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Die Pubertät stellt einen vor viele Fragen und noch mehr Probleme: Plötzlich ist alles anders und irgendwie doof. Die Familie macht nur noch Stress, der Hintern wird immer größer und ebenso die eigene Unsicherheit. Wer bin ich? Was kann ich? Und was will eigentlich der Rest der Welt von mir? Die aus 'Gute Zeiten, schlechte Zeiten' bekannte Schauspielerin Sarah Tkotsch und die Autorin Wilma Bögel haben sich diese Fragen als Teenies auch gestellt. In ihrem erfrischenden Ratgeber für junge Mädchen erzählen sie von ihren eigenen Erfahrungen mit den Querelen in der Clique, Null-Bock-Tagen und der ersten Liebe und geben die Ratschläge, die sie selbst damals gern bekommen hätten. Ein echter Seelentröster und großer Spaß für Teenies - von zweien, die es heil überstanden haben: das große Abenteuer des Erwachsenwerdens.
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Seitenzahl: 394
Sarah Tkotsch und Wilma Bögel
•»Unglaublich, aber ich habe die Pubertät überlebt« 6
•Ich bin dagegen und das aus Prinzip 11
•Meine Eltern nerven – aber ich (mich) auch 27
•Das geht dich nichts an! 44
•Das verstehst du nicht! 53
•Am besten immer die besseren Argumente haben 62
•Trennung, Scheidung und die lieben Geschwister 69
•Wenn an den falschen Stellen Dellen wachsen 95
•Echt wahr: Schokolade hilft beim Wachsen – und das nicht nur in die Breite 120
•Sechs Kilo in zehn Minuten mit der Photoshop-Diät 140
•Titten für den Übergang 146
•Qualmen, saufen & einen durchziehen 162
•Die richtige Mischung muss es sein 175
•Warum sich ältere Jungs einfach besser zum Schwärmen eignen 194
•Wenn’s knallt, gerät die Welt aus den Fugen 201
•Ja, ich will 245
•Ich bin ins Netz gegangen 286
•Still sitzen tun nur Streber, Schleimer und die Dummen aus der ersten Bank 300
•Ich bin ich – wen interessiert, was ich werde 312
•Die große Schwester 326
•Freundinnen – warum ich meine beste Freundin manchmal einfach bescheuert finde 336
•Cliquenquark 352
•Solopfade 378
•Zum guten Schluss ... 391
•Anrufen, Schreiben, Hilfe bekommen ... 398
•Literaturverzeichnis, Quellenangaben 402
»Für alle Mädchen dieser Welt«
Sarah
»Für Mama«
Wilma
Vorwort
»Und das ist es, was die Pubertät so schwierig macht: Heute tun wir das, morgen dies und übermorgen tun wir eben gar nichts, weil wir uns von den anderen beiden Tagen erholen müssen.«
Ja, das trifft den Nagel auf den Kopf! Während der Pubertät hätte ich das niemals geglaubt. Zumal ich sowieso nie verstanden habe, was diese altklugen Erwachsenen eigentlich mit »Pubertät« meinten. In meinen Augen war ich mindestens so normal oder so bescheuert wie sie – wenn ich nicht sogar den besseren Durchblick hatte.
Erinnere ich mich, fällt mir als Erstes ein, dass ich in diesen Tagen überhaupt nicht darüber nachgedacht habe, was ich einmal werden wollte, weil ich nur beschäftigt und völlig überfordert mit meinem Alltag war. Genau das bedeutet für mich nämlich Pubertät: Nicht zu wissen, wohin oder zu wem man gehört, ob man zu klein ist, zu groß, zu dick, zu dünn, zu klug oder zu dumm. Man will einfach nur passen, obwohl man weder sich selbst kennt noch weiß, wohin die Reise gehen wird.
Ich kann sagen, dass ich beim Wohin ziemliches Glück hatte. Ich träumte nicht wie so viele junge Menschen davon, bekannt zu werden oder in einem außergewöhnlichen Beruf zu arbeiten. Doch ich fand etwas für mich, das mir nicht nur Spaß machte und worin ich gut war, sondern auch etwas, das mir Sicherheit gab und mich nach und nach tatsächlich selbstbewusster werden ließ.
Beruflich hatte ich also echt Glück. Aber pubertätsmäßig … Puh! Ich kann mich noch sehr gut daran erinnern, wie unglaublich launisch und kompliziert ich war. Im Nachhinein finde ich diese Zeit megaanstrengend. So oft habe ich die Menschen in meiner Umgebung – vorzugsweise meine Eltern – weggestoßen, wenn sie mir helfen wollten. Ich fühlte mich ja schon total erwachsen, nicht mehr als Kleinkind, und ich erkannte nicht, dass man sich in diesem Alter manchmal lieber helfen lassen sollte. Aber in der Pubertät weiß man ja sowieso alles besser. Da kann’s schon mal passieren, dass man sich absolut unverstanden und einsam fühlt, obwohl man das gar nicht ist. Einerseits will man frei und total selbstständig sein und kämpft darum wie ein kleiner wild gewordener Teufel, andererseits braucht man die totale Nestwärme, weil das Leben auf einmal so extrem kompliziert ist. Doch irgendwie habe ich die Zeit gemeistert. Und wie ich finde, eigentlich ganz gut.
Ich bin kein Über- und vor allem kein besserer Mensch. Und ich nehme nicht das Recht für mich in Anspruch, einem anderen zu sagen, was er tun soll. Aber ich bin meinen Weg gegangen und wenn mich jemand fragt, dann gebe ich ihm gern eine Antwort. Daher habe ich dieses Buch geschrieben. Es geht um die Zeit zwischen dem elften und dem siebzehnten Lebensjahr – in der sich nicht nur mein Körper verwandelte, sondern auch meine Einstellung zum Leben, zu meiner Familie, zu meinen Freunden und zur Schule. Eine Zeit, in der ich große Selbstzweifel hatte, mich nicht schön fand und viele andere Probleme mit mir herumschleppte.
Bevor ich dich nun an den Erlebnissen meiner Pubertät teilhaben lasse und dir ein wenig zu erklären versuche, was da eigentlich gerade mit dir passiert, möchte ich mich ganz kurz vorstellen. Wie du auf dem Titel lesen kannst, wurde dieses Buch von zwei Frauen geschrieben, daher ist das ICH, das dich nun begleitet, eine Mischung aus diesen beiden verschiedenen Personen.
Die eine davon ist Sarah Tkotsch, die du vielleicht als Lucy Cöster aus der Serie Gute Zeiten, schlechte Zeiten oder aus dem österreichischen Tatort kennst.
Die andere ist Wilma Bögel, die in der Schweiz lebt und dort als Autorin und PR-Beraterin arbeitet. Sie ist schon ein wenig älter als Sarah, nämlich bereits über dreißig Jahre. Doch im Kopf ist sie immer noch genauso verrückt wie du.
Im Rahmen dieses Buchprojekts haben wir uns kennengelernt und können uns heute gar nicht mehr vorstellen, wie das ohne die andere war. Denn je länger wir gemeinsam an diesem Buch schrieben, desto mehr wurde klar, dass wir uns verdammt ähnlich sind. Und heute sind wir dicke Freundinnen.
Um dir das Lesen zu erleichtern und noch einmal zu betonen, dass es uns Mädchen in der Pubertät einfach allen ähnlich geht, haben wir uns dazu entschlossen, in diesem Buch aus dem WIR ein ICH zu machen. Nur dann, wenn die Erlebnisse total persönlich sind, steht der jeweilige Name davor.
Sarah & Wilma
»Irgendwann war ich dann so weit, dass ich einfach alles, was meine Eltern gut fanden, pauschal mit dem ›Gefällt mir nicht‹-Button versah. Ihnen gefiel ja auch nicht, was ich wollte oder tat. Warum sollte ich dann ihre Ideen gutheißen?!«
Am Anfang bitten sie dich noch. Doch schnell wird aus »Könntest du ... bitte?!« ein »Mach es einfach. JETZT«. Oh ja, was habe ich meine Eltern zur Weißglut getrieben! Aber ihre ständigen Bevormundungen, gut gemeinten Ratschläge und vor allem ihre Ansprüche an mich hingen mir einfach zum Hals raus. Das besondere Reizthema bei uns: Helfen im Haushalt. Da saßen sie am Abend am Tisch und kamen uns Kindern mit Rechten, Pflichten und dem so beliebten Satz: »Solange ihr eure Füße unter unseren Tisch stellt ...«
Sarah: Wie oft habe ich als Kind alles, was Mama und Papa sagten, nicht erst auf die Goldwaage gelegt, sondern es für absolut richtig gehalten! Als ich dann älter wurde und begann, die Dinge zu hinterfragen, stellte sich für mich vieles als Quatsch heraus. Irritiert hat mich auch, dass meine Eltern mich total moralisch erziehen wollten, ich dann aber plötzlich merkte: Stopp, die verhalten sich doch selbst nicht so. Wie sollen wir da noch Respekt haben?! Bei mir hat das zu einem absoluten »Ich-bin-dagegen-Verhalten« geführt. Auch weil ich nicht so ernst genommen wurde, wie ich mir das gewünscht hätte. Fakt ist doch: Wenn deine Eltern dich nicht ernst nehmen und deine Mitarbeit im Haushalt nicht schätzen (Aufräumen ist nicht selbstverständlich!!), brauchen sie sich nicht zu wundern, wenn sie plötzlich von ihren »Kleinen« genauso behandelt werden.
Ständig wird über das Sich-eine-eigene-Meinung-Bilden debattiert und wenn man dann mal eine hat, ist es auch nicht richtig. Ganz oft habe ich meinen Eltern an den Kopf geworfen, dass ich nicht ihr Haussklave bin. Auch wenn es uns nicht passt und wir das niemals laut sagen würden: Ja, liebe Mama, lieber Papa, wir wissen, dass wir zu Hause helfen müssen, solange wir bei euch wohnen. Aber doch nicht immer genau dann, wenn ihr das gerade wollt! Habt ihr denn immer Zeit, wenn wir euch gerade brauchen?! Schreien wir dann rum und regen uns auf?! – Okay, ja, manchmal tun wir das schon, aber nur, weil ihr nicht über unsere Zeit bestimmen sollt und weil auch wir eigene Pläne für den Tag haben. Und was wir überhaupt nicht mögen: Erinnert uns nicht ständig daran, dass wir zu helfen haben und unter EUREM Dach wohnen! Das wissen wir sehr wohl!
Mit dem Kopf durch die Wand – das habe ich ziemlich oft probiert. Manchmal ging es leichter, weil ein Geschwisterteil schon ordentlich Vorarbeit geleistet hatte und die Mauer schon bröckelte. Aber ohne Beule kam ich trotzdem nicht davon. Andererseits war ich aber auch nicht gewillt, immer wieder freundlich an die Tür zu klopfen und darauf zu warten, dass meine Eltern sich bequemten, aufzustehen, an die Tür zu kommen und mir damit zu signalisieren, dass sie einige Schritte auf mich zugehen würden.
Ehrlich muss ich aber schon sein: Wäre ich damals meine Mutter gewesen, dann wäre ich mir schon ziemlich auf den Keks gegangen. Aber mein Kopf steckte einfach so voller Ideen, die rauswollten. Leider hatte ich vom Zusammenleben meistens andere Vorstellungen als meine Eltern. Es war wirklich nicht so, dass ich nichts tun wollte. Aber oft ging es mir darum, in Bereichen mitreden und mitwirken zu dürfen, die meine Eltern zu ihrem Territorium erklärt hatten. Und rate mal warum: Na klar, weil ich angeblich davon keine Ahnung hatte und eh noch zu klein war!
Zum Aufräumen war ich gut genug, aber wenn ich mein Zimmer in einer neuen Farbe streichen wollte, ging Dad an die Decke. Milch, Brot und Getränke durfte ich im Supermarkt um die Ecke kaufen, aber wenn es darum ging zu entscheiden, welches neue Auto in die Garage gestellt wurde (Eltern wissen echt nicht, wie wichtig es sein kann, im richtigen Auto von der Schule abgeholt zu werden!), dann sollte ich meine Klappe halten. Trug ich kluge Ideen zum nächsten Urlaubsziel bei, hatten meine Eltern ganz sicher schon das Apartment an der Nordsee im Visier. Und zwar genau das, in dem wir bereits im letzten und vorletzten und in dem Jahr davor waren. Das einzig Gute daran war, dass ich nach den Sommerferien den Aufsatz zum Thema »Meine Ferienerlebnisse« vom letzten Jahr wieder hervorkramen konnte und keinen neuen schreiben musste.
Irgendwann war ich dann so weit, dass ich einfach alles, was meine Eltern gut fanden, pauschal mit dem »Gefällt mir nicht«-Button versah. Ihnen gefiel ja auch nicht, was ich wollte oder tat. Warum sollte ich dann ihre Ideen gutheißen?! »Nein«, »Nee«, »Warum«, »Wieso«, »Keine Lust«, »Finde ich scheiße«, »Lass mich in Frieden«, »Mach doch selber« – je nach Lust und Laune wurden diese Aussagen zu meinen Standardantworten. Meine Eltern reagierten darauf so, dass sie das »bitte« wegließen und zu Befehlen übergingen. Ein paradiesischer Zustand, kann ich dir sagen!
Schaue ich heute zurück, kann ich mich an viele Dinge erinnern, die durch eine andere Reaktion oder auch Aktion von mir sicher nicht so eskaliert wären. Aber ich wollte einfach recht haben und es auch bekommen. Da hatte ich meine Prinzipien. Erst nach Jahren begriff ich, dass die Vor- und Ratschläge meiner Eltern nicht immer ganz blöd waren und vor allem nicht deswegen ausgesprochen wurden, um mich zu ärgern. Ein Kompromiss in einer Situation half oft dabei, beim nächsten Mal recht zu bekommen oder wenigstens gefragt zu werden.
Sarah: Stell dir dein Leben einmal als deine persönliche Daily Soap vor! Damit eine Serie funktioniert, muss jeder die ihm zugeordnete Rolle spielen. Man kann jedoch dieser Rolle ihren ganz eigenen Charakter geben und so die Handlung mitbestimmen. Ganz ähnlich ist es im Familienleben. Auch da besetzt jeder von uns seinen eigenen Part, den er aber nur ausüben kann, wenn die anderen mitspielen. Jeder hat Aufgaben, die er erfüllen muss. Aber jeder hat auch Wünsche, die er äußern darf. Am Set habe ich manchmal Sätze aus dem Drehbuch verändert, wenn ich meinte, dass es so besser sei. Wichtig war nur, dass ich es niemals getan habe, ohne es vorher mit dem Regisseur und meinen Kollegen, die in der Szene mitwirkten, besprochen zu haben. Ich habe meine Gründe für den Änderungsvorschlag erklärt und die anderen haben es ebenso gemacht. So war keiner sauer, weil er sich übergangen oder bevormundet fühlte.
Nicht anders solltest du es in deiner Familie halten. Und da gibt es nicht einmal ein Drehbuch. Allerdings hast du auch eine Rolle, der du gerecht werden solltest – schließlich will man ja weiterhin mitspielen und nicht aus dem Cast fliegen. Aber du kannst deine Rolle mit Leben und mit deinen eigenen Ideen füllen und du kannst vor allem mehr als nur diese eine Rolle spielen. Zu Hause geht es aber nun einmal um die der Tochter und die gilt es – auch in Zeiten der Pubertät – irgendwie ganz passabel umzusetzen. Ich würde mich freuen, wenn dir dieses Buch dabei ein kleiner Helfer sein kann, der dir das Leben als Tochter, Kind und Schülerin ein wenig einfacher macht.
Sarah: Stopp, noch schnell ein Nachtrag zu meinem letzten Kommentar. Während meiner Pubertät war ich meilenweit von solch einer Einstellung entfernt und kannte das Leben am Set ja überhaupt noch nicht. Ich habe echt ein paar Dinger gerissen … An eine Situation erinnere ich mich dabei sehr gut: Mein Papa ist Kunsttöpfer und manchmal haben meine Schwester und ich ihm an unserem schönen schulfreien (!!!!!!) Wochenende geholfen.
An einem dieser Sonntage kritisierte er daran herum, wie ich ihm half. Das kotzte mich so an, dass ich das Teil, welches ich in der Hand hielt und das er eigentlich verkaufen wollte, »aus Versehen« kaputt machte. Ich funkelte ihn böse an und sagte: »Ups, das tut mir aber leid.«
Ich dachte, wenn ich ihm schon an MEINEM freien Wochenende helfe, dann soll er mich nicht auch noch kritisieren – VERDAMMT noch einmal! Er hat das Ding bis heute aufgehoben und heute lachen wir darüber. Aber damals fand ich das gar nicht witzig.
Wenn er heute das Funkeln in meinen Augen sieht, weiß er sofort, dass ich gerade innerlich explodiere, und hält schön Abstand.
Jetzt stell dir mal vor, Erwachsene würden sich bei der Arbeit so verhalten. Das würde nicht funktionieren oder du würdest schneller rausgeschmissen werden, als du gucken könntest ...
In der Pubertät ist es unser oberstes Ziel, den Eltern klarzumachen, dass man nicht mehr die kleine Tochter oder das Söhnchen ist, die oder der pauschal alles akzeptiert, was sie sagen. Oft bekommen Mama und Papa nämlich gar nicht mit, dass die Kinder erwachsen werden – oder sie wollen es einfach nicht sehen. Das passiert leider auch sehr oft. Es ist nicht böse gemeint, sie haben einfach Angst, dich zu verlieren. Denn für sie gehörst du zur Familie, bist ihre kleine Prinzessin und dass du plötzlich eigene Wege gehen möchtest, ist für sie ziemlich schwer.
Um den Eltern zu zeigen, dass man einen neuen oder auch nur seinen eigenen Weg gehen und eine eigene Persönlichkeit entwickeln möchte, verändern wir das, was am sichtbarsten ist. Gemeint ist unser Äußeres. Das fängt bei unserer Kleidung an (die für uns in dieser Zeit eh unheimlich wichtig ist), betrifft unsere in dieser Zeit meistens unmöglichen Frisuren und hört bei Tattoos und Piercings auf. Am liebsten folgen wir dabei einem Stil, der möglichst weit von dem entfernt ist, der in der Welt der Erwachsenen als normal gilt.
Das Problem ist: Mama und Papa verstehen nicht, warum wir das machen. Und auch wir tun es ja nicht wirklich bei vollem Verstand!!! Für sie scheint jedoch vollkommen klar zu sein: Wir wissen, was wir tun, und tun es nur aus einem einzigen Grund: Wir wollen sie ärgern. Daher reagieren sie aus unserer Sicht auch komplett daneben. Plötzlich sind wir undankbar, wissen gar nicht, wie gut es uns geht. Gern kommt auch der Spruch: »In deinem Alter wäre ich froh gewesen, wenn ich so viel gehabt, gedurft, gekonnt hätte. Wir zu deiner Zeit … blablabla ... damals, während unserer Schulzeit ...«
Ganz toll, Mama und Papa! Darum geht es doch gar nicht. Versteht ihr nicht, dass ich einfach nicht mehr die Kleine bin, sondern auch mal selber Entscheidungen treffen möchte?!! Nur so kann ich doch lernen zu verstehen, wer ich bin und was ich will. Das ist nämlich das eigentliche Problem: Ich weiß gar nicht, wer ich bin. Und dass mein Körper sich fast jeden Tag verändert und dass mich komische Dinge wie Menstruation, wachsende oder nicht wachsende Brüste, Schambehaarung und all der ganze andere Quatsch total aus der Bahn werfen – wollt ihr das eigentlich nicht sehen oder könnt ihr es nicht?!
Während wir diesen Veränderungsprozess durchlaufen, fühlen wir uns manchmal ziemlich allein. Das sind die Momente, in denen wir wieder zu kleinen Mädchen werden und uns in die Arme von Mama flüchten. Die versteht natürlich nicht, warum wir gestern so was von erwachsen sein wollten und nun doch wieder einfach ihren Schutz und ihre Nähe brauchen.
Wilma:An einigen Tagen benahm ich mich wie eine erwachsene Frau. Ich wollte, dass man meine Meinung akzeptierte, dass man mich als Mitbestimmerin und Mitrednerin sah. Meine Eltern schüttelten oft den Kopf über die Dinge, die ich dann so von mir gab. Egal worum es ging, es musste aber möglichst wichtig sein und Auswirkungen auf die ganze Familie haben. Dann lief ich zur Höchstform auf. Am nächsten Morgen aber, wenn ich mich an den Frühstückstisch schlich, dort lustlos im Müsli herumstocherte und dann auch noch die Frage stellte: »Kannst du mir nicht mein Pausenbrot schmieren?«, drehte sich meine Ma entgeistert um und sagte: »Was ist eigentlich mit dir los?! Du weißt doch echt nicht, was du willst. Werde endlich erwachsen! Ich kann auch nicht jeden Tag meine Meinung ändern. Gestern hast du hier noch große Sprüche geklopft und heute soll ich dir dein Pausenbrot machen?!«
Befragt man Psychologen zu diesem Thema, beschreiben sie diese Phase unter der Überschrift »Mit anderen Augen sehen«. Sie meinen damit, dass unsere Denkfähigkeit sich weiterentwickelt. Wir lernen, Dinge »differenzierter« zu sehen. Die Welt bekommt für uns plötzlich viele Wenn und Aber. Tausende von Möglichkeiten tun sich auf. Und da gilt es, die für uns beste herauszufinden. Tja, und wie machen wir das? Schließlich ist das ja alles neu für uns. Ganz einfach: Wir probieren jede einzelne aus!
Und das ist es, was die Pubertät so schwierig macht. Heute tun wir dies, morgen das und übermorgen tun wir eben gar nichts, weil wir uns von den anderen beiden Tagen erholen müssen. War die Welt für uns früher eine Reise voller lustiger Bilder, beginnen wir nun, Dinge als Information wahrzunehmen. Und die gilt es zu verarbeiten. Aber anders als damals, als man dem lieben kleinen Hosenscheißer alle Zeit der Welt einräumte, wenn es um das Erlernen neuer Dinge ging, hat man in der Pubertät keinerlei Geduld mit uns.
Eigentlich wissen unsere Eltern das auch alles, aber es nervt sie entsetzlich, wenn sie sich auf nichts mehr verlassen können. Und genau wie damals, als wir uns als kleine Mädchen ständig umzogen und vor dem Kindergarten einen riesigen Terz machten, weil wir als Prinzessin, Ballerina oder als was auch immer verkleidet gehen wollten, suchen wir uns auch heute jeden Morgen ein Tageskostüm aus. Dieses kann uns aber schon beim Verlassen des Hauses nicht mehr gefallen, da es unserer Meinung nach plötzlich nicht mehr zum Schulweg passt oder vielleicht nicht in die Clique. Oder weil unser Schwarm ja gar nicht auf kurze Röcke steht und enge Jeans viel hotter findet. Und schon ist der Tag gelaufen. Aber das kapieren unsere Eltern natürlich nicht.
Fakt ist: Unsere Eltern sind unsere Eltern und auch sie haben diese Phase durch- und überlebt. Ihre Aufgabe ist es zu akzeptieren, dass wir uns verändern. Und da sie schon erwachsen sind, erwarten wir, dass sie uns dabei unterstützen oder uns wenigstens einfach machen lassen. Basta!
Die großen Fragen und eigentlichen Themen dieses Buches sind: Wie bekommst du deine Eltern dazu, dass sie entspannter und lockerer mit der neuen Situation umgehen? Und wie machst du es dir selber in der Pubertät so leicht wie möglich?
Im Grunde ist die Antwort darauf ziemlich einfach – jedenfalls in der Theorie. Denn es geht um etwas, das dich in deinem ganzen Leben begleiten wird, das aber viele leider auch mit dreißig, vierzig und sogar siebzig Jahren noch nicht begriffen haben, nicht lernen wollen oder es sogar nicht einmal können: Sprecht miteinander! Das ist nämlich mit Abstand das Allerwichtigste. Heute, morgen und an jedem Tag. In allen Situationen und Lebenslagen ist miteinander sprechen der beste Weg, um Probleme zu lösen. Wenn du nicht mit deinen Eltern redest, können sie auch nicht wissen, was in dir vorgeht, und nicht so auf dich und dein Verhalten reagieren, wie du dir das wünschst. Und schon reagierst du wieder total über, weil sie dich mit ihrer Reaktion enttäuscht haben, und sie reagieren dann wieder auf dich und du auf sie und sie auf dich und so weiter und so weiter. Das ist das berühmte »Hochschaukeln«, das dir in deinem Leben immer wieder begegnen wird. Glaube mir, abstellen geht nicht! Es wird dir immer wieder passieren.
Wichtig ist, dass entweder du oder deine Eltern in so einer Situation einen Schlussstrich ziehen und sich alle Zeit der Welt nehmen, um sich erst mal wieder zu beruhigen. Macht das keiner von euch, kommt es zur sogenannten »Frontentotalverhärtung«. Geiles Wort, oder?! Gemeint ist, dass sich beide Parteien im Streit immer mehr voneinander entfernen und man am Ende gar nicht mehr weiß, was das eigentliche Problem war.
Zum Schluss seid ihr einfach nur noch sauer aufeinander, was wahrscheinlich gar nicht passiert wäre, hättet ihr ordentlich und in Ruhe miteinander über eure Bedürfnisse oder Probleme oder sonst was geredet.
Das Schlimme an einer »Frontentotalverhärtung« ist, dass man sich immer weiter voneinander entfernt. Und wenn dir das mit deinen Eltern passiert und dann auch noch in der Pubertät, beißt du dir am Ende selber in den Arsch. Du stößt nämlich die Personen weg, die dir vielleicht noch am ehesten helfen können und die das auch jederzeit tun werden.
Sarah: Ich habe mich in der Pubertät ganz schön von meiner Mama entfernt und sie nicht mehr richtig an mich rangelassen. Und sie wusste nicht, wie sie damit umgehen sollte. Ich war total davon überzeugt, dass sie mich nicht verstehen würde. So aber habe ich ihr die Chance dazu gar nicht gegeben. Klar geworden ist mir das aber erst viel später. Damals bildete ich mir ein, sie wäre nicht richtig für mich da und wollte es auch gar nicht. Aber das war kompletter Schwachsinn. Denn wie sollte sie auch für mich da sein, wenn ich ihr nicht die Möglichkeit dazu gab?! Ich war ganz schön unfair. Das muss ich im Nachhinein zugeben. Und ich habe mir damit auch keinen Gefallen getan, weil ich mir die Chance genommen habe, mich im Schoß meiner Mama zu verkriechen und mich mal ordentlich auszuheulen.
Dafür mache ich es jetzt umso öfter!!! Ganz schön bescheuert, dass ich das erst heute ordentlich zu schätzen weiß. Dabei ist es soooooo schön, einfach nur Kind sein zu können, bekocht zu werden und zu kuscheln. An dieser Stelle sei erlaubt: Danke, Mama!
Eltern müssen während unserer Pubertät echt viel einstecken. Gleichzeitig tun sie eine ganze Menge für uns. Aber in dieser Zeit ist uns das überhaupt nicht bewusst. Ihre Nerven werden von uns dauerhaft strapaziert. Wir reißen förmlich an ihrem Geduldsfaden und überfordern ihr Verständnis und ihre Liebe. Ich will mich im Nachhinein gar nicht bei meinen Eltern oder pauschal bei allen Eltern einschleimen. Wirklich nicht! Aber sie machen tatsächlich viel mit und in unseren Augen trotzdem alles falsch. Doch mal ehrlich: Warum eigentlich sollten deine Eltern absichtlich alles falsch machen? Das ergibt doch überhaupt keinen Sinn. Sie haben dich in die Welt gesetzt und lieben dich von ganzem Herzen, also warum sollten sie dir schaden oder dich ärgern wollen? Und vor allem: Warum sollten sie dir wehtun wollen?
Sarah: Ich bin immer total ausgeflippt. Ich sage dir, Schreien, ohne heiser zu werden, muss gelernt sein. Ich habe meinen Eltern überhaupt keine Chance eingeräumt, irgendwie an mich ranzukommen.
Ursprünglich hatte ich mir unglaublich viel Mühe gegeben, weil ich es in unserer Familie harmonisch haben wollte. Doch wenn das nicht positiv gewertet und wenn eine in meinen Augen unangebrachte Kritik an mir geäußert wurde, bin ich ausgerastet. Es kann doch nicht sein, dass man sich den Arsch aufreißt, sei es beim Kochen, beim Putzen der Bude oder sonst was, und dann wird man wegen Kleinkram angenölt. Leider habe ich, da ich vollkommen überreagiert habe (die Hormone!!!!!), genau das Gegenteil heraufbeschworen. Eigentlich wollte ich doch nur Frieden. Aber ich hatte keinen Bock darauf, meine Familie mit der Nase auf die Dinge zu stoßen, die ich so tat – für die FAMILIE! Ich wollte, dass meine Eltern es selbst bemerken. Doch mit gleich zwei stressigen »Pubertätstöchtern« waren die echt überfordert.
Mir war das irgendwann alles zu blöd und ab diesem Zeitpunkt machte ich gar nichts mehr. Und mein Papa konnte das überhaupt nicht verstehen. Natürlich habe ich ihm auch nichts erklärt, warum auch ... Er wurde dann sauer und ich war der Meinung, dass er doch kapieren müsste, wieso ich nichts mehr machte! Erst Jahre später hat’s mein Dad gecheckt und noch heute ärgert er sich darüber, dass er meine Leistung damals nicht anerkannt hat. Und ich ärgere mich schwarz, weil ich nichts gesagt oder erklärt habe. Den Stress hätten wir uns echt sparen können, wenn wir nur ein bisschen mehr miteinander geredet hätten.
Daher: Wenn du wieder mal planst, einfach aus Prinzip gegen das zu sein, was deine Eltern sagen, hinterfrage ganz kurz, warum sie dir gerade das empfehlen könnten, oder frage direkt nach, was sie damit bezwecken wollen. So kommt ihr ins Gespräch und vielleicht fällt es dir dann leichter zu akzeptieren, was sie sagen. Probiere es einfach mal aus!
»Du nervst.« – Keine Ahnung, wie oft ich das meiner Mutter an den Kopf geworfen habe. Aber wenn ich sie den Flur entlangkommen hörte und wusste, gleich steckt sie ihren Kopf durch die Tür, verdrehte ich schon die Augen nach oben. Klopf, klopf – Klinke runter und da war sie. Der Moment – wie immer – einfach unpassend!!!!! Bevor sie auch nur einen Ton sagen konnte, ertönte daher schon meine Stimme: »Raus, lass mich in Frieden! Du nervst.« Anfangs versuchte sie noch, die Ruhe zu bewahren, und sagte in höflichem Ton: »Hör mir doch bitte erst einmal zu. Du weißt doch gar nicht, was ich will.« Doch über die Monate und Jahre hinweg änderte sie ihre Taktik und passte sie meinem Verhalten an. Jetzt ging es darum, wer als Erster und am lautesten schrie. Das Ergebnis war jedes Mal das gleiche. Ich drehte die Musik lauter und sie drehte sich auf dem Absatz um und brüllte dabei irgendein Verbot in den Raum.
War sie verschwunden, musste meistens mein Stoffhund dran glauben. Der Arme war bereits während meiner Kindheit stark malträtiert worden. Doch was er seit meinem Pubertätsbeginn aushalten musste, war schon nicht mehr feierlich. Wahlweise trat ich ihn durch das Zimmer oder schleuderte ihn an die Wand. Oder ich fasste ihn an den Beinen und schlug mit ihm auf den Schreibtisch ein. Aber ich musste meiner Wut einfach Luft machen. Sorry, Lassie! Aber konnte die Alte nicht endlich mal begreifen, dass sie mich in Frieden lassen sollte und dass das Schild »Nicht stören« an der Tür eine Bedeutung hatte?! Sie kapierte einfach nicht, dass ich andere Dinge im Kopf hatte und mich nicht mit banalen Alltagsfragen auseinandersetzen wollte. Schließlich war ich gerade dabei, mich neu zu erfinden, und ich musste damit leben lernen, dass auch mein Körper sich neu erfand. Was interessierten mich bitte der Abwasch, das Sonntagsessen oder unser Rasen, wenn Andrea bereits Brüste wuchsen und ich immer noch aussah wie ein Brett!? Oder wenn Peter aus der Stufe über mir mehr Interesse an Julia hatte als an mir?!
Alleinsein ist einfach eine der schönsten Situationen in der Pubertät: Zimmer abschließen, Musik aufdrehen und die Decke anstarren. Wahlweise auch den ganzen Tag über vor der Glotze oder dem Computer abhängen. Jede Wette, dass auch deine Eltern nicht verstehen, wie wichtig dir das ist. Meine zumindest nörgelten ständig herum, wenn ich bis zum Mittag im Bett liegen blieb und bei herrlichstem Sonnenschein auf dem Sofa abhing.
Wilma: Meine Mama war ständig auf Trab. Morgens zur Arbeit, am Mittag Kochen für meine Geschwister und mich und dann war sie Mitglied in zig Vereinen, Clubs und Gemeinschaften. Selbst meinem Dad waren und sind ihre Rennereien teilweise zu viel. Mein Problem war: Ein Roadrunner wie sie war natürlich nicht begeistert, wenn der eigene Nachwuchs ihrer Meinung nach herumgammelte und sich einen lauen Lenz machte. Krach war daher stets vorprogrammiert, wenn ich mich einfach mal wieder in mein Zimmer zurückzog. Aber ich brauchte diese Phasen, um das Leben verarbeiten zu können. Ich schrieb stundenlang in mein Tagebuch – über Dinge, die ich erlebt hatte. Ich malte mir meine Zukunft aus. Besonders schlimm war die Zeit, in der ich mich zum ersten Mal in meinem Leben verliebt hatte. Und zwar in unseren Nachbarn, der aber nichts von mir wissen wollte. Ich hielt alle Details, die irgendwie mit ihm zu tun hatten, in meinem Tagebuch fest und verbrachte Stunden damit, mir vorzustellen, wie es sein könnte, wenn er endlich kapieren würde, was für ein tolles Mädchen ich war.
Mit einigen Jahren mehr auf dem Buckel denke ich, dass es vielleicht manches erleichtert hätte, wenn ich meinen Eltern erklärt hätte, warum ich so gerne Zeit mit mir selber verbrachte und wieso ich manchmal so komisch war. Es war einfach so, dass mir oftmals alles zu viel wurde und ich keinen anderen Ausweg sah, als mich in meine eigenen vier Wände zurückzuziehen. Meine Eltern nervte meine vermeintliche Faulheit, aber oft war ich einfach nur angeätzt von den vielen Veränderungen, die ich durchmachte. Oder ich war total müde, weil die Veränderungen meines Körpers mehr Kraft erforderten, als man annehmen sollte.
Heute gibt es ein modisches Wort für die Pause vom Alltag. So können auch Erwachsene und besonders Manager und Bosse sich diese ganz legal gönnen. (Glaube mir, es werden dir noch viele merkwürdige Dinge begegnen, die eigens dazu erfunden wurden, dass auch die GROSSEN sie legal benutzen können.) Ich spreche hier von der »Quality Time«. Gemeint ist damit Zeit, in der man auf sein Inneres hört und nur Dinge tut, die man will, und die man mit den Menschen verbringt, mit denen man zusammen sein möchte. Oder in der man sich einfach mal zurückzieht, den Aufnahmeknopf auf Stopp stellt und mit sich allein ist.
Auch wenn wir schon fast erwachsen sind, finde ich, dass »Quality Time« für uns nicht der richtige Begriff ist. Außerdem haben wir doch eh unsere eigene Sprache. Was hältst du also davon, wenn wir es TO (gesprochen: ti-oh) für »Time Out« nennen?
Sarah: Meine privaten TOs bedeuteten für mich: Bloß weg von zu Hause! Wenn ich mich vom Acker machte, gab’s auch keinen Krach mehr. Ist natürlich nicht die beste Lösung gewesen. Erstens kann man sich ja gar nicht so viel draußen beschäftigen und zweitens ist Flucht auch keine Lösung. Daher suchte ich mir etwas anderes. Ich begann, Klavier zu spielen. Da wusste mein Vater sofort: Oho, bloß in Ruhe lassen. Ich bin dabei ziemlich gut runtergekommen, da ich über nichts nachgedacht habe, während meine Finger auf die Tasten hauten. Einfach mal das Hirn ausschalten und über nichts nachdenken – weder über die doofen Lehrer noch über die komplizierten Mädels in meiner Klasse – war wirklich unglaublich praktisch. Und mein Vater hatte keinen Grund zu motzen, warum ich nicht lerne oder aufräume oder eben auch irgendeinen anderen Mist NICHT tue.
Außerdem habe ich viel gelesen. Das fand ich irgendwie immer interessanter, als ausschließlich in die Röhre zu gucken. Lesen machte Spaß, dabei konnte ich meiner Fantasie freien Lauf lassen. Bis heute liebe ich Lesen und Bücher. Ich drifte dann immer völlig weg und vergesse alles andere um mich herum.
Mir ist schon klar, dass du auf gar keinen Fall Erfolg haben wirst, wenn du beim nächsten Mal auf das Gezeter deiner Mutter wegen deiner angeblichen Faulheit mit den Worten reagierst: »Mama, ich habe gerade ein TO.« Vielleicht wird sie für einen kurzen Augenblick sprachlos sein, aber danach wird sie dich für noch verrückter halten, als sie es sowieso schon tut. Daher ist es auch in diesem Fall wieder sinnvoll, wenn du das Gespräch mit deinen Eltern suchst. Am besten, du redest zuerst nur mit Mama. Papa hört in der Regel sowieso auf sie. Und während der Pubertät sind Väter oft auch ganz froh, wenn sie ein wenig Abstand zu ihren »komplizierten« Töchtern haben – zumindest, bis du den ersten Freund mit nach Hause bringst, denn dann fühlen sich die meisten von ihnen plötzlich so was von verantwortlich. Aber dazu später mehr.
Zurück zu den TOs. Ganz klar ist: Du brauchst sie und sie stehen dir zu. Ganz klar ist aber auch, dass du sie nicht den ganzen Tag über, eine Woche lang, den ganzen Monat und das ganze Jahr über nehmen kannst. Dazu kommt leider, dass du nicht planen kannst, wann dir nach Ruhe zumute ist. Manchmal passieren Dinge in der Schule, die ein TO nötig machen. An anderen Tagen ist der Auslöser ein Nachmittag mit der Clique oder der besten Freundin. Und dann kommt der Wunsch nach freier Zeit auch einfach mal so – von jetzt auf gleich. Deine Gedanken kreisen um dich und die zurzeit realen Dinge in deinem Leben. Familienstrukturen, Aufgaben zu Hause und auch die Schule sind da ganz weit entfernt. Aber auch sie müssen irgendwie Platz in den 24 Stunden finden, die ein Tag hat. Sonst funktioniert das ganze System nicht.
Sarah: Denk an die Serie! Auch GZSZ könnte nicht weitergedreht werden, wenn einer der Schauspieler mal seinen Text nicht gelernt hat, sich nicht am Set einfindet oder einfach nicht bereit ist, in seine Rolle zu schlüpfen. Und ich möchte die Fans mal erleben, wenn es abends heißt: Folge fällt aus – Sarah, Janina und Felix hatten keinen Bock auf Dreharbeiten und ihre Rollen.
Daher: Zieh dich nicht einfach zurück, sondern sprich mit deinen Eltern darüber, dass du allein sein möchtest und diese Stunden mit dir brauchst. Vielleicht gibt es sogar doch feste Tageszeiten, von denen du weißt, dass du dann gerne allein bist. Das könnte zum Beispiel nach der Schule sein. Oder nachdem du von deinen Freundinnen nach Hause gekommen bist oder sie bei dir waren und gerade gegangen sind. Wenn du deiner Mama sagst: »Ich brauche einfach noch eine halbe oder eine Stunde für mich und danach bin ich wieder fürs Familienleben inklusive aller seiner Aufgaben da«, wird sie vielleicht anfangs noch skeptisch sein. Dann schlage ihr vor, es doch einfach mal auszuprobieren. Vielleicht erst einmal vier Wochen lang. Und dann schaut ihr, wie es klappt und ob sich für alle Beteiligten etwas positiv verändert hat.
Natürlich musst du dich auch an die definierte Abmachung halten. Besonders daran, dass du aktiv am Familienleben teilnimmst. Da hast du sicher nicht immer Bock drauf, aber glaube mir, es ist ein Top-Deal – und zwar zu deinen Gunsten. Die Klopfereien an deiner Zimmertür hören auf. Du hast Zeit für dich! Und deine Eltern nerven nicht mehr so sehr. Von deiner klugen Ansage werden sie unheimlich beeindruckt sein und dir auch in anderen Bereichen und Situationen mehr zutrauen. Oft reichen schon eine Stunde am Tag sowie gemeinsame Mahlzeiten, um danach ganz viel Zeit für sich selber zu bekommen.
Am besten, du setzt dich mit Mama an einen Tisch und ihr schreibt gemeinsam auf, welche Aufgaben du zu Hause übernimmst: vom Spülen über das Saugen der Zimmer bis hin zum Rasenmähen, Einkaufen etc. – einfach alles, was du für die Familie tust oder tun sollst. Daneben macht ihr dann einen Strich und schreibt auf, welche anderen Termine du hast: Reiten, Tanzen, Musikunterricht ... Dann nehmt ihr einen weiteren Zettel, auf den ihr eine Tabelle mit den Wochentagen zeichnet. Zuerst trägst du hier deine festen Termine ein, die nicht verschiebbar sind, weil Volleyball eben immer montags um 18 Uhr ist. Danach schreibst du unter jeden Tag, welche Verpflichtungen du zu Hause hast und wie viel Zeit du dafür ungefähr brauchst. Zum Schluss trägst du noch ein, wann du deine Hausaufgaben machst. Nicht nur du, sondern auch deine Mutter wird erstaunt sein, wie wenig Zeit dann noch übrig bleibt. Und bei neun von zehn Müttern wird man augenblicklich auf Verständnis dafür stoßen, dass man in dieser verbleibenden Zeit einfach tun und lassen will, wonach einem ist. Eine zögernde Mutter muss meistens nur eine Nacht darüber schlafen und am nächsten Morgen bekommt man dann auch von ihr ein GO. Versprochen.
Nun gilt es, sich in den nächsten Wochen und Monaten an die Abmachung zu halten. Das wird nicht immer klappen, aber du solltest es zumindest versuchen. Allein wenn deine Eltern sehen, dass du dich bemühst, werden sie das honorieren. Und wie immer hilft auch in diesem Fall Reden. Oft ist deinen Eltern gar nicht klar, warum du Zeit für dich brauchst und was du damit tust. Die denken, Schule sei easy. Sie dagegen haben Tag für Tag ihre harte Arbeit und außer dir eventuell noch weitere kleine menschliche Biester zu Hause, die ihre Ruhe haben wollen.
Es hilft daher unheimlich, wenn du ihnen klarmachst, dass Schule eben nicht easy ist. Eigentlich brauchst du es ihnen nicht einmal zu erklären, du musst sie nur immer mal wieder daran erinnern. Ihnen ging es ja nicht anders, als sie in deinem Alter waren. Außerdem ist Schule nicht mal wirklich das größte Problem, mit dem wir uns gerade herumschlagen. Sie ist sogar ziemlich nebensächlich, es sei denn, du hast ’ne echt beschissene Note und deine Versetzung ist gefährdet. Viel bedeutsamer ist, dass du ja Tag für Tag gar nicht weißt, was auf dich zukommt und was passiert. Vielleicht hast du ja Stress mit deinen Mädels oder einen Flirt oder jemand macht dich blöde an. Oder dein Körper bereitet dir Schmerzen, weil er wächst. Das sind ja alles Dinge, die man neben der Schule erst mal verarbeiten muss. Dazu kommen dann noch Hausaufgaben, Hobbys, Freunde und so weiter und so fort.
Es passiert so viel Neues. Das alles unter einen Hut zu bekommen ist ziemlich anstrengend. Du musst so vielen Ansprüchen gerecht werden. Deinen eigenen, denen der Lehrer, deiner Mitschüler, deiner Freunde und denen deiner Eltern – das ist echt viel Druck. Und oft einfach zu viel. Beschreibe deinen Eltern, was in deinem Kopf vor sich geht. Dabei musst du keine Details erzählen. Es reicht, wenn du sagst: »Es gab heute Ärger mit den Mädels. Ich mag nicht drüber reden, aber ich brauche gerade einfach etwas Ruhe.« Oder: »Schule war heute einfach nur ätzend. Bitte gebt mir ein wenig Zeit, um runterzukommen.« So wissen sie, was abgeht, und haben sicher mehr Verständnis dafür, dass du dich zurückziehst.
Je mehr du deine Eltern in das Chaos in deinem Kopf einweihst, desto eher werden sie Verständnis zeigen, wenn du einfach mal nicht funktionierst und die Rolle der Tochter für ein paar Stunden nicht ausüben möchtest.
Zum Abschluss dieses Kapitels noch ein Thema, bei dem Eltern so richtig nerven können. Ich meine das Taschengeld. In jeder Familie gibt es dazu endlos lange Diskussionen, denn über die Höhe wird man sich eigentlich niemals richtig einig. Du solltest aber stets bedenken, dass deine Eltern NICHT verpflichtet sind, dir Taschengeld zu zahlen. Sie tun das total freiwillig und haben daher auch das Recht zu entscheiden, wie hoch es ausfällt.
Für viele Eltern ist es aber – Gott sei Dank – heute selbstverständlich, dass sie uns jeden Monat ein wenig Geld zur freien Verfügung überlassen. Oft beginnen sie damit, wenn wir in die Schule kommen. Und dann wird mit jedem Lebensjahr der Betrag ein wenig angehoben. Trotzdem kommt irgendwann der Punkt, an dem wir feststellen: Das Geld reicht vorn und hinten nicht. Jedenfalls nicht für all die Dinge, die wir so haben möchten. »Andere bekommen mehr als ich« ist dann das erste Argument, mit dem wir um die Ecke kommen. Meine Eltern hatten darauf immer zwei Antworten parat. Entweder: »Ja, deren Eltern haben aber eben nur die eine Tochter.« Oder: »Sind wir andere?! Wenn du mehr willst, dann verdiene dir selber was dazu.«
Über die Höhe des Taschengeldes zu streiten hat übrigens noch in keiner Familie zum Erfolg geführt. Besser ist es, wenn du in einem Gespräch mit deinen Eltern klärst, wofür das Geld reichen muss und welche Ausgaben sie für dich übernehmen. Kleidung, Schulbücher und -material, Fahrkarten, Mitgliedsgebühren im Sportverein etc. solltest du nicht von deinem Taschengeld bezahlen müssen – es sei denn, du bekommst mehr als hundert Euro im Monat! Der Eintritt ins Kino, Zeitschriften und Süßigkeiten dagegen gehören zwar aus deiner Sicht zum Leben, aber wenn wir mal realistisch sind, brauchen wir sie nicht wirklich. Daher gehen die auf deine Kosten.
Auch in diesem Fall ist es wieder wichtig, dass du mit deinen Eltern klare Absprachen triffst, was du selber bezahlen musst und was sie übernehmen. Und danach sollte sich dann auch die Höhe deines Taschengelds richten. Das Jugendamt schlägt übrigens die folgenden Summen vor. Vielleicht hilft dir das beim Argumentieren oder du stellst fest, dass deine Eltern richtig großzügig sind. Dann einfach die Klappe halten, dich freuen und vielleicht nicht mehr so häufig motzen.
•bis 5 Jahre bis 50 Cent/Woche
•6–7 Jahre bis 1,50 Euro/Woche
•8–9 Jahre bis 2,50 Euro/Woche
•10–11 Jahre bis 15 Euro/Monat oder 7,50 Euro/zweiwöchentlich
•12–13 Jahre bis 20 Euro/Monat
•14–15 Jahre bis 26 Euro/Monat
•16–17 Jahre bis 42 Euro/Monat
•18 Jahre bis 62 Euro/Monat
Klar ist natürlich, dass unsere Ansprüche steigen, je älter wir werden, und dass wir bestimmte Dinge einfach haben wollen oder müssen. Dazu gehören Markenkleidung, ein Handy, der Besuch bei einem richtigen Friseur, Schminksachen, ein iPod, jede Woche unser Lieblingsmagazin und so geht es endlos weiter. Für uns sind all diese Dinge lebenswichtig. Aber das würden unsere Eltern selbst dann nicht verstehen, wenn wir es ihnen erklären würden. Daher sind wir mit 14, 15 Jahren an dem Punkt, an dem wir irgendwie auf anderen Wegen an Geld kommen müssen.
Wilma: Wir waren drei Kinder zu Hause. Und unser Taschengeld war echt knapp bemessen. Wir bekamen so viel D-Mark (Oh Gott, ist das lange her, wenn noch die D-Mark galt!!!) im Monat, wie wir Jahre zählten. Damit kannst du echt nicht weit kommen. Unsere Eltern übernahmen zwar alle Kosten für Kleidung, Schule und so, aber dennoch waren wir eigentlich immer schon nach einer oder zwei Wochen pleite. Daher fingen meine Schwester und ich bereits mit zwölf Jahren an, am Nachmittag zu babysitten. Natürlich war das wieder Zeit, die von unserer Freizeit abging und in der wir nicht mit unseren Freundinnen zusammen sein konnten. Aber irgendwie machte es auch totalen Spaß, denn die Kinder waren der Hit. Dazu hatte es den Vorteil, dass unsere Eltern sahen, dass wir Verantwortung übernehmen konnten. Daher trauten sie uns auch bei anderen Dingen viel mehr zu. Und als unsere Freundinnen auch »ihre« Kinder hatten, verbrachten wir die Nachmittage zusammen auf dem Spielplatz.
In der Pubertät neben der Schule und der Clique auch noch einen Job zu haben ist extrem nervig und vor allem anstrengend. Aber: Abgesehen vom Extrageld hilft es auf jeden Fall dabei, zu Hause mehr Rechte zu bekommen. Indem du selber Geld verdienst und damit Verantwortung übernimmst, zeigst du deinen Eltern, dass sie dir vertrauen können und dass du erwachsen wirst. Besonders bei Jobs wie Babysitten oder Nachhilfegeben reagieren sie immer positiv. Damit übernimmst du nämlich eine ziemlich wichtige und vor allem vertrauensvolle Aufgabe und das macht Eindruck.
Sein eigenes Geld verdienen bedeutet auch, mehr Freiheiten zu haben. Du kannst nämlich selber bestimmen, was du damit tust. Zum Beispiel kannst du das Geld für einen Urlaub mit deiner Freundin oder deinem Freund sparen oder du kannst es für Dinge ausgeben, die du haben möchtest, und musst dir von deinen Eltern nicht anhören, dass sie dir DAFÜR kein Taschengeld geben. Du hast es nämlich selbst verdient!!! Und damit steht es dir frei zu entscheiden, was damit passiert.
Neben Babysitten und Nachhilfeunterricht gibt es noch eine ganze Menge weiterer Möglichkeiten, Geld zu verdienen. Wichtig ist, dass du dabei nicht die Schule vernachlässigst und vor allem kein Gesetz brichst. In Deutschland ist Kinderarbeit nämlich streng verboten! Und du, deine Eltern oder die Menschen, für die du arbeitest, können in Teufels Küche kommen, wenn du dich nicht an die Regeln hältst.
Vielleicht sagst du gerade: Kinderarbeit?! Ich bin doch kein Kind mehr!!!! Bist du auch nicht – aber vor dem Gesetz bist du eben bis zu deinem 15. Lebensjahr offiziell ein Kind und dann bis zum 18. Lebensjahr eine Jugendliche. Grundsätzlich gilt: Bis du 13 Jahre alt bist, darfst du nicht arbeiten – jedenfalls nicht regelmäßig mit einem Vertrag. Manchmal sind Eltern oder Bekannte aber vorher schon bereit, dir für kleine Tätigkeiten etwas Geld zu geben. Und das ist total okay. Ab dem 15. Lebensjahr darfst du mit Einwilligung deiner Eltern leichte Tätigkeiten wie Zeitungenaustragen, Babysitten etc. ausführen und dafür auch Geld bekommen. Aber egal, was du machst, es darf nicht länger als zwei Stunden am Tag dauern, nicht vor oder während der Schule stattfinden und nur zwischen 8 und 18 Uhr passieren.
Während der Schulferien gilt eine Ausnahme. Da darfst du auch länger arbeiten und offiziell einen Ferienjob annehmen. Aber auch dabei gibt es klare Regeln: nie mehr als acht Stunden am Tag, nicht mehr als vierzig Stunden in der Woche und niemals mehr als vier Wochen im Jahr! Am besten vereinbarst du mit deinem »Arbeitgeber«, den Ferienjob als Minijob oder Saisonbeschäftigung zu bezeichnen, dann musst du keine Steuern und anderen Kram an den Staat zahlen.
Wenn du dich an diese Regeln hältst, kannst du also dein eigenes Geld verdienen und dich von deinen Eltern ein wenig freier machen. Manchmal hat man sogar so viel Glück, dass man dabei einen Arbeitgeber kennenlernt, der einem eventuell nach der Schule einen Job gibt. Ebenso kannst du dabei testen, ob dir die Arbeit Spaß macht. Vielleicht träumst du ja davon, Reitlehrerin zu werden. Dann biete doch im nahe gelegenen Reitstall deine Hilfe beim Ausmisten und Pferdeversorgen an. Oder du möchtest Ärztin werden. Frag doch einmal in dem Krankenhaus in deiner Nähe, ob es möglich ist, bei der Essensausgabe zu helfen. Es gibt unzählig viele Möglichkeiten. Denk einfach mal darüber nach, was dir Spaß machen könnte, und berate dich mit deinen Eltern, was zu dir passen würde. Oft haben sie sogar Kontakte und können dich bei der Suche oder besser beim Finden unterstützen.
Bis heute mein absoluter Lieblingssatz. Ich hasse es, wenn ich gedrängt werde, über Dinge zu reden, über die ich nicht reden will. Jeder hat das Recht auf Privatsphäre, das müssen auch deine Eltern respektieren. In der Regel tun sie dies aber nur, wenn sie das Gefühl haben, dass sie dir vertrauen können.
Eine ziemliche Zwickmühle – und zwar für beide Seiten. Angeblich lügen wir Menschen ja zweihundert Mal am Tag. Kann ich zwar nicht glauben, aber wenn man selbst Dinge mitzählt wie das »Guten Tag«, das man der Nachbarin zuruft, auch wenn man sie echt scheiße findet und ihr alles andere als einen guten Tag wünscht, dann kommt man vielleicht auf diese Zahl. Gravierende Lügen aber, die wir ganz bewusst aussprechen und über die wir uns vielleicht lange Gedanken machen, sind gerade in Zeiten der Pubertät nicht unbedingt hilfreich. Mit zunehmendem Alter übrigens auch nicht. Im Grunde nie …
Sarah: