Ich bin grau geworden - Detlef Bach - E-Book

Ich bin grau geworden E-Book

Detlef Bach

4,9

Beschreibung

Dem Schwaben und ehemaligen Polizeihauptkommissar Detlef Bach (1954 geboren) ist es nach 40 Jahren Polizeidienst gelungen, seine Erinnerungen mit Humor kombiniert mit Ernsthaftigkeit zu schreiben. Er hat ein gutes Gedächtnis für Details aus seinem Polizei- und Privatleben. Er erzählt wie alles abläuft in der Polizeischule und im Streifendienst, als Kripobeamter, als Personenschützer, wobei er hochrangige Personen nahe kam, als Mitarbeiter in der Presseabteilung und bis zur Pensionierung als Hüter der Waffen- und Ausstattungskammer. Er erzählt wie es ist, einer Obduktion beizuwohnen, wie er von Kollegen und der Führung manchmal verarscht wurde, aber auch wie er damit umgegangen ist. Wie er dicht an den Prozess der RAF-Leute in Stammheim war. Man erfährt die Entwicklung der Polizei und wie die Polizeireform auf die Beamten und die Dienststellen Einfluss nimmt. Detlef Bach nimmt kein Blatt vor den Mund, denn er erzählt offen seine Meinung zu Personen in der Führungsriege und zu einigen Kollegen, die sich nicht kollegial verhalten haben, und zu der Polizeireform. Er berichtet über Höhen und Tiefen in seinem Leben und so ist dieses Buch auch eine Liebeserklärung an seine erste Frau, die ihn krankheitsbedingt im jungen Alter zum Witwer und alleinerziehenden Vater zweier kleinen Mädchen machte, und an seine zweite Frau, die nicht problemlos die Rolle der Mutter übernahm. Hans-Willy Bautz Journalist und Krimiautor

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Inhaltsverzeichnis

Geschichten aus 40 Jahren im Dienst der Gesellschaft

Die Aufnahmeprüfung

Die Ausbildung

Ein scharfer Schnitt

Vereidigung

Ein scharfer Schuss zur rechten Zeit

Ein Männlein steht im Walde…

Beenge Verhältnisse

Bereitschaft

Geländewagen im Klassenzimmer

Das Bild in der Judohalle

Essenskurier

Der Skikurs

Führungspsychologie

Führerschein

Sport

Einsätze

Der mittlere Lehrgang

Der Joint

Die Zuteilung

Die Bundeswehr-Kaserne

Der Jägermeister und seine Folgen

Übereifrig

Verkehrsdienst

Auf dem Revier

Der ‚Tote‘

Bezirksdienst

Kriminalpolizei

Abbruch

Der Streifendienst

‚Goldfasan‘ am Unglücksort

Der Hammermörder

Kripo

Asylanten

Der Kriminalfachlehrgang

Tägliche Arbeit

Personenschutz

Schießtraining

Fahrtraining

Stammheim

Flughafendienst

Kriminalwache

Fahrzeugdelikte

Sonderkommissionen

Übermut tut selten gut

Bereitschaft

Aktenstaub

Essensgutscheine

Pressestelle

Lob vom OB

Tag der Polizei

Die Intrige

Motorradfahrertreffen beim TÜV

Filmakademie

Wasserschutzpolizei

Waffen und Geräte

Neuwagen

Warnblinklampen

Castortransporte

Kollege G.

Meck, meck, meck – der Ziegenbock

Waffenrevision

Pistolentausch

PEP-Munition

Umstrukturierungen

Neubau

Schutzwesten

Versetzungen und Ausrüstungen

Holster

Amoklauf und Waffenrecht

Schießhalle

Kantine

Haushaltstricksereien

Solarscheinwerfer

Hausmeister

Auszeit

Tod im Büro

Lagerwaffen

Schreibkräfte

Jörg

Geschichten aus 40 Jahren im Dienst der Gesellschaft

Ich bin grau geworden. Nicht mehr der blonde Teenager, den das Bild auf meinem Führerschein zeigt. Alles ist ja einer Änderung unterworfen, besonders wenn man einen Zeitraum von vierzig Jahren berücksichtigen muss. Die Gebäude, in denen unsere Zimmer und die Ausbildungsräume untergebracht waren, sind inzwischen abgerissen worden. Wir hatten von einem rührigen Mitarbeiter zu unserem vierzigjährigen Dienstjubiläum Bilder von damals per e-Mail erhalten. Natürlich hatte man noch Bilder im Kopf, geschönt durch die Jahre. Es war fast wie ein Spaziergang über einen Friedhof. Auch die Informationen über unsere Ausbilder und was aus ihnen geworden war, wirkte ein wenig morbid. Viele waren bereits verstorben. Andere fristeten ihr Dasein als Pensionäre. Dasselbe galt für die Kameraden: Einige von ihnen hatten Karriere gemacht, andere hatten den Verein verlassen. Auf jeden Fall führte es zu Betrachtungen über den Beruf und das Leben allgemein. Ich hatte viel erlebt – Höhen und Tiefen.

Geboren wurde ich 1954 in einer Stadt im Herzen von Baden-Württemberg. Nach der Hauptschule, bei deren Abschluss ich einen Preis für gute Leistungen erhalten hatte, besuchte ich die Wirtschaftsschule. Naturwissenschaften waren mein Ding, allerdings galt das nicht für Mathematik. Maschinenschreiben war eine reine Übungssache, wenn man sie denn auch übte. Es gab aber immer wieder etwas, das interessanter war.

Stenographie und Maschinenschreiben wurde immer zusammen als Klassenarbeit geschrieben. Eine freundliche ältere Dame hatte mir damals gerade noch eine vier gegeben und mir das Versprechen abgenommen, einen Beruf zu ergreifen, bei dem man nicht Maschine schreiben musste.

Unendlich plus zwei war für mich ein Ding der Unmöglichkeit. Ich konnte keinen praktischen Bezug dazu herstellen, was dazu führte, dass meine Note ins Bodenlose fiel. Trotzdem brachte ich zwei Klassen im Wirtschaftgymnasium hinter mich. Eine fünf in Mathe setzte meinem ursprünglichen Berufswunsch ‚Lehrer‘ ein Ende. In meiner Familie hatte es bereits ein paar Polizisten gegeben. Warum also nicht. Schon immer hatte ich ein ausgeprägtes Gerechtigkeitsgefühl und mich für die Schwächeren eingesetzt. Ich hatte seit zwei Jahren eine Freundin und trug mich mit Heiratsplänen.

Die Aufnahmeprüfung

Ein sicheres Einkommen beim Staat, obwohl niedriger als in der Industrie oder der Wirtschaft, war deshalb für mich verlockend. Glücklicherweise war meine Fachhochschulreife mit dem Abitur bei der Polizei gleichgesetzt. Auf meine Bewerbung hin folgte eine zweitägige Aufnahmeprüfung. Sie wäre fast am sportlichen Teil gescheitert. Wenn man bei der Auswahl zum Fußballspiel beim Schulsport als Letzter ausgewählt wird, hat man natürlich keine so große Motivation. Beim Kugelstoßen kam ich nicht über die geforderten fünfeinhalb Meter hinaus. Nach dem siebten Versuch hatte der Prüfer Mitleid, drehte das Maßband um und setzte den Nullpunkt an der anderen Seite an. So ergab sich, oh Wunder, eine Weite von 5,70 m. Der Sprung über das Pferd endete mit einem Fiasko. Ich hatte so etwas noch nie geschafft. „Du willst zur Polizei, also musst du da rüber“ sagte ich mir. Ich blieb mit dem Bein hängen, worauf wir alle drei am Hallenboden lagen: Das Pferd, der Prüfer und ich. Anfangs hatte sich keiner der Prüflinge für den alternativen Bocksprung entschieden. Nach meiner Vorführung zogen einige dann doch den Bock vor, besonders weil der Prüfer ausdrücklich keine Todessprünge mehr wollte. Diejenigen, die den Pferdsprung nicht geschafft hatten, durften sich dann am Bock versuchen. Als ich ebenfalls Aufstellung nahm, sagte der Prüfer, dass ich nicht antreten müsse, da ich ja den Pferdsprung geradeso absolviert hätte.

Die Ausbildung

Geschafft! Meiner Ausbildung stand nun nichts mehr im Wege. Abiturientenzug mit verkürzter 12monatiger Grundausbildung, zwei Lehrgänge und Ernennung zum Kommissar nach drei Jahren. Das war doch etwas. Ein Hauptkommissar war damals Leiter eines Polizeireviers. Nach unserem Abschluss würden wir eine Führungsposition als Leiter des Streifen- oder Bezirksdienstes einnehmen. Als kommende Führungskräfte wurden wir mit Samthandschuhen angefasst. Ein paar der Ausbilder, die im mittleren Dienst waren, ließen uns aber ihren Neid deutlich spüren. Wir würden ja an ihnen vorbeiziehen.

Untergebracht waren wir in einer Barackensiedlung an einem Hang am Stadtrand im äußersten Südwesten unseres Bundeslandes. Primitive Holzbaracken mit antizyklischer Klimatisierung – im Sommer heiß, im Winter kalt. Ich wollte einmal ein Regalbrett aufhängen. Dabei musste ich eine Schraube neu eindrehen. Als ich sie wieder herausgedreht hatte, konnte ich durch das Loch nach draußen sehen.

Der Beginn der Ausbildung im September 1973 war geprägt von der großen Ölkrise, dem RAF-Terror und ‚Haar-Erlass‘ des Innenministeriums. Eine Strecke am Wochenende in die Heimat waren etwas mehr als 200 km. Die Ölkrise führte zu einem Sonntagsfahrverbot. Die Rückfahrt in die Kaserne konnte deshalb erst sehr früh am Montag angetreten werden. Eine Ausnahmegenehmigung wurde uns verweigert. Es war für uns nicht nachvollziehbar, da der Benzinverbrauch am Sonntagabend genauso hoch war, wie am Montagmorgen. Bereits damals wurden wir mit bescheuerten Anordnungen, Gesetzen und Erlassen konfrontiert, was uns im späteren Werdegang noch häufig passieren würde. In unserer Gruppe waren auch zwei Kameraden, die bereits verheiratet waren. Sie wohnten außerhalb und waren nicht an die Residenzpflicht gebunden. Einer der Beiden, der sich gerne bei Vorgesetzten einschleimte, wohnte in einem Haus, das einem unserer Sportlehrer gehörte. Viel später erfuhren wir, dass der Kollege eines Tages seine Frau bei einem ‚Einzeltraining‘ mit dem Sportlehrer angetroffen hatte. Diese Ehe hatte nur eine kurze Dauer.

Ein scharfer Schnitt

Mit der Durchführung von Erlassen übertrumpfte man sich in der Administration. Montagmorgen, antreten, Haarappell. Die Haarmode gab damals längere Haare vor. Man war, obwohl Polizist, trotzdem Teil der Gesellschaft. In der Freizeit wollte man ja nicht auffallen. Man fiel sehr wohl aber beim Appell auf. Die Haarspitzen durften ja nur bis zum Hemdkragen reichen. Die Hemden wurden deshalb am Rücken heruntergezogen, um den Abstand zum Kragen zu erhöhen. Bei manchen Kameraden reichte das nicht aus. Einer toupierte seine Mähne so lange, bis sich der erforderliche Kragenabstand einstellte. Am Feierabend wusch er seine Haare, um anschließend langmähnig in die Disco zu gehen.

An diesem Montagmorgen ging der Chef, ein drahtiger, militärischer Typ („Ihr müsst die Arschbacken zusammenkneifen, dass ein 5-Mark-Stück die Prägung verliert, sonst kann ich keine Männer aus euch machen“) um die Gruppe herum und verkündete anschließend lautstark, dass die Haare am Dienstagmorgen einer erneuten Kontrolle unterzogen werden würden. Wehe demjenigen, dessen Haartracht nicht dem Erlass entsprach. Guter Rat war teuer. An anderen Ausbildungsstandorten gab es einen eigenen Friseur. Aber Montag! Kein Friseur hatte offen. In unserer Not bot ich einem Kameraden an, seine Nackenhaare auf die erforderliche Länge zu stutzen. Trotz schwerer Bedenken willigte er ein. Nicht nur er war sehr angetan, auch die anderen Kameraden. Die Zahl der Schnittwilligen stieg sprunghaft an. Ich nahm schließlich eine Flasche Bier für den Haarschnitt. Die Wartezeit verkürzten sich die ‚Kunden‘, indem sie ihre Bierflasche selbst leerten. Es wurde ein schweres Besäufnis. Am Dienstagmorgen war ich der einzige, der einen Rüffel vom Chef erhielt. „Nehmen sie sich ein Beispiel an ihren Kollegen.“ Die ganze Gruppe bog sich vor Lachen und konnte sich kaum mehr beruhigen. Falls das mit der Polizei in die Hosen ging, konnte ich ja immer noch als Friseur….

Vereidigung

Nach etwa drei Monaten war die Vereidigung. Das Ereignis wurde sehr festlich begangen. Im großen Saal in der Zentrale in der Stadt mussten wir antreten. Alle die noch nicht das Handtuch geworfen hatten. Es waren einige gewesen, denen der militärische Drill zu viel war und die uns den Rücken gekehrt hatten. Die, die eine Funktion bei der Zeremonie einnahmen, hatten eine weiße Uniformjacke erhalten. Drei aus der vordersten Reihe traten an einen Tisch neben dem Rednerpult. Stellvertretend für alle legten sie die rechte Hand auf das Grundgesetz und die Landesverfassung. Stolz standen wir mit der erhobenen Schwurhand. Unsere Angehörigen, die zu der Zeremonie eingeladen waren, hatten in Stuhlreihen an der Seite Platz genommen und verfolgten nicht minder stolz diesen ergreifenden Augenblick. Meine Eltern und meine Schwester waren auch angereist. Sie freuten sich, dass aus dem ‚schwarzen Schaf‘ doch noch ein würdiges Mitglied der Gesellschaft geworden war.

Im Vordergrund meine Mutter und meine Schwester

Ein scharfer Schuss zur rechten Zeit

Waffenkunde war bei einigen Waffennarren sehr beliebt, da sie auch privates Interesse hatten. Der Ausbilder ging auf deren Fragen ein und bot ihnen an, beim nächsten Schießen auf der Bahn oben am Berg, die privaten Waffen mitzubringen und zu schießen. Einer der Kollegen brachte dazu einen großkalibrigen Vorderlader mit. Die Waffe wurde im Kreis gebührend bewundert und anschließend geladen. Eine feierliche, fast rituelle Handlung. Der Bleiklumpen wurde in den Lauf gepresst, nachdem die akribisch abgemessene Menge Schwarzpulver eingefüllt worden war. Alle standen in gespannter Erwartung. Ein großer Knall und der Schütze war, unseren Augen verborgen, von einer großen Wolke eingehüllt. Von der Zielscheibe waren nur noch die beiden Stützen übrig, der Rest hatte sich in alle Winde verstreut. Der Schießlehrer war um seinen Schießstand äußerst besorgt und hat das Schießen mit privaten Waffen danach untersagt.

Obwohl ich in meinem Herzen Pazifist war, konnte ich dem Schießen im Liegen mit dem Gewehr etwas abgewinnen. Der Ausbilder schaute mir eine Weile zu und sagte dann: „Sie wackeln dauernd mit dem Gewehr herum und trotzdem schaffen sie es, das Ziel zu treffen. Wie machen sie das?“ Ich erklärte ihm, dass ich warten würde, bis das Ziel vorbeikommt und dann abdrücken. Diese Erklärung machte ihn aber auch nicht schlauer.

Ein Männlein steht im Walde…

Ein älterer Glatzkopf führte uns in die Geheimnisse der Landkarten ein. Nach einiger Zeit stand so eine Art Klassenarbeit an.

Ein Gelände-Orientierungs-Lauf.

Beim morgendlichen Appell erhielten wir eine kopierte Karte auf der fünf oder sechs Ziele eingezeichnet waren. Diese galt es zu finden und anschließend in die Kaserne zurückzukehren. An den Zielpunkten waren Bäume, an denen Stempelstanzen angebracht waren. Mit diesen musste die Karte markiert werden. Nachdem alle Markierungen gesetzt waren, galt die Übung als erfüllt. Bei der Rückkehr würde dann die benötigte Zeit gestoppt. Der Ausbilder versicherte, dass wir bis zum Mittagessen zurück wären und der Chef war zufrieden. Tatsächlich fuhren am späten Abend gegen 21 Uhr Gruppentransporter durch das Waldgebiet, um die versprengte Truppe einzusammeln. Offenbar war noch ein wenig Nacharbeit in Kartenkunde erforderlich.

Beenge Verhältnisse

Die Unterbringung war ein Problem. Vier Mann auf sechzehn Quadratmetern. Zwei Stockbetten, ein Tisch, vier Stühle, vier Schränke und ein Besenschrank. Wenn einer seine Gesetzessammlung zum Lernen aufschlug, war der Tisch belegt. Das brachte uns auf die Idee, zu Dritt eine Einliegerwohnung in der Nachbargemeinde anzumieten. Nach drei Monaten Grundausbildung, die deutlich militärische Züge trug, waren wir von der Residenzpflicht befreit. Stolz stiegen wir am Feierabend in unsere Autos und fuhren in unser trautes Heim. Man fühlte sich privilegiert. Das Appartement war 30 qm groß, hatte ein Bett, eine Kochnische und eine Dusche. Zwei von uns lagen auf einer Luftmatratze und einer Campingliege. Die Mietkosten teilten wir uns auf. Die Reinigung übernahm gegen eine geringe Gebühr die Hausfrau. So konnten wir uns besser auf das Lernen konzentrieren.

Bereitschaft

Nicht sonderlich beliebt waren die Wochenend-Bereitschaftsdienste. Wache schieben am großen Tor; Streife laufen um das Areal herum.

Einer der Ausbilder kontrollierte ganz gerne. Das hatte sich herumgesprochen. Die Doppelstreife war deshalb nicht sonderlich überrascht, als sie einen dunkel gekleideten Mann in einem Gebüsch entdeckte. Als er angesprochen wurde und eine Maschinenpistole auf sich gerichtet sah, stürzte er mit erhobenen Händen aus dem Gebüsch. Er schrie: „Nicht schießen. Ich bin Vater von drei Kindern und gehöre zum Stammpersonal.“ Wie wir später hörten, hatte er seine Kontrollen danach nicht mehr im gewohnten Stil durchgeführt.

Geländewagen im Klassenzimmer

Einmal hatten drei Kameraden von unserer Gruppe die Ehre, das Areal zu bewachen. Auf dem Gelände waren auch die Funker untergebracht, die die dreijährige Ausbildung machten. Ein paar von ihnen kamen am Samstagmorgen und fuhren den Berg hoch, zu ihrem Wachlokal. Mein Kamerad erzählte später, dass die Funker ihren Geländewagen mit laufendem Motor abgestellt hatten. Er sah dann das Fahrzeug rückwärts den Berg herunterfahren. Er dachte noch, dass der Fahrer das Lenkrad einschlagen müsse, um zu wenden. Angeberisch wie die Funker waren, mussten sie wohl zeigen, wie gut sie fahren konnten. Sie fühlten sich uns in der Ausbildungshundertschaft als Praktiker natürlich überlegen. Der Geländewagen nahm Fahrt auf und rollte immer noch rückwärts auf das Tor zu. Der Kollege nahm vorbildlich Haltung an und salutierte, während der Geländewagen in unsere Klassenbaracke neben der Schranke donnerte.

Das Gebäude wurde durch die große Masse des Fahrzeugs einen guten Meter von der Beton-Bodenplatte geschoben. Der Gruppentransporter stand fast vollständig in einem Klassenzimmer; die Heizkörper wie abstrakte Skulpturen im Freien auf der Bodenplatte. Die Baracke konnte nicht mehr benutzt werden. Dies hatte zur Folge, dass sich die gesamte Führung am Montag an der Unglückstelle versammelte, nachdenklich schaute und der Unterricht auf einer Streuobstwiese vor dem Areal abgehalten wurde. Glücklicherweise machte die Witterung mit.

Rechts im Bild die beschädigte Baracke, die gestützt werden musste. Bildmitte oben: Ein Geländewagen, wie er vor dem Unfall abgestellt war.

Es stellte sich heraus, dass der Fahrer des Unglückswagens offenbar die Handbremse für das Gefälle nicht stark genug angezogen hatte oder die Bremse so verschlissen war, dass sie das Fahrzeug nicht halten konnte.

Einmal hatte ich die Ehre der Wochenendbereitschaft. Zu dieser Zeit hatte ich mich auf die Ölmalerei als Hobby verlegt. Drei meiner Bilder wurden im Rathaus meiner Heimatstadt zusammen mit den Werken von anderen Hobbykünstlern ausgestellt. Ich vertrieb mir die freie Zeit auf unserer „Stube“ und malte. Der diensthabende Kommissar machte eine überraschende Gebäudebegehung und fand mich mit einer Palette vor meiner Leinwand. Da ihm so etwas noch nicht untergekommen war, fragte er verschiedene Sachen. Ich beantwortete seine Fragen respektvoll. Die Überraschung folgte am Montag. Nach dem Antreten wurde ich in sein Büro zitiert. Er sprach mich noch einmal auf meine Malerei an und räumte schließlich verschämt ein, ebenfalls der Malerei zu huldigen. Dann enthüllte er ein Bild: Ein Pferd. Er meinte, dass ihn irgendetwas an dem Bild stören würde, er wisse nur nicht, was es sei. Ich war in der Klemme. Sagte ich ihm die Wahrheit, konnte es sich auf meine weitere Karriere schädlich auswirken. Andererseits war schleimen nicht meines. Eine diplomatische Lösung musste her. Das Pferd war grau und biss sich mit dem Hintergrund. Ich sagte, dass das Pferd aussehen würde, als sei es gerade gestorben. Ich schlug vor, ein lasierendes Malmittel mit etwas Braun zu mischen, um dem Pferd einen „wärmeren“ Farbton zu geben. Er war ausgesprochen dankbar für den Rat. Wie dankbar sollte sich später erweisen. Seine Bitte, das Ganze vertraulich zu behandeln, erfüllte ich gerne.

Das Bild in der Judohalle

Zwei Tage später musste ich zum „Großen Chef“. Seine Rangabzeichen waren goldgeschmückt. Entsprechend war die Festigkeit meiner Knie. Was hatte ich angestellt? Hatte ich meinen vorlauten Mund wieder einmal zu weit aufgerissen?

Er bot mir einen Platz vor seinem Schreibtisch an und kam direkt zu Sache: Er habe gesprächsweise gehört, dass ich malen würde. Es gäbe da einen alten Judoraum in der Zentrale in der Stadt, den wir auch nutzten. Es war ein umgebauter ehemaliger Pferdestall. Eine Wand sei kahl und er könne sich eine Verschönerung sehr gut vorstellen. Ob ich mir zutrauen würde, ein Bild an die Wand zu malen. Ein Judomotiv wäre da ganz prima. Allerdings habe man kein Geld, um meine ‚Künste‘ zu bezahlen. Aber das Material würde ich gestellt bekommen. Eine Herausforderung für einen angehenden Kommissar. Ich sagte selbstverständlich zu, ohne zu wissen, was auf mich zukam. Es war eine gekalkte Wand, wie sie in Ställen üblich ist. Mein Material bestand aus einer Dose schwarzer Emaillackfarbe und zwei Pinseln. Ich hatte die Herausforderung angenommen. Vogel friss oder stirb. Ich hirnte den ganzen Abend.

Am nächsten Tag lieh ich das große Episkop aus. Eine Siegerurkunde vom Judo, die ich mir von einem Kameraden ausgeliehen hatte, sollte als Vorlage dienen. Mit dem ganzen Material fuhr ich zur Judohalle. Dort baute ich das Episkop vor der betreffenden Wand auf, legte die Urkunde hinein und voila war ein ‚Schulterwurf‘ an der Wand. Nach einigem Justieren hatte das Bild eine Größe von 2 x 2 Metern. Ich musste nur noch zum Pinsel greifen, die Konturen nachziehen und die Felder ausmalen. Nach knapp zwei Stunden waren zwei Judokas mit einem Schulterwurf an der Wand. Ich packte mein Werkzeug zusammen und brachte das Gerät zurück. Dann ließ ich die Sache gären. Zwei Tage später fragte mich der Chef, wie es denn voranginge. Ich sagte, dass es Fortschritte mache und ich ihn unterrichten würde. Am Freitag meldete ich die Fertigstellung und durfte zusammen mit ihm in seiner Führungslimousine zur Judohalle fahren. Eine Ehre! Er war von dem Bild sehr beeindruckt. Zum Zeitaufwand befragt, sagte ich, dass ich knapp neun Stunden gebraucht habe. Ich erhielt dafür einen Tag Sonderurlaub.

Essenskurier

Bereits zu diesem Zeitpunkt war der Neubau unserer Polizeischule in vollem Gang. In diesen Gebäuden sollte auch eine Kantine entstehen. Bislang wurde das Essen in der Zentralküche gekocht und mit Thermophoren zu unserem Barackenareal gefahren. Dafür wurde nun ein neuer Fahrer gebraucht. Der Kommissar mit dem Pferdebild schlug mich dafür vor. Während die Kameraden exerzieren mussten, fuhr ich das Mittagessen spazieren. Dass es grausig schmeckte, lag aber nicht an meinen Fahrkünsten. Böse Stimmen sagten, dass derjenige, der das Essen in der Kantine überlebt, zur harten Sorte gehöre. Eine Art Terminator.

Der Skikurs

Zur Ausbildung gehörte auch ein Skikursus. Dieser wurde auf einem Berg im Schwarzwald unweit unserer Unterkunft durchgeführt. Wir erhielten altertümliche Skier, Skistiefel und Handschuhe angepasst. Dann fuhren wir mit den Gruppenfahrzeugen los. Wir saßen unter der Plane auf der Ladefläche. Obwohl es zog wie Hechtsuppe, machte die Abwechslung Spaß. Ein paar der Kameraden kamen aus dem Allgäu, zwei hatten sogar einen Skilehrer-Schein. Diejenigen, die fahren konnten, mussten ihre Fähigkeiten präsentieren und durften dann den ganzen Tag alleine fahren. Wir Anfänger lernten Pflug und machten die ersten Versuche. Das ging im oberen Bereich ganz gut. Der Hang war nur leicht geneigt. Erst nach etwa 200 m ging es dann steil hinab zur Talstation. Das mit dem Pflug half nicht mehr, als ich im Abhang war. Ich zog die Notbremse und setzte mich auf die Ski-Enden. Der Effekt war eine rasante Beschleunigung. Ich schoss wie Pfeil den Berg hinunter und rasierte die Wartenden an der Talstation um. Es wurde glücklicherweise niemand verletzt. Bei der Bergfahrt strauchelte ich zweimal und brachte den Schlepplift zum Stillstand. Am Ende des Tages war ich bis auf die Knochen durchnässt. Ein zweiter Georg Thoma würde ich nie werden.

Führungspsychologie

Eine klare Sprache ist ein Merkmal einer guten Führungskraft. Unser Hundertschaftsführer hatte so seine eigenen Vorstellungen in Sachen Sprachschule. Wir mussten uns am Waldrand aufstellen und den § 1 des Polizeigesetzes aufsagen. Besonderheit bei der Übung war, dass sich der Chef in 200 Meter Abstand aufstellte und jedes Wort verstehen wollte. Heute ein Ding der Unmöglichkeit.

Vom Maschinenschreiben war ich befreit, da ich es ja schon in der Schule gelernt hatte. Das ging jedenfalls aus meinem Zeugnis hervor. Die anderen Kameraden saßen nun sechs Wochen lang im Klassenzimmer, um die Kunst des Tippens zu erlernen. Asdf jklö, asdf jklö, asdf jklö. Ich durfte in der Zeit niedrige Tätigkeiten verrichten.

Führerschein

Drei Monate nach Beginn der Ausbildung begann die Fahrschule. Das heißt: Freitagnachmittag vor der Heimfahrt mussten wir regelmäßig antreten. Die Kameraden, die noch keinen Führerschein hatten, mussten nach rechts wegtreten, die mit, durften stehenbleiben. Die Führerscheinbesitzer bekamen ein Regelheft für die Führerscheinausbildung mit dem Bemerken in die Hand gedrückt, dass am Montag die Führerscheinprüfung sei. Am Wochenende konnte man sich dann in das Buch vertiefen und am Montag gleich rein in das Klassenzimmer. Wir bekamen die Führerscheinbogen und machten uns ans Ausfüllen. Dann gab man seinen Bogen ab und ging, nachdem er geprüft worden war, raus zur praktischen Prüfung. Ich wurde auf die Bundesstraße dirigiert, die in dem Bereich dreispurig ausgebaut ist. Vom Hörensagen wusste ich, dass der Prüfer gerne sah, dass dort dann ein Überholvorgang durchgeführt wurde. Mit einem schwach motorisierten Bulli ein gewagtes Unterfangen. Es klappte schließlich, da ein älterer Herr mit betulicher Fahrweise unbewusst half. Im nächsten Ort kam dann eine Kurvenkombination. Ich blinkte. Der Prüfer fragte mich tadelnd, warum ich geblinkt hätte. „Abknickende Vorfahrt“ war meine kurze Antwort. „Ich habe keine gesehen“ war sein Kommentar. Ich sagte voll Überzeugung, dass ich gerne zurückfahren würde, um es zu zeigen. Er winkte jedoch ab, wir fuhren zurück und ich hatte meine Führerscheinprüfung bestanden. Abends fuhr ich die Strecke noch einmal ab. Keine abknickende Vorfahrt!

Nette Geschichten erzählte man sich von einem Fahrlehrer in der Direktion in Göppingen. Vor dem Anfahren am Berg musste der Fahrschüler seine Armbanduhr abgeben. Der Fahrlehrer legte sie dann direkt hinter das Rad auf die Fahrbahn. Rollte das Auto zurück, war die Uhr hinüber. Wie viele Uhren daran glauben mussten, ist nicht überliefert. Kam es beim Schalten zu Geräuschen aus dem Getriebe, musste der junge Uniformierte aussteigen, sich hinter dem Fahrzeug niederknien und laut in Auspuff rufen: °Entschuldigung! ° Und das im normalen Straßenverkehr!

Von meinem Wohnort musste ich immer den ‚Spinner‘ mitnehmen. Er hatte noch keinen Führerschein. Diesen wollte er auf Staatskosten machen. So durfte er sechs Wochen lang bis auf die Schwäbische Alb gondeln, während uns dieses Vergnügen versagt blieb. Danach bekam er von seinem Vater einen neuen Simca 1100. Ich hatte das zweifelhafte Vergnügen am Wochenende abwechselnd mit ihm mitfahren zu dürfen/müssen. Hinweise von mir tat er regelmäßig ab. Einmal musste ich ihm sogar ins Lenkrad greifen, weil er viel zu weit rechts fuhr. Ich schwitzte Blut und Wasser. Was ich später noch mit dem Spinner erlebt habe, ist ein Kapitel für sich. Mit dem anderen Geschlecht hatte er auch so seine Probleme. Er hatte sich in die Tochter eines Bauunternehmers verguckt. Wie er sich der Dame seines Herzens nähern sollte, war ihm vollkommen unklar. Ich wies ihn auf die Möglichkeit des Briefeschreibens hin. Er stellte sich einfach blöd an. So diktierte ich ihm einen Brief an seine Angebetete. Ich glaube, sie hielt es nicht einmal für notwendig, ihm zu antworten. Jahre später hat er trotzdem noch eine recht umfangreiche Dame abbekommen. Seine Eltern waren inzwischen verstorben und er hatte das schmucke Einfamilienhäuschen geerbt. Sie bekamen, soweit ich weiß, zwei Kinder und verwandelten das Häuschen in kurzer Zeit in einen Müllplatz. Er hat dann später beim Landeskriminalamt Karriere gemacht – mit Pferdeschwanz. Aber dort fiel das nicht so sehr auf.

Freitag war der Tag der großen Reinigung. Nicht nur unsere Zimmer und Schränke wurden auf den Stubendurchgang vorbereitet. Wir durften auch unsere Transportbusse reinigen. Der Innenraum wurde mit einem Schlauch ausgespritzt. Kleine Kratzer von den Büschen vor unserer Unterkunft mussten auspoliert werden. Mich stach der Hafer. So reinigte ich den Motorraum. Ein großes Messingrohr bekam eine Sonderbehandlung mit etwas Poliermittel. Wir mussten dann antreten und die Fahrzeuge wurden abgenommen. Nickend gingen die Prüfer die gereinigten Fahrzeuge durch. Einer öffnete schließlich die Motorklappe des Busses und hielt den Atem an. „Wer war das?“ fragte er entsetzt. Ich meldete mich. Er fragte nach Namen und Gruppe. Danach wurde ich nicht mehr zur Fahrzeugreinigung eingeteilt.

Beim Stubendurchgang wurden die Schränke angeschaut. Die Uniformhemden mussten exakt aufeinander liegen. Kante auf Kante, nichts durfte überstehen. Ich wandte einen Trick an. Saubere Uniformhemden lagen im Koffer. Sie wurden herausgenommen und für die Überprüfung in den Schrank gelegt. Der Rest verschwand im Koffer oder dem ‚Essensfach‘ im Schrank, das nicht durchgesehen werden durfte. Es war unglaublich, was in das kleine Fach alles hineinpasste. Nach dem Appell wurde die alte Ordnung wieder hergestellt.

Ein weiteres vorwitziges Verhalten brachte mir einen verspäteten Feierabend ein. Beim Stubendurchgang am Freitag wurden auch die Waffen überprüft. Sie mussten zerlegt vorgelegt werden, dass der Reinigungszustand überprüft werden konnte. Statt in die üblichen vier Teile hatte ich das Gewehr in etwa vierzig zerlegt. „Wenn der Herr Abiturient das so gut kann, darf er es mir nach Feierabend zeigen“. Die Kollegen durften um 16.00 Uhr heimfahren. Ich hatte zwei Stunden ‚Nachsitzen‘ wegen meiner Provokation aufgebrummt bekommen. Das Gewehr wurde unter Aufsicht zerlegt, wieder zusammengebaut und das Spiel begann von vorn. An diesem Freitag kam ich spät nach Hause.

Der Kartenlehrer suchte einmal Freiwillige für eine ‚verantwortungsvolle Aufgabe‘. Es macht sich immer gut in der ‚B-Note‘, sich zu melden. Wir sollten uns um 18.00 Uhr in der Wachstube einfinden. Frage nach der Bekleidung wurde abschlägig beschieden. Einsatzkleidung sei nicht erforderlich. Pünktlich traten wir an. Er schickte uns ins Nebenzimmer, wo mehrere Stapel Gesetzessammlungen lagen. Wir mussten die Nachträge einsortieren. Unsere Begeisterung hielt sich in Grenzen. Er brachte einen Ghettoblaster mit dem Bemerken, dass wir etwas Unterhaltung hätten. Wir hatten äußerst starke Befürchtungen, dass uns alte deutsche Volkslieder entgegen plärren würden. Aber welche Überraschung: Dark side of the moon. Das neue Album von Pink Floyd. Wir fielen fast aus den Schuhen. So etwas hatten wir von ihm absolut nicht erwartet. Er war es auch, der einmal versehentlich die Wand des Nebenraums mit einer Maschinenpistole durchsiebt hatte. Danach trug sie eine Aluminium-Verkleidung.

Sport

Einer unserer Sportlehrer war in seinem Privatleben Handballspieler in einem Bundesligaverein. Der andere hatte an den deutschen 10.000 Meter-Lauf Meisterschaften teilgenommen. Für jemanden wie mich, der zwar Judo mochte, Leichtathletik aber weniger, war es nicht so toll. 5000m-Läufe am Flusslauf entlang oder durch den Wald, waren für mich der Horror. Aber ich war damit nicht alleine. Ein Kamerad aus der Nähe von Ulm, der, wie ich, auch zu den minder groß Gewachsenen gehörte, lief meist mit mir am Ende der Gruppe. Während ich die Zähne zusammenbiss, konnte es passieren, dass er mit einem Hechtsprung im Gebüsch verschwand und dann später mit der Ausrede nachkam, dass er sich den Fuß vertreten hätte.

Zum Schwimmunterricht, der auch zum Pflichtprogramm gehörte, durften wir ins öffentliche Freibad. Ich hatte bereits den Jugendschwimmschein. Das Schwimmen hatte ich mir schon früh selbst beigebracht. Dabei hatte ich einen ungewöhnlichen Rückenschwimmstil entwickelt. Ich bewegte mich wie ein Fisch im und unter Wasser. Allerdings war das angeordnete Brustschwimmen nicht so meines. Dies wurde gleich erkannt und ich wurde zu den Nichtschwimmern gesteckt, zusammen mit zwei anderen Kameraden. Einer konnte das Streckentauchen nicht absolvieren. Er machte später Karriere und war zuletzt Leiter einer Direktion am Bodensee. Der andere kriegte es überhaupt nicht auf die Reihe und musste seine einjährige Ausbildung als Einziger verlängern, bis er schwimmen konnte. Wir Drei genossen eine Sonderbehandlung. Der Kartenspezialist mit der Glatze fuhr mit uns wöchentlich in die nächste Kreisstadt ins Hallenbad. Dort wurde trainiert. Mein Brustschwimmen verbesserte sich, so dass ich die Normen für die Abschlussprüfung erfüllen konnte. Bei dem Versuch, das Streckentauchen über 20 Meter klar zu machen, ertrank mein Kollege fast. Nach der Hälfte der Strecke kamen plötzlich große Luftblasen hoch und seine Bewegungen wurden unkoordiniert. Wir sprangen ins Wasser und zogen ihn heraus. Er hatte eine Menge Wasser geschluckt. Als er wieder zu sich kam, meinte er, er hätte plötzlich den Drang zu atmen gehabt. Das hatte er auch getan – mit den entsprechenden Folgen. Letztendlich hatte er doch noch die Prüfung geschafft.

Bei dieser Prüfung war ich als schwacher Schwimmer der letzten Gruppe zugeteilt. Als ich auf dem Startblock stand, fragte ich den Prüfer, ob ich brustschwimmen müsse. Er meinte, dass ich schwimmen könne, wie ich wolle. Das tat ich auch. Ich legte mit meinem Rückenstil los. Als ich aus dem Becken stieg, hatten die Anderen noch zwei Bahnen, der 300 Meter Strecke vor sich. Die ganze Sonderbehandlung war also völlig umsonst gewesen.

Einer unserer beliebtesten Ausbilder war ein altgedienter Praktiker, der an der ‚Front gekämpft‘ hatte. Bei dem Versuch, auf dem Stuttgarter Volksfest einen betrunkenen Kanadier festzunehmen, hatte ihm dieser einen Finger gebrochen. Der Finger war danach steif geblieben und der Ausbilder für den täglichen Dienst nicht mehr geeignet. Er war deshalb zur Ausbildung gewechselt. Sein Unterricht wurde immer wieder durch praktische Erfahrungen aufgelockert. Er legte uns nahe, bei einem Gebrauch der Schusswaffe dem Angreifer nur auf die Extremitäten zu schießen. Der solle ja nur ‚angetötet‘ werden. In seiner Freizeit war der ‚Antöter‘ ein passionierter Jäger. Er lag immer in freundschaftlichem Clinch mit einem anderen Ausbilder. Der war Schwarzgurtträger im Karate. In seinem Büro machte er einige Kampfbewegungen in Richtung des Kollegen. Der Jäger zog daraufhin seine 38er und schoss ihm vor den Schutzspitzen in den Holzboden. Damit war die Auseinandersetzung entschieden. Es gab auch kein Nachspiel. Niemand hatte etwas gesehen oder gehört.

Einsätze

Das jährliche Seenachtfest in Konstanz stand auch auf dem Programm. Uns fiel die Aufgabe der Verkehrsregelung zu. Zehntausende Zuschauer lockte das Fest mit seinem spektakulären Feuerwerk an. Diese Menschenmassen mussten in geordneten Bahnen zu und später vom Veranstaltungsgelände gelotst werden. Mit unseren Gruppentransportern waren wir angekommen. Es war eine lange Strecke auf den harten Holzbänken der Ladepritsche unter der Plane. Wir standen ein paar Kilometer vor der Stadt. Am Nachmittag regelten wir die Zufahrt von den eintreffenden Besuchern zu den Parkplätzen. Danach war es ruhig. Man brachte uns Erfrischungen vorbei. Es wurde Nacht. Vom Feuerwerk sahen wir nichts, weil wir zu weit weg waren. Als das Feuerwerk zu Ende war, kamen hunderte Autos und Motorräder.

Ich stand auf der Kreuzung und ermunterte, nach vorangegangener Unterweisung, mit Handbewegungen die Verkehrsteilnehmer, etwas Tempo zuzulegen. Die Motorradfahrer waren rasch von Begriff. Sie drehten den Gashahn auf und schossen vor und hinter mir vorbei. Ich kam mir vor wie ein Hula-Tänzer. Es waren oft nur wenige Zentimeter Abstand zu den dröhnenden Boliden. Als wir dann eingesammelt wurden, waren wir halbtot. Ich erinnere mich noch, dass ich auf der Rückfahrt auf dem geriffelten Metallboden lag, mit dem Kopf an einer MP-Halterung, die sich in mein Gesicht gedrückt hatte. Wir lagen alle kreuz und quer übereinander. Die Erschöpfung hatte uns total übermannt.

Aus dem Rahmen fiel auch der Rottweiler Faschingsumzug. Wir mussten dafür sorgen, dass die Narrengruppen zwischen den vielen Zuschauern durchkamen. Unsere Mützen waren stark gefährdet. Die Hexen mit ihren langen Teleskopscheren hatten es auf diese abgesehen. Man musste aufpassen, dass nach Ende des Einsatzes die Uniform noch vollständig war. Das gesamte Spektrum der schwäbisch-alemannischen Fasnet war aufgeboten.

Ein buntes Treiben mit Masken und farbenfrohen Kostümen, an das ich mich noch heute gerne erinnere.