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Hypnosystemische Therapie, Beratung, Supervision, Coaching - interessante einführende Artikel und Erfahrungsberichte von Experten zum Thema Konzepte und Methoden aus dem Bereich hypnotherapeutischer und systemischer Methoden. Ein buntes Menü an Einsatzmöglichkeiten, einmal quer durch die Küche. Als Hypno - Systemisch - kulinarisches Potpourrie angelegt, stellt diese Sammlung methodenorientierter Fachartikel ein Buffett an Kostproben und Köstlichkeiten zur Verfügung, welches Sinn-en-voll einladend vielfältige Wege therapeutischer "Zubereitung" und kathartischer Zielsetzung präsentiert, vorstellt und auf diese Weise zur Verwendung mitunter auch unüblicher "Zutaten" verlocken will. Die Mit-Wirkung so unterschiedlicher Therapeut*innenpersönlichkeiten ermöglicht eine bunte Vielfalt hypnotherapeutisch – methodischer Reflexion und Neu – Vorstellung. Bekanntes neu arrangiert inklusive.
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Peter Stimpfle (Hrsg.)
HypnoSystemisches – für Therapie und Beratung – Appetizer die Lust auf Meer machen
In Dankbarkeit für Sybille und Carlotta
„A song is an experience, you don’t have to understand the words to understand the experience, and trying to understand the full meaning of the words may destroy the feeling of the experience …“
Bob Dylan
(Scaduto 1972)
Bild: Stefan Weyergraf gen. Streit ©
Peter Stimpfle (Hrsg.)
HYPNOSYSTEMISCHES- FÜR THERAPIE UND BERATUNG - APPETIZER DIE LUST AUF MEER MACHEN
MIT EINER EINFÜHRUNGVONGUNTHER SCHMIDT
UNDBEITRÄGENVON
CHRISTINA BLACH - ALEXANDER CHERDRON - ASTRIDDEUCHERT - JEAN-OTTO DOMANSKI - STEFAN GEYERHOFER - HEINZ-WILHELM GÖßLING - PETER HAIN - STEFAN HAMMEL - WALTER HOFMANN - ROLAND KACHLER – KATHARINALAMPRECHT - ANNE M. LANG - FRAUKE NIEHUES - MICHAELNIGITZ-ARCH - MANFRED PRIOR - HANS-ULRICH SCHACHTNER - BERND SCHMID – GUNTHER SCHMIDT – WOLFGANG SCHULZE – CHRISTIAN SCHWEGLER - ANDREAS STEINER - PETER STIMPFLE - ASTRID VLAMYNCK - CLAUDIA E. WEINSPACH - STEFANWEYERGRAF GEN. STREIT - AGNES ZIMMERMANN
Impressum:
Herausgeber: Peter Stimpfle
Text und Gestaltung: Peter Stimpfle ©
Bilder: Stefan Weyergraf gen. Streit ©, Andreas Steiner ©.
Das Werk, einschließlich aller seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt: Jede Verwertung ohne Zustimmung des Verlages, des Herausgebers und der jeweiligen Autor*innen ist unzulässig. Dies gilt insbesondere für elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.
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Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.
Softcover
978-3-384-00193-1
Hardcover
978-3-384-00222-8
e-Book
978-3-384-00223-5
Cover
Widmung
Titelblatt
Urheberrechte
Vorwort
Prolog: Eier, oder ist das wirklich so?
Einleitung – Einige Überlegungen zum hypnosystemischen Original
Teil 1: GRUNDLAGEN HypnoSystemischer Konzepte
HypnoSystemische Prinzipien in Therapie und Beratung nach Milton Erickson
Milton Ericksons Power – und was wir daraus lernen können
Hypnotherapie – Milton Erickson
Was ist eigentlich „Hypnosystemische Therapie“?
Von der „Behandlungsidee“ zur „Prozess-hypno-systemischen Psychotherapie“
Teil 2: HypnoSystemische METHODEN
Raus aus dem Gedankenkarussell – Hypnotherapeutische Arbeit bei pathologischer Grübelneigung
Entlassung auf Bewährung - Hypnosystemisches Arbeiten mit humorvollen inneren Bildern
Innerer Heiler
hypnose-heldenreise
Impacttechniken –Therapie mit allen Sinnen
Methodenschatz: Neun Delfine
Methodenschatz: Die starke Tanne
Methodenschatz: Mein Selbstwertblatt
Kritzeln – ein kreatives Tool, um mit Hilfe von Seiten, Teilen, Ego-States … Lösungen zu bahnen!
Metamorphose „Raupe-Schmetterling“ – eine therapeutische Geschichte zur Ich-Stärkung in Krisen und Zeiten der Veränderung
Neuro Linguistisches Programmieren (NLP) und Energetische Psychotherapie (EP) – eine Power-Kombination – am Beispiel der Raucher-Entwöhnung
Systemisch denken: Wie kriege ich die systemische Kuh auf´s Eis? Und dann wieder herunter? Ein persönlicher Erfahrungsbericht
Systemisch Leben
Teddy Induktion
Die Kunst des Therapeutischen Erzählens – warum und wie Geschichten therapeutisch wirken können
Wege der Trauer – Wege der Liebe: „Ich will dich in meinem Inneren bewahren“ - Trauern ist mehr als Abschiednehmen!
Die therapeutische Wirk-Kraft. Wann haben unsere Interventionen eine Wirkung? Und wann nicht? Eine Analyse von Minute zu Minute, ganz dicht dran
Internalisieren von Lösungen. Oder: Was tun am Ende einer erfolgreichen Psychotherapie?
Teil 3: Verschiedene Themen und Anwendungsbereiche
In Beauty may you walk – Auf dem Weg der Schönheit zu einem würde-vollen und scham-losen Leben
Hochsensibilität in der klinisch-psychologischen Praxis
ich schaff’s – der Lösungsorientierte Blick auf Kinder und Jugendliche –
Kinder und Jugendliche bei schweren Verlusten begleiten – ein beziehungsorientierter Traueransatz
Nach so viel schlechten Nachrichten – Geschichten für krisenmüde Menschen
Psychologie der erfüllten Liebe
Trance-Phänomene in der Palliativ- und Hospizsituation
HypnoSystemische Seelsorge: Worte, die wirken
Warum brauchen Jungen Väter? Eine psychoanalytische Betrachtung der Vater-Sohn-Beziehung
Zauberkunst in Therapie und Beratung
Epilog: Apollo 11 - die Helden meiner Kindheit …
Literaturverzeichnis
Autor*innenverzeichnis
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Epigraph
Titelblatt
Urheberrechte
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Introduction
Epilogue
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Abbildung 1: The Evolution of Psychotherapy ( © Andreas Steiner)
Vorwort 1
Peter Stimpfle
Notzeiten bringen unerwünschte Einschränkungen mit sich. Diese können es erfordern, gewohnte Wege zu verlassen und neue Optionen zu erkunden. Milton Erickson hat seine Schüler dazu ermuntert, das Leben als Labor des Lernens zu betrachten (Zeig 1998) und in diesem Sinne das Utilisationsprinzip formuliert: nutze was da ist zur Lösung des Problems. Wenn etwas nicht – mehr – geht, mach etwas anders oder anderes. Die Kompetenzen des Experimentierens, Er-findens, Er-kundens und Er-forschens können dann sehr bedeutsam werden.
Die Corona Pandemie hat viele, wie auch uns als Fortbildungsinstitut HypnoSystemische Kompetenz Werkstatt Eichstätt, mit schwierigen Restriktionen konfrontiert. Gewohnte Rahmenbedingungen fielen auf unabsehbare Zeit weg. Persönliche Treffen waren nur eingeschränkt möglich, so dass vieles per Videokonferenz ins Homeoffice verlagert wurde: Schule, Studium, Universität, Arbeit, Shopping, Aus-, Fort- und Weiterbildung … Einerseits empfanden es viele erleichternd, Tätigkeiten von zu Hause aus erledigen zu können, und gleichzeitig wurden lange Bildschirmzeiten auch zur Belastung. Entsprechend war es nachvollziehbar, dass manche nach langen online Home-Office-Sitzungen nicht auch noch Fortbildung online machen wollten. In dieser Situation entwickelten Michael Nigitz-Arch und ich die Appetizer-Idee: kurze Online-Workshops oder Vorträge, um Interesse für künftige präsente Fortbildungen zu wecken. Ähnliche Ideen entstanden zeitgleich unabhängig voneinander, wie z. B. der Hypnosalon von Frauke Niehues und Manfred Prior. Über 20 solcher Veranstaltungen konnten wir in zwei Jahren durchführen. Manche davon waren Auftakt für weitere Veranstaltungen.
Für wen ist dieses Buch? Hier wird die Appetizer-Idee zum Buch! Wir möchten Ihr Interesse an HypnoSystemischen Konzepten für Therapie, Beratung, Supervision und Coaching wecken. Dieses Buch ist für jene geschrieben, die noch nicht so viel über HypnoSystemische Ideen wissen und sich informieren möchten, für Menschen, die in psychosozialen Berufen tätig sind. Die hier dargestellten Konzepte kann man als eine erleichternde Ergänzung zum bereits vorhandenen fundierten Fachwissen betrachten.
HypnoSystemische Konzepte finden mittlerweile in verschiedensten Praxisfeldern Anwendung, wie zum Beispiel Altenpflege, Beratung, Coaching, Einzeltherapie, Erziehungsberatung, Erziehungseinrichtungen, Erziehungshilfe, Familientherapie, Fortbildung, Gruppentherapie, Heilkunde, Heilpraktik, Heilpädagogik, Hospizarbeit, Jugendhilfe, Jugendlichenpsychotherapie, Kindergarten, Kinder- und Jugendpsychiatrie, Kinderpsychotherapie, Klinikseelsorge, Krankenpflege, Mediation, Medizin, Paartherapie, Palliativmedizin, Psychiatrie, psychosoziale Berufe, Psychotherapie, Psychosomatik, Schule, Schulpädagogik, Schulsozialarbeit, Seelsorge, Sozialarbeit, Sozialpädagogik, stationäre Therapie, Suchttherapie, Supervision, Traumatherapie, Trauerbegleitung, Zahnheilkunde, u. v. a. ambulant wie stationär.
In diesem Buch präsentieren Autor*innen eine bunte Mischung an Aufsätzen, Artikeln, Vorträgen und persönlichen Erfahrungsberichten, in denen Methoden, Konzepte, Themen und Arbeitsfelder dargestellt werden, die man mehr oder weniger hypnosystemischen Themen zuordnen könnte. Mit diesem bunten Cocktail an Köstlichkeiten hoffen wir, bei Ihnen auf möglichst vielen Sinnesebenen Lust auf „Meer“ anzuregen, sich mehr mit diesem interessanten Ansatz und seinen Facetten zu beschäftigen. Als kleinsten gemeinsamen Nenner könnte man das Werk des amerikanischen Psychiaters Milton Hyland Erickson nennen.
Der Begriff hypnosystemisch wird hier in einem weiten Sinne verwendet, so dass Beiträge Platz finden können, bei denen zum einen der Beziehungsaspekt UND zum anderen die Erfahrungsorientierung im Vordergrund stehen, sowie Methoden zur Gestaltung unwillkürlicher Prozesse. Gunther Schmidt (2004, 2005) ist als derjenige zu nennen, der eine Integration von Konzepten aus der systemischen Familientherapie und der Hypnotherapie wegweisend eröffnet hat und damit den Begriff hypnosystemisch maßgeblich geprägt hat. Bewusst wird in diesem Buch zugunsten von Unterschiedlichkeit und Vielfalt auf definitorische Strenge verzichtet. Erickson soll gesagt haben: „My name is no battlefield“2. Manche der Aufsätze sind eher dem systemischen Denken zugeordnet, andere dem hypnotherapeutischen, andere eher integrativ und manche entstammen sogar anderen therapeutischen Schulen, sind aber thematisch passend. Es geht um den Blick über den – gewohnten – Tellerrand hinaus und um die friedliche Begegnung unterschiedlicher Zugänge.
Besonderer Wert wurde auf die Autonomie der einzelnen Artikel gelegt: jede/r darf sich in eigenen (Sprach-) Stil darstellen! „… Milton H. Erickson war bekannt dafür, seine Suggestionen oft in grammatisch, syntaktisch und semantisch ´falsche` Form zu kleiden, bewusst mit Wortspielen zu jonglieren, die in klassischer Sicht für Fehlleistungen gelten würden, und die so erzeugte Konfusion meisterhaft für therapeutische Zwecke auszunützen.“ (Watzlawick, zitiert nach: Köhler-Ludescher 2014, S. 253).
Alle Autor*innen und Artikel stehen für sich, es wird kein genereller Anspruch erhoben. Umfassende Abhandlungen sind andernorts zu finden. Hinweise dazu finden sich im Literaturverzeichnis. Um das Buch für Einsteiger*innen leichter lesbar zu halten, wurde auf Verständlichkeit Wert gelegt. Dies bedeutet jedoch keineswegs, dass der grundsätzliche empirisch wissenschaftliche Anspruch aufgegeben wird. Es wird wissenschaftlich fundiertes Wissen weitergegeben. Aus Gründen der Einheitlichkeit wurde eine einheitliche Genderform (*innen), Zitationsweise und Formatierung gewählt und ein gemeinsames Literaturverzeichnis angefügt. Vielleicht wird Ihr Interesse geweckt, ein Buch zu lesen, einen Film anzuschauen, einen Vortrag anzuhören oder einen Workshop zu besuchen. Wenn die Praline geschmeckt hat, holt man sich irgendwann eine ganze Schachtel davon und isst sie genüsslich.
Ich möchte allen Mit-Autor*innen für Ihre großzügige und freundliche Bereitschaft, Texte und Bilder zur Verfügung zu stellen, von Herzen danken! Ich war sehr berührt, dass so viele Kolleg*innen ohne weiteres bereit waren, Einblicke in ihre Arbeit zu gewähren. Alle Texte sind mit freundlicher Genehmigung der Autor*innen abgedruckt, bei denen das jeweilige Copyright sowie sämtliche Rechte an ihren Werken weiterhin verbleiben. Manche Texte sind bereits veröffentlicht, weshalb wir den Verlagen, Herausgebern oder Zeitschriften für das Recht zum Abdruck danken. Ich danke Andreas Steiner für die Hilfe bei der Gestaltung des Covers und dafür, dass er seine ausdrucksstarken Spielkarten „Masters of Psychotherapy“ mit Karikaturen maßgeblicher Psychotherapeut*innen zur Verfügung gestellt hat. Meinem Freund Stefan Weyergraf gen. Streit danke ich für seine Gemälde, wodurch dem Buch die Perspektive der Kunst ein Stück eröffnet wurde, denn hypnosystemisches Arbeiten hat neben handwerklichen Fähigkeiten durchaus etwas mit Kunst zu tun.
Zu danken gilt es den vielen, die halfen, Buch und Texte zu gestalten, lektorieren und korrigieren: Andrea Bonschab, Tanja Gabler, Sebastian Meyer, Barbara Nigitz-Arch, Michael Nigitz-Arch, Ludwig Rist, Wolfgang Schulze, Carlotta Stimpfle, Sybille Stimpfle, Birgit Vetter, Stefan Weyergraf gen. Streit, u. v. a. Ich empfinde das Buch als Gemeinschaftswerk, garniert mit vielen bunten Aspekten: es kam unter Mitwirkung vieler zustande, denen Dank zu sagen ist. Und es ist ein Experiment, denn es ist nicht auf dem üblichen Weg über einen Verlag entstanden, sondern gemeinsam.
Menschliche Kommunikation kann zuweilen alles andere als einfach sein und allzu leicht können Missverständnisse entstehen. Aber wie mit daraus entstandenen erstarrten Einsichten umgehen? Vor diesem Ausgangspunkt lädt Sie das Buch zu einer kulinarischen Reise durch das exotische Reich der hypnosystemischen Küche und ihrer vielen Köch*innen ein. Zum Frühstück gibt es Eier, kommunikativ garniert und eingebettet mit grundlegenden Köstlichkeiten und Getränken hypnosystemischer Menüs. Das reichhaltige Mittagsmenü besteht aus feinen Speisen der reichhaltigen Methodenküche und zum Abendessen werden Spezialitäten aus verschiedenen Ländern, abgerundet mit Weinen bester Jahrgänge oder einem Likör serviert. Zum krönenden Abschluss erfolgt eine ausgewogene Mischung bestehend aus Rezepttreue á la Kochbuch garniert mit dem Mut des spontanen Experimentierens und einer gelungenen Landung im Meer der Ruhe.
Sie können die Artikel in der hier abgedruckten Abfolge lesen oder nach freiem Belieben. Man kann sich dabei von Milton Erickson leiten lassen: „Oh this leads me to another story!“ (Schmid 2016, S. 35). Die Trancen können Sie sich vorlesen oder auf ein Band sprechen. Das Buch ist – locker – in drei Kapitel unterteilt und die Artikel sind darin alphabetisch sortiert: Grundlagen – Methoden – Themen & Anwendungsbereiche:
Es freut mich ganz besonders, dass Gunther Schmidt auf unsere Einladung hin, speziell für dieses Buch eine Einleitung geschrieben hat, in der er seine Überlegungen darstellt, die ihn bei der Erfindung des ursprünglichen originalen hypnosystemischen Modells geleitet haben.
Im ersten Kapitel werden aufbauend auf dieser Einleitung Grundlagen hypnosystemischer Konzepte dargestellt:
- Prinzipien des therapeutischen Vorgehens Ericksons von Peter Stimpfle,
- ein Vortrag von Hans-Ulrich Schachtner zu Ericksons Power, gehalten auf dem ersten Milton Erickson Kongress in Phoenix - Arizona,
- ein sehr persönlicher Erfahrungsbericht der Begegnung mit Erickson von Bernd Schmid,
- Impulse von Stefan Hammel dazu, was hypnosystemische Therapie sein kann,
- Überlegungen zum Prozess einer hypno-systemischen Psychotherapie von Anne M. Lang.
Hans-Ulrich Schachtner, Bernd Schmid und Gunther Schmidt gehören zu den wenigen deutschen Kollegen, die persönlich bei Milton Erickson lernen konnten. Sie sind direkte Zeitzeugen, weshalb ihre Beiträge sowohl inhaltlich, als auch historisch, besonders bedeutsam sind.
Im zweiten Kapitel werden HypnoSystemische Methoden vorgestellt. Sie finden eine Auswahl von praktischen Methoden, die sich aus den im ersten Kapitel dargestellten Prinzipien und Konzepten ableiten. Man könnte auch sagen, hier finden Sie einen direkten Blick in die Küche: mit welchen Rezepten und welchen Geräten wird da gekocht?
- Heinz-Wilhelm Gößling zeigt, wie es mit hypnotherapeutischen Methoden gelingen kann, aus dem Gedankenkarussell und pathologischer Grübelneigung auszusteigen.
- Christian Schwegler erläutert mit dem Transkript einer Live Hypnose Sitzung, wie innere Selbstheilungskräfte mit dem Inneren Heiler aktiviert werden können.
- Peter Hain nutzt innere Bilder, um mit Humor im therapeutischen Prozess Ressourcen und Perspektiven zu eröffnen.
- Claudia E. Weinspach & Alexandra Zimmermann laden zu einer hypnose-heldenreise ein,
- Frauke Niehues zeigt anhand von 3 Beispielen die hohe Wirksamkeit von Impact-Techniken.
- Michael Nigitz-Arch stellt mit Kritzeln ein kreatives Tool vor, mit dem kreativ Lösungen angebahnt werden können.
- Claudia E. Weinspach führt mit einer Trance anhand der Verwandlungsmetapher Metamorphose „Raupe-Schmetterling“ durch Zeiten von Krise, Krankheit und Veränderung.
- Astrid Vlamynck demonstriert am Beispiel von Raucher-Entwöhnung, wie Neuro Linguistisches Programmieren (NLP) und Energetische Psychotherapie (EP) zur Power-Kombination werden kann.
- Katharina Lamprecht beschreibt anhand eines persönlichen Erfahrungsberichtes, wie sie lernte, systemisch zu denken und systemisch zu leben – eine Fortsetzungsgeschichte.
- Manfred Prior lädt zu einer erholsamen stärkenden Teddy-Trance Induktion ein.
- Stefan Hammel erläutert die Kunst des Therapeutischen Erzählens und warum und wie Geschichten therapeutisch wirken können.
- Roland Kachler verwandelt Wege der Trauer in Wege der Liebe.
- Walter Hofmann befasst sich damit, wann therapeutische Interventionen ihre optimale Wirk-Kraft entfalten.
- Stefan Geyerhofer benennt Möglichkeiten, wie am Ende einer Therapie Lösungen verinnerlicht – internalisiert – werden können.
Im dritten Kapitel finden Sie verschiedene Themen und Anwendungsbereiche:
- Claudia E. Weinspach zeigt, wie Sie sich mit der Haltung „In Beauty may you walk“ auf den Weg zu Würde und innerer Schönheit begeben können.
- Christina Blach befasst sich damit, wie hypnosystemische Interventionen hilfreich bei Hochsensibilität sein können.
- Astrid Deuchert erläutert die Schritte der lösungsorientierten Vorgehensweise des Motivationsprogramms „ich schaff´s“ für Kinder und Jugendliche.
- Roland Kachler erklärt, wie Kinder und Jugendliche bei schweren Verlusten mit dem beziehungsorientierten hypnosystemischen Traueransatzes begleitet werden können.
- Stefan Hammel bringt, nachdem einige in letzter Zeit öfters schlechte Nachrichten hören mussten, Geschichten für krisenmüde Menschen für einen Hoffnungsschimmer am Horizont.
- Andreas Steiner befasst sich mit der Psychologie der erfüllten Liebe.
- Wolfgang Schulze begibt sich in die Grenzregionen der Hospiz- und Palliativsituation und zeigt, wie dort Trance-Phänomene erkannt und genutzt werden können.
- Jean-Otto Domanski beschreibt, wie Seelsorge hypnosystemisch mit wirksamen heilsamen Worten gestaltet werden kann.
- Alexander Cherdron´s Beitrag befasst sich aus psychoanalytischer Perspektive mit einem sehr wichtigen, oft vernachlässigten Thema der systemischen Familientherapie: der Vater-Sohn-Beziehung.
Erickson scheute sich nicht, das gemeinsame der Psychotherapie zu betonen, warum sollten wir uns deshalb begrenzen?
- Michael Nigitz-Arch schließt den Reigen magisch damit, wie man Zauberkunst in Beratung und Therapie nutzen kann.
Im gemeinsamen Literaturverzeichnis finden Sie die Zitate und weiteres Interessantes, seien es Bücher, Artikel oder auch Links zu Audio- oder Filmaufnahmen. Im Autor*innenverzeichnis stellen sich diese mit einem Bild und Informationen zur Person vor; Links zeigen Ihnen interessante Webseiten.
Sicherheitshinweis: Sofern Sie eine der hier dargestellten oder verlinkten Trancen / Hypnosen nutzen möchten, berücksichtigen Sie dabei bitte, dass Sie dadurch in einen veränderten Bewusstseinszustand kommen können. Es versteht sich von selbst, dass Trancen / Hypnosen deshalb nicht während einer Tätigkeit angehört werden dürfen, die ihre volle Aufmerksamkeit erfordert (wie Autofahren, Arbeiten, Kochen, Snowboarden …), sondern nur dann, wenn man sich sicher ganz und gar sich selber widmen kann. Sollte – wider Erwarten – während des Hörens eine unerwartete unangenehme Empfindung auftreten, können Sie die Trance / Hypnose sofort beenden, in dem Sie sich wieder auf äußere Reize konzentrieren. Die Nutzung der beinhalteten Trancen / Hypnosen oder anderer Interventionsmethoden geschieht in jedem Falle auf eigene Verantwortung: Verlag, Herausgeber und Autor*innen übernehmen dafür keinerlei Haftung.
Alle dargestellten Interventionen sind als Teil eines therapeutischen Gesamtprozesses zu sehen. Bitte berücksichtigen Sie bei einer Nutzung der dargestellten Interventionen, dass diese als integraler Bestandteil eines therapeutischen, beratenden oder Coaching-Prozesses zu betrachten sind. Zu diesem Prozess gehört aus fachlicher Sicht unbedingt die Zustimmung der betroffenen Person/en und eine vorausgehende ausführliche Auftrags- und Zielklärung sowie Information und Aufklärung. Eine isolierte Anwendung zu manipulativen Zwecken ist fachlich und ethisch abzulehnen. In jedem Falle geschieht jedwede Anwendung auf eigene Verantwortung.
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Eichstätt im Februar 2024
Peter Stimpfle
Abbildung 2: Milton H. Erickson
(© Andreas Steiner)
1 Copyright beim Autor ©
2 Ich danke Bernhard Trenkle für dieses Zitat von Milton Erickson.
Prolog: Eier, oder ist das wirklich so? 3
Peter Stimpfle
Es ist ein paar Jahre her, als wir Verwandte in Wien besuchten. Beim Frühstück beobachteten wir, dass die Ehefrau, wie jeden Morgen, pflichtbewusst Eier kochte. Uns sagte sie im Vertrauen, dass sie Eier hasse, aber sie wisse ganz sicher, dass ihr Mann Eier für sein Leben gern esse.
„Ist das so?“ fragte ich. Wenn sie die Eier einmal vergesse, werde er ärgerlich. Sie erkenne es schon an seinem grimmigen Blick morgens, wenn er den Tisch mustere, ob ein Ei da sei.
„Ist das wirklich so?“ fragte ich. Schlimmer, denn er wünsche ein üppiges Frühstück mit Toast, Schinken, Käse, Obst, usw. Sie kenne sich mit den Wienern, wie ihr Mann einer sei, aus. Die seien so und könnten sich auch nicht ändern, das wisse man – außer natürlich die Deutschen („Deitschen“), die hätten keine Ahnung. Gut, jetzt hatten wir es auch gelernt, wie es wirklich ist. Aber wir dürften ihm das nicht sagen, sonst gebe es Krach und sicher gehe die Ehe auseinander. Mir fiel auf, dass sie die Eier nicht mit einer Eieruhr kochte. Sie erklärte, sie habe das im Gefühl.
Der Ehemann erklärte uns im Vertrauen, dass er keine Eier möge und diese nur ihr zuliebe esse, denn er sehe, wie sie sich abmühe und wolle sie nicht enttäuschen. Auch das große Frühstück möge er nicht, es liege ihm im Magen, er wolle morgens einfach in Ruhe Kaffee trinken und die Zeitung lesen, so wie man es in Wien mache, nur die Deutschen wüssten nicht, dass man das so mache. „Auf diese Weise lieben Sie Ihre Frau?“ fragte ich und er antwortete, anders gehe es ja wohl auch nicht.
„Wirklich?“ sagte ich. Er sei sich sicher, dass es großen Streit gebe, wenn er ihr widerspreche. Man müsse „immer“ ihrer Meinung sein, denn sie könne ihre Wut nicht beherrschen, sie komme aus der Steiermark, da seien die Leute „immer“ unbeherrscht. Wegen der harten Eier und um dem Streit mit ihr aus dem Wege zu gehen, habe er sich einen Hund angeschafft, mit dem er rausgehe.
Irgendwie erinnerte ich mich an Loriots Szenen einer Ehe. Auch uns hatte die Frau harte Eier serviert, und sie wusste, dass wir undankbar seien (so sind die Deutschen eben). Warum mir der Satz aus dem Märchen einfällt „… und wenn sie nicht gestorben sind …“ kochen sie immer noch Eier und essen diese … ?
Abbildung 3: Milton Erickson & Jeff Zeig (© Andreas Steiner)
3 Copyright beim Autor © - Veröffentlicht unter: https://www.stefanhammel.de/blog/2015/02/03/2728/
Einleitung –
Einige Überlegungen zum hypnosystemischen Original 4
Gunther Schmidt
Ich erlebe es als große Ehre, dass mich Peter Stimpfle dazu eingeladen hat, einen Beitrag zu schreiben für dieses Buch, welches einen wunderbar weitgespannten Blick anbietet auf die Vielfalt von Interpretationen und Anwendungsmodellen, die kreative Kolleginnen und Kollegen aus den systemischen Konzepten und denen der Erickson´schen Hypnotherapie und damit verwandter Verfahren entwickelt haben. Den Leserinnen und Lesern bieten sich mit diesem Buch ausgezeichnete Chancen, sich einen Überblick über dieses so vielfarbige und damit auch auf viele Arten nutzbare Feld zu verschaffen und (was ich sehr schön fände) auch ermutigen zu lassen, eigene weiterführende Interpretationen dieser Ansätze zu entwickeln.
Dass das Buch im Titel explizit den Begriff „HypnoSystemisches“ enthält, freut mich natürlich besonders.
Zur Entstehung des Konzepts und des Begriffs „hypnosystemisch“: Als Begründer des hypnosystemischen Modells sollte ich den Leser*innen wohl hier einige Informationen anbieten, die verstehbar machen, wie ich dazu kam:
Den Begriff „hypnosystemisch“ habe ich erfunden und gezielt gewählt, weil er mir am passendsten erschien (bis heute ist das auch weiterhin so) für das Konzept, welches ich als Integration der systemisch-konstruktivistischen Konzepte mit denen der Erickson´schen Hypno- und Psychotherapie entwickelt hatte (beginnend nach meiner Rückkehr von Milton Erickson 1979). Dabei habe ich dies auch verbunden mit Aspekten anderer Konzepte wie z.B. aus verschiedenen Körpertherapie-Modellen, Psychodrama, Provokativer Therapie (ich hatte 1981 zusammen mit Hans-Ulrich Schachtner Frank Farrelly, den Begründer dieses Ansatzes, zum ersten Mal nach Europa geholt), Focusing, TA. Im Laufe der Jahre habe ich das Konzept dann weiter bereichert mit den Ergebnissen der Embodiment- und der Hirnforschung, der Neurobiologie, der Priming-Forschung, der autobiographischen Gedächtnisforschung und Aspekten aus weiteren Konzepten (wie z.B. der bifokal-multisensorischen Ansätze), die ich als nützlich und kompatibel mit dem hypnosystemischen Grundkonzept einschätze.
Dass dieser Begriff „HypnoSystemisches“ für das Buch gewählt wurde, hat sicher auch damit zu tun, dass der von mir entwickelte hypnosystemische Ansatz in den letzten Jahrzehnten im deutschsprachigen und auch weiter internationalen Feld immer größerer Resonanz gefunden hat und sich offenbar immer weiterverbreitet.
Interessanterweise werde ich öfter mal von Teilnehmer*innen meiner Curricula gefragt (vor allem von Menschen, die in Wirtschafts-Organisationen arbeiten), ob ich diesen Begriff nicht ändern könnte, weil er manche Leute in ihren Organisationen abschrecken würde, weil die damit schlimme Hypno-Vorurteile assoziieren würden (Fremdwillen-Beeinflussung, Unterwerfungsprozesse, Manipulation usw.). Ich habe dann auch mal den Begriff „Neurosystemik“ dafür entwickelt, da die Konzepte ja ohnehin sich stark auf die Neurobiologie beziehen, aber ich möchte doch vor allem bei dem ursprünglichen Begriff bleiben, schon um die geniale Arbeit von Milton Erickson zu ehren und meinen Dank an ihn auszudrücken für alles, was ich bei und von ihm lernen durfte.
Als ich das Konzept damals entwickelt und diesen Namen dafür gewählt habe, haben mir viele Freunde geraten, diesen Namen schützen zu lassen. Das habe ich damals mit Bedacht nicht getan, da mir am wichtigsten war, dass sich die Ideen so weit als möglich verbreiten und ich andere Menschen ermutigen wollte, ihre Sicht auf die Zusammenhänge in der für sie stimmigen Art zu entwickeln, um so die Vielfalt möglicher Umsetzungen der Ideen zu unterstützen. Eine zentrale Grundprämisse des konstruktivistischen hypnosystemischen Ansatzes ist es ja, dass wir alle unsere jeweilige erlebte Realität autopoietisch konstruieren, also niemand die sogenannte „objektive Wahrheit“ erkennen kann, womit natürlich auch klar ist, dass auch mein hypnosystemischer Ansatz nicht diese „Wahrheit“ repräsentieren kann, sondern eben ein Modell ist.
Das hat allerdings aus meiner Sicht auch offenbar zu manchen Entwicklungen geführt, die mich nicht gerade glücklich machen, denn ich erlebe in den letzten Jahren leider öfter, dass manche Konzepte und Vorgehensweisen als „hypnosystemisch“ vermarktet werden, bei denen ich Vorgehensweisen und Haltungen finde, die mit entscheidenden Haltungen und auch mit einem logischkonsistenten, kongruenten hypnosystemischen Konzept, wie ich es sehe, kaum noch kompatibel sind.
Ebenso finde ich es etwas merkwürdig, wenn manche Leute deklarieren, sie könnten definieren, was hypnosystemisch „ist“. Denn gerade solche Verdinglichungen, dass etwas so oder so sei, ohne Kontextbezug und ohne klare Markierung, welche Wahrgebungs-Konstruktion des jeweiligen Beobachters damit gemeint sei, wird aus hypnosystemischer Sicht entschieden in Frage gestellt und mit den Ergebnissen der Autopoiese-Forschung deutlich widerlegt. Den Begriff „Wahrgebung“ an Stelle von Wahrnehmung habe ich in verschiedenen Publikationen vorgeschlagen, um zu verdeutlichen, dass es sich bei „Wahrnehmung“ immer um die selbst gegebene Wirklichkeitskonstruktion handelt. Wenn also jemand die Beschreibung so wählt, als ob er/sie als BeobachterIn wisse, was es „ist“, zeigt sich dies quasi als Widerspruch zu genau den Grundprämissen, welche die Basis des hypnosystemischen Ansatzes darstellen. Zwar kann ich das nicht verhindern, aber diesen Hinweis möchte ich schon dafür (mit einem etwas wehmütigen Seufzer) einbringen.
So kann auch schnell der Eindruck entstehen, dass das label „hypnosystemisch“ mehr als Marketing-technisches Hilfsmittel genutzt wird. Auch kommt es mir dabei so vor, dass da dann unsystematisch zusammengefügte Puzzleteile einzelner Techniken aus der systemischen und der Hypnotherapie-Konzeption herausgegriffen und wie ein mehr oder weniger zusammenhängender Flickenteppich mal so, mal so angewendet werden, ohne systematisch den hypnosystemischen Gesamtzusammenhang konsistent zu berücksichtigen und dann als hypnosystemisch bezeichnet werden, mehr um den Namen als Verkaufs-Zugpferd zu nutzen.
Dazu später noch einige Bemerkungen, um Verwechslungen wenigstens etwas weniger wahrscheinlich zu machen. Offenbar muss man aber halt mit solchen Entwicklungen leben, denn „life is what happens while you make other plans“ (wie John Lennon ungefähr sinngemäß mal gesagt hat).
Damit man besser verstehen kann, wie es zum hypnosystemischen Konzept kam und welche zentralen Komponenten darin berücksichtigt werden, möchte ich kurz auf seine geschichtliche Entwicklung eingehen. Ich hatte schon als Medizinstudent 1974 das große Glück, dass mein Förderer und väterlicher Freund Helm Stierlin mir erlaubte, praktisch vom ersten Tag an seiner Tätigkeit als Professor an der psychosomatischen Universitätsklinik in Heidelberg mitarbeiten zu dürfen. Helm war weltweit einer der zentralen Pioniere der Mehrgenerationenfamilientherapie, wie z.B. auch sein Freund Ivan Boszormeny-Nagy und Andere. Man kann sicher sagen, dass die Entwicklung der Familientherapie im deutschsprachigen Raum in entscheidender Weise von Helm Stierlin und der Gruppe um ihn (später dann als „Heidelberger Gruppe“) geprägt worden ist. Aus diesen enorm wertvollen Erfahrungen mit den Mehrgenerations-Familientherapie-Konzepten fließen bis heute wichtige Aspekte ein in die hypnosystemische Arbeit, vor allem für eine würdigende Hypothesen-Bildung und auch für die Gestaltung von Pacing und von sonstigen Interventionen (z.B. für das wichtige utilisierende Arbeiten mit Ambivalenzen und Widerständen gegenüber der Nutzung eigener Kompetenzen, dann verstehbar z. B. als Loyalitätsleistungen).
Ab ca. 1977/78 war es auch unsere Gruppe, welche hauptsächlich verantwortlich dafür war, den systemischen Ansatz in den deutschsprachigen Bereich zu holen und zu verbreiten (wobei auch die Gruppe um Klaus Deissler in Marburg wertvolle Beiträge dazu leistete). Der systemische Ansatz war ja von der sog. „Mailänder Gruppe“ (Selvini, Boscolo, Cecchin, Prata) mit Unterstützung von Paul Watzlawick als Supervisor entwickelt worden. Wir in Heidelberg hatten sie damals sehr häufig bei uns zu Gast und erarbeiteten mit ihnen zusammen kontinuierlich den Ansatz weiter.
In häufigem Austausch mit Pionieren wie P. Watzlawick, J. Haley, S. Minuchin, I. Boszormeny-Nagy, V. Satir, G. Bateson u. a., die bei uns zu Gast waren (Helm war weltweit optimal vernetzt) oder mit denen ich bei anderen Gelegenheiten sprechen konnte, begriff ich allmählich, dass die meisten wichtigen Interventionsstrategien der systemischen Therapie und auch das systematische Erfassen interaktioneller Wechselwirkungsmuster letztlich abgeleitet worden waren aus den Konzepten von Milton Erickson.
Was auch viele Systemiker heute leider nicht mehr wissen, gibt es dazu klar belegbare Verbindungen. Jay Haley und John Weakland, angeregt vor allem auch durch Gregory Bateson, der mit Erickson befreundet war, studierten zum Teil monatelang Erickson´s Arbeit und leiteten daraus z.B. die Konzepte des MRI (Mental Research Institute In Palo Alto, Ca/USA - „Palo Alto-Gruppe“) ab, P. Watzlawick wiederum war dann wichtiges Mitglied dieses MRI. Steve de Shazer und seine Frau Insoo Kim Berg wiederum waren enge Schüler von John Weakland am MRI und entwickelten daraus dann ihren „Lösungsfokussierten Ansatz“. Auch dieser wie ja auch z.B. das NLP haben also ihre Hauptquelle auch in Milton Erickson´s so enorm wichtiger und bahnbrechender Arbeit (wie übrigens auch noch viele weitere Modelle, wie ich in einem Aufsatz in der Zeitschrift „Hypnose“ der M.E.G. – Milton-Erickson-Gesellschaft – ausführlich dargelegt habe). Man kann durchaus sagen, dass es heute weltweit kaum ein ernst zu nehmendes Kompetenz-, Ressourcen- und Lösungs-orientiertes Modell gibt, welches nicht direkt oder indirekt von Erickson´s Arbeit beeinflusst ist, bis hin zur Theorie U von O. Scharmer, Zukunfts-Konferenzen usw.
Die Erkenntnis, dass Erickson´s Konzepte eine wichtige Quelle systemischer Interventionen waren, gaben mir den Anstoß, direkt bei Milton selbst weiter zu lernen. Ebenso wichtig waren aber auch die Forschungsergebnisse zur Autopoiese, die H. Maturana und F. Varela, die wir häufig zu uns einluden, uns vermittelten. Denn über lange Zeit hinweg gingen wir von der Annahme aus, dass wir uns kaum mit internalen Prozessen bei Menschen beschäftigen müssen, um Veränderungen anzuregen. Da ja jedes individuelle Erleben eingebettet ist in interaktionelle zirkuläre Muster, war die Annahme, dass es ausreicht, diese zu ändern und sich dadurch das individuelle Erleben quasi automatisch mit verändert. Die Autopoiese-Forschung belegte aber nun klar, dass dies nicht stimmt, da Erleben von innen heraus in autonomer Selbstorganisation erzeugt wird und also nicht automatisch verändert wird durch Außen-Änderungen. Also wurde das systematische Arbeiten mit individuellen internalen Prozessen wieder sehr wichtig. Dafür nun, das wurde mir immer klarer, bieten die Erickson´schen Konzepte ein riesiges Repertoire von wertvollen strategischen Interventionsmöglichkeiten.
Für die systematische weitere Differenzierung des Ansatzes halfen viele Diskussionen mit meinen Freunden aus unserer Heidelberger Gruppe (vor allem mit Helm Stierlin und Fritz Simon) und natürlich ganz besonders mit meinem nahen Freund Bernhard Trenkle und auch mit meinem Freund Bernd Schmid, der mal eine Woche nach mir ebenfalls bei Milton war. Auch in vielen, durchaus auch nicht selten kontroversen Diskussionen mit meinem Freund Steve de Shazer konnte ich viele wichtige Aspekte des Ansatzes weiter schärfen. Für alle diese so wichtigen Anregungen bleibe ich sicher lebenslang dankbar.
Dass ich gerade die systemisch-konstruktivistischen mit den Erickson´schen Konzepte zu einem Integrationskonzept gemacht habe, ergab sich für mich zwingend daraus, dass beide Konzepte in entscheidenden Punkten von gleichen Grundannahmen und Perspektiven ausgehen. Eine Hauptaufgabe in beiden ist es, die jeweils beobachteten Prozesse bei Individuen, in Interaktionen und in der Dynamik größerer sozialer Systeme als Muster von Wechselwirkungen diverser Beiträge in je spezifischen Kontexten zu beschreiben und zu behandeln. Es geht also bei beiden nicht in erster Linie um die narrativen Inhalte eines Erlebens, sondern viel mehr um seine Organisationsdynamik, also mehr um die Hintergrundstruktur- und -dynamik - wobei für Betroffene natürlich meist die Inhalte ihres Erlebens vorrangig erscheinen, womit unbedingt achtungsvoll umzugehen ist.
Auch die Annahme, wie Veränderung geschieht, ist praktisch identisch in beiden Konzepten. Sie wird erreicht dadurch, dass Unterschiede eingeführt werden in die gerade dominierenden Muster. Ich selbst bevorzuge heute (auch in Anlehnung an die Terminologie der im hypnosystemischen Ansatz sehr wichtigen Neurobiologie) den Begriff „Netzwerke“ statt „Muster“, gemeint ist dabei aber das Gleiche, nämlich eben die Verknüpfung verschiedener „Elemente des Erlebens“, z.B. Verhalten, Kommunikation verbaler und nonverbaler Art, Gedanken, Gefühle, Körperreaktionen, gefühltes Alter-, Größen-, Raum-Erleben, innere Dialoge, Beschreibungen, Benennungen, Bewertungen, Erklärungen, Kontextvariablen usw. Veränderung geschieht dann dadurch, dass solche Elemente verändert und durch andere Elemente ausgetauscht werden. Da diese ausgetauschten Elemente wiederum vernetzt sind mit Erlebnis-Netzwerken anderer Art (siehe autobiographisches Gedächtnis), werden diese dann (Hebb´sches Gesetz) dadurch aktiviert und so zum nun dominierenden Erleben. Dabei muss keineswegs ein ganzes Netzwerk z.B. „durchgearbeitet“ werden, es genügen meist schon Änderungen weniger Elemente des Erlebens.
Zu Veränderungen des Verständnisses und der Anwendung der systemischen und der Erickson´schen Hypnotherapie-Konzepte durch die hypnosystemische Perspektive: Zum Systemischen: Vielfach erlebe ich, dass Angebote als „hypnosystemisch“ bezeichnet werden, bei denen z.B. übliches systemisches Vorgehen ergänzt wird durch einige hypnotherapeutische Interventionen. Man bietet z.B. zusätzlich einige Imaginationen an oder nutzt storytelling usw. Und manche Hypnotherapeuten nutzen einige Zirkuläre Fragen bei ihrer sonst traditionell angelegten Erickson´schen Hypnotherapie-Arbeit. Dies verdient aus meiner Sicht nicht den Namen „hypnosystemisch“.
Denn durch die systematische Integration dieser beiden zentralen Grundmodelle, so wie sie von mir durchgeführt wurde, entsteht ein eigenständiges Modell, bei dem zwar alle wichtigen Instrumente beider Grundmodelle enthalten sind, es entstehen aber auch viele neue Emergenzen mit auch deutlichen Veränderungen sowohl des Verständnisses systemischer Arbeit als auch der Erickson´schen Hypnotherapie.
Die systemische Arbeit, sowohl bei uns, bei der Mailänder Gruppe und weltweit, war über sehr viele Jahre durch eine eher kognitiv ausgerichtete Vorgehensweise geprägt, die Kommunikation war so ausgerichtet, es wurde vorzugsweise auch fokussiert auf die interaktionellen Wechselwirkungen zwischen Menschen und viel weniger oder gar nicht auf die emotionalen und sonstigen unwillkürlichen Prozesse der Beteiligten, schon gar nicht auf körperliche Prozesse als Interventionsbereich. Dass und wie Erleben auf unwillkürlicher Ebene autopoietisch erzeugt wird, wurde kaum beachtet, war praktisch gar keine relevante Fragestellung.
Auch die in einer hypnosystemischen Arbeit stringent beachtete Annahme, dass Menschen verstehbar sind als quasi „multiple Persönlichkeiten“ mit vielen (Kontext-bezogenen Ich´s) war über lange Zeit eigentlich kein Thema. Berücksichtigt man diese Multiplizität des Erlebens, werden aber sofort Fragen relevant wie Z.B., mit welchem „Ich“ ist die Person gegenüber denn gerade assoziiert, zu wem wird sie damit gerade, welche Werte, Gefühle, sonstige Reaktionen wirken in ihr und wie wirkt sich das darauf aus, welche Bedeutung und Wirkung meiner Botschaften (z.B. als Therapeut*in/Berater*in) macht sie daraus, zieldienlich, konstruktiv oder eher nicht? Was bräuchte dieses „Ich“ gerade am meisten, um das optimale, mit allen relevanten Kompetenzen aus dem Repertoire der Person assoziierten Erlebnis-Netzwerk zu reaktivieren?
Und mit welchem „Ich“-Netzwerk bin ich gerade selbst am meisten assoziiert, zu wem werde ich gerade? Ist dies das am meisten mit meinen wichtigen professionellen und sonstigen Kompetenzen vernetzte (assoziierte) „Ich“ oder sollte ich noch was als Selbst-Intervention tun, um dies zu reaktivieren? Es wird dann nämlich auch deutlich, dass jede Kooperation z.B. zwischen Therapeut*innen und Klient*innen eine ko-kreative wechselseitig quasi-hypnotische Erzeugung von Wirklichkeit bedeutet, die beide Seiten verändert (da sie auch Unwillkürliches ähnlich „primt“, also bahnt wie in einer Hypnose). Dies kann sehr gut utilisiert werden, wenn es beachtet wird, was bei vielen Systemikern leider bis heute offenbar nicht konsequent oder gar nicht der Fall ist.
Erfreulicherweise ist aber heute doch schon vieles aus dem hypnosystemischen Konzept und auch aus den wertvollen Arbeiten von Steve de Shazer schon mehr eingeflossen in die systemische Arbeit. In den 1980er und 1990er Jahren wurde das in der systemischen Welt meist als exotisch und mit skeptischem Blick oft als fast bizarr behandelt, was auch für viele meiner Publikationen zunächst galt. Das hat sich ja inzwischen völlig geändert.
Das Verständnis systemischer Arbeit wird auch durch weitere Erkenntnisse aus der „Hypnosystemischen Welt“ deutlich erweitert: Die ganze Erickson´sche Hypnotherapie bezieht sich konsequent auf die Prämisse, dass alles Erleben immer durch komplexe Prozesse der Aufmerksamkeitsfokussierung in der Gegenwart erzeugt wird, vor allem auf unwillkürlicher und zum größeren Teil auch unbewusster Ebene. Dies ist auch neurobiologisch gut belegt.
Jede hypnotherapeutische Maßnahme, dort meist als „Suggestion“ bezeichnet, kann als Fokussierungs-Maßnahme verstanden werden. Diese Perspektive führte mich dazu, diese Komplexität systematisch in Netzwerk-Modellen abzubilden und beschreibbar zu machen. Für diese führte ich die Erkenntnisse der Muster-Konzepte aus der systemischen Welt mit denen der Hypnose-Forschung (z.B. die Auflistung von „Trance-Phänomenen“ und der Embodiment- und der Priming-Forschung zusammen. Damit können sehr präzise spezifische Bewusstseins- und generell Erlebnis-Prozesse modelliert und zielgenau reaktiviert werden aus dem reichen unbewussten Erfahrungs-Repertoire.
Ebenso können mit ihnen quasi „maßgeschneidert“ passgenaue Kommunikationsangebote z.B. für Klient*innen gestaltet werden, die ihrer jeweiligen Einzigartigkeit optimal gerecht werden und so die Kooperationsmöglichkeiten nicht nur würdigender, sondern auch deutlich effektiver und stimmiger machen. Da wir für unsere Erlebnis-Gestaltung aber alle unsere Sinne, also Sehen, Hören, Empfinden, Riechen, Schmecken verwenden, wird es auch für systemische Arbeit, wenn sie nicht einen großen Teil von Wirkmöglichkeiten vernachlässigen will, quasi obligatorisch, Interventionen auf all diesen Sinneskanälen zu nutzen, was im hypnosystemischen Konzept seit mehr als 40 Jahren ja völlig selbstverständlich und mit vielen dafür spezifisch entwickelten Interventionen genutzt wird. Diese Chancen, so mein Eindruck, werden von vielen systemisch Arbeitenden offenbar erst so nach und nach mehr begriffen und angewandt.
Durch die systematische Nutzung dieser Netzwerk-Modelle, aus denen man auf allen Erlebnis-Ebenen und für alle diversen Kontexte systematisch passgenaue Interventionen ableiten kann, wird das hypnosystemische Konzept auch über seine vielseitige Verwendbarkeit zu einem Meta-Modell, mit dem man verschiedenste unterschiedliche Therapie- und Beratungs-Konzepte (von der Tiefenpsychologie, VT bis hin zu „Aufstellungsarbeit“, EMDR und Klopftechniken usw.) als nützliche Konzepte verstehbar machen kann, die eben jeweils Teilaspekte des gesamten Erlebnis-Netzwerks bevorzugt berücksichtigen und somit als wertvoller Teil eines Gesamt-Komplexes genutzt werden können. Das kann auch helfen, die langweiligen, noch immer oft praktizierten wechselseitig abwertenden Grabenkämpfe zwischen verschiedenen Konzepten endlich ins Museum zu stellen.
Wenn alles Erleben ein Ergebnis von Aufmerksamkeitsfokussierung ist, kann jede Kommunikation, auch jedes systemische Gespräch, quasi als „Ritual der Aufmerksamkeits-Gestaltung“ verstanden und genutzt werden. Dann wird die Meta-Frage jeder Kommunikation, jenseits aller ihrer Inhalte, wohin wird gerade die Aufmerksamkeit auf unseren diversen Sinneskanälen ausgerichtet und vor allem, mit welcher Erlebnis-Wirkung. Der Sinn von Gesprächen u.a. Prozessen entsteht dann nicht aus der Gegenwart, schon gar nicht aus der Vergangenheit, sondern immer aus der angestrebten Zukunft, von der aus dann auch jeweils gestartet werden sollte.
Dann wird auch deutlich, dass jede Gruppendynamik, Gestaltung von Gruppen, Aufbau und Dynamik von Organisationen aus hypnosystemischer Sicht ebenso als „„Ritual der Aufmerksamkeits-Gestaltung“ mit quasi hypnotischer Wirkung wird. Das hat zur Folge, dass man, wenn man die im Unbewussten schlummernden Potenziale der Beteiligten in solchen sozialen Systemen optimal reaktivieren will, die Organisationsstrukturen und alle Regelungs-Prozesse solcher Organisationssysteme systematisch nach Prinzipien der Selbstorganisation so aufbauen muss, dass sie eben genau die Kompetenz-aktivierende Aufmerksamkeitsfokussierung erbringen. Diese Erkenntnisse haben mich schon in den 1980er und 1990er Jahren dazu geführt, systematisch genau solche Organisationsmodelle aufzubauen und ihnen entsprechend zunächst die Fachklinik am Hardberg und seit 2007 dann die sysTelios-Klinik (beide in Siedelsbrunn) als weitgehend auf Selbstorganisation, mit sehr flacher Hierarchie und vielen heute so genannten „agilen“ Prozessen mit viel aktiven Entscheidungsmöglichkeiten der ca. 200 Mitarbeitenden aufzubauen (dies habe ich auch in diversen Publikationen dokumentiert). Die sysTelios-Klinik ist sicher Europaweit, wahrscheinlich weltweit die einzige Klinik, die konsequent nicht nur mit hypnosystemischen Therapie-Konzepten arbeitet, sondern auch als solche Organisation wirkt.
So zeigt es sich auch, dass hypnosystemische Konzepte nicht nur sehr effektiv für Therapie- und Beratungsprozesse (z.B. auch für Coaching) eingesetzt werden kann, sondern natürlich auch für Team- und Organisationsentwicklung (wofür es ja auch entsprechende Curricula gibt), für spezifische Gruppentherapie (wofür ich Konzepte entwickelt habe) und auch z.B. für politische und ökologische Aufgaben. Es gibt noch viele weitere Aspekte, die zeigen, wie das systemische Grundverständnis und viele Interventionsmöglichkeiten deutlich weiterentwickelt werden können und in viel umfassenderer Weise viele sehr wirksame zusätzliche Interventionschancen genutzt werden können, die weit über das übliche systemische „Arsenal“ hinausgehen, wenn man es hypnosystemisch erweitert, die ich hier in diesem begrenzenden Rahmen jetzt nicht aufführen kann.
Zum Erickson´schen Modell:
So wie durch die Erickson´schen Konzepte das systemische Modell tiefgreifend erweitert und verändert werden kann, bewirkt der hypnosystemische Blick aber auch eine zum Teil deutliche Revision und Veränderung mancher traditionell vertrauter und vielen lieb gewordener Erickson´scher „Wahrheiten“.
Setzt man die logischen Implikationen z.B. der Autopoiese-Konzepte aus der Neurobiologie, kann man z.B. nicht mehr von Pacing und Leading reden. Erickson bezeichnete das, was Grinder und Bandler dann „Pacing“ nannten „establishing of a yes-set“, womit alle Aktivitäten von Therapeut*innen und Berater*innen gemeint waren, mit denen sie achtungsvoll, empathisch, respektierend das Welt-Erleben der Klient*innen aufgreifen und begleiten. Mit „Leading“ ist dann gemeint, aufbauend auf Pacing die Interventions-Ideen für gewünschte Veränderungen z.B. als „Suggestionen“ anzubieten. Dabei wird von der Annahme ausgegangen, man könne in einem solchen Prozess Andere führen.
Aus autopoietischer Sicht ist das unmöglich, wenn damit gemeint wäre, die „Sender“ der Interventionen wären die eigentlichen Gestalter der Wirkung. Da Erleben ausschließlich in autonomer innerer Selbstorganisation gestaltet wird, führt immer nur der Empfänger der Botschaft mit seinen eigenen Reaktionen und Rückmeldungen. Dann machen beliebte Beschreibungen wie z.B. „Ich habe ihn/sie in Trance versetzt“, keinen Sinn mehr. Die Rolle z.B. der Therapeut*innen wird dann die von „einladenden Anbietern von Möglichkeiten“, wobei die Autorität der Klient*innen entscheidet, was sie von den Einladungen autonom annehmen wollen oder nicht. Ich habe deshalb schon vor vielen Jahren meine Berufsbezeichnung metaphorisch (und etwas spaßhaft) geändert im Sinne, dass ich eigentlich „Realitätenkellner“ bin, aber der Gast autonom entscheidet. Und niemand hat dann logischerweise jeweils jemand „in Trance versetzt“. Denn jede solche Erfahrung wird in autonomer innerer Selbstregulation der Empfänger der Botschaften (Suggestionen/Einladungen) erzeugt. Deshalb „machen“ die „Suggestionen“ und auch alle sonstigen Interventionen in ihrer Wirkung immer die Empfänger, nicht die Sender.
Auch der traditionelle Begriff „Suggestion“ sollte dann geändert werden und z.B. eher als „Einladung“ beschrieben werden, die angenommen, abgelehnt oder modifiziert werden kann vom „Gast“. Therapeut*innen/ Berater*innen können dann für den einzigartigen Prozess der Klient*innen niemals Wissende sein, sondern Hypothesen Bildende, ihre Angebote sollten dann auch eher achtungsvoll fragend und nicht als direkte Anweisungen eingebracht werden (statt z.B. als „embedded commands“, wie Grinder/Bandler dies für Einstreutechniken benannt haben).
Jetzt zu einem Aspekt mit manchmal weitreichenden praktischen Folgen: In den meisten Lehrbüchern zu Hypnose und Hypnotherapie werden bestimmte Erlebnis-Phänomene, die dann im Prozess einer Hypnotherapie und einer Trance-Induktion angeboten werden könnten, als „Trance-Phänomene“ aufgeführt, so als ob sie ganz spezifische, vom üblichen Wachbewusstsein deutlich unterscheidbare Erlebnis-Phänomene seien. Bei genauer Prüfung dieser Annahme, nun aus einer systemischen Perspektive, wird schnell bei Kontext-Vergleichen klar, dass diese Phänomene sich durchaus auch mehr oder weniger intensiv in vielen Alltags-Kontexten finden lassen, also keineswegs nur in sogenannten „Trance-Prozessen“. Der so wie üblich benutzte Begriff „Trance-Phänomene“ erweist sich also als nicht stringent durchdacht. Denn wenn man diese Phänomene eher als ubiquitär auftretende Erlebnis-Phänomene verstehen kann, ist der Unterschied letztlich nur der, dass sie in einem hypnotherapeutischen Vorgehen nur systematisch und oft intensiver als im Alltag fokussiert werden. Dann ist es aber kein sinnvolles Unterscheidungsmerkmal, wenn man sie als spezifische Zeichen von Trance bezeichnet.
Andererseits erweitert sich damit aber das Verständnis von „Trance“. Z.B. können dann die oft als typische Trance-Zeichen beschriebenen Prozesse, die bei Entspannungs-Trance auftreten und mit bildgebenden Verfahren beforscht werden, als eine von vielen Varianten des Erlebens verstanden werden, die alle das gleiche zentrale Unterscheidungskriterium aufweisen, nämlich Vorherrschen von unwillkürlichem Erleben und damit die entscheidende Veränderung des üblichen gewohnten Alltags-Erlebens. Als „Erleben von Trance-Qualität“ können dann alle solche unwillkürlichen Prozesse bezeichnet werden.
Dies wiederum bietet viele Chancen, das üblicherweise als Hypnotherapie bezeichnete Vorgehen in sehr effektiver Weise zu erweitern. Durch solche Überlegungen sind Steve Gilligan und ich in den frühen 1980er Jahren auch dazu gekommen, Symptome und Problem-Erleben als „Problem-Trance“ zu bezeichnen und ihre Dynamik so zu beschreiben. Dies wieder erbringt hervorragende Möglichkeiten, die Dynamik von Symptomen und Problem-Erleben systematisch mit Hilfe meiner hypnosystemischen Netzwerk-Modelle zu rekonstruieren und in konstruktiver Weise veränderbar zu machen.
Diese Zusammenhänge wiederum führen zu den klaren Schluss-Folgerungen, dass – anders als vielfach in der Nachfolge von Steve de Shazer im Lösungsfokussierenden Ansatz vorgeschlagen – es sehr wichtig sein kann (und meist auch ist) nicht nur einseitig Lösungs-orientiert zu arbeiten. Dort wird oft behauptet, dass „problem talk“ immer zur Induktion von Problem-Erleben führen würde. Dies kann hypnosystemisch detailliert widerlegt werden. Wenn man mit den Betroffenen, und dies ganz transparent und mit willentlicher Aktivität – also eher nicht nur in einer Trance mit z. B. Entspannung – eine steuernde Erlebnis-Position mit Schutz- und Sicherheits-Erleben, Überblick und Handlungsfähigkeit aufbaut, kann jeder „problem talk“ optimal als wertvolle Informationsquelle für Bedürfnisse und hilfreiche, Lösungs-förderliche Handlungsstrategien genutzt werden. So ist es sogar sehr empfehlenswert, viel Raum für „problem talk“ zu lassen, womit auch ein deutlich besseres Pacing für Betroffenen möglich wird, diesen aber gezielt mit hypnosystemischen Netzwerk-Modellen gemeinsam mit den Klient*innen (die so in eine kompetente Meta-Beobachter.-Position kommen) zu rekonstruieren und zieldienlich zu utilisieren. Deshalb habe ich ja einem meiner Bücher extra den Titel „Liebesaffären zwischen Problem und Lösung“ gegeben. Leider finde ich aber in manchen Angeboten, die sich „hypnosystemisch“ nennen, sehr wohl immer wieder die Auffassung, in erster Linie Lösungsfokussierung zu betreiben. Menschen, die Hypnosystemik lernen wollen, können da schon etwas verwirrt reagieren.
Weiter zeigt sich dann auch, wenn man „Trance-Phänomene“ als Alltags-Phänomene mit einem gewissen Vorherrschen unwillkürlicher Prozesse versteht, dass dann jede Kommunikation, Interaktion und Dynamik in sozialen Systemen als etwas verstanden und utilisiert werden kann, was quasi-Trance-induzierende Aspekte enthält, leider oft genug solche, die zu „Problem-Trance“ führen (wie z.B. Begriffe und Beschreibungen wie „Wir leben in einem Dauer-Krisen-Modus“) usw. Die ganzen vielfältigen Interventionsstrategien der Hypnosystemik gehen dann weit über übliche Therapie- und Beratungskontexte hinaus und finden deshalb z.B. auch in Organisations- und Team-Entwicklungs-Projekten (im Coaching ohnehin) und in politischen Projekten immer mehr Anwendungen.
Bei hypnotherapeutischen Maßnahmen geht es also generell um die systematische Arbeit insbesondere mit unwillkürlichen Prozessen, keineswegs unbedingt nur um Trance-Induktionen (diese sind eine von vielen Arten mit gezielten intensivierten unwillkürlichen Prozessen). Damit verbunden kann der Begriff von Trance erweitert werden im Vergleich zum traditionell viel enger gefassten, der ja auch durchaus für bestimmte Zwecke nützlich sein kann (aber eben nicht für alle).
Dann wird auch verstehbar, wie vielschichtig und variabel Erickson gearbeitet hat. Ich habe ihn mehrmals gefragt, wie oft er (der Weltpionier der modernen Hypnotherapie) mit den üblichen formalen Trance-Induktionen gearbeitet hat, worauf er mir immer antwortete, in höchstens 25% seiner Arbeit, er aber in 100% immer hypnotherapeutisch gearbeitet habe. Dies zeigt ja, dass für ihn Hypnotherapie weit mehr als formale Trance-Arbeit war. Trance-Induktionen können als wertvolle Interventionshilfen wirken, aus hypnosystemischer Perspektive sollten sie aber durch viele Interventionsformen erweitert werden, die mit allen Sinnen arbeiten, also auch mit aktiver Bewegung. Das jeweils angestrebte Erleben kann mit den hypnosystemischen Netzwerk-Modellen mit systematischem Bezug auf seine (systemische) Kontext-Passgenauigkeit detailliert „maßgeschneidert“ entwickelt werden zusammen mit den Klient*innen als „oberste Autorität für das Wissen, was für sie als einzigartiges Wesen in einzigartigen Kontexten“ als Lösungsprozess brauchen.
Alle diese Interventionen dienen dem gleichen Ziel, nämlich jeweils der Reaktivierung von zieldienlichen Kompetenzen aus dem „schlummernden“, bisher meist unbewussten Kompetenz-Repertoire mit dem Wissen, „was für sie als einzigartige Wesen passt“.
Sehr wichtige Folgen für hypnotherapeutisches Arbeiten ergeben sich weiter aus den systemischen Überlegungen zur Kybernetik 2. Ordnung (H. v. Foerster) und aus der Autopoiese-Forschung für das Rollenverständnis von Hypnotherapeuten und für das im Erickson´schen Konzept so zentrale Prinzip der Indirektheit in der Kommunikation:
Hypnosystemisch gesehen wirken Interventionstechniken nicht in erster Linie durch ihren technischen Inhalt allein, sondern (ganz im Sinne der Kybernetik 2. Ordnung – siehe Heinz von Foerster) dann am ehesten, wenn sie im Rahmen eines optimal aufgebauten Beratungssystems verbunden werden mit Sinn-gebender Produkt-Information, mit Würdigung, vermittelter Plausibilität und am besten auch mit völliger Transparenz (dem Gegenteil der traditionellen Erickson´schen Indirektheit). Trance-Erleben wird dabei z.B. auch nicht nur als individueller Erlebnis-Prozess gesehen, denn aus systemischer Sicht ist jedes individuelle Erleben in seinen relevanten Kontext eingebettet und entsteht in seinen Wechselwirkungen mit ihm. Dazu gehören auch die Interaktionsprozesse zwischen den Beteiligten, Trance wird also zum interaktionellen Geschehen.
Dann wird verstehbar, dass auch alle sonstigen Phänomene, Ereignisse usw. nicht selbst wirken (z.B. auch nicht sog. „traumatische Ereignisse“), sondern die Wirkung durch die Beziehungsgestaltung der Erlebenden zu ihnen die Wirkung bestimmen. Das gilt dann auch für die Gestaltung von Interventionen. Wenn jemand glaubt, das interventionstechnische „tool“ an sich würde die Wirkung bestimmen, wird man schnell zum „Tooligan“, um eine Wortschöpfung meines Freunds Matthias Ohler zu nutzen.
Zur relevanten Interaktionsgestaltung gehört dann auch z.B. die Klärung des Zuweisungskontexts, ebenso, ob es „Dritte“ im Therapiesystem gibt (z.B. Familie, Institutionen, Organisationen usw.), die Einfluss haben auf die Prozesse und Ergebnisse der therapeutischen Kooperation. Sehr bedeutsam wird deshalb, mit den Klient*innen genau zu prüfen, welche Auswirkungen in Beziehungen es haben könnte, wenn die Therapie erfolgreich wäre. Denn in den meisten Fällen zeigt es sich, dass Betroffene auf bewusster Ebene unbedingt eine gewünschte Lösungsentwicklung wollen und sich auch dafür engagieren, dass es aber auf unbewusster Ebene Befürchtungen gibt, dass es belastende Folgen (meist für wichtige Andere) haben könnte, wenn jemand seine hilfreichen Kompetenzen nachhaltig reaktivieren würde. Das Nicht-Nutzen der Kompetenzen erweist sich dann als zu würdigende Loyalitätsleistung. Dies macht dann eine Neuverhandlung der Ziele nötig, ich nenne das „Ambivalenz-Coaching“, welches aber ohne den systemischen Blick auf Auswirkungen weit über das Individuelle hinaus nicht möglich ist. Diese Erkenntnisse stellen auch deutlich eine beliebte und selten hinterfragte Grundannahme von Milton Erickson in Frage, die ich aus hypnosystemischer Sicht nicht teile. Ich habe Milton viel zu verdanken, das sollte aber nicht zu einer unkritischen Glaubenshaltung führen. Wenn ich ihn fragte, wie er sich erkläre, dass Menschen ihre Potenziale nicht für gewünschte Lösungen nutzen, obwohl diese doch aus seiner Sicht in ihrem unbewussten Repertoire zu finden sind (was sich ja immer wieder bestätigte), war seine regelmäßige Antwort, das läge daran, dass ihr bewusstes Denken zu rigide, eingeschränkt usw. sei. Dies stellt übrigens eine deutlich Defizit-fokussierende Auffassung dar, ausgerechnet in einem sonst Kompetenz-fokussierenden Ansatz, der Phänomene immer auf ihre wertvolle Utilisierbarkeit hin angeht.
Erickson´s Schlussfolgerung war dann daraus, dass es meist gar keine guten Effekte habe, wenn man Ressourcen-Botschaften direkt ans Bewusste gäbe, denn dieses würde die alten einschränkenden Defizit-Glaubenshalten verteidigen, man würde so meist nur Widerstand provozieren. Das Bewusste würde also den hilfreichen Prozess des so Ressourcen-reichen Unbewussten nur destruktiv stören. Deshalb sollten die Interventionsangebote eher indirekt und auch ganz intransparent gestaltet werden, worin Erickson ja ein genialer Meister war, z.B. mit Konfusionstechniken, Einstreutechniken, indirekten Suggestionen, Überladung des bewussten Denkens usw.. Diese Annahmen von Milton werden von sehr vielen Ericksonianern bis heute treu genau so weiter praktiziert.
Aus hypnosystemischer Sicht ist diese Sicht nicht haltbar. Denn wenn das stimmen würde, wäre z.B. keine wirksame Selbsthypnose möglich, denn dabei setzt ja jemand für sich selbst ganz bewusst Strategien ein, die dann unwillkürlich hilfreiche Prozesse in Gang setzen. Dies kann nachweislich außerordentlich wirksam sein. Außerdem weisen die hier gerade erwähnten (meist unbewusst befürchteten) Loyalitätskonflikte, wenn man seine Kompetenzen für sich selbst optimal nutzen würde, klar darauf hin, dass es kein Ausdruck einer inkompetenten Rigidität usw. darstellt, wenn jemand sich unbewusst den wirksamen Zugang zu seinen Kompetenzen verwehrt. Die Hindernisse liegen eben auch meist auf unbewusster Ebene und drücken sogar anerkennenswerte Beziehungs-Werthaltungen aus. Dann brauchen wir andere Strategien als die der Intransparenz und Indirektheit.
Berücksichtigt man diese Aspekte und dazu die damit verbundenen Autopoiese-Konzepte, werden weitere wichtige Implikationen dafür deutlich, wie dann die Gestaltung des Rollenverständnisses von Therapeut*innen/Berater*innen und die damit verknüpfte Art der Beziehungsgestaltung im Interaktions-System z.B. mit Klient*innen aussehen sollte.
Mit den hypnosystemischen Netzwerkmodellen kann man deutlich zeigen, dass ein Problem/Symptom nicht erzeugt wird dadurch, dass ungewünschte unwillkürliche Prozesse auftauchen, sondern dadurch, dass im Rahmen einer Ist-Soll-Diskrepanz (das Willentliche will etwas anderes als das Unwillkürliche „liefert“) Unwillkürliches sich gegen das Willentliche durchsetzt, das Willentliche so zum Opfer wird und dann mit Lösungsversuchen dagegen reagiert, die das Problemerleben meist noch verstärken. Hypnosystemisch wird das Problemerleben also vor allem durch die antagonistische Beziehungsorganisation zwischen Bewussten und Unwillkürlichem erzeugt.
Jenseits aller inhaltlicher Zusammenhänge wird dann zum entscheidenden Meta-Ziel, dass – wie in einer Teamentwicklung – die Beziehung zwischen Bewusstem und Unwillkürlichem (das im Falle von Leid eben bewusst wird) in eine optimale Kooperation zwischen diesen Teilbereichen des inneren Gesamtsystems gebracht wird. Dafür muss natürlich das Bewusste genauso achtungsvoll und seine Kompetenz anerkennend transparent in alle Schritte einbezogen werden, so lange das Bewusste das will. Das geht sicher nicht mit indirekten, intransparenten Interventionen, die nicht annähernd so wirksam sind als wenn man es eben ganz transparent mit einbezieht.
Eine weitere problematische Implikation der Erickson´schen Indirektheit und Intransparenz ergibt sich dadurch, dass die Beziehung zwischen Anbietenden von Interventionen und den Empfänger*innen (z.B. Klient*innen) dadurch massiv noch asymmetrischer, quasi zu einer „Oben-Unten-Beziehung“ wird. Dann erscheinen die Therapeut*innen/Berater*innen tendenziell als die Kompetenteren, auch Verbesserungen werden dann oft eher deren Kompetenz und nicht der Eigenkompetenz der Klient*innen zugeschrieben. Meta-Ziele jeder Kooperation sollten aber immer sein z.B. Stärkung der Autonomie, Selbstwirksamkeit, eines Selbstbilds mit Kompetenzen, Selbstvertrauen und freien Wahlmöglichkeiten, unbedingt auch von bewusstem Wissen bei Betroffenen dazu, wie sie eigenständig, auch ohne Hilfe von außen, am besten jederzeit ihr gewünschtes Erleben erfolgreich reaktivieren können. Dafür muss die Beziehung zwischen den Beteiligten der Interaktion so gestaltet werden, dass dies von den Klient*innen jederzeit überzeugend selbst erlebt werden kann. Ich sage deshalb allen Klient*innen, ambulant und bei uns in der sysTelios-Klinik, dass für mich eine gute Therapie erst dann gut ist, wenn sie auch eine gute Weiterbildung für die Klient*innen mitliefert (keine „Psychoedukation“- das wäre für mich ein Wort, das zu schwächendem, Altersregression anregendem Priming beitragen kann). Dies alles geht dann besser, wenn alle Angebote den Klient*innen völlig transparent erläutert werden, in ihrem eingeschätzten Sinn, ihrer typischen Wirkung usw. – ich nenne das „Produkt-Informationen“. Konfusionstechniken und indirekte Suggestionsformen werden deshalb von mir so gut wie gar nicht mehr angewendet, alles wird transparent erklärt, jedes Gespräch wird außerdem verbunden mit einem „Gespräch über das Gespräch“ – einer Meta-Kommunikation zu dem, was wir gerade miteinander tun mit dem konsequenten Fokus auf Auswirkungen im unwillkürlichen Erleben. Dadurch wird jeder Klient auch eingeladen und unterstützt, zum Meta-Beobachter der eigenen Prozesse zu werden, was wieder Erleben von Steuerungs-Kompetenz, Sicherheit, Autonomie, Selbstwirksamkeit usw. deutlich stärkt. Die Wirksamkeit, das zeigen unsere kontinuierlichen begleitenden Evaluationsstudien, wird dadurch sogar noch deutlich verbessert. Wir können z.B. für alle Symptombereiche, mit denen wir in der sysTelios-Klinik arbeiten, außerordentlich gute Effektstärken nachweisen. Schon damit ist der Mythos, dass Transparenz usw. nicht zu guter Wirksamkeit beiträgt, eindeutig widerlegt. Die Klient*innen wiederum erleben dieses Vorgehen von uns als äußerst wertschätzend, sie fühlen sich achtungsvoll ernst genommen, auch gewürdigt und ermutigt als kompetente Kooperationspartner*innen (nicht als „Patient*innen“), all das melden sie uns nachweislich in inzwischen tausenden entsprechenden Rückmeldungen zurück mit extrem hohen Zufriedenheits-Raten. Vielleicht machen auch diese Überlegungen hier deutlich, was mich vor einigen Jahren dazu veranlasst hat, auf der Jahrestagung der MEG einen Vortrag anzubieten mit dem Titel „Eine ganz direkte Infragestellung der Erickson´schen Indirektheit“. Gerade, weil ich Milton Erickson unendlich dankbar bin für das Viele, was ich bei ihm lernen durfte, fühle ich mich aus Loyalität verpflichtet, diese kritischen Überlegungen einzubringen, abgeleitet aus den hypnosystemischen Weiterentwicklungen.
Da, im Sinne der Autopoiese, ohnehin die Wirkung der Interventionen nicht die Therapeut*innen, sondern die Klient*innen autonom machen, die Therapeut*innen also bezogen auf die erhoffte Wirkung von den Klient*innen abhängig sind, wird zum stimmigen Verständnis dann auch, dass es im Kooperationsprozess Hierarchie gibt zwischen Klient*innen und Therapeut*innen, wobei die Klient*innen als die obersten „Hoheiten/Autoritäten“ in diesem Prozess zu beachten sind. Therapeut*innen sind so gesehen in der „Bringschuld“ für Transparenz, Plausibilität und Sinnhaftigkeit ihrer Angebote den Klient*innen gegenüber. Deshalb habe ich schon seit 1996 in beiden Kliniken, die ich auf hypnosystemischer