7,99 €
Alles an ihm geht ihr auf die Nerven - und unter die Haut...
Nach dem plötzlichen Tod ihres Partners entschließt Carly sich dazu, sich um dessen autistischen Bruder Scottie zu kümmern. Niemals hätte sie damit gerechnet, dass sie nicht die Einzige ist, die auf diese Idee kommt - und das ausgerechnet Josh, der beste Freund ihres verstorbenen Partners, vor ihr stehen würde. Die beiden konnten sich noch nie leiden, und keiner ist bereit, dem anderen die Aufsicht über Scottie zu überlassen. Noch dazu leben sie zusammen mit Scottie in einem Haus - sich aus dem Weg zu gehen ist also praktisch unmöglich. Doch ist es tatsächlich nur Abneigung, die sie füreinander empfinden? Oder sind es bereits viel tiefere Gefühle?
Dieses Buch ist wirklich eine wunderschönen Liebesgeschichte mit wholesome Charakteren, die direkt ins Herz geht. Fehlen nur noch eine heiße Schokolade und eine kuschelige Decke! @fransbookstagram
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Seitenzahl: 387
Titel
Zu diesem Buch
Leser:innenhinweis
Widmung
1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
11
12
13
14
15
16
17
18
19
20
21
22
23
24
25
26
27
28
29
30
31
32
33
Epilog
Danksagung
Die Autorin
Die Romane von Penelope Ward bei LYX
Leseprobe
Impressum
PENELOPE WARD
I Could Never Resist You
Roman
Ins Deutsche übersetzt von Antje Engelken
Nach dem plötzlichen Tod ihres Partners entschließt Carly sich dazu, sich um dessen autistischen Bruder Scottie zu kümmern. Niemals hätte sie damit gerechnet, dass sie nicht die Einzige ist, die auf diese Idee kommt – und das ausgerechnet Josh, der beste Freund ihres verstorbenen Partners, vor ihr stehen würde. Die beiden konnten sich noch nie leiden, und keiner ist bereit, dem anderen die Aufsicht über Scottie zu überlassen. Noch dazu leben sie zusammen mit Scottie in einem Haus – sich aus dem Weg zu gehen ist also praktisch unmöglich. Doch ist es tatsächlich nur Abneigung, die sie füreinander empfinden? Oder sind es bereits viel tiefere Gefühle?
Liebe Leser:innen,
dieses Buch enthält potenziell triggernde Inhalte.
Deshalb findet ihr hier eine Triggerwarnung.
Achtung: Diese enthält Spoiler für das gesamte Buch!
Wir wünschen uns für ech alle das bestmögliche Leseerlebnis.
Euer LYX-Verlag
Für meine Tochter und meinen Patensohn –
die Scotties im echten Leben
»Du weißt also nicht genau, worauf du dich da einlässt?«, fragte meine Freundin Christina.
In einiger Entfernung schritt ein Reh durch den Wald. Du bist nicht mehr in L. A., Carly. Zum ersten Mal wurde mir bewusst, dass es hier Bären geben könnte. New Hampshire war ländlich. Mich fröstelte.
»Ich bin Scottie nur ein paarmal begegnet.« Ich nahm das Telefon ans andere Ohr. »Er war wirklich lieb. Aber klar, mich um ihn zu kümmern, ist eine Herausforderung. Ich weiß also nicht genau, worauf ich mich einlasse. Noch nie habe ich mich um jemanden kümmern müssen, erst recht nicht um einen erwachsenen Mann.«
Mein Verlobter Brad hätte sich um seinen Bruder gekümmert, wenn er gekonnt hätte. Aber weil er nicht mehr da war, empfand ich das als meine Verantwortung. Scottie war dreiundzwanzig und hatte ausgeprägten Autismus. Er sprach nicht und verhielt sich in vieler Hinsicht wie ein kleines Kind. Brads Vater Wayne hatte allein für Scottie gesorgt, war aber vor einem Monat an einem Herzinfarkt gestorben. Und mein geliebter Brad war vor zwei Jahren bei einem Autounfall ums Leben gekommen. In den letzten Wochen hatte sich Waynes Schwester Lorraine um Scottie gekümmert, aber sie hatte klar gesagt, das könne kein Dauerzustand werden.
Christina seufzte. »Bist du dir sicher? Das ist eine gewaltige Verantwortung.«
»Brad hätte es so gewollt. Auf keinen Fall hätte er zugestimmt, dass seine seltsame Tante Lorraine sich um Scottie kümmert. Sein Vater war Scotties Vormund gewesen. Da Lorraine die nächste Angehörige ist, haben alle vermutet, sie würde die Verantwortung übernehmen. Aber sie ist dafür nicht geeignet und will es auch nicht. Wayne hatte sich wahrscheinlich noch kaum Gedanken gemacht, er war ja nicht mal sechzig. Es gab also keinen Plan B. Als ich angerufen habe, um mich nach der Lage zu erkundigen, hat sie mich sofort gefragt, ob ich kommen und ihr helfen könne. Von heute an will sie wieder bei sich schlafen, also bin ich allein mit Scottie.« Ich sah zum Haus. »Wie dem auch sei – ich muss reingehen. Ich parke jetzt schon zwei Minuten vor der Tür.«
»Gut, wenn du was brauchst, sag Bescheid. Ich kann Sachen für dich bestellen und dir liefern lassen.«
»Danke, Christina, das weiß ich zu schätzen. Aber ich bin hier nicht auf dem Mars, sondern nur in New Hampshire.« Ich lachte. »Und es ist nur vorübergehend. Bis ich Scottie in einem Heim untergebracht habe.« Mit Blick auf den nahen Wald setzte ich leise hinzu: »Ich melde mich bald wieder.«
»Viel Glück, Carly.«
Nach einer flüchtigen Recherche war mir klar gewesen, dass es schwierig werden konnte, einen Betreuungsplatz im Heim zu bekommen. Vorübergehend könnte also Jahre bedeuten. Aber natürlich hoffte ich, es würde schneller gehen.
Ich stieg aus, ging zur Tür des kleinen Hauses, holte tief Luft und wappnete mich. Das Blockhaus war bescheiden, um es höflich zu sagen. Hier in Woodsboro, New Hampshire, einem ländlichen Städtchen in New England, war Brad aufgewachsen. Ein paarmal hatte ich mit ihm seinen Vater und seinen Bruder besucht, aber hier zu leben, hatte ich mir nie vorgestellt.
Kaum hatte ich geklopft, öffnete Lorraine und schnaufte verärgert. »Gott sei Dank!« Sie trat beiseite, damit ich eintreten konnte. »Hast du vielleicht so einen Hotspot?«
Kein Hallo? Kein Wie geht’s?
»Freut mich auch, dich zu sehen, Lorraine.« Ich stellte den Koffer in eine Ecke und ließ meine Tasche mit einem dumpfen Geräusch auf den Boden fallen.
Scottie ging auf und ab, fuchtelte mit seinem Tablet herum und zeigte auf den Bildschirm.
Lorraine jammerte gleich weiter.
»Er ist aufgebracht, weil es kein Internet gibt.«
Das ist nicht gut. Ich wusste, wie abhängig Scottie von seinen Geräten war. »Was funktioniert nicht mit dem Netz?«
»Offenbar ist ein Kabel kaputt, und es ist unklar, wie lange die Reparatur dauert.«
Scottie lief weiter nervös auf und ab. Sein blondes Haar und seine feinen Züge erinnerten mich so sehr an Brad, dass mir der Atem stockte. Es war, als würde ich Brad wiedersehen – in Gestalt eines Erwachsenen, der sich wie ein Kind verhielt. Brad war sieben Jahre vor Scottie auf die Welt gekommen. Ihre Mutter war an Krebs gestorben, als Brad achtzehn und Scottie elf gewesen war. Das Leben war für die Familie also lange nicht leicht gewesen. Und Scotties ausgeprägter Autismus bedeutete, dass er zwar mithilfe von technischen Geräten auf einfache Weise kommunizieren, sich aber nicht unterhalten oder Gefühle mit Worten ausdrücken konnte. Meist lebte er in seiner eigenen Welt und brauchte Einzelbetreuung.
Ich hob verlegen die Hand, um auf mich aufmerksam zu machen. »Hallo Scottie.«
Er hielt mir sofort sein Tablet unter die Nase, als wollte er sagen: Egal, wer du bist – mach, dass das Ding funktioniert.
»Ich richte dir einen Hotspot ein«, sagte ich, zog mein Smartphone aus der Tasche und verband es mit seinem Gerät. Sofort erwachte der Bildschirm zum Leben. Scottie wählte seine gewünschte Seite aus und hockte sich auf die Couch.
Ich wandte mich an Lorraine. »Gar nicht so schwer, ihn zufriedenzustellen, was?«
Statt mir zu antworten, schnappte sie sich ihre Jacke. »Hast du noch Fragen, bevor ich fahre, Schatz?«
Sie fährt schon? Ich blinzelte. »Ähm, du hast mir noch gar keine Anweisungen gegeben. Ich dachte, wir setzen uns hin, und du erzählst mir, was er braucht, was er gern isst … solche Sachen.«
»Ich habe einen Termin beim Friseur und hatte dich vor einer halben Stunde erwartet, also muss ich mich beeilen, um meinen Termin nicht zu verlieren. Aber zum Essen gibt es nicht viel zu sagen. Wayne hat Scottie immer auf die gleiche Art Huhn gemacht, nach dem Rezept unserer Mutter. Er isst nichts anderes, aber es muss auf spezielle Weise zubereitet sein. Ich habe dir einen Zettel auf die Anrichte gelegt, auf dem steht, wie das geht. Für heute Abend ist genug Huhn im Kühlschrank. Ich habe die Schnitzel schon gebraten. Morgen musst du dann aber ran.«
Ich schluckte. Ich war wirklich keine gute Köchin, und jetzt sollte ich für einen heiklen Esser ohne Hilfe Huhn zubereiten? Das würde eine Katastrophe werden. Ich hatte geplant, Essen liefern zu lassen, jedenfalls in den ersten Tagen, bis ich mich eingerichtet hatte. Daraus wird nichts. »Und er isst gar nichts anderes?«
»Abends nur dieses Huhn. Und seinen Nachtisch musst du genau so hinstellen.« Sie hob ein Foto hoch. »Ich habe das ausgedruckt, damit du siehst, wie. Und ich habe es hier auf den Zettel geschrieben.«
Sie gab mir die Aufnahme einer Serviette mit Keksen und anderen Leckereien, die in einer Reihe angeordnet waren.
»Was passiert, wenn man diese Ordnung nicht einhält?«
»Dann regt er sich auf und wirft alles auf den Boden.«
»Gut.« Ich schluckte. »Aber … wenn er abends Huhn bekommt, was isst er tagsüber?«
»Entweder auch Huhn oder nur Cracker und Salzbrezeln. Das Abendessen ist sein Hauptgericht.«
»Klingt nicht sehr gesund.« Ich runzelte die Stirn. »Kein Gemüse?«
»Versuch es. Ich hatte damit nie Glück. Er spuckt es sofort wieder aus.«
Seufzend wandte ich mich zu Scottie um, der auf dem Sofa vor und zurück schaukelte und YouTube sah. Wenigstens war er vorläufig zufrieden.
»Wie gesagt, ich bin spät dran und habe einen Termin – das erste Mal, dass ich zum Friseur komme, seit ich bei Scottie wohne. Sicher hast du meinen Haaransatz bemerkt. Alles klar so weit?«
Diese Frau konnte gar nicht schnell genug abhauen.
»Ich denke schon, aber kann ich dich anrufen, falls ich Fragen habe?«
»Natürlich, Herzchen. Ich bin immer in der Nähe und wohne nicht weit weg.«
Ich atmete hörbar aus. »Gut.«
Ehe ich noch etwas sagen konnte, war Lorraine schon verschwunden. Ich hatte das Gefühl, als wäre mir ein Fels auf die Brust gerollt worden.
Verloren stand ich da und sah mich um, während Scotties Geräte unterschiedliche Geräusche von sich gaben. Offenbar hatte er drei Sachen auf drei verschiedenen Apparaten laufen.
Die Einrichtung war dunkel, von den getäfelten Wänden bis zu den zerknautschten braunen Ledermöbeln. Es gab nur ein Geschoss mit zwei Schlafzimmern, typischer Blockhausstil. Ich blickte kurz in eins der Zimmer, es war Scotties. An den Wänden hingen jede Menge Bilder von Zeichentrickfiguren, die ich nicht kannte, und obendrein eine gerahmte Aufnahme von Elton John. Seltsam.
Ein Foto von Scottie und seinem Bruder Brad auf der Kommode ließ mich lächeln. Mein Brad. Ich schaute zur Decke und sagte zu meinem toten Verlobten: »Ich weiß, du würdest dasselbe für mich tun. Ich liebe dich und verspreche dir, mich gut um Scottie zu kümmern, bis ich ein neues Zuhause für ihn gefunden habe.«
Als wollte mich nach diesen Worten jemand da oben auf die Probe stellen, sah ich bei der Rückkehr ins Wohnzimmer Scottie auf dem zierlichen Beistelltisch stehen, der sein Gewicht nicht lange tragen würde.
Ich eilte zu ihm. »Whoa! Komm besser da runter, Kumpel!«
Er ignorierte mich. Weil er nicht redete, konnte ich ihn nicht fragen, warum er auf den Tisch gestiegen war.
Kurz darauf sprang er endlich auf den Boden, und das Haus erzitterte. Zum Glück blieb er unverletzt. Hätte er sich verletzt, wäre das ziemlich übel gewesen. Ich wischte mir den Schweiß von der Stirn.
Nachdem Scottie sich wieder aufs Sofa gesetzt hatte, ging ich in die Küche und öffnete den Kühlschrank. Es war nicht viel drin: der Plastikbehälter mit Huhn und einige große Packungen Cranberrysaft. Das war offenbar Scotties Lieblingsgetränk.
Noch immer hatte ich viele Fragen. Würde ich mit ihm einkaufen fahren, oder wäre es einfacher, mich beliefern zu lassen? Um wie viel Uhr ging er ins Bett? Brauchte er etwas, um abends zur Ruhe zu kommen? Lorraine würde später jede Menge Fragen von mir zu hören bekommen, ob ihr das nun gefiel oder nicht.
Irgendwie überstand ich den restlichen Nachmittag. Die meiste Zeit saß ich neben Scottie, während er Videos schaute oder mit einer App spielte, in der sich eine sprechende Katze mit dem Betrachter unterhielt. Da Scottie vor dem Bildschirm vor allem grunzte und summte, tat die Katze das Gleiche. Wenn ich mich einbringen wollte und etwas sagte, warf Scottie mir finstere Blicke zu und schien meine Bemühungen nicht zu schätzen. Hätte er sprechen können, hätte er die Katze sicher gefragt, warum diese blöde Kuh plötzlich bei ihm aufgetaucht war.
Zur Abendbrotzeit schließlich versuchte ich einiges, um ihn vom Sofa zu bekommen. Nichts funktionierte, bis ich einen Nachtisch hochhielt, einen Oreo-Keks. Er schien zu begreifen, was ich wollte, stand auf und setzte sich an den Küchentisch.
Sofort nahm Scottie ein Stück Huhn und biss hinein. Der Nachtisch war so angeordnet, wie Lorraine es mir aufgeschrieben hatte.
Breite eine Serviette quadratisch aus. An den unteren Rand legst du zwei Vitamin-Gummibärchen, darüber eine Cheddar-Käsestange, dann vier Junior Mints, nach ganz oben zwei Oreos. Die mit doppelter Füllung hat er am liebsten.
Zum Glück hatte Lorraine mir auch eine Einkaufsliste mit den wichtigsten Produkten geschrieben.
Während Scottie das Huhn aß, klingelte es.
In mir keimte die Hoffnung auf, dass Lorraine zurückgekehrt war. Aber warum hätte sie läuten sollen? Als ich öffnete, setzte mein Herz einen Schlag aus vor Schreck. Plötzlich war dieser ohnehin schon schwierige Tag noch viel schlimmer geworden.
Was macht der denn hier?
Josh Mathers ragte vor mir auf und roch nach Leder, Aftershave und Zigaretten, all dies gemischt mit dem Geruch der kalten Herbstluft.
»Was ist los?«, fragte ich. »Warum bist du hier?«
Mit einem schwarzen Rollkoffer ging er an mir vorbei ins Wohnzimmer. »Ich bin gekommen, um dich abzulösen.«
»Wie bitte?«
»Ich bleibe bei Scottie.« Er sah mich nicht an. »Das wollte ich sowieso. Aber als ich hörte, dass du hier bist, hab ich meinen Kram schneller geregelt.« Endlich sah dieser Idiot mich mit seinen stechenden haselnussbraunen Augen an. »Du kannst zurück ins La-La-Land.«
Ich hatte Brads besten Freund nur selten getroffen, und ich verabscheute ihn, obwohl ich ihn nicht näher kannte. Aber ich hatte einen guten Grund für meine Abneigung. Josh war ein Frauenheld und hatte einen schlechten Einfluss auf Brad gehabt, während die beiden aufgewachsen waren. Er war der »Wilde« und hatte Brad stets in Schwierigkeiten gebracht. Es hatte mir nie gefallen, wenn Brad Josh ohne mich in Chicago besucht hatte. Natürlich vertraute ich Brad, doch ich wusste nie, was sein Freund wieder mit ihm anstellen würde, wenn sie betrunken waren. Josh Mathers bedeutete Ärger. Ihm die Sorge um Scottie anzuvertrauen, erschien mir deshalb grotesk.
»Mich ablösen? Ich bin heute erst gekommen«, sagte ich. »Und ich denke, es ist für ihn das Beste, wenn ich bleibe.«
»Hast du auf der Fachschule für Kosmetik etwa gelernt, wie man sich um erwachsene Männer kümmert?«
Ich stemmte die Hände in die Hüften und schnaubte. »Erstaunlich, dass du dich erinnerst, womit ich mein Geld verdiene. Zu Brads Lebzeiten hast du dich nie bemüht, mich kennenzulernen.«
»Im Ernst, Carly?«, gab er zurück. »Glaubst du wirklich, du kommst mit ihm klar?«
»Bisher hat es geklappt«, gab ich achselzuckend zurück.
»Du bist erst seit ein paar Stunden hier, stimmt’s? Es klappt auch gut, bis er einen Anfall hat und du ihn nicht unter Kontrolle bekommst.« Er musterte mich von oben bis unten. »Er ist dreimal so schwer wie du.«
Ich verschränkte die Arme und reckte das Kinn. »Lorraine hat nicht erwähnt, dass sie Probleme mit ihm hat, und sie ist so zierlich wie ich.«
»Natürlich würde sie dir gegenüber nichts dergleichen zugeben, um dich nicht davon abzubringen hierherzukommen. Auf dem Papier ist sie sein Vormund, aber seit Waynes Tod hat sie die ganze Zeit versucht, diese Verantwortung loszuwerden. Hat sie dir gesagt, dass sie letzte Woche den Nachbarn um Hilfe bitten musste, um Scottie vom Fußboden hochzubekommen?«
Ich schüttelte den Kopf.
Er nickte. »Abe ist ein Freund meines Vaters und hat ihm erzählt, er habe ihr geholfen. Lorraine muss wohl vergessen haben, das zu erwähnen.«
»Hat sie dich gebeten zu kommen?«
»Nein. Wie gesagt, ich hatte seit Waynes Beerdigung vor, zurückzukehren und mich um alles zu kümmern. Ich musste nur vorher einiges regeln.«
»Du brauchst nicht zu bleiben. Schließlich hast du deine Arbeit und dein Leben in Chicago.«
Seine Augen wurden schmal. »Und du hast kein Leben?«
»Ich kann mir eine Auszeit nehmen. Mit meinem Beruf bin ich flexibel. Ich arbeite selbstständig und übernehme nur dann Projekte, wenn ich will.«
Als freiberufliche Maskenbildnerin arbeitete ich oft für Film und Fernsehen in Kalifornien. Brad habe ich dabei an einem Set kennengelernt, als er damals Autor einer beliebten Sitcom gewesen war.
»Und ich arbeite überwiegend von zu Hause«, sagte Josh. »Darum ist es für mich kein Problem, hier zu sein.« Sein Blick durchbohrte mich. »Brad hätte das so gewollt.«
Ich straffte herausfordernd die Schultern. »Woher weißt du, was Brad gewollt hätte? Hast du dieses Szenario mit ihm besprochen? Schließlich hat niemand damit gerechnet, dass Wayne mit kaum sechzig Jahren tot umfallen würde.«
»Wir haben das nie ausdrücklich besprochen, aber du kanntest Brad doch nur zwei Jahre. Und Scottie bist du höchstens ein paarmal begegnet. Scottie und ich dagegen sind zusammen aufgewachsen. Ich bin praktisch sein Bruder.«
»Das hier ist kein Wettkampf, aber da du offenbar einen daraus machen willst: Meinst du nicht, Brad hätte mir seinen Bruder anvertraut – schließlich wollten wir heiraten?«
Josh sah mich wütend an. »Nein, das meine ich nicht. Er wusste sicherlich, dass er sich auf mich verlassen kann, daher musste er nichts vorsorglich festlegen. Ihm war klar, dass ich mich kümmern würde.«
Ich hob die Hände. »Ich habe mein Leben komplett auf den Kopf gestellt, um hierherzuziehen, und bin einmal quer durchs ganze Land gefahren. Ich gehe nirgendwohin.«
Josh betrachtete meine Fingernägel. »Und wie willst du Scottie mit diesen Klauen den Hintern abputzen?«
Ich sah auf meine lavendelfarbenen Nägel. Tatsächlich hatte ich nicht bedacht, Scottie auf der Toilette helfen zu müssen. Das hätte ich mir eigentlich denken können. Offensichtlich hatte ich noch jede Menge darüber zu lernen, was nun alles meine Verantwortung war. Lorraine hatte ebenfalls nicht erwähnt, dass Scottie in diesem Bereich nicht für sich selbst sorgen konnte.
Obwohl ich innerlich ausrastete, bewahrte ich Haltung. »Das finde ich schon heraus.« Durch Schein zum Sein.
»Daran hast du vermutlich nicht gedacht, als du dir diese Glitzersteinchen auf die Nägel hast kleben lassen«, spottete er. Ehe ich antworten konnte, sah Josh sich um. »Wo ist Scottie überhaupt?«
Ich wies hinter mich. »Er sitzt am Küchentisch beim Abendessen.«
Er sah über meine Schulter und hob eine Braue. »Bist du sicher?«
Ich drehte mich um und stellte fest, dass Scottie nicht mehr dort saß. Natürlich! Ich hätte ihn im Auge behalten müssen, aber mit dieser unerwünschten Ablenkung durch den Volltrottel Josh Mathers hatte ich nun mal nicht gerechnet.
Ich eilte in die Küche.
Scottie hatte sein Huhn nur halb gegessen, aber der Nachtisch war verschwunden. Am schlimmsten aber war, dass er sich Cranberrysaft hatte eingießen wollen, da ich vergessen hatte, ein Glas einzuschenken. Jetzt war der Fußboden voller Saft, und die Kühlschranktür stand weit offen. Damit hatte ich die erste wichtige Lektion gelernt: Ich durfte Scottie nicht mal für ein paar Minuten aus den Augen lassen.
»Mist«, brummte ich.
»Du hast recht, weißt du.« Josh grinste selbstgefällig. »Sieht wirklich so aus, als hättest du alles im Griff.«
Ich verdrehte die Augen. Dieser Mann war erst ein paar Minuten hier und ging mir bereits tierisch auf die Nerven.
Aus Waynes Schlafzimmer neben der Küche kam ein Summen, und Josh folgte mir dorthin. Scottie lag auf dem Bett und sah sich in aller Ruhe etwas auf dem Tablet an, als hätte er nicht gerade die Küche in einen Saustall verwandelt.
»Komm, Scottie.« Ich streckte die Hand aus. »Wasch dir die Hände. Die sind bestimmt klebrig.«
Er rührte sich nicht.
Josh schob sich an mir vorbei und kletterte aufs Bett. »Komm, Kumpel«, sagte er streng. »Zeit zum Händewaschen.«
Als Scottie Josh erblickte, lachte er, klopfte auf die Matratze und strahlte geradezu. Unwillkürlich lächelte ich, auch wenn das bedeutete, dass Josh mir eines voraushatte: Scottie mochte ihn.
Joshs Miene hellte sich auf. »Du hast mich vermisst, was?«
Scottie schlang die Arme um Joshs Hals, nahm ihn in den Schwitzkasten und beschnupperte sein glänzendes Haar.
»Okay, Kumpel«, sagte Josh. »Jetzt hast du mich genug beschnüffelt.«
»Macht er das bei dir häufiger?«
»Er mag mein Haar. Das war schon immer so.«
Ich musste zugeben, dass Josh schöne Haare hatte, für einen Dreckskerl jedenfalls. Es glänzte, war voll und kastanienbraun. Und es war etwas länger als bei unserer letzten Begegnung – bei Brads Begräbnis.
Plötzlich packte Scottie Josh an den Schritt.
Mir fiel fast die Kinnlade runter. Super. Dafür könnte ich dich knutschen, Scottie.
»Nicht, das brauche ich alles noch«, keuchte Josh. »Lass los.«
Lachend legte ich die Hand vor den Mund. Das war zweifellos der Höhepunkt meines langen Tages.
Als Scottie Josh endlich losließ, schlang er ihm wieder die Arme um den Hals und kämpfte mit ihm, bis er ihn im Schwitzkasten hatte. Josh war groß und kräftig, aber Scottie hatte ihn im Griff.
Nachdem Josh sich befreit hatte, stand er mit zerzaustem Haar vom Bett auf.
»So viel dazu, dass du ein großer, starker Mann bist, der mit Scottie umgehen kann«, meinte ich.
Josh warf mir einen mörderischen Blick zu.
Carly: Eins.
Josh: Null.
Ohne Heizung wurde es im Haus frostiger als die Stimmung zwischen meinem neuen Mitbewohner und mir. Also wagte Josh sich in den Laden, um Pellets für den Ofen zu besorgen.
Währenddessen versuchte ich, Scottie zu baden, sodass ich am Ende aussah wie nach einem Wet-T-Shirt-Contest. Scottie schien die Badewanne für eine Wasserrutsche zu halten. Immer wieder schob er sich von hinten nach vorn, und jedes Mal traf eine Welle mich und den Boden. Dass sein Körper auf die Berührungen »reagierte«, als ich ihn zwischen den Beinen wusch, wollte ich lieber ganz schnell wieder vergessen.
Zudem brauchte ich einige Zeit, um Scottie so weit zu beruhigen, dass er schlafen ging. Jetzt begriff ich, warum seine Matratze auf dem Boden lag und nicht auf einem Bettgestell: Es wäre nicht lange heil geblieben, weil Scottie es liebte, darauf herumzuspringen.
Nachdem Scottie eingeschlafen war, ließ ich mich im Wohnzimmer aufs Sofa fallen. Ich war völlig erschöpft und fühlte mich schon jetzt überfordert. Mein erster Abend war ein gewaltiger Reinfall gewesen, und jetzt sah es auch noch so aus, als würde Josh bleiben, um mitanzusehen, wie die Katastrophe Fahrt aufnahm. Bleibt er wirklich? So hilfreich es sein mochte, ein zweites Paar Hände zu haben: In seiner Gegenwart fühlte ich mich einfach unwohl. Aber vielleicht hatte er gar nicht vor, hier zu übernachten? Ich beschloss, ihn zu fragen, wie seine Pläne aussahen. Immerhin hatte er den Ofen zum Brennen gebracht, aber er selbst war nirgends zu entdecken. Hatte er das Haus wieder verlassen? Habe ich wirklich solches Glück?
Im nächsten Moment kam Josh von draußen herein und roch nach Zigaretten.
Ich stand auf und kam sofort zur Sache. »Also …« Ich rieb mir die Hände. »Wie sieht’s aus? Es gibt nur ein weiteres Schlafzimmer. Demnach …«
»Ja.« Er nickte. »Ich schlafe auf dem Sofa, bis du dich zur Heimreise entschließt. Was ich weiterhin für klug halte, weil du hier völlig fehl am Platz bist.«
»Ich habe dir schon gesagt, dass ich nicht weggehe.«
»Komm schon, Carly! Du bist für Scottie praktisch eine Fremde. Du gehörst nicht hierher.«
»Praktisch fremd zu sein ist besser als ein schlechter Einfluss«, stieß ich hervor.
»Du denkst, ich übe einen schlechten Einfluss auf Scottie aus? Wieso? Weil ich hier Frauen anschleppen und ihn betrunken machen würde? Mach dich nicht lächerlich, du Moralapostel. Ich würde nie etwas tun, das ihm schadet.« Er betrachtete mein T-Shirt. »Hast du mit ihm gebadet? Oder warum bist du so nass?«
»Wüsstest du so viel über Scottie, wie du behauptest, würdest du die Antwort kennen. Er hält die Badewanne für eine Wasserrutsche.« Ich schnupperte. »Und du stinkst nach Zigaretten und denkst hoffentlich nicht, dass du in seiner Gegenwart rauchen kannst.«
Josh sah mich aus schmalen Augen an. »Du weißt, dass Wayne geraucht hat, oder?«
»Mir egal. Niemand soll dieses Zeug einatmen müssen.«
»Ich versuche ja aufzuhören«, brummte er. »Das hat auch gut funktioniert, bis ich nach Hause gekommen bin. Kaum war ich in New Hampshire gelandet, habe ich einfach …« Er seufzte und schwieg.
»Dann versuche, draußen aufzuhören, nicht im Haus oder in Scotties Gegenwart.«
»Du hast doch mitbekommen, dass ich eben draußen war!«
»Dann mach es auch weiter so«, sagte ich mit finsterer Miene.
Josh tat, als würde er lächeln. »Weißt du, wann du dir keine Gedanken über mein Rauchen machen musst?«
»Wann?«
»Wenn du wieder zu Hause in Kalifornien bist.«
»Du findest dich witzig, was?«
»Ich lege es nicht darauf an.« Er neigte den Kopf zur Seite. »Meinst du, ich bin es?«
»Was hielte Brad wohl davon, dass du dich über diese Lage lustig machst?«
»Ich mache mich lustig darüber? Du siehst aus, als hättest du den Untergang der Titanic überlebt. Brad wäre zu höflich, um dir zu sagen, dass die Sache hier eine Nummer zu groß für dich ist, und er würde mir insgeheim dafür danken, dass dich aus der Sache rauslasse.«
Ein Schrei aus Scotties Schlafzimmer unterbrach unser Gezänk.
Wir eilten hin und sahen, dass er ein Kissen zerfetzt hatte. Überall schwebten Federn herum, und Scottie lachte begeistert über seine großartige Aktion.
Diese Bescherung aufzuräumen, wird eine Höllenarbeit.
»Wahrscheinlich hat er uns streiten gehört und sich darüber aufgeregt«, meinte ich.
»Das zeigt, wie wenig du ihn kennst. Er macht dauernd solchen Mist – einen Grund braucht er dafür nicht.«
Dieser Mann raubte mir den letzten Nerv. Je mehr ich mich über ihn ärgerte, desto entschlossener war ich, ihm zu beweisen, dass ich mich besser um Scottie kümmern konnte als er.
»Nichts passiert grundlos«, murmelte ich und war von mir enttäuscht. Wie konnte der Kerl mir nur derart unter die Haut gehen?
Josh und ich sammelten schweigend die Daunen auf und taten sie in eine Mülltüte. Die ganze Zeit über fluchte ich angesichts der Situation stumm in mich hinein. Vor allem nervte mich, dass ich tief in mir drin tatsächlich dachte, ich käme mit Scottie nicht allein klar. Das wollte ich mir aber nicht eingestehen. Es wäre eine gute Sache, hier ein zweites Paar Hände zu haben – wenn es nur nicht die Hände von Josh wären!
Als wir fertig waren, sah es aus, als hätten wir ein Huhn gerupft und versucht, die Beweise zu beseitigen. Immerhin hatte Scottie sich beruhigt und sah aus, als würde er gleich wieder einschlafen.
Josh ließ eine Jalousie herunter, die ich versehentlich offen gelassen hatte. Dass Scottie wegen der Sonne früher als nötig erwachte, war das Letzte, was ich wollte. Nun erst fiel mir auch ein Gerät auf, das weißes Rauschen produzierte, und ich schaltete es ein.
Einen Moment später standen wir einander im Wohnzimmer vor den Flammen des Pelletofens gegenüber und sahen uns an. So wenig ich Josh mochte: Ich war nicht in der Position, wählerisch zu sein. Niemand sonst würde mir Hilfe anbieten.
»Ich gebe es ungern zu«, begann ich schließlich recht kleinlaut, »aber die Betreuung für Scottie dürfte eine Aufgabe für zwei sein. Es wäre hilfreich, wenn wir zusammenarbeiten und uns von Zeit zu Zeit ablösen würden.«
Josh schwieg. Da er meinen Vorschlag nicht ablehnte, musste er wohl meiner Meinung sein.
»Du hast Verwandte in der Stadt, oder?«, fragte ich. »Du musst nicht hier schlafen. Du kannst kommen und gehen.«
Er hob die Brauen. »Wie soll dir das helfen, wenn er nachts aufwacht und Mist baut?«
Ich kratzte mich an der Schläfe, denn darauf wusste ich nichts zu sagen.
»Zwei Brüder und mein Vater wohnen in der Stadt«, fügte er hinzu. »Aber ich denke, ich übernachte besser hier.«
»Okay«, räumte ich ein. »Und wo willst du tagsüber arbeiten? Einen Raum für ein Büro gibt es hier eindeutig nicht.«
»Ich kann überall arbeiten. Und bei einer Besprechung gehe ich mit meinem Laptop einfach an einen Ort, wo Scottie nicht ist. Ich muss zwar viel telefonieren, aber wenigstens bin ich hier, wenn du mich brauchst oder einkaufen musst.«
Ich wusste kaum etwas über Joshs Tätigkeit.
»Was machst du noch mal beruflich?«, fragte ich.
»Ich bin Personalvermittler.«
»Und was machst du da so?«
»Ich suche nach qualifizierten Kandidaten für offene Stellen.«
»Ach, darum hast du so schnell entschieden, dass ich für diese Arbeit hier unqualifiziert bin.«
Er zuckte die Achseln. »Du hast recht. Du bist nicht qualifiziert, dich allein um Scottie zu kümmern. Aber vor allem wollte ich dir das Ganze ersparen, Carly.«
»Ich möchte mich auf diese Herausforderung einlassen«, sagte ich seufzend. »Außerdem erinnert mich in Kalifornien, ehrlich gesagt, alles an Brad … an unser Leben vor seinem Tod. Ich brauche einen Tapetenwechsel. Das ist zwar das Haus seiner Kindheit, aber hier gibt es keine gemeinsamen Erinnerungen.« Ich sah ihn an. »Bei dir dürfte das umgekehrt sein.«
Josh nickte traurig und wandte sich ab. Er hatte offensichtlich nicht vor, sich mir gegenüber zu öffnen. Stattdessen machte er den Kühlschrank auf, rieb sich den Dreitagebart und schloss die Tür wieder. Nichts drin.
»Leer«, sagte ich. »Bisher hatte ich noch keine Zeit, einzukaufen oder Lebensmittel zu bestellen.«
Er sah zur Wanduhr und kratzte sich die Brust. »Es ist sowieso schon spät. Ich muss heute Abend nichts essen. Das verschiebe ich auf morgen.«
Spannung lag in der Luft, als wir uns nun musterten. Die Lampe über ihm ließ seine haselnussbraunen Augen schimmern. Josh war auffallend attraktiv, das ließ sich nicht leugnen. Sein Haar allein war hinreißend. Seine Nase war gerade, sein Kinn kantig, und die Lippen waren voll. Trotz seines tollen Aussehens hatte ich ihn innerlich immer für hässlich gehalten.
Während ich seine Erscheinung noch auf mich wirken ließ, merkte ich, dass Joshs Blick zu meiner Brust hinabgewandert war – und dort blieb.
Was passiert hier?
Checkt er mich etwa ab?
Undenkbar.
Der Kerl kann mich nicht ausstehen.
Ehe ich weiter darüber nachdenken konnte, schlug er mir mit der flachen Hand ohne Vorwarnung auf die Brust. Und dann zwickte er mich auch noch.
»Was soll das?«, rief ich mit wild klopfendem Herzen.
»Hab sie.« Er öffnete die Faust. Auf seiner Handfläche lag etwas kaum Identifizierbares. »Eine Spinne ist auf dir rumgekrabbelt.«
Ich sah genauer hin. Tatsächlich: eine zerdrückte Spinne, vermutlich ein Weberknecht.
»Gott im Himmel«, keuchte ich. »Einen Moment lang dachte ich, du schlägst mich grundlos.«
Er blickte finster drein. »Nun, das ist ja blöd.«
Ich betrachtete den roten Abdruck seiner Hand auf meinem Dekolleté, und prompt wurden meine verräterischen Brustwarzen hart. Das war so verdreht, dass ich nicht darüber nachzudenken wagte.
Ich räusperte mich. »Ich hasse Spinnen und wäre ausgeflippt, wenn ich gewusst hätte, dass eine auf mir rumkrabbelt. Also … danke.« Mit den Fingerkuppen berührte ich die Stelle, die noch immer etwas brannte, und setzte hinzu: »Aber es wundert mich, dass du sie nicht einfach dagelassen hast, zu deinem eigenen Spaß.«
Er hob eine Braue und wirkte alles andere als amüsiert. »Warum sollte ich daran Spaß haben?«
Vor allem weil ich sicher wusste, dass er mich nicht mochte – auch wenn ich nie verstanden hatte, warum das so war. Ich hatte nichts getan, womit ich das verdient hätte. Und bislang hatte ich nie die Gelegenheit gehabt, ihn zu fragen, warum er so empfand. Es war für uns beide ein langer Tag gewesen, also hätte ich mich vielleicht beherrschen sollen, aber das konnte ich nicht.
»Warum du Spaß daran haben könntest, dass eine Spinne auf mir herumkrabbelt?«, fragte ich und rieb noch immer die Stelle, auf die er geschlagen hatte. »Wir wissen doch beide, dass du mich nicht magst. Und weil das so ist, bin ich erstaunt darüber, dass du mit unserem Zusammenwohnen einverstanden bist.«
Seine Augen wurden schmal. »Wer hat gesagt, dass ich dich nicht mag?«
»Das … warst du selbst.« Ich schluckte, und mein Herz schlug schneller.
Sein Kiefermuskel zuckte. »So was habe ich nie gesagt.«
»Nicht mir ins Gesicht, stimmt.«
»Erklär mir das.«
Ich hatte es für mich behalten und nicht mal Brad erzählt, dass ich es wusste. Denn es war mir peinlich, und ich hatte keinen Krieg zwischen ihm und seinem ältesten Freund auslösen wollen. Dafür hatte ich Brad viel zu sehr geliebt.
Ich beschloss, es einfach auszusprechen. »Als Brad und ich gerade zusammengekommen waren, habe ich zufällig eine Textnachricht gesehen, die du ihm geschickt hattest.«
Joshs Adamsapfel bewegte sich. »Okay …«
»Sein Smartphone lag auf der Anrichte, während er duschte. Er hatte dir ein Foto von uns geschickt. Du hast geantwortet …« Ich zögerte und wand mich innerlich bei der Erinnerung daran. »Du hast geantwortet, dass dich etwas an meinem Gesicht stört.«
Er blinzelte und sah kurz weg. »Offensichtlich war diese Nachricht nicht für deine Augen bestimmt gewesen.«
»Offensichtlich«, murmelte ich mit bitterem Geschmack in der Kehle.
»Hör mal …« Er seufzte. »Damals kannte ich dich noch gar nicht. Hätte ich gewusst, dass er sich schließlich mit dir verlobt, hätte ich ihm vermutlich nicht …«
»Geschrieben, wie du über mich denkst?«, unterbrach ich ihn und verschränkte die Arme vor der Brust, obwohl ich ihm am liebsten eine verpasst hätte.
»Es war dumm, so etwas zu schreiben.« Er fuhr sich durchs Gesicht. »Ich meinte es auch nicht wörtlich.«
»Du meintest es nicht wörtlich?« Ich senkte die Stimme, weil ich merkte, dass ich fast geschrien hatte, und Scottie nicht wecken wollte. »Warum hast du es dann wortwörtlich eingetippt?«
Josh schwieg und sah zu Boden.
Erwischt!Gut. Das hatte er verdient.
»Ich habe Brad nie erzählt, dass ich diese Nachricht gelesen habe«, gab ich zu. »Sosehr ich dich deswegen verabscheut habe: Ich wollte kein Zerwürfnis verursachen, denn ich wusste ja, wie viel du ihm bedeutet hast. Warum auch immer.«
Josh sah mir endlich in die Augen. »Ich hätte das nie schreiben dürfen und entschuldige mich dafür. Ehrlich. Und obwohl du mir wohl nicht glaubst, war diese Nachricht wirklich nicht ernst gemeint.« Er atmete tief aus, und seine Stimme wurde ein wenig sanfter. »Das erklärt vermutlich, warum du nie ein Fan von mir gewesen bist. Brad hat mir erzählt, du magst es nicht, wenn er mich besucht, weil du mir nicht traust. Ich dachte, es lag daran, dass du mich für einen schlechten Einfluss gehalten hast. Jetzt weiß ich: Es steckte noch mehr dahinter.«
»Ich habe mir tatsächlich immer Sorgen gemacht, wenn er bei dir war.«
»Das war unnötig. Brad ist ein Erwachsener mit eigenem Willen … Er war ein Erwachsener.« Kopfschüttelnd fügte er hinzu: »Es fällt mir noch immer schwer, in der Vergangenheitsform an ihn zu denken.«
Ich hatte einen Kloß im Hals. »Das jedenfalls haben wir gemeinsam.«
Josh sah auf seine Schuhe und schob die Hände in die Taschen. Dann wandte er sich zum Wohnzimmer. »Ich sollte mir zum Schlafen eine Decke suchen.«
»Mal sehen, ob bei Wayne im Schrank eine liegt«, sagte ich und war noch immer etwas verbittert.
Er folgte mir in das Zimmer neben der Küche, in dem ich schlafen würde.
Der Schrank war prallvoll. Waynes Sachen hingen alle noch drin. Sie rochen etwas muffig, und ich nahm mir vor, ihn auszuräumen, sobald dafür Zeit wäre.
»Das war wohl Waynes Lösung für den Mangel an Stauraum.« Ich stöberte in den Sachen. »Er hat einfach alles hier reingestopft.«
Josh schaltete die Lampe in der Ecke an. »Brad hat immer wieder angeboten, ihm etwas Größeres zu kaufen, aber Wayne wollte das Blockhaus nicht verlassen. Hier waren all seine Erinnerungen an das Leben mit Yvonne, hier haben sie ihre Familie gegründet.«
»Verständlich.« Ich wandte mich ihm zu. »Sie haben Yvonne so früh verloren.«
»Ja.« Er schüttelte den Kopf. »Eine furchtbare Zeit war das.«
»Du und Brad, ihr wart auf die Highschool, als sie starb?«
Er nickte ernst.
Josh war so alt wie Brad, der jetzt dreißig gewesen wäre, wenn er noch gelebt hätte. Ich war zwei Jahre jünger.
Ich suchte weiter und fand schließlich zwischen all dem Zeug eine karierte Decke.
»Reicht die?« Ich gab sie ihm. Möglich, dass sie ihn nur halb bedecken würde.
»Die genügt.«
Ich nahm eins der beiden Kissen vom Bett. Es war unerwartet schwer.
»Nimm das auch. Ich brauche nicht zwei.« Ungewollt energisch warf ich es ihm zu.
Er fing es auf. »Es hat dir gefallen, das abzufeuern, oder?«
Ich zwinkerte ihm zu. »Ein bisschen vielleicht.«
Am nächsten Morgen weckte mich ein Klopfen. Als ich aus meinem Zimmer kam, sah ich Josh schon mit nacktem Oberkörper an der Haustür. Sein perfekt definierter Rücken mit dem Tattoo einer Schlange versperrte mir die Sicht.
Eine Schlange – das passt.
Ich mochte Josh nicht, aber er war verdammt sexy. Das ließ sich nicht leugnen.
Seine tiefe Morgenstimme war kratzig. »Was gibt’s?«
»Ich bin Scotties Verhaltenstherapeutin«, sagte eine Frauenstimme. »Ich arbeite ein-, zweimal pro Woche mit ihm.«
Josh fuhr sich durch sein zerzaustes Haar. »Ach so.« Er trat beiseite. »Komm rein.«
Ich sah, wie der Blick der attraktiven Brünetten kurz auf seiner Brust verharrte.
Er streckte die Hand aus. »Ich bin Josh. Freut mich, dich kennenzulernen.«
»Lauren.« Lächelnd schüttelte sie seine Rechte.
Ich hätte schwören können, dass sie die Hand nur ungern losließ.
»Mir war nicht klar, dass Scottie Hausbesuche bekommt«, unterbrach ich ihr Gaffen.
Sie wandte sich mir zu, offenbar bemerkte sie mich jetzt erst. »Ja.« Sie räusperte sich. »Wir bieten Haustherapie an, finanziert vom Staat New Hampshire. Ich arbeite erst ein halbes Jahr mit Scottie, aber er ist schon eine Weile in unserem Erwachsenenprogramm.«
»Lorraine hat vergessen, das zu erwähnen«, sagte ich. »Was machst du mit ihm?«
»Wir lesen zusammen, puzzeln, sortieren Dinge und üben das Zähneputzen, Anziehen, Schuhebinden, solche Sachen. Du bist bestimmt Carly.«
»Ja.«
»Seine Tante hat erwähnt, dass du kommst und an ihrer Stelle bei Scottie wohnst. Mir war nicht klar, dass du verheiratet bist.«
»Oh.« Ich sah Josh an. »Das ist nicht mein Mann, sondern ein Freund von Scotties Bruder Brad. Ich war mit Brad verlobt, aber er ist gestorben.«
Lauren lächelte Josh an, und ihre Augen hellten sich auf. »Verstehe.«
Aber hallo.
Ich hatte wahrlich keine Lust, in einen Flirt oder Schlimmeres zwischen Josh und dieser Studentin hineinzugeraten.
Sie wandte sich wieder mir zu. »Das mit deinem Verlobten tut mir sehr leid. Wayne hat mir vor seinem Tod viel von ihm erzählt. Er war Filmproduzent, oder?«
»Er war Drehbuchautor fürs Fernsehen, wurde aber kurz vor seinem Tod zum Produzenten befördert, ja.«
Lauren runzelte die Stirn. »Ihr beide seid also hier, um euch … gemeinsam um Scottie zu kümmern?«
»Im Moment teilen wir uns die Verantwortung«, sagte Josh. »Bis wir ein geeignetes Heim für ihn gefunden haben.«
Lauren nickte. »Das ist toll von euch.«
»Scottie schläft noch«, sagte ich. »Hätte ich gewusst, dass du kommst, hätte ich ihn geweckt.«
»Das ist okay. Wayne hat ihn schon immer vor meiner Ankunft aus dem Bett geholt, aber es macht mir nichts aus, ihn zu wecken.« Sie sah Josh an. »Falls du Hilfe brauchst, sag es mir. Wir haben viele Möglichkeiten in der Agentur, um dich bei der Suche nach einem Heimplatz zu unterstützen.«
Interessant, dass sie ihm Hilfe anbot, aber nicht uns. Ekelhaft, dass dieser Mann angesichts seiner fragwürdigen Persönlichkeit so ein Frauenschwarm war. Andererseits kannte Lauren ihn noch nicht wirklich. Zu schade, dass auf Josh Mathers perfektem Gesicht kein Warnhinweis klebte.
Als Lauren in Scotties Zimmer war, sagte ich leise: »Vielleicht ziehst du dir jetzt besser ein Hemd an, sonst muss ich noch den Sabber dieser Frau aufwischen.«
Er musterte meine Brust. »Ich hatte heute Morgen ebenso wenig mit Besuch gerechnet wie du, Sonnenschein.«
Ich schloss die Augen, denn ich trug keinen BH. Es wäre wohl besser gewesen, wenn mir selbst das aufgefallen wäre, bevor ich ihm Vorwürfe gemacht hatte. Mit einem Räuspern verschränkte ich die Arme vor der Brust. »Wann fängst du mit der Arbeit an?«
»Um neun.«
»Trinkst du Kaffee?«
»Den ganzen Tag über.«
»Gestern Abend habe ich keine Kaffeepads gefunden. Ich könnte die Zeit nutzen, in der Lauren bei Scottie ist, und zum Supermarkt fahren und Sachen fürs Frühstück einkaufen.«
Er fuhr sich durch sein volles Haar. »Super. Dann springe ich erst mal unter die Dusche.«
Ich nickte, eilte in mein Zimmer, zog mich an und merkte beim Bürsten der Haare, wie lang sie geworden waren. Ob ich sie mir hier schneiden lassen konnte? Oder würde ich wie Rapunzel aussehen, wenn ich Woodsboro irgendwann wieder verließ?
Vor dem Losfahren gab ich Joshs Nummer in mein Telefon ein und schickte ihm eine kurze Nachricht, damit er mich zu seinen Kontakten hinzufügen und wir uns austauschen konnten, während ich unterwegs war.
Die kalte Luft draußen schlug mir ins Gesicht, und es war herrlich, ein wenig aus dem Haus zu kommen. Erleichtert sprang ich in mein Auto. Diese Ruhe! Mir war, als wäre ich kurzzeitig in mein Leben zurückgekehrt – in das Leben vor der Ankunft hier, die alles auf den Kopf gestellt hatte. Ich war vor weniger als vierundzwanzig Stunden aus diesem Auto gestiegen, hatte aber das Gefühl, vor Jahren zuletzt darin gesessen zu haben.
Auf der Landstraße rief ich Christina an, um sie über die neuesten Entwicklungen zu informieren.
»Du lebst also doch noch!«, rief sie. »Ich hab schon darauf gewartet, von dir zu hören.«
»Ich habe endlich eine freie Minute zum Durchatmen.«
»Wie läuft es denn?«
Unwillkürlich brach ich in hysterisches Gelächter aus. Wie gut es sich anfühlte, alles rauszulassen! Aber Christina musste mich für verrückt halten.
»Was ist los mit dir?«
»Ach, Christina.« Ich trommelte mit den Fingern aufs Lenkrad. »Ich sitze hier in einem Riesenschlamassel.«
»Oha. Was ist passiert?«
»Erstens … bin ich mit Scottie nicht allein. Ich habe überraschenderweise einen Mitbewohner.«
»Was? Wen?«
»Josh Mathers.«
»Josh …« Sie brauchte einen Moment. »Brads unfassbar attraktiven besten Freund? Der in Chicago lebt? Und den du nicht ausstehen kannst?«
»Genau der. Er und ich hatten die gleiche Idee, alles stehen und liegen zu lassen, um uns in New Hampshire um Scottie zu kümmern.«
»Wenn er da ist, kannst du ja nach Hause kommen, oder?«
»Nein«, seufzte ich. »Ich ziehe das jetzt durch. Aber es ist nicht so einfach, wie ich dachte. Gleich bei meiner Ankunft hier wurde mir klar, dass die Arbeit nicht von einer Person allein zu leisten ist. Kein Wunder, dass Lorraine wie ein geölter Blitz verschwunden ist, als ich ankam.«
»Moment … Josh bleibt also mit dir und Scottie dort wohnen?«
»Auf absehbare Zeit, ja.«
»Sagtest du nicht, das Haus ist klein? Wo schläft er denn?«
»Auf dem Sofa. Es gibt außer Scotties Zimmer nur noch ein weiteres Schlafzimmer, und zwar für mich.«
»Tja, schlecht für ihn.«
»Vielleicht werfe ich ihn auch ganz raus, aber so weit sind wir noch nicht. Ich stehe noch unter Schock.«
Sie lachte leise. »Das kann ich verstehen.«
»Das Schlimmste ist: Er hat eingestanden, gewusst zu haben, dass ich ihn nicht mochte. Und ich habe zugegeben, gewusst zu haben, dass auch er mich nicht mochte. Und jetzt ist da diese Spannung zwischen uns.«
Ich beschloss, ihr nichts von Joshs Textnachricht an Brad damals zu erzählen, weil ich mich immer noch deswegen schämte. Bislang hatte ich noch nie mit jemandem darüber gesprochen – außer mit Josh.
»Sieht so aus, als müsstest ihr lernen, euch zu mögen, wenn ihr jetzt zusammenwohnt.« Sie hielt inne. »Wo ich nun weiß, dass er da ist, könnte ich eigentlich mal zu Besuch vorbeikommen.«
»Warum?«
»Er ist Single, oder?«
»Ja. Aber du willst dich nicht mit ihm einlassen. Das würde ich nicht erlauben. Er ist ein Weiberheld.«
»Wer sagt, dass ich Interesse an einer Beziehung habe? Der Typ ist fantastisch.«
Ich verdrehte die Augen.
»Verdrehst du die Augen?«
Ich lachte.
Wir plauderten noch ein wenig, dann erreichte ich den Supermarkt und fand einen Parkplatz.
»Wie dem auch sei, ich muss jetzt Kaffee für Meister Launisch besorgen, damit er arbeiten kann.«
»Ziemlich nett von dir, wo du ihn doch gar nicht leiden kannst.«
»Ich schätze, ohne Koffein ist er noch nerviger. Abgesehen davon brauche ich selbst auch Kaffee, um mit ihm klarzukommen.«
»Halt mich auf dem Laufenden«, sagte sie.
»Aber sicher.«
Ich stieg aus, nahm einen Einkaufswagen und wäre am Eingang fast mit jemandem zusammengestoßen, weil ich so in Gedanken war.
Während ich durch die Gänge ging, beschloss ich, höflich zu sein und mich bei Josh zu melden.
Carly: Welche Sorte Kaffee möchtest du?
Er antwortete beinahe sofort.
Josh: Ist egal.
Carly: Also mit Kürbisgewürz?
Josh: Ich möchte mich heute nicht übergeben müssen, also nein. Aber buchstäblich alles andere. Ich hasse Kürbis.
Carly: Deswegen frage ich. Dunkle oder helle Röstung?
Josh: Hell. Aber weißt du, wo du hinfahren solltest, um Kaffee zu kaufen?
Carly: Nämlich?
Josh: Zu Coffee Bean & Tea Leaf – die haben TOLLEN Kaffee. Brad hat mich mal dorthin mitgenommen.
Ich kratzte mich am Kopf.
Carly: Diese Kette gibt es nur in Kalifornien.
Josh: Genau.
Carly: Jetzt kriegst du Kürbisgewürz mit einem Schuss Kürbissirup, du Scherzkeks.
Josh: Wie du meinst, Pumpkin.
Carly: Und das meiste, was ich kaufe, ist glutenfrei.
Josh: Klasse.
Carly: Soll das wieder ein Witz sein?
Josh: Nein. Die Lage hier ist ohnehin schon spaßig. Glutenfrei wird alles noch besser.
Carly: Ich bring dir glutenfreien Kürbiskuchen mit.
;-)
Kaum war ich ein paar Gänge weiter, schickte Josh mir erneut eine Nachricht.
Josh: Ich hab mein Deo vergessen. Bringst du mir bitte eins mit? Das Geld bekommst du natürlich zurück.
Carly: Eine spezielle Marke?
Josh: Hauptsache männlich.
Carly: Mit Hurenbock-Duft?
Josh: Klingt prima.
Carly: Ungiftig oder …
Josh: Das ist nicht dein Ernst, oder?
Carly: Doch!
Josh: Giftig. Schließlich soll es wirken.
Carly: Ich benutze Zitronenscheiben als Deo.
Josh: Veräppelst du mich?
Carly: Ich reibe mir damit täglich die Achseln ein.
Josh: Deshalb riechst du so.
Carly: Das war hoffentlich ein Witz.
Josh: Vielleicht. Vielleicht auch nicht.
Carly: Die Zitronen erfüllen ihren Zweck und sind ungefährlich. So dringt kein Aluminium in mein Lymphsystem, das mich dann in zwanzig Jahren tötet.
Josh: Es gibt so vieles, worüber man sich Sorgen machen muss im Leben, und du machst dir Gedanken über dein Deo. Du solltest dich besser mal entspannen.
Carly: Sagt jemand, der freiwillig Kohlenmonoxid einatmet. Ich hätte wegen des Deos besser nicht gefragt. Mir ist schon klar, dass dir deine Gesundheit egal ist.
Josh: Also das giftige Zeug mit extra viel Aluminium.
Carly: Giftiges Deo für einen toxischen Mann. Wird gekauft!
Josh: Und Zitronen für ein Törtchen.;-)
Carly: Flottes Mundwerk! Mach dich doch genauso flott auf den Rückweg nach Chicago.
Josh: War nur Spaß. Ein Törtchen bist du wirklich nicht. Ein bisschen sauer vielleicht … aber auf keinen Fall ein Törtchen.
Carly: Ich nehme deinen Rückzieher als Kompliment.
Josh: Siehst du? Obwohl du mich toxisch genannt hast, habe ich das Törtchen gestrichen. Wer von uns ist nun der Vernünftige von uns beiden?
Carly: Sei du es.
Josh: Jetzt frage ich mich natürlich, wo du sonst noch Zitronen hinsteckst.
Lachend legte ich ein Herrendeo in den Einkaufswagen.
Carly: Ich schiebe sie dir in den Hintern, Mathers. Übrigens habe ich dein giftiges Deo gefunden und bin in fünf Minuten fertig, falls dir noch was einfällt.
Seine Antwort dauerte einen kurzen Moment.
Josh: Kannst du eine Packung Eis mitbringen?
Carly: Aber sag nicht, die Sorte ist dir egal.
Josh: Pistazie.
Carly: Hmm …
Josh: Was?
Carly: Das ist auch mein Lieblingseis.
Josh: Offenbar haben wir gerade unsere einzige Gemeinsamkeit entdeckt – außer Brad.
Carly: Die Woche wird lang. Soll ich zwei Packungen kaufen?
Josh: Ja. Und Alkohol.
Am Nachmittag verließ ich das Haus noch mal, um eine halbe Stunde entfernt im nächsten Einkaufszentrum zusätzliche Bettwäsche zu kaufen.
Bei meiner Rückkehr schnappte ich nach Luft bei dem Anblick, der sich mir bot.