von vierundzwanzig Stunden so weit wie noch nie zuvor. Auf 15 Prozent seiner Oberfläche wurde Eis zu Wasser. Aber es war nicht nur an diesem einen Tag zu warm.
Im Dezember ist in der Antarktis Sommer, denn die Jahreszeiten auf der südlichen Erdhalbkugel sind denen auf der nördlichen Halbkugel entgegengesetzt. Doch selbst im Sommer war dort noch nie so viel Eis in so kurzer Zeit getaut. Zu Weihnachten übertraf das Volumen der Schmelze den normalen Monatsdurchschnitt um 230 Prozent. Wie war es dazu gekommen? Ein Wissenschaftler sagte, auf dem Kontinent hätten schon während der gesamten Jahreszeit »deutlich wärmere Temperaturen als im Durchschnitt« geherrscht.
© NASA
Die beiden Fotos wurden im Februar 2020 im Abstand von nur neun Tagen aufgenommen. Sie zeigen das Ausmaß der Eisschmelze an der Spitze der antarktischen Halbinsel, nachdem die Temperaturen Rekordwerte erreicht hatten.
Die Auswirkungen des Klimawandels sind nicht für alle Bewohner der Erde in gleichem Maße spürbar. Wir leben in einer Welt, in der abhängig von der wirtschaftlichen und klimatischen Lage zwischen Menschen verschiedener Herkunft große Ungerechtigkeit herrscht. In diesem Kapitel soll gezeigt werden, woher diese Ungerechtigkeiten stammen und wie sie sich oft gegenseitig bedingen – und auch, auf welche Weise einige von uns daran arbeiten, um sie zu beenden.
Nachdem New Orleans von Hurrikan »Katrina« heimgesucht worden war, fuhr ich selbst an den Golf von Mexiko im US-Bundesstaat Louisiana, um mir die Folgen anzusehen. Am Tag, bevor der Wirbelsturm auf Land traf, hatte man ihn noch in die Kategorie 5 eingestuft. Er galt als der stärkste Wirbelsturm, den der Golf von Mexiko bis dahin erlebt hatte. Glücklicherweise schwächte er sich tags darauf ab und fiel in die Kategorie 3, als er die Küste erreichte. Dennoch richteten Wind, Regen und Sturmflut, die er mit sich brachte, große Schäden an. New Orleans, in dessen Großraum 1,3 Millionen Menschen lebten, wurde fast komplett überschwemmt.
Zwei Wochen später traf ich mit einem Filmteam ein, um zu dokumentieren, wie die teilweise noch immer unter Wasser stehende Stadt die Situation bewältigte. Eigentlich sollte man wegen der Ausgangssperre bis 18 Uhr wieder in seinen Häusern sein, aber als der Zeitpunkt näher rückte, waren wir noch unterwegs. Wir hatten uns verirrt und fuhren im Kreis. Die Straßenlaternen waren abgeschaltet und die Hälfte der Verkehrsschilder entweder vom Wind fortgerissen oder umgeknickt. Das Wasser und der Schutt hatten manche Straßen unpassierbar gemacht.
Ereignisse wie der Hurrikan »Katrina« werden oft als Naturkatastrophe bezeichnet – Stürme, Erdbeben, Überschwemmungen. Doch ebenso wie der Klimawandel hatte die Katastrophe, deren Zeuge wir in New Orleans wurden, nichts Natürliches an sich. Hurrikan »Katrina« war zwar anfangs ein schlimmer Wirbelsturm, doch er hatte, als er die Stadt erreichte, bereits den Großteil seiner Kraft eingebüßt. Eigentlich hätte er die Schäden gar nicht anrichten dürfen, zu denen es dann kam.
© ioerror, Flickr/Wikimedia, CCA-SA 2.0
Nach Durchzug des Hurrikans waren die Straßen in New Orleans wegen umgeknickter Leitungen und Schutt ein wahrer Hindernisparcours.
Wie konnte das geschehen? Nun, erneut sind dafür Entscheidungen verantwortlich, die wir Menschen getroffen haben.
Als »Katrina« eintraf, versagte das Flutschutzsystem von New Orleans. Man hatte die Stadt mit einem Ring von Dämmen und Mauern umgeben, um sie vom nahen Mississippi sowie von zwei großen Seen abzuschirmen. Doch die Anlage war alt und lückenhaft, und obwohl die zuständigen Behörden oft gewarnt worden waren, hatten sie nichts unternommen, um die Anlage zu reparieren. Warum? Nun, in den Gebieten, wo sie besonders alt und defekt war, lebten vor allem arme Afroamerikaner, die kaum Einfluss auf die Politik in der Stadt hatten.
Als der Hurrikan wütete und die Wassermassen über und durch die kaputten Dämme strömten, warf das Fernsehen plötzlich ein Licht auf die tiefe gesellschaftliche Kluft zwischen Arm und Reich in New Orleans. Leute, die es sich leisten konnten, flüchteten im Auto, buchten Hotelzimmer und setzten sich mit ihren Versicherungen in Verbindung. Die 120000
Als Beginn des menschengemachten Klimawandels gilt das Jahr 1757. In Räumen, die man entweder als Labor oder als Werkstatt bezeichnen konnte, arbeitete ein einundzwanzigjähriger Schotte namens James Watt. Watt konstruierte und reparierte Maschinen und Geräte, wie sie Physiker und Mathematiker benutzten. Nachdem er für die Universität Glasgow einige astronomische Geräte instand gesetzt hatte, bot man ihm an, auf dem Universitätsgelände eine eigene Werkstatt einzurichten. Sechs Jahre später beauftragte ihn die Universität mit der Reparatur einer Maschine. Durch diese Arbeit stieß James Watt auf eine neue Energiequelle – die Dampfmaschine, die die Historikerin Barbara Freese als die »vielleicht wichtigste Erfindung bei der Entstehung unserer modernen Welt« bezeichnete.
Diese Maschine sorgte dafür, dass die Werkstätten, in denen man bislang alle möglichen Gegenstände hergestellt hatte, immer größer wurden. Es entstanden Fabriken und ganze Industrieanlagen zur Massenherstellung von Waren. All diese Fabriken und Industrieanlagen verfeuerten Unmengen fossiler Brennstoffe, um die Dampfmaschinen zu betreiben, und das führte am Ende zur Klimakrise.
Wir haben bereits viel über fossile Brennstoffe gesprochen. Mit diesem Sammelbegriff bezeichnet man, wie gesagt, Kohle, Erdöl und Erdgas. »Fossil« heißt, dass sie aus den Überresten von Organismen bestehen, die vor Millionen oder sogar Hunderten Millionen Jahren gestorben sind. Diese Organismen waren keine mächtigen Dinosaurier. Vielmehr stammen Kohle und manche Arten von Erdgas aus den Überresten von vor langer Zeit gestorbenen Bäumen und anderen Pflanzen. Das Erdöl und das meiste Erdgas entstanden aus den Überresten kleiner Wasserpflanzen wie Algen oder mikroskopisch kleiner, im Meer beheimateter Lebewesen, die man Plankton nennt.
Bei ihrem Tod sanken diese Organismen auf den Grund der damaligen Sümpfe und Meere. Im Laufe von Millionen Jahren lagerten sich über diesen Überresten allmählich Schichten um Schichten Erde ab. Der durch das Gewicht der Erdschichten erzeugte Druck bewirkte chemische Reaktionen, die die pflanzliche Materie in Kohle, Erdöl und Erdgas umwandelten.
Schon lange vor James Watt verwendeten die Menschen fossile Brennstoffe. In Gegenden mit Feuchtgebieten und Sümpfen stachen die Leute Blöcke aus Torf aus dem Boden. Torf besteht aus teils vermoderter pflanzlicher Materie. Hätte man sie weitere Millionen Jahre im Boden gelassen, wäre daraus vielleicht Kohle entstanden. Aber auch als Torf konnte man sie verbrennen und zum Heizen verwenden.
Kohle lagerte tiefer im Boden als Torf, und es war schwieriger, an sie heranzukommen, aber sie erzeugte beim Brennen eine größere Hitze. Zu Zeiten von James Watt beheizte man viele Häuser in Großbritannien mit Kohleöfen. Die Maschine, die Watt 1763 reparieren sollte, war eine Newcomen-Maschine, eine frühe Dampfmaschine, erfunden 1712 von Thomas Newcomen. Sie wurde hauptsächlich dafür benutzt, Wasser aus überfluteten Kohlebergwerken zu pumpen.
Sehr vereinfacht gesagt ist eine Dampfmaschine so etwas wie ein riesiger Teekessel. Bei ihr lässt man den aus dem kochenden Wasser aufsteigenden Dampf allerdings nicht einfach nur in die Luft entweichen, sondern fängt ihn ein, um eine Maschine anzutreiben. So wie ein Teekessel auf einem Ofen erhitzt werden muss, benötigt eine Dampfmaschine zum Erhitzen des Wassers die Energie eines Brennstoffs.
Die Newcomen-Maschinen bekamen diese Energie aus Kohle, die beim Verbrennen das Wasser in einem Kessel erhitzte. Der aufsteigende Dampf strömte in ein geschlossenes Rohr mit einem dicht abschließenden beweglichen Teil, genannt Kolben. Durch den Dampfdruck wurde der Kolben nach oben geschoben, und durch die Kraft des sich bewegenden Kolbens wurde ein außen befestigtes Gestänge in Gang gebracht. Wenn eine Grube überflutet war, wurde damit eine Pumpe angetrieben, mit der man das Wasser entfernen konnte.
Als Watt die Newcomen-Maschine der Universität reparierte, erkannte er, dass sie nicht sehr gut arbeitete. Sie vergeudete Energie, weil die Maschine bei jeder Bewegung des Kolbens ein bisschen abkühlte, was bedeutete, dass der Dampf ständig neu erzeugt werden musste. Einige Jahre später fand Watt heraus, wie man die Dampfmaschine verbessern konnte. Seine Maschine war viel kräftiger und leistungsfähiger als die von Thomas Newcomen.
Watt benötigte viele Jahre, bis er seine Maschine konstruiert hatte und den richtigen Geschäftspartner gefunden hatte, der ihm das Geld für die Herstellung gab und ihm beim Verkauf seiner Erfindung helfen konnte. 1776 wurde die neue Maschine eingesetzt. Ihre erste Aufgabe bestand darin, die Pumpen zur Trockenlegung überfluteter Gruben anzutreiben, so wie das auch die Maschine von Newcomen getan hatte.
Watts Geschäftspartner, Matthew Boulton, machte ihm klar, dass man im Bergbau nur eine begrenzte Zahl an Entwässerungspumpen brauchen würde, es aber noch viele andere Einsatzmöglichkeiten für eine solche Antriebsmaschine gab. Auf Boultons Drängen hin entwickelte Watt eine Version seiner Maschine, die mehr als nur Pumpen antreiben konnte. 1782 kam die Bestellung für eins dieser neuen Geräte von einem Sägewerk, das bis dahin zwölf Pferde für den Betrieb der Holzsägen eingesetzt hatte. Watts Maschine ersetzte alle zwölf Pferde.
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Die Dampfmaschine und die von ihr angetriebenen Motoren wie der einer Lokomotive stehen für den Beginn der modernen Industrie. Aber damit begann auch der Klimawandel.
James Watt hat die Dampfmaschine zwar nicht erfunden, aber er hat sie weiterentwickelt. Seine starke und unermüdliche Maschine verschlang Kohle aus einem scheinbar grenzenlosen Vorrat und produzierte Energie – ohne Unterbrechung. Sie ist das perfekte Beispiel für die Art und Weise, wie die Reichen und einflussreichen Menschen der damaligen Zeit die Erde und unser Verhältnis zu ihr betrachteten.
Die Menschen hatten zu unterschiedliche Zeiten sehr unterschiedliche Ansichten, was das Verhältnis des Menschen zur Natur betrifft, und noch heute gibt es ganz verschiedene Meinungen dazu. Angehörige des Volks der Haudenosaunee (die auch Irokesen genannt werden) vertreten zum Beispiel die Meinung, dass jede unserer Handlungen nicht nur danach beurteilt werden sollte, was sie für die gegenwärtige Generation bedeutet, sondern für die nächsten sieben Generationen. Viele Kulturen glauben, dass wir nicht nur gute Mitmenschen sein sollen, sondern auch gute Vorfahren – dass wir also nichts tun sollten, was künftigen Generationen das Leben erschwert. Und wie wir von jungen Leuten aus dem Reservat der Northern Cheyenne erfahren haben, lehrt sie ihre Kultur, nicht mehr aus der Natur zu nehmen, als sie brauchen, und es der Erde wieder zurückzugeben, damit sie sich weiterhin selbst erneuern und gedeihen kann.
Dies sind Lebensweisen, die auch heute noch von manchen Gemeinschaften gepflegt werden, vor allem von indigenen Völkern, also den Nachfahren von sogenannten Ureinwohnern eines Landes. Doch in jenem Teil der Welt, in dem die Industrie eine wichtige Rolle zu spielen begann, wie in Europa oder in den USA, setzte sich eine andere Einstellung zur Natur durch. Man begann die Natur als einen Gegenstand oder eine Maschine anzusehen, als etwas, das der Mensch kontrollieren kann und soll und das er für seine Zwecke benutzen und steuern kann.
Schon vor dem Industriezeitalter hat dies der englische Philosoph und Wissenschaftler Francis Bacon (1561–1626) so beschrieben. Seine Theorie trat an die Stelle der zuvor auch in England herrschenden Einstellung, nach der man die Erde als lebensspendende Mutter betrachtete, die uns nährt und der gegenüber wir uns respektvoll verhalten müssen. Bacon hingegen behauptete, dass der Mensch losgelöst von der restlichen Natur existiere, etwas ganz Eigenes sei, und dass die Erde nur dazu da sei, vom Menschen beherrscht und ausgenutzt zu werden. 1623 schrieb er: Durch das Studium der Natur »können wir sie bändigen und lenken«. Er ging also davon aus, dass wir die Erde vollständig erforschen und damit vollständig kontrollieren können.
Ein anderer Engländer, John Locke (1632–1704), sah das ähnlich. Für Locke folgte daraus, dass der Mensch die »vollkommene Freiheit« genießt, die Natur zu allem zu benutzen, was der Mensch will. In Frankreich verkündete der Philosoph René Descartes (1596–1650), die Menschen seien die »Herrscher und Besitzer« der Natur.
Hierin liegt das Problem. All diese Denker haben die Meinung vertreten: Ihr Menschen seid »Besitzer« der Natur oder »Herrscher« über die Natur. Nie haben sie gesagt: Ihr seid ein Teil der Natur. Dies führte zu der Einstellung, man könne damit machen, was man wolle, ohne irgendwelche Konsequenzen fürchten zu müssen.