Humanity: Tödliches Upgrade - Folge 1 - Till Berger - E-Book

Humanity: Tödliches Upgrade - Folge 1 E-Book

Till Berger

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Beschreibung

Nanotechnologie, die Verstand und Technik verschmilzt.

Eine Handvoll Verbündeter im Kampf gegen eine tödliche Verschwörung.

Ein Rennen gegen die Zeit - das Schicksal der Menschheit steht auf dem Spiel!

Eine atemberaubende Thriller-Serie, eine fesselnde Reise durch Technologie, Macht und die Abgründe der menschlichen Seele. Bist du bereit, die Wahrheit zu enthüllen?

"Ich konnte die vier Bücher nicht aus der Hand legen - sie fesselten mich von der ersten bis zur letzten Seite und ließen mich nachdenklich und atemlos zurück. Die Reihe ist nicht nur super recherchiert (Till Berger ist Biologe), sondern auch sprachlich beeindruckend. Das Beste aber: Die Charaktere sind authentisch, tiefgründig und sind mir richtig ans Herz gewachsen. Ein absolutes Lesehighlight!" Petra Ivanov, Autorin der Kryo-Trilogie

Über diese Folge:

In einem abgeschiedenen Waldhaus nahe Berlin stößt Hauptkommissar Elei Berisha auf ein makabres Szenario: eine verstümmelte Leiche, daneben eine mit Blut geschriebene Botschaft. Offenbar hat der Tote sich alle Verletzungen selbst zugefügt! In seinem Gehirn entdeckt die Obduktion ein unerklärliches Objekt, das Elei mit einer revolutionären Nanotechnologie in Verbindung bringen kann. Doch diese steht in Europa unter strenger Kontrolle, nachdem ein russischer Forscher durch sie den Verstand verlor und ein Blutbad anrichtete ...

Elei stößt bei seinen Ermittlungen schnell auf Widerstände. Unterstützung findet er bei seiner Frau Hannah, einer BND-Agentin. Doch schon bald verstrickt sich Elei in ein Netz aus Intrigen, aus dem es kein Entkommen gibt ...

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Inhalt

CoverGrußwort des VerlagsÜber diese FolgeHUMANITY – Tödliches UpgradeTitelWidmungZitatDunkelheitUnrechtSerumBridgeEntstelltVerwahrlostQLinkNeuronMantisAnomalieBrandherdGeistMaulkorbSchmerzRote KöniginKollateralschadenVerwischtTumorFeldKratochvilÜbermenschlichIn der nächsten FolgeÜber den AutorImpressum

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Über diese Folge

In einem abgeschiedenen Waldhaus nahe Berlin stößt Hauptkommissar Elei Berisha auf ein makabres Szenario: eine verstümmelte Leiche, daneben eine mit Blut geschriebene Botschaft. Offenbar hat der Tote sich alle Verletzungen selbst zugefügt! In seinem Gehirn entdeckt die Obduktion ein unerklärliches Objekt, das Elei mit einer revolutionären Nanotechnologie in Verbindung bringen kann. Doch diese steht in Europa unter strenger Kontrolle, nachdem ein russischer Forscher durch sie den Verstand verlor und ein Blutbad anrichtete …

Elei stößt bei seinen Ermittlungen schnell auf Widerstände. Unterstützung findet er bei seiner Frau Hannah, einer BND-Agentin. Doch schon bald verstrickt sich Elei in ein Netz aus Intrigen, aus dem es kein Entkommen gibt …

HUMANITY – Tödliches Upgrade

Nanotechnologie, die Verstand und Technik verschmilzt.

Eine Handvoll Verbündeter im Kampf gegen eine tödliche Verschwörung.

Ein Rennen gegen die Zeit – das Schicksal der Menschheit steht auf dem Spiel!

Vier atemberaubende Thriller-Folgen, eine fesselnde Reise durch Technologie, Macht und die Abgründe der menschlichen Seele. Bist du bereit, die Wahrheit zu enthüllen?

T I L L B E R G E R

Folge 1

Für Julia und Emily. In unendlicher Liebe.

»Das Böse ist die Abwesenheit des Guten.«

Augustinus, 345-430 AD

Dunkelheit

Berlin 2041

Es war, als würde sie auf einem Schwarm wütender Wespen reiten. Melissa jagte die Ducati über die verlassene B2 Richtung Leipzig. Der Vierzylinder-Kolbenmotor schickte ein grelles Dröhnen über die dunkle Landschaft. Die im Scheinwerfer aufleuchtenden Mittelstreifen schossen wie Lichtblitze unter ihr durch. Aber die vereinzelten Bäume am Horizont, schwarze Silhouetten vor der ersten Morgendämmerung, krochen nur schleppend an ihr vorbei. Sie war zu langsam. Es waren noch immer sechzig Kilometer bis zum Krankenhaus.

Melissa blinzelte die Tränen weg. Der dritte Schlaganfall in gerade mal sechs Monaten. Laut den Ärzten war nichts mehr zu machen. Ausgerechnet jetzt, wo die rettende Technologie zum Greifen nah war. In einem Jahr wäre es so weit gewesen. In einem verdammten Jahr! Aber diese Bitch von einem Schicksal musste ja unbedingt schon jetzt zuschlagen.

Three strikes and you’re out.Fuck!

Wütend legte sich Melissa in eine Kurve, spürte, wie die Fliehkraft nach ihr griff, und gab erneut Gas. Zu aggressiv, wie sie leider zu spät erkannte. Das Hinterrad schlug aus und begann zu schlittern. Melissa wurde sich des rauen Asphalts bewusst, der wie Schleifpapier unter ihr durchraste. Für eine Schreckenssekunde war sie sich sicher, dass die Maschine unter ihr wegrutschen und sie in die Felder hinauskatapultiert werden würde. Doch die Ducati machte eine ruckartige Kippbewegung wie ein störrischer Esel, der seinen Reiter abwerfen will, und stabilisierte sich wieder. Keuchend drosselte Melissa das Tempo. Die Stabilitätskontrolle hatte ihr gerade den Arsch gerettet. In ihrer Verzweiflung und Wut über das schreckliche Schicksal ihrer Mutter mischten sich Ärger und Selbstvorwürfe. Wenn sie so weiterfuhr, konnte ihr Vater gleich zwei Särge bestellen.

Noch bevor sich ihr Herzschlag abermals beruhigte, erreichte sie ein Waldstück. Das dichte Blätterdach tauchte sie in tiefe Dunkelheit. Einzig der Scheinwerfer der Ducati schnitt mit einem unruhigen Lichtkegel ein Stück Straße aus der Finsternis. Die Sicht betrug höchstens hundert Meter. Eine Distanz, die sie bei ihrem gegenwärtigen Tempo in knapp drei Sekunden zurücklegte. Wenn sie ihr Schicksal nicht erneut herausfordern wollte, musste sie weiter vom Gas gehen.

Der Scheinwerfer streifte etwas am Straßenrand. Nach einem Wimpernschlag war es aus Melissas Gesichtsfeld verschwunden. Erst wertvolle Augenblicke später begriff sie, worum es sich dabei gehandelt hatte. Ein Pannendreieck.

Ein Unfall, schoss es ihr durch den Kopf.

Mit aller Kraft riss sie an den Bremsen. Die Rennmaschine unter ihr rutschte quietschend über den Asphalt. Doch ihre Reaktion kam zu spät. Vor ihr schälte sich ein Objekt aus der Dunkelheit. Quer über der Straße lag ein Baum. An ein Ausweichen war nicht mehr zu denken. Melissa schrie auf und presste die Augen zusammen, als könnte sie allein damit den Aufprall verhindern. Ihre Welt reduzierte sich auf den panischen Laut aus ihrer Kehle.

Dann stand sie auf einmal still. Reflexartig setzte sie einen Fuß auf den Boden und öffnete langsam die Augen. Sie konnte kaum glauben, was sie sah. Der Scheinwerfer der Ducati leuchtete in dichtes Nadelgeäst, der Baumstamm keine zwei Meter von ihr entfernt. Wie gelähmt stand sie einige Sekunden regungslos da. Der Motor unter ihr brummte.

Langsam setzte ihr Verstand wieder ein. Sie begriff, was passiert war. Zum zweiten Mal war sie knapp mit heiler Haut davongekommen. Two strikes.

Dass sie noch am Leben war, grenzte geradezu an ein Wunder. Sie spürte ihr pochendes Herz und bemerkte, dass sie schon eine ganze Weile den Atem angehalten hatte. Langsam ließ sie die angespannten Schultern sinken und nahm einen zögerlichen Atemzug, was unmittelbar in einen Hustenanfall mündete. Die Luft stank nach verbranntem Reifen und ätzte auf ihrer Lunge.

Rasch stieg sie ab und entfernte sich keuchend vom Motorrad. In ihrem Kopf begann sich alles zu drehen. Ein akuter Drang, sich zu erbrechen, stieg in ihr auf. Schockreaktion, ging es ihr durch den Kopf. Sie riss den Helm herunter und saugte die kühle Waldluft ein. Aber die Übelkeit hatte bereits von ihr Besitz ergriffen. Sie sackte auf die Knie und übergab sich. Danach kauerte sie über ihrem Erbrochenen, würgte und spuckte aus.

Als sie sich etwas zu beruhigen begann, vernahm sie ein Geräusch. Ein dumpfes Klacken. Es klang wie eine sich öffnende Autotür. Sie sah auf. Ihr Blick war verschwommen, doch sie erkannte die Rücklichter eines Fahrzeugs. Ein Lieferwagen, wie es schien. In ihrem Kopf drehte sich noch immer alles. Sie kniff die Augen zusammen und sah noch mal hin. Das Bild wurde etwas schärfer. Über das Fahrzeug zogen sich helle und dunkle Streifen. Die Farben waren kaum zu identifizieren, aber das Muster war unverkennbar: ein Rettungswagen.

Melissa richtete sich unsicher auf. Auf der rechten Seite des Wagens bewegte sich etwas.

»Hallo?«, rief sie heiser.

Ein Schatten stieg aus dem Fahrzeug und kam auf sie zu.

»Guten Abend«, sagte eine Männerstimme. Sie klang mechanisch. Fremdartig und doch irgendwie vertraut.

Melissas Instinkt sagte ihr, dass hier etwas nicht stimmte. Aber obwohl sich der Nebel in ihrem Kopf langsam lichtete, gelang es ihr nicht, einen klaren Gedanken zu fassen.

»Was ist hier los? Was machen Sie hier?«

Der Mann trat näher. Seine Haut war so schwarz wie die Nacht. Die Konturen seines Gesichts verschwammen mit der Dunkelheit.

»Jemand hatte einen Unfall«, sagte er.

Er blieb kurz vor ihr stehen und sah auf sie herab.

»Wer?«, fragte sie.

Er nahm etwas aus der Tasche, das wie ein Stück Stoff aussah. Dann drückte er es ihr aufs Gesicht und sagte: »Sie.«

Unrecht

Elei bemerkte gleich, dass etwas nicht stimmte. Er steuerte seinen Dienstwagen auf die Haltezone vor dem Eingang der Lietzensee-Grundschule. Das Backsteingebäude ragte hinter einer Allee aus jungen Ahornbäumen empor. Marie stand mit ihrer Klassenlehrerin vor dem steinernen Bogen des Haupteingangs. Die Lehrerin beobachtete Elei, wie er ausstieg. Ihre Hände lagen auf Maries Schultern. In der Geste lag jedoch keine Freundlichkeit. Der Griff wirkte schwer. Vorwurfsvoll.

Nicht schon wieder, dachte Elei.

Er schloss den Wagen und durchquerte die Allee. Unter seinen Schuhen raschelte herabgefallenes Herbstlaub.

»Hallo, Frau Binzwanger«, begrüßte er die Lehrerin und sah zu Marie. »Hi, Süße!«

Seine Tochter sagte nichts. Sie war in sich zusammengesunken, doch ihr Blick war nicht schuldbewusst, sondern trotzig.

»Guten Tag, Herr Berisha«, begrüßte ihn die Lehrerin. In ihrer Stimme lag ein Tadel, der offenbar auch ihm galt.

»Ist etwas passiert?«, fragte Elei.

Die Augen der Lehrerin verengten sich. »Marie hat sich geprügelt.«

»Geprügelt?« Elei nahm Marie unter die Lupe. Sie sah unverletzt aus.

»Ist bei dir alles in Ordnung? Geht es dir gut?«

»Es geht ihr gut«, sagte Frau Binzwanger scharf. »Aber das andere Mädchen hat sich das Handgelenk verstaucht.«

»Was ist passiert?«

»Sie hat eine Mitschülerin umgestoßen, diese ist umgefallen und hat sich dabei verletzt.«

»Ach ja?« Elei nahm Marie bei der Hand und zog sie sanft zu sich, um sie aus Frau Binzwangers Griff zu befreien. »Warum hast du das gemacht?«

Marie kaute auf ihrer Unterlippe, wie sie es immer tat, wenn sie sich ungerecht behandelt fühlte. In ihren klaren grünen Augen lag ein widerspenstiger Ausdruck.

»Sie war gemein«, sagte sie. »Sie hat meiner Freundin das Sandwich aus der Hand geschlagen.«

»Und dann?«

»Ich habe ihr gesagt, sie soll es aufheben. Aber sie hat bloß gelacht.«

Die Lehrerin gab mit einem Zungenschnalzen ihre Missbilligung zum Ausdruck. »Das ist kein Grund für Gewalt! Du hättest es bei mir melden müssen.«

»Sie hat aber zuerst geschubst!«

»Das reicht, du musst jetzt nicht auch noch lügen.« Sie wandte sich an Elei. »Das ist schon der dritte Vorfall. Wenn so was noch mal passiert, gibt es einen Verweis von der Schulleitung.«

Elei kannte die anderen beiden Vorfälle. Vor zwei Monaten hatte Marie einem Jungen geholfen, der von einem größeren Schüler hinter einer Tür eingeklemmt worden war. Sie hatte seinem Peiniger in den Arm gekniffen, bis er schreiend davongerannt war. Das andere Mal hatte sie ihre Naturkundelehrerin mit einem Schwamm beworfen, als diese eine entlaufene Maus aus dem Nagetierkäfig zertreten wollte. Unglücklicherweise hatte sie direkt ins Auge getroffen.

»Finden Sie das nicht etwas übertrieben?«, fragte Elei.

»Übertrieben?«, empörte sich Frau Binzwanger. »Sie und Ihre Frau sind doch Polizisten, Sie müssten wissen, dass man ein solches Verhalten nicht tolerieren darf.«

Elei verzichtete darauf, zu erwähnen, dass Hannah keine Polizistin war, sondern beim Bundesnachrichtendienst arbeitete.

Er seufzte innerlich. Engstirnige Prinzipienreiter wie Maries Lehrerin konnte man kaum davon überzeugen, dass Zivilcourage eine Charakterstärke war. Würde er sich jetzt auf eine Diskussion einlassen, erreichte er damit höchstens, dass sie Marie noch mehr ins Fadenkreuz nahm.

»Es wird nicht noch mal vorkommen«, sagte er beschwichtigend.

Elei verabschiedete sich und führte Marie zum Auto. Er setzte sich auf den Fahrersitz und tippte den Steuerknüppel an, der in seine Halterung im Armaturenbrett versank. Zunächst musste er ein ernstes Wörtchen mit seiner Tochter sprechen, da konnte er sich nicht vom Verkehr ablenken lassen.

»Bitte Fahrziel angeben,« meldete sich das Navigationssystem.

»Nach Hause. Schnellste Route.«

»Fahrziel bestätigt. Darmstädter Straße sieben, Berlin-Charlottenburg. Fahrzeit zwölf Minuten. Bitte schnallen Sie sich an.«

»Also, was ist denn wirklich passiert?«, fragte er, während das Auto in den Feierabendverkehr eintauchte.

Marie verschränkte die Arme vor der Brust und kaute erneut an der Unterlippe.

»Marie, komm schon. Spuck’s aus.«

Das Kauen hörte auf. »Ich habe sie eine dämliche Zicke genannt. Da hat sie mich gestoßen. Also habe ich sie zurückgeschubst, und sie ist hingefallen. Aber die Binzwanger hat erst geschaut, als ich geschubst habe.«

Elei betrachtete seine Tochter eine Weile. Ihre langen braunen Haare fielen ihr ins sommersprossige Gesicht. Sie war zwar erst acht, aber schon eine richtige Schönheit. Wie ihre Mutter.

»Das war alles?«, fragte er.

Marie nickte, noch immer die Arme vor der Brust verschränkt.

Elei wandte sich ihr zu. »Sieh mich mal an.«

Sie hob den Blick.

»Es ist gut, dass du für deine Freundin eingestanden bist, okay? Lass dir bloß nichts anderes einreden. Aber man darf deshalb trotzdem niemanden verletzen. Das haben wir doch letztes Mal schon besprochen.«

Marie nickte mit zusammengepressten Lippen.

Elei spürte einen leichten Stich. Sie war noch so klein und zerbrechlich. Und trotzdem musste sie sich schon in dieser Welt behaupten. Er wusste, dass er jetzt hätte streng sein müssen. Aber er ertrug es einfach nicht, sein kleines Mädchen traurig zu sehen. Schon gar nicht, wenn sie eigentlich das Richtige getan hatte.

»Wie wär’s, wenn wir uns unterwegs ein Eis holen?«, fragte er. »Hättest du Lust?«

Maries Augen glänzten. »Ja!« sagte sie und lächelte. »Bei Mollys?«

»Klar, wo sonst?«

Das Lächeln verwandelte sich in ein Strahlen. Sie war auf einmal wieder sein unbeschwertes kleines Mädchen.

Elei grinste und gab dem Navi einen Zwischenhalt beim S-Bahnhof Berlin-Charlottenburg an.

Dessert vor dem Abendessen. Was für eine dämliche Idee. Hannah würde ihm dafür den Hals umdrehen.

Offenbar hatte Marie ähnliche Gedanken. Erneut legte sich ein Schatten über ihr Gesicht. »Müssen wir das mit der Schubserei Mama sagen?«, fragte sie zögerlich.

Elei antwortete nicht sofort, ließ sie etwas schwitzen. »Na ja, vielleicht nicht. Aber nur unter einer Bedingung.«

Marie sah hoffnungsvoll auf.

»Wir verraten ihr auch nichts vom Eis vor dem Abendessen. Deal?«

Marie grinste. »Deal!«

Serum

Melissa spürte einen Ruck. Es folgte ein metallisches Klicken. Etwas rastete ein. Das Erste, was sie wahrnahm, waren die brennenden Augen. Sie schluckte. Ihr Hals fühlte sich an, als hätte sie Säure getrunken. Ihr Kopf war zur Seite gedrückt, ihre Wange berührte rauen Stoff. Etwas Schweres drückte auf ihre Brust. Mühevoll öffnete sie die Augen. Sie fühlten sich verklebt an. Es kostete sie alle Kraft, sie nicht gleich wieder zu schließen. Sie brauchte einen Moment, bis sie verstand, was sie sah. Vor ihr befand sich eine graue Wand mit einer alten Holztür. Sie war verschlossen. Melissa konzentrierte sich auf das nähere Umfeld und blickte auf grob gewobenen blauen Stoff. Zwei oder drei Handbreit vor ihr sah sie eine horizontale Stange aus Chromstahl. Sie befand sich offenbar auf einer Art Bett oder Rollbahre. Noch etwas stellte sie fest: Sie lag auf dem Bauch. Der Druck, den sie auf ihrer Brust spürte, stammte von ihrem eigenen Körpergewicht.

Ein Schatten schob sich vor ihr Blickfeld. Sie spürte einen zweiten Ruck, erneut gefolgt von einem Klicken. Melissa sah eine Hand. Dunkle Haut, beinahe schwarz. Schlagartig kehrten die Erinnerungen zurück: die Fahrt auf der Ducati, der Baumstamm über der Straße, der schwarze Mann, das Tuch mit der ätzenden Flüssigkeit auf ihrem Gesicht.

Wie von einem Peitschenschlag geweckt, war sie hellwach. Sie bäumte sich auf und schrie. Aber etwas hielt sie fest, schlang sich eng um ihren Körper, hielt sie dort, wo sie war. Aus ihrem Mund kam ein dumpfes Keuchen. Melissas Herz schlug bis zum Hals. Sie war festgebunden und geknebelt. Enge Gurte spannten sich von den Füßen bis zu den Schulterblättern über ihren Körper, vergruben sich in ihre Haut.

In die Haut, nicht in die Kleidung. Ein kalter Schauer lief ihr den Rücken hinab. Sie war nackt! Bloß um den Po spürte sie etwas Stoff. Man hatte sie betäubt, ausgezogen und ohne Kleider auf diesen Tisch gebunden. Panik ergriff sie, überschwemmte sie geradezu. Ihr Fluchtreflex übernahm die Kontrolle. Mit aller Kraft stemmte sie sich gegen die Fesseln, bog den Rücken durch, zog die Beine an, versuchte unter den Gurten durchzurutschen.

Die Fesseln drückten sich noch tiefer in ihre Haut und schürften sie auf. Melissa ignorierte den Schmerz und wand sich weiter, wollte die schreckliche Wahrheit nicht akzeptieren. Aber schließlich verließ sie die Kraft. Erschöpft, schweißüberströmt und mit brennenden Striemen auf der Haut erschlafften ihre Muskeln. Von einer bitteren Erkenntnis gepackt, füllten sich ihre Augen mit Tränen. Sie schluchzte. Sie war gefangen und ihrem Entführer hilflos ausgeliefert.

Erneut hörte sie ein metallisches Geräusch. Es klang anders als die beiden ersten. Es war auch etwas weiter weg. Sie drehte den Kopf auf die andere Seite. Der Mann stand vor einem alten Holztisch und legte etwas auf ein metallenes Tablett. Eine einzelne Glühbirne beleuchtete den Inhalt. Melissa erkannte eine Spritze. Daneben lagen Packungen mit medizinischem Material, eine feine gebogene Zange und weitere Gegenstände, die sie nicht genau erkennen konnte.

Operationsbesteck, schoss es ihr durch den Kopf.

Melissa hatte keine Zweifel daran, dass die Dinge für sie bestimmt waren. Sie begann am ganzen Körper zu zittern. Was wollte der Psychopath von ihr? Versuche an ihr durchführen? Sie vergewaltigen? Irgendwelche perversen Fantasien an ihr ausleben? Übelkeit stieg in ihr auf, aber sie kämpfte sie nieder. Sie musste klar denken. Es musste doch eine Möglichkeit geben, diesem Irrsinn zu entkommen!

Schwer atmend sah sie dem Mann zu, wie er eine der medizinischen Packungen vom Tablett nahm und aufriss. Wenn sie es schaffte, mit ihm ein Gespräch zu beginnen, konnte sie ihn vielleicht von seinen Plänen abhalten. Sie rief in ihren Knebel hinein, um auf sich aufmerksam zu machen.

Aber ihr Entführer schenkte ihr keine Beachtung. Er zog den Inhalt aus der Verpackung. Melissa erkannte eine lange Nadel. Sie maß mindestens zehn Zentimeter.

Sie rief erneut, lauter. Der Mann löste sich vom Tisch. Melissa reckte den Hals, um sein Gesicht zu erkennen, aber als er sich zu ihr umdrehte, war der Kopf bereits aus ihrem Sichtfeld verschwunden.

Er kam zu ihr. Etwas Nasses berührte ihren Rücken. Er fuhr damit über ihre Lendenwirbel. Melissa wand sich unter den Fesseln und schrie aus Leibeskräften. Er legte ihr die Hand zwischen die Schulterblätter, sanft, ohne Druck. Melissa schöpfte Hoffnung. Wollte er sie damit beruhigen? War das eine erste Form der Kommunikation? Vielleicht ließ er doch mit sich reden!

Ein schabendes Geräusch ertönte. Metall auf Metall. Ein Ruck ging durch die Liege. Der hintere Teil, auf dem sich Melissas Beine befanden, senkte sich langsam ab. Sie spürte, wie sich auf der Höhe ihres Bauches ein Knick bildete und sich ihr Rücken beugte. Was hatte der Kerl vor? Der Knick wurde stärker und drückte unangenehm in ihren Bauch. Die Bewegung endete, und ihr Peiniger arretierte die Liege erneut. Eine weitere kurze Berührung an ihrem Rücken. Ein Finger ertastete ihre Lendenwirbel. Dann spürte sie den Einstich. Ihre letzte Hoffnung löste sich in Luft auf. Etwas drang durch ihre Haut, stieß durch die Wirbelsäule und schob sich tief in sie hinein.

Melissa stöhnte gequält, ihre Augen füllten sich erneut mit verzweifelten Tränen. Alles in ihr schrie danach, sich aufzubäumen, die Hände des Mannes abzuschütteln, sich von ihm zu befreien. Aber sie blieb wie erstarrt liegen. Eine Nadel steckte in ihrer Wirbelsäule. Sie war keine Ärztin, aber sie war sich sicher, dass eine einzige falsche Bewegung reichen konnte, um sie für den Rest ihres Lebens in den Rollstuhl zu bringen.

Der Mann ließ von ihr ab. Mit angehaltenem Atem beobachtete sie, wie er einen fahrbaren Infusionsständer zu ihr rollte. Noch immer war sein Gesicht nicht zu erkennen. Melissa konzentrierte sich auf den Ständer. Dort, wo normalerweise der Infusionsbeutel hing, befand sich ein kleines Gerät mit einer zylindrischen Einbuchtung. Er nahm eine Spritze vom Tisch und setzte sie in die Vertiefung ein. Sie enthielt eine graue Flüssigkeit. Irgendeine Art Serum, wie Melissa vermutete. Sie hatte noch nie etwas Derartiges gesehen. Erneut kam Übelkeit in ihr auf. Sie beobachtete, wie der Mann einen dünnen Schlauch vom Tisch holte und ihn mit der Spritze verband. Er drückte auf dem Gerät einen Knopf, und es begann zu surren. Der Inhalt der Spritze wurde in den Schlauch gedrückt. Die graue Flüssigkeit bahnte sich ihren Weg bis zum anderen Ende. Als sie es fast erreicht hatte, stoppte der Mann das Gerät. Melissa spürte, wie er abermals an ihrem Rücken hantierte. Zitternd begriff sie, dass er den Schlauch mit der Nadel in ihrem Rücken verband.

Bitte nicht, flehte sie stumm. Aber sie wusste, dass er sie nicht erhören würde. Musste sie jetzt sterben? Das Bild ihrer Mutter drängte in ihr Bewusstsein. Sie stellte sich vor, wie sie alleine in einem anonymen Krankenbett lag und sterbend auf ihre Tochter wartete. Eine tiefe Trauer erfüllte sie und verdrängte für einen Moment ihre eigene Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit. Wie konnte das alles bloß passieren?

Eine Tür knarrte. Aufgeschreckt drehte Melissa den Kopf. Jemand betrat den Raum. Sie reckte den Hals, aber die Tür schwang auf ihre Seite auf, sodass sie ihn nicht sehen konnte. Nur ein Stück eines hellblauen Kittels war zu erkennen.

Der Mann trat näher und sagte: »Sie können jetzt gehen. Sie werden nicht mehr gebraucht.« Seine Stimme war mild, fast etwas zu hoch für einen Mann.

Wortlos verließ Melissas Entführer den Raum und schloss die Tür hinter sich.

Für einen Augenblick war es still im Raum. Melissa drehte den Kopf, versuchte herauszufinden, wo sich der andere Mann befand. Sie hörte Schritte, und der hellblaue Kittel tauchte neben ihr auf.

Melissa vernahm ihren eigenen Atem. Stoßweise und unstetig. Erneut begann das Surren. Einen Augenblick passierte nichts. Im nächsten Moment tastete sich ein züngelndes Brennen in ihre Wirbelsäule hinein. Wurde immer stärker, schlängelte sich wie Würmer durch ihren Rücken.

Melissa schrie vor Schmerz und Verzweiflung. Aber sie wusste, dass niemand sie hören würde.

Bridge

»Hey Prinzessin, genug Zeit im Bad vertrödelt. Frühstück ist fertig.«

Elei stellte zwei Gläser Orangensaft auf den runden Küchentisch in der Essnische und horchte, ob sich oben etwas regte.

»Marie?«, rief er erneut, als er nichts hörte.

»Jaa-haa«, kam es von oben.

Elei schmunzelte. Kaum acht Jahre alt und brauchte schon über eine halbe Stunde im Bad.

Er hörte die Badezimmertür aufgehen, und kurz darauf rumpelte es auf der Holztreppe. Elei ging zum Gasherd, ein Relikt aus vergangenen Zeiten, das sich Hannah gewünscht hatte, weil es zu den Arbeitsflächen aus Chromstahl passte. Blaue Flammen züngelten unter einer gusseisernen Pfanne, in der ein Apfel-Pfannkuchen brutzelte. Elei schaltete den Herd aus und ließ den Pfannkuchen auf einen Teller gleiten.

Marie erschien in der Tür. »Hallo, Papa.«

Sie überragte die höchste Markierung am Türrahmen bereits um mindestens fünf Zentimeter. Es war dringend Zeit, mal wieder die Größe zu messen. Die Kleine wuchs schneller, als man zuschauen konnte.

»Na los, setz dich, wir müssen in zwanzig Minuten los.«

Marie schob sich auf ihren Stuhl, und Elei stellte ihr den Teller hin. Er setzte sich ebenfalls und beobachtete für einen Moment, wie sie sich über den Pfannkuchen hermachte. Väterlicher Stolz erfüllte ihn. Marie war schon zu einer richtigen kleinen Frau herangewachsen.

Er schnitt seinen eigenen Pfannkuchen an und fragte: »Na, freust du dich schon auf die Mücken, Zecken und Käfer?«

Sie hatten für die kommende Ferienwoche einen Campingausflug an den Flakensee geplant. Obwohl Marie ein Stadtkind war, liebte sie Ausflüge in die Natur über alles.

Marie schob sich ein neues Stück in den Mund, allerdings etwas zögerlicher als zuvor, und zuckte mit den Schultern.

»Was ist?«, fragte Elei. »Du liebst doch Camping.«

Marie ließ die Schultern etwas sinken: »Ich möchte, dass Mama auch mitkommt.«

Elei legte seine Gabel ab. »Aber das ist doch bloß dieses eine Mal. Mama kommt in den nächsten Ferien wieder mit.«

Marie stocherte in ihrem Pfannkuchen herum. »Warum kann sie denn nicht kommen? Sie hat noch nie gefehlt!«

»Ich weiß es leider auch nicht, meine Kleine. Mama kann mir auch nicht immer sagen, was sie macht. Du weißt ja, Geheimdienst.« Er zwinkerte ihr zu. »Alles top secret.«

Marie ging nicht darauf ein. »An unserem letzten Familienabend war sie auch nicht da«, quengelte sie.

»Ich weiß, meine Kleine, sie hat einfach gerade sehr viel zu tun. Das wird sich bestimmt bald ändern. Außerdem wird sie ja heute Abend kommen.«

Marie griff nach dem Glas Orangensaft, drehte halbherzig daran rum, ließ schließlich davon ab.

»Was ist denn los, Kleines?«

Sie kniff die Lippen zusammen. Elei bemerkte, dass sie noch mehr auf dem Herzen hatte. Er drängte sie nicht, ließ ihr Zeit.

»Habt ihr euch eigentlich noch lieb?«, fragte sie nach einer Weile.

»Aber natürlich haben wir uns noch lieb, warum fragst du das?«

»Warum wohnen wir dann nicht mehr zusammen?«

»Das haben wir doch schon oft besprochen«, sagte Elei. »Wir lieben uns eben auf eine andere Weise. Auf eine, bei der man nicht mehr zusammenwohnt.«

Marie wirkte alles andere als überzeugt. Elei zerriss es das Herz. Die alten Schuldgefühle flammten erneut auf, nährten sich an seinem schlechten Gewissen. Die Trennung von Hannah und ihm war eine schwere Belastung für Marie. Obwohl es nun schon fast vier Jahre her war, hatte sie es noch immer nicht richtig verarbeitet. Sie hatten entschieden, sich die Betreuung zu teilen. Eine Woche war Marie bei ihm, die andere Woche bei Hannah. Jeden Donnerstag machten sie einen Familienabend und achteten darauf, an allen wichtigen Ereignissen wie Feiertagen und Schulvorführungen gemeinsam teilzunehmen, um zumindest ein bisschen vom früheren Familiengefühl zu erhalten. Aber natürlich war das nicht einmal annähernd das, was Marie brauchte.

Elei überlegte sich, wie er sie trösten konnte, als ein Klingeln ertönte. Der Bildschirm auf dem Kühlschrank meldete einen Videoanruf. Elei blickte über die Schulter, um zu sehen, wer anrief.

»Das ist Onkel Lui!«, rief Marie.

»So früh?«, wunderte sich Elei. Er wandte sich dem Bildschirm zu, auf dem ein Foto von Eduardo Luigi Lombardi zu sehen war, wie er mit Marie gemeinsam um die Wette grinste.

»Anruf annehmen«, sagte er.

Das Foto machte einem Kamerabild Platz. Lui war bereits in seinem Dienstwagen unterwegs. Die krausen Haare standen wie immer wirr vom Kopf. Die ansonsten gelassenen Gesichtszüge verrieten eine gewisse Anspannung.

»Wo bist du?«, fragte er zur Begrüßung. Dann fiel sein Blick auf Marie, und sein Gesicht hellte sich auf. »Ah, ma piccola bella! La migliore ragazza del mondo!«

Marie kicherte. »Hallo, Onkel Lui.«

Elei war froh, dass Maries trübe Stimmung verflogen war. Aber das Thema war nur aufgeschoben. Er musste so bald wie möglich mit Hannah darüber sprechen. Vielleicht war es an der Zeit, Marie die Wahrheit zu sagen. Dass sie sich einfach nicht mehr liebten. Ein kleines Ziehen in seiner Brust erinnerte ihn daran, dass auch das nicht so ganz der Wahrheit entsprach. Zumindest nicht, was ihn betraf. Er schob den Gedanken beiseite und setzte ein Lächeln auf.

»Lui, ich glaub, sie hat verstanden, dass du sie magst.«

»Da bin ich mir nicht so sicher. Ich habe mein Lieblingspatenkind ja schon ewig nicht mehr gesehen!«

Marie lachte. »Du warst doch am Sonntag beim Turnier.«

»Und du hast fantastisch gespielt, meine piccola maestra. Wie du die Bälle im Tor versenkt hast! Peng! Peng!« Er unterstrich das Gesagte, indem er mit einem imaginären Hockeyschläger durch die Luft wedelte. »Aber es ist schon viel zu lang her, du fehlst mir, meine Süße!«

»Was gibt’s denn so Dringendes, Lui?« Elei lenkte das Gespräch auf den Grund des Anrufs.

»Ich ruf an, weil du noch offline bist, mi amico. Zieh deine Bridge an. Es gibt einen neuen Fall. Ein Toter im Waldgebiet beim Seddinsee.«

Der Seddinsee war ein Naherholungsgebiet im Osten von Berlin. Elei war bereits einige Male mit Marie dort zum Wandern gewesen.

»Ein Mord? Was ist passiert?«, fragte Marie.

Lui lachte: »Du kommst ja ganz nach deinem Papa.«

»Ich will auch Kommissarin werden!«, sagte sie stolz.

»Ach ja?«

»Ich bin ziemlich gut. Hab Papa die letzten drei Mal beim Scotland Yard geschlagen.«

Während Elei zuhörte, ging er zur Besteckschublade und nahm eine kleine weiße Schachtel aus glattem Material heraus. Darin befand sich die Bridge, ein kleiner hautfarbener Bügel von der Größe eines Fingernagels.

»Wow!«, staunte Lui. »Na, so, wie ich dich kenne, findest du bestimmt jeden Mister X. Aber dieser Fall ist leider nichts für dich.«

»Warum nicht?«

Lui zögerte. »Na ja …«

Elei ahnte bereits, dass der Grund vermutlich nichts für Kinderohren war. »Um wen geht es?«

»Das wissen wir nicht«, sagte Lui. »Ein Jäger hat ihn heute Morgen in einem Haus mitten im Wald gefunden. Die Streifenpolizisten haben den Tatort abgesperrt und noch nichts angefasst.«

Elei setzte sich den Bügel auf den Nasenrücken und tippte ihn an. Wie ein Stück Butter, das auf eine heiße Platte gelegt wurde, zerfloss das Material und verteilte sich über den oberen Bereich der Nase.

»Wenn sie nicht wissen, wer es ist, warum ruft man dann das LKA und nicht das örtliche Kriminalreferat?«

Das Material verfestigte sich zu einer unsichtbaren elastischen Schicht. Seitlich der Nasenwurzel wurden Nanolaser aktiviert und projizieren ein Logo auf Eleis Retina. Es handelte sich um die Abbildung eines Baums, dessen Äste und Wurzeln sich einander entgegenneigten und dadurch einen Kreis bildeten. Esschwebte etwa einen Meter vor Elei im Raum und drehte sich einmal, bis er es mit einer Geste wegwischte. Gleich darauf leuchtete ein Login des Landeskriminalamts Berlin auf. Elei wartete, während die Laser zur Prüfung seiner Identität die Retina abtasteten.

»Das Haus, in dem der Tote gefunden wurde, gehört einem sehr einflussreichen Tech-Konzern. Sie benutzen es als Feriendomizil für ihre Mitarbeiter. Sieht nach einem Fall von überregionalem Interesse aus.« Lui betonte das Wort »überregional« und machte Gänsefüßchen in die Luft.

»Eine politische Geschichte also?«, fragte Elei.

»Kann man so sagen.«

»Welcher Konzern?«

»Der, von dem du das Ding auf deiner Nase hast. H².«

Vor Elei erschien eine Bestätigung, die transparent und grün leuchtend im Raum hing.

»Hauptkommissar Elei Berisha. Login erfolgreich.«

Die Bestätigung verschwand, und eine Meldung erschien. Sie war mit dringlich markiert. Elei war nicht überrascht. H² war einer der fünf weltweit größten Technologiekonzerne. Die Bridge-Technologie hatte seine Aktienkurse vor einigen Jahren durch die Decke gehen lassen. Der unsichtbare Nasenbügel hatte Smartphones, Smartglasses und AI-Pins in kürzester Zeit wie ein Tsunami weggefegt.

Zu diesem Zeitpunkt hatte der Konzern seinen Hauptsitz nach Berlin verlegt. Damals waren viele amerikanische Tech-Konzerne nach Europa gekommen, weil die US-Regierung sie unter Aufsicht stellen wollte. Wie viele andere Technologie-Unternehmen hatte sich auch H² dem Ziel verschrieben, den Menschen durch Technologie zu verbessern. Das passte natürlich überhaupt nicht in das ultrareligiöse Bild des republikanischen Präsidenten. Die deutsche Regierung hatte damit hingegen kein Problem.

H² war für Berlin rasch systemrelevant geworden. Der Konzern beschäftigte allein auf seinem Campus in Friedrichshain fast zwanzigtausend Mitarbeiter. Wenn H² hustete, hatte gleich die ganze Stadt Fieber.

Elei tippte die Meldung an, und vor ihm entfalteten sich drei Dateien. Eine mit dem Einsatzbefehl, eine mit den bestehenden Hintergrundinformationen zum Fall und eine Notiz von Karl Adler.

»Eine persönliche Nachricht vom Polizeidirektor, das ist selten«, bemerkte er.