Ich bin so viel mehr als Diabetes - Natascha Amrein - E-Book

Ich bin so viel mehr als Diabetes E-Book

Natascha Amrein

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Beschreibung

Der Tod macht deutlich, wie vergänglich die Erfahrung Mensch ist. Er erinnert uns daran, zu hinterfragen, was wir vom Leben wirklich wollen und wozu wir hier sind. Natascha Amrein hatte mit acht Jahren die Diagnose Diabetes Typ 1 erhalten. Langezeit konnte sie die Diagnose nicht annehmen, kämpfte immer wieder dagegen an und wollte die Krankheit loswerden. Die Begegnungen mit dem Therapeutenpaar gab Natascha Hoffnung. Doch der Preis war hoch. Es folgte ein Nahtoderlebnis mit prekären Folgen. Das Licht und die Liebe, die Natascha während dem Nahtod erfahren durfte, halfen ihr durch die schwierige Zeit. Sie kämpfte sich ins Leben zurück, um die Menschen daran zu erinnern, dass sie so viel mehr sind. So viel mehr als Diabetes, so viel mehr als eine Krankheit und so viel mehr als eine Diagnose.

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Hinweis

Die Autorin lehnt jegliche Verantwortung oder Haftung im Zusammenhang mit dem in diesem Buch enthaltenen Informationen ab. Auch empfiehlt die Autorin in jedem Fall professionelle Hilfe bei Traumata, Krankheiten, Schock, physischen und psychischen Einwirkungen usw. einzuholen. Bei Diabetes ist ärztliche Behandlung notwendig, wichtig und richtig. Auch die medikamentöse Behandlung bei Diabetes ist gemäss ärztlicher Anordnung lebensnotwenig. Bitte halte dich daran. Sollte es dir psychisch oder physisch nicht gut gehen, erlaube dir zu jeder Zeit Hilfe durch ärztliche Versorgung anzunehmen.

„Ich bin nicht das, was mir passiert ist. Ich bin das, was ich entscheide zu werden.“

Carl Gustav Jung

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Die Diagnose und der Beginn der Reise

Neues Umfeld, neue Chance und die alten Probleme

Wahrnehmungsgabe

Neue Wege

Anstehende Veränderungen?

Zwischen Himmel und Erde

Vom Traum zum Alptraum

Lichtblick

Eine aufbauende Reise

Neubeginn oder zurück zum alten Leben?

Verbündete

Der Austritt naht

Aufbruch in ein neues Leben

Abenteuer Leben

Nachwort

Danke

Geschenke für dich

Die Autorin

Feedback

Vorwort

Dies ist die Reise zu mir selbst. Ich habe endlich meine eigene Lebensfreude und die Lust am Leben wiedergefunden. Während dieser Reise habe ich sie erlebt, gefühlt und berührt - die tiefe Liebe. Noch immer springt mein Herz vor Freude, wenn ich an diese Kraft denke. Seit dem Nahtod versuche ich nun der Stimme meines Herzens zu folgen und das Lachen aus dem Herzen wiederzufinden. Es hat mich verändert und das möchte ich nicht missen. Diese Reise führte mich zu der Erkenntnis, dass ich so viel mehr bin als eine Krankheit, so viel mehr als eine Diagnose und so unendlich viel mehr als Diabetes.

Meinen ganz persönlichen Weg zu gehen und ein authentisches Leben zu leben, mit all seinen Höhen und Tiefen ist nun mein Ziel. Ich erzähle dir von der Krankheit, die ich jahrelang ablehnte. Ich befürchtete, dass das Leben nicht mehr als das Schicksal dieser Krankheit für mich bereithielt. Ich lag falsch. Ich irrte und wie ich mich irrte. Es dreht sich nicht alles nur um diese Krankheit oder nicht mehr. Heute bin ich der festen Überzeugung, dass das Leben die ganze Zeit an meiner Seite ist und für mich arbeitet. Es schafft die besten Bedingungen, damit ich mich entfalten, wachsen und mein Bewusstsein erweitern kann. Ich hatte so meine Zweifel mit der Annahme meines eigenen Schicksals. Doch annehmen ist viel mehr als zu tolerieren. Vielleicht erkennst du dich in meinen Worten wieder.

Während der Reise habe ich erkannt, dass ich eine reine und vollkommene Seele bin und hier auf diesem Planeten eine menschliche Erfahrung machen darf. Manchmal in den dunkelsten Zeiten und in den allergrössten Krisen habe ich mir innerlich ein Licht angezündet - ein Licht der Hoffnung auf das, was das Leben für mich bereithält - damit ich den Mut finde, die Chance packe und ein wunderbares Leben geniessen darf. Ich habe verstanden, dass ich zu jeder Zeit eine Wahl habe. Das Leben bietet mir immer die besten Möglichkeiten, um das grösste Wachstum zu ermöglichen. Während der Reise habe ich verstanden, dass es keine Rolle spielt wie ich das Problem angehe, sondern dass ich dafür losgehe, wofür mein Herz schlägt. Lass dich vom Leben tragen und es wird durch dich fliessen. Hab den Mut zu vertrauen, damit dir das Leben die nächsten Schritte zeigt. Das Leben ist ein Tanz zwischen Ereignissen, Erfahrungen und Austausch. Alles ist Schwingung, alles ist Energie und nur das, was du bist, wirst du auch wieder anziehen. Finde deine Balance und lerne endlich zu tanzen.

Mit diesem Buch möchte ich dich dazu ermutigen, immer wieder aufzustehen und dich neu zu entdecken. Denn du bist richtig, wie du bist! Selbst dann, wenn du nicht den gängigen Vorstellungen der Gesellschaft entsprichst oder was auch immer dich davon abhält, du selbst zu sein. Du bist wunderbar!

Danke, dass du diesem Buch deine Aufmerksamkeit schenkst. Möge es dir die Erkenntnisse schenken, die du für dein Abenteuer „Leben“ brauchst.

Die Diagnose und der Beginn der Reise

Wenn ich heute auf meine ersten zwanzig Jahre zurückblicke, erkenne ich sehr viel Leid, Schmerz, Kampf und Wut. Ich führte einen Kampf gegen mich selbst und war wütend auf das Leben mit seinen Herausforderungen.

Davon wusste ich allerdings lange Zeit nichts. Dies waren die Folgen dessen, was ich über die Diagnose meiner Krankheit ‚Diabetes‘ dachte. Ich war gefangen in einem Trauma, welches ich selbst nicht sah und irgendwie auch niemand anderes in meinem Umfeld. Es war eben mein Leben, und ich steckte mitten im Geschehen. Unbewusst litt ich massiv. Selbst habe ich dies nie so wahrgenommen. Mir fehlte damals dieser Blickwinkel. Als Kind mit acht Jahren nimmt man den Lauf der Dinge einfach so hin und ist noch nicht fähig zu reflektieren. Jedenfalls war ich es noch nicht.

Tauchen wir in meine frühe Kindheit ein. Zugegeben, besonders viele Erinnerungen an meine Kindheit habe ich nicht. Ich erinnere mich daran, dass ich viel gelacht habe, neugierig und offen für die Welt war. Ein fröhliches Kind voller Lebenslust, ging ich auf andere zu und war unternehmungslustig. Ich wollte die Welt entdecken.

Doch dann änderte sich schlagartig alles. Schleichend, doch merklich wurde ich in der Schule immer unkonzentrierter, bis ich beinahe oder sogar ganz im Unterricht eingeschlafen bin. Dies war sehr untypisch für mich. Plötzlich war ich so unendlich müde - so erschöpft. Auch meinen Appetit verlor ich, da ich einfach zu müde war, um zu essen. Eigentlich liebte ich das Essen meiner Mutter, doch die Müdigkeit setzte mir zu. Ich war einfach zu erschöpft.

Die Müdigkeit kam sicherlich auch davon, dass ich andauernd mitten in der Nacht aufstand. Oftmals habe ich einen ganzen Liter, wenn nicht mehr, gierig getrunken. Mein ganzer Körper verzehrte sich nach Wasser, ich hatte solchen Durst. Es fühlte sich an, als würde ich verdursten, obwohl ich genug getrunken habe. Ständig war dieser Durst da. Es genügte nie, und nur sehr kurzfristig war mein Durst gestillt.

Neben der Appetitlosigkeit und dem Unkonzentriert-Sein war ich sehr erschöpft und brauchte viel Schlaf. Hinzu kam, dass ich innerhalb kürzester Zeit rasant an Gewicht verlor. Ich war schwach, abgemagert und ständig durstig. Was ich damals nicht gross mitbekommen habe, jedoch heute mit Sicherheit weiss, ist, dass meine Eltern - besonders meine Mutter - sich extreme Sorgen gemacht haben.

Ich erinnere mich, dass ich von der Schule nach Hause kam, meine Mutter mich packte und mit mir zum Hausarzt fuhr. Wir warteten im Wartezimmer der Praxis, das klein und schlicht in Weiss gehalten war. Ein paar gerahmte Bilder zierten das Zimmer mit den schwarzen Stühlen. Ich bin mir nicht mehr ganz sicher, aber ich glaube, es gab dort einen Spielteppich mit einer Strasse, eine Bahn, in der man die Murmeln herunterlassen konnte, und eine weisse Spielküche. Für die Erwachsenen lagen diverse Zeitschriften bereit. Als ich an der Reihe war, wurden meine Mutter und ich in ein Behandlungszimmer gebracht. Der Hausarzt betrat das Zimmer und meine Mutter schilderte ihm die Auffälligkeiten. Daraufhin führte der Arzt einige Tests mit mir durch, bis er schliesslich eine Diagnose stellte.

Die Diagnose lautete Diabetes Typ 1. Damals war diese Diagnose nicht so verbreitet wie heute, auch bekannt unter dem Namen Zuckerkrankheit oder Diabetes mellitus. Es handelt sich um eine chronische Krankheit, bei der die Bauchspeicheldrüse nur noch wenig Insulin (Hormon) produziert, bis schliesslich gar kein Insulin mehr abgegeben wird. Zu diesem Zeitpunkt verstand ich nicht, was das für mich bedeutete oder was auf mich zukommen würde.

Das Einzige, was ich in der Arztpraxis meines Hausarztes verstand, waren die beiden Möglichkeiten, die er uns mitteilte. Möglichkeit Nummer eins: Sofort nach Hause zu gehen, meine Sachen zu packen, eine Bouillon zu trinken und dann umgehend ins Krankenhaus zu fahren. Oder die Variante Nummer zwei: Auf die Ambulanz zu warten, die mich direkt mitnehmen würde. Ich war zu diesem Zeitpunkt zu erschöpft, um überhaupt reagieren zu können. Was geschieht da bloss? War einer der Gedanken, die in meinem Kopf umherschwirrte.

So entschied meine Mutter, umgehend nach Hause zu fahren, meine Sachen zu packen und ins Krankenhaus zu fahren. Für unterwegs bekam ich eine Bouillon, an der ich nippte. Ich erinnere mich daran, dass ich auf dem Rücksitz sass und je näher wir dem Krankenhaus kamen, desto mehr verlor ich mein Bewusstsein und der komatöse Zustand rückte näher. Das Personal wartete bereits auf mich, um mich umgehend in Empfang zu nehmen.

Als ich aufwachte, befand ich mich auf der Intensivstation. Es kann gut sein, dass zwischen der Einlieferung und meiner Erinnerung ans Aufwachen bereits ein paar Tage vergangen sind, vielleicht auch nur ein paar Stunden. In meiner Erinnerung lag ich in einem abgedunkelten Raum mit diversen Maschinen, die irgendwelche Töne von sich gaben. Mittlerweile steckten einige Schläuche in mir, was zu meiner eingeschränkten Bewegungsfreiheit führte. Ich verbrachte einige Zeit auf der Intensivstation, bevor ich verlegt werden konnte. Aufgrund meines Zustandes erinnere ich mich nicht mehr an alle Einzelheiten. Es war damals kein Ort, an dem Kinder sein sollten.

Anfangs schien die Welt für mich noch in Ordnung zu sein. Ich hatte eine nette Zimmernachbarin, mit der ich mich gut verstand. Wir spielten oft Kartenspiele, was ich sehr mochte. Jeweils am Mittwoch wurde der Fernseher bestellt. Damals war dies ein sperriges, klobiges, schwarzes Gerät, welches dann auf einer Karre in unser Zimmer gerollt wurde. Damals gab es noch keine Plasmafernseher, geschweige denn ein eigenes Gerät in den Räumlichkeiten. Wir schauten jeden Mittwoch Kommissar Rex. Wir verstanden uns richtig gut. Sie war einiges älter als ich und bereits einige Zeit dort. Auch sie hatte die Diagnose Diabetes. Doch leider verliess sie mich schon bald, denn ihr Austritt stand bevor. Und ich war wieder allein.

Eine Ärztin erklärte mir damals meine Krankheit so: Ich könne es so sehen, dass jeder seinen Rucksack zu tragen hat und jener mit Diabetes nun meiner sei. Dazu gehört das tägliche Spritzen und Messen des Blutzuckers. Und wenn ich das nicht tue, dann hätte ich später Folgeerkrankungen und könnte möglicherweise blind werden, einen Herzinfarkt usw. bekommen. Die Krankheit, die ich nun hatte, war meine Bürde. Ich hasste diesen Spruch.

Jedes Mal, wenn ich diesen Spruch mit dem Rucksack hörte, egal in welchem Zusammenhang, hätte ich kotzen können. Für mich war die Krankheit kein Rucksack, für mich war es ein Klotz am Bein, den ich nicht mochte und den ich loswerden wollte. Ich fand es richtig ätzend. Meine Eltern versuchten es auf ihre Art. Sie meinten, ich sei halt anders.

Doch ich wollte nicht anders sein, ich wollte normal sein. Ich verstand nicht, was sie mir damit sagen wollten. Ich fühlte mich aufgrund der Krankheit anders. Aus heutiger Sicht nehme ich an, dass sie wohl sagen wollten, dass sie mich so nehmen, wie ich bin. Denn Anderssein ist wundervoll. Niemand ist gleich wie der Andere – alle sind anders, alle sind einzigartig. Das verstand ich allerdings zu jener Zeit noch nicht. Ich assoziierte anders sein mit nicht wie die anderen sein und damit ‚nicht normal sein‘. Wie der bunte Hund, der in der Masse nicht untergehen konnte, den alle sahen und was sie sahen, war meine Krankheit, die ich nicht haben wollte.

Eines Morgens kam ich nach einer Untersuchung zurück in mein Zimmer und ein neues Mädchen war da. Sie war älter als ich, hatte schwarzes langes Haar und war dünn und blass. Ihren Namen habe ich in der Zwischenzeit vergessen. Sie schien jedoch nett zu sein. Ihre Haare waren offensichtlich gefärbt und sahen nicht sonderlich gesund aus, so wie sie selbst.

Wie sich mit der Zeit herausstellte, war sie magersüchtig. Ich kann mich gut daran erinnern, wie sie jede einzelne Schokoladenpraline aus dem glänzenden blauen Papier nahm und in sich hineinstopfte. Danach folgte ein grosser Schluck Cola. Kaum hatte sie die Cola hinuntergeschluckt, stand sie auf und verschwand auf der Toilette. Die Wahrscheinlichkeit war gross, dass sie sich übergab, denn ihre Würgegeräusche waren durch die Badezimmertür zu hören. Als sie die Toilettentür öffnete und aus dem Badezimmer trat, wischte sie sich den Mund ab. Anschliessend streckte sie mir die Schachtel mit den Schokoladenpralinen hin und bot mir ebenfalls eine an. Ich lehnte ab, und sie zuckte mit der Achsel, und das Thema war erledigt.

Durch die Krankheit wurde mir nun beigebracht, nicht mehr nach Lust und Laune zu essen - als hätte ich das je einmal getan. Bei uns zu Hause gab es feste Essenszeiten, und das schien für mich auch weiterhin so zu laufen. Aufgrund meiner Krankheit musste ich nicht nur regelmässig meinen Blutzucker kontrollieren, sondern auch Medikamente (Insulin) spritzen.

Die Therapien waren damals noch nicht so fortschrittlich wie sie es heute sind. Es gab noch keine flexiblen Insulintherapien, und auch die Technologie von damals unterschied sich von der heutigen. Dadurch war ich an feste Pläne gebunden, die vorschrieben, wann und wie viel ich zu essen hatte. Hinzu kamen die täglichen Spritzen, die mich an genaue Uhrzeiten fesselten. Tabellen und Schemata bestimmten ab nun den Alltag. Komme, was wolle - es musste nun so eingehalten werden. Im Krankenhaus empfand ich dies noch nicht so einschneidend, denn das Fachpersonal übernahm diesen Part. Zu Hause sah es dann ganz anders aus.

Besonders erdrückend in Erinnerung geblieben ist mir, dass meine neue Nachbarin bei jeder Untersuchung oder überhaupt, wenn jemand sich bei ihr erkundigte, augenblicklich an die Decke ging. Sie war sehr aggressiv. Sie hat immer und immer wieder auf das Personal eingeschlagen, sobald die Fachkräfte in unser Zimmer traten. Dies führte dazu, dass ich vor jeder ihrer Untersuchungen abgeholt wurde und vor dem Zimmer warten musste. Sie war so ausser sich, dass es nicht ausreichte, dass sich nur jemand die Untersuchung vornehmen konnte. In der Regel gingen drei Fachkräfte in das Zimmer. Jedes Mal dieselbe Tortur. Sie flippte total aus. Es war der Horror, und ich verstand nicht, was da genau passierte. Diese Gewalt kannte ich nicht. Das Personal bekam dabei oft einiges ab.

Wenn ich die Situationen aus heutiger Sicht betrachte, vermute ich, dass sie sich in einer ähnlichen Situation befunden haben könnte wie ich, als ich neu ankam. Wahrscheinlich hatte sie Angst, und die Aggressivität war ihre Art, damit umzugehen.

Wenn ich nicht draussen wartete oder keine weiteren Termine hatte, wurde ich zu einem Jungen gebracht. Er war in meinem Alter und hatte Krebs. Seine Haare waren ihm bereits alle ausgefallen, und er sah blass aus. Sein Zimmer war mit Fenstern zum Flur hin ausgestattet, durch die man ihn beobachten konnte. Er hatte ein Einzelzimmer und einige Spielsachen. Er schien schon eine Weile im Krankenhaus zu sein. Wie Kinder in diesem Alter sind, offen und direkt, hat er mir sofort mitgeteilt, dass er Krebs hat. Er wollte wissen, was ich hier tue, ich sähe ja nicht so aus, als ob ich krank sei. So erzählte ich ihm, dass ich die Zuckerkrankheit habe und nun spritzen muss.

Der Junge tat mir oft leid, da er den ganzen Tag allein im Zimmer sass. Er spielte mit den Spielsachen, die ihm seine Eltern brachten. Ich wusste intuitiv, dass es nicht gut um ihn stand. So schlimm, dass er womöglich das Krankenhaus nicht mehr verlassen würde. Nach einer Untersuchung bekam ich mit, dass meine Zimmernachbarin versucht hatte, sich das Leben zu nehmen. Sie wollte aus dem Fenster springen, konnte allerdings in letzter Sekunde davon abgehalten werden. Den Sprung hätte sie wohl kaum überlebt. Danach wurde sie in die psychiatrische Klinik eingewiesen. Später habe ich vernommen, dass auch dies ihre letzte Station war.

Durch diese Ereignisse wurde das Krankenhaus für mich ein Ort des Schmerzes, der Verzweiflung und des Todes. Es war verbunden mit Trauer, Wut und dem Gefühl des Ausgeliefertseins. Auf keinen Fall mit Heilung, Gesundheit, Genesung und Hoffnung. Meine Erinnerungen an Krankenhäuser waren daher nicht besonders positiv geprägt.

Als Vorsichtsmassnahme hatte ich lange Zeit an jedem Arm eine Schiene. Auf der einen Seite mit einem roten, auf der anderen Seite mit einem grünen Verband und einige Infusionen. Für mich war es so, als würde ich ständig gestochen werden. Die Schienen schränkten mich bei der Bewegung ein und störten mich. Ausserdem waren sie unangenehm.

Mit dem Aufenthalt im Krankenhaus änderte sich mein Leben komplett. Ab sofort bekam ich täglich meine Insulinspritzen und musste mich mehrmals am Tag in den Finger stechen, um meine Blutwerte zu kontrollieren. Die täglichen Spritzen wurden damals altmodisch aufgezogen, und das Insulin gab es in zwei kleinen Fläschchen. Mein Tagesablauf wurde noch strukturierter als er schon war, und mein Essen gab es nun rationiert, abgewogen und als Sonderkost.

Ein einschneidendes Ereignis, welches ab da mein Leben komplett auf den Kopf stellte. Nicht nur mein Leben, sondern auch das Leben meiner ganzen Familie. Zu diesem Zeitpunkt realisierte ich zwar, dass mein Leben nun anders aussehen würde, was mir bereits bewusst war, als ich ins Krankenhaus kam. Doch was das alles beinhaltet, wusste ich nicht.

Ungefragt und unvorbereitet schickte mich das Leben in die neue Aufgabe – ich sprang ins kalte Wasser. Und nun hiess es „Auf Wiedersehen Freiheit“. Ich hinterfragte nicht, ich tat. Dabei fühlte ich mich blockiert, ausgeliefert, machtlos und stumpf – schlichtweg ohnmächtig und übergangen. Es war ein durchgehend betäubtes Gefühl. Die Unbeschwertheit, die Leichtigkeit und meine fröhliche Art waren verschwunden. Es fühlte sich für mich so an, als hätte man mir den Teppich unter den Füssen weggezogen. Ich fühlte mich dem Leben entrissen. Ich hatte keine Zeit, mich von dem alten Leben zu verabschieden, damit ich das Neue willkommen heissen konnte. Ich konnte nicht um das alte Leben trauern. Das neue Leben war bereits da, und ich musste nun hineinpassen, mit allem, was nun auf mich zukam. Ich war innerlich schockgefroren und versuchte zu funktionieren. Ich hatte keine Zeit, um das alles, was da geschah, zu verdauen.

Wenn ich an meine Eltern zurückdenke, erinnere ich mich besonders an eine Situation. Meine Mutter hat aus Verzweiflung das Personal angeschrien: „Geben Sie mir mein Kind zurück, das ist nicht mehr mein Kind!“ Eine erschreckende, traurige und herzzerreissende Situation. Und tatsächlich, einen Teil von mir habe ich im Krankenhaus gelassen. Dieser Teil, der mit all den anderen Kindern dort im Krankenhaus zurückblieb. Ein dunkler Schleier hat sich über mein Leben gelegt. Immer wieder habe ich mich gegen all die Spritzen gewehrt, die nun meine Eltern setzen mussten, nur um mich der Situation immer wieder und wieder zu ergeben. Schliesslich liess ich es über mich ergehen. Es war für alle hart. Es war für alle traurig.

Schnell wurde mir klar, dass ich, wenn ich mir selbst die Spritze injiziere, mir die Stelle besser aussuchen könnte und es weniger schmerzhaft wäre. Dementsprechend lernte ich schnell erwachsen zu werden und übernahm bald die Verantwortung für meine Gesundheit. Diese Zeit war ein dunkles Kapitel in meinem Leben – die Diagnose 'Diabetes' veränderte vieles, wenn nicht sogar alles für mich. Bei jeder Injektion verspürte ich einen zerreissenden Schmerz.

Innerlich kämpfte ich immer wieder gegen ein erneutes Injizieren der Spritze an. Im Umfeld wurden die Stimmen laut, und immer wieder hörte ich den Satz: „Oh, ich könnte das nie spritzen.“ Wie lächerlich, dachte ich, ich wurde schliesslich auch nicht gefragt! Friss oder stirb, hiess es. Also tat ich, was getan werden musste, um zu überleben. Üblicherweise legte ich mich dabei auf mein Bett, spannte mich vor Angst an und liess dann letzten Endes die Spritzen über mich ergehen.

Die Krankheit stand in unserem Familienleben nun im Mittelpunkt, und weil ich diejenige mit dieser Krankheit war, galt mir die ganze Aufmerksamkeit. Allerdings mochte ich das überhaupt nicht. Ich wollte die Krankheit nicht, und genauso wenig wollte ich diejenige sein, die Diabetes hat und spritzt. Damals dachte ich, ich bin die Krankheit, und das wollte ich auf keinen Fall. Nicht selten war der erste Satz meiner Grossmutter, wenn sie mich sah: „Und wie geht’s dem Diabetes?“ Ich dachte nur, “Hallo, sieht mich denn keiner? Wieso immer erst die Frage nach meiner Krankheit? Sie rennt nicht weg oder verschwindet einfach so. Was soll also diese Frage?!“

Ich erinnere mich, wie es war, als ich zurück in die Schule durfte. Von meinen damaligen Klassenkameraden habe ich ein grosses Herz aus Papier bekommen. Jeder der Mitschüler hatte einen Teil des Herzens gemalt. Was eigentlich nett war, doch ich konnte mich daran nicht erfreuen. Wahrscheinlich erinnerte es mich zu sehr daran, dass ich nicht in der Schule gewesen war und stattdessen diese Zeit im Krankenhaus verbracht hatte mit dieser doofen Krankheit. Dieser Aufenthalt hatte mich verändert.

Von den Schulkindern war ich nun diejenige, die sich spritzen musste, besondere Aufmerksamkeit brauchte und sich in den Finger pikste. Immer wieder ertrug ich diese Schikane meiner Mitschüler. Ich fühlte mich wie betäubt. Obwohl ich mit den Mitschülern im Unterricht sass, war ich dennoch nicht wirklich da. Es war nur noch eine Hülle von mir selbst, die da sass.

Meine Mutter tat alles, um das beste Diabetiker-Kind zu haben. Weil man ihr geraten hatte, fettfrei zu kochen, hatte sie ab da anders gekocht. Dies führte zu einer sorgfältigeren und ausgewogeneren Auswahl der Mahlzeiten. Das Gute an der ganzen Geschichte war, dass ich Gemüse und Obst schon immer liebte. Zu Hause wurde einiges auf Light-Produkte umgestellt, was so manche Unannehmlichkeiten mit sich brachte, wie Durchfall. Und auf Süssigkeiten wurde komplett verzichtet. Irgendwie brannte sich der Verzicht auf Süssigkeiten so in mir ein, dass ich mich Jahre später erstmals wieder an das Thema herantasten musste.

Meine Eltern haben alles unternommen, damit ich die besten Werte hatte und das Vorzeige-Diabetiker-Kind war. Was unter anderem beinhaltete, alle drei Monate zum Spezialisten zur Kontrolle gehen zu müssen. An meinem freien Mittwochnachmittag, wenn alle anderen Mitschüler frei hatten und draussen spielten, ist meine Mutter mit mir zum Spezialisten gefahren. Dies bedeutete jeweils eine Zugreise von einer Stunde. In der Sprechstunde habe ich beinahe jedes Mal eine Riesenszene gemacht und wurde richtig unangenehm. Ich machte meiner Mutter bei jedem Termin Vorwürfe, was mir heute sehr leidtut. Ich wollte das alles nicht, und ich wollte auch nicht, dass mir jedes Mal Blut abgenommen wurde.

Ich wollte diese Scheiss-Krankheit nicht. Ich fühlte mich oft machtlos, ohnmächtig, verzweifelt, traurig, verletzt und kochte vor Wut. In meinen Augen war die Krankheit schuld an allem, schuld an meinem Leben, schuld an all dem Schmerz usw.

Ich stellte mir andauernd die Frage „Wieso ICH?“ Meine Mutter litt sehr unter meiner nicht kanalisierter Wut und bekam immer wieder einiges ab. Und das nicht genug. Wie oft habe ich die Krankheit als Druckmittel gegen meine Eltern verwendet? Ich weiss nicht mehr, was ich in den unzähligen Sprechstunden alles gesagt und getan habe. Was ich allerdings weiss, ist, dass ich unausstehlich und voller Zorn war - ein richtiger Dickschädel, der mit dem Kopf durch die Wand wollte. Am Ende der Sprechstunden gab es oft eine Blutabnahme, die ich stets verweigert habe.

Ich hatte Angst vor den Injektionen. Zu oft hatte ich mich bereits stechen lassen, und es tat weh. Ich verkrampfte mich, und folglich führte dies zu noch mehr Schmerzen – was für ein Teufelskreis. Nach jeder Sprechstunde gingen wir zusammen shoppen, um nach dem Horror doch noch einen schönen Nachmittag zu haben. Meine Mutter meinte es gut mit mir, und ich war der kleine unermüdliche Tyrann. Ich wusste es nicht besser, und meine Eltern waren vermutlich auch überfordert mit mir, mit der Krankheit und mit allem, was da dazu gehörte.

Meine Mutter wollte, dass die Krankheit etwas ganz Normales für mich war. Sie zwang mich, in der Öffentlichkeit zu spritzen. Sie wollte, dass ich mich nicht schämen musste. Doch je mehr sie das für mich wollte, umso mehr schämte ich mich. Ich mochte weder die unangenehmen Blicke der Anderen noch die Fragen. Und keinesfalls konnte ich es ausstehen, wenn mich jemand als „du Arme“ bezeichnete. Ich wollte nichts anderes als normal sein, so wie alle anderen ohne diese Krankheit, ohne zu spritzen und ohne diese ständigen Kontrollen. Ich hatte keine Kindheit. Stattdessen wurde ich viel zu schnell erwachsen.

Die Arztbesuche waren für mich persönlich ein enormer Stressfaktor. Was in meiner Jugend dazu führte, dass ich die Termine mehr und mehr herausschob und sie kaum noch wahrnahm. Hinzu kam meine Angst, eine Standpauke von den Ärzten zu kassieren und als komplette Versagerin dazustehen. Ich hatte das Gefühl, keinem mehr was recht machen zu können.

Schliesslich mied ich die Arztbesuche gänzlich. Andauernd wechselte ich den Arzt, da ich der Meinung war, dass keiner wirklich gut sei. Allerdings war es eine billige Ausrede. Es lag nicht an den Ärzten, es lag an mir. Ich war uneinsichtig und stur. In meinen Augen ein Opfer meines eigenen Lebens. Alles, was mit der Krankheit in Verbindung stand, blockte ich komplett ab. Ich wollte mich damit nicht auseinandersetzen.

Mittlerweile hatte ich eine dicke, eiserne Mauer um mich errichtet - ein Selbstschutz, damit ich nie wieder so verletzt werden konnte. Stattdessen führte dies wohl eher dazu, dass ich mich selbst verletzte, weil ich niemanden mehr an mich heranliess. Ich kapselte mich ab und zog mich zurück. Meine Werte waren nicht das Gelbe vom Ei, und ich steckte wieder einmal, wie so oft, in einem endlosen Teufelskreis fest. Was folgten, waren Enttäuschungen.

Keinesfalls hätte ich damals den Arzt als eine Unterstützung angesehen. In meiner Welt war der Arzt ein Feind, und das Krankenhaus ein Ort des Grauens. Ich litt an einer Weisskittel-Phobie und sah den Arzt nicht mehr als Mensch.

Für mich fühlte es sich so an, als gäbe es nur Richtwerte, Tabellen und Schemen, an die ich mich zu halten hatte. Die Menschlichkeit versagte in meinen Augen komplett. Ich fühlte mich leer. Es schien fast so, als wartete ich darauf, dass das Leben an mir vorbeizog und hoffte, dass das Leben irgendwann einmal besser werden würde. Es war grauenhaft.

Irgendwie war ich nie wirklich anwesend. Ich baute eine andere Welt um mich auf. Ich ignorierte, stagnierte und war weiter innerlich leer. Was ich eigentlich gebraucht hätte, wäre ein liebevoller Umgang gewesen - doch selbst wenn es den gab (und den gab es sicherlich), war ich schroff, abweisend und kampfbereit. Ich lebte nicht, ich überlebte.

Mein Leben war ein einziger Krampf. Ich kapselte mich mehr und mehr ab und zog mich zurück. Wie eine Schnecke verkroch ich mich in meine eigene Welt, in mein eigenes Zimmer und in meine eigene Fantasie, in mein eigenes Schneckenhaus. Nur wenn es unbedingt sein musste, verliess ich mein vertrautes Heim. Die Trennung zwischen meinem Leben und dem Leben meiner Familie baute sich konstant auf. Natürlich gab es auch seitens meiner Mutter Versuche, damit ich über mich selbst hätte sprechen können.

Doch so stur wie ich war, hätten mich keine zehn Pferde dazu gebracht.

Vielleicht hatte ich damals auch den Glauben und das Vertrauen in das Gute im Leben verloren. Um aus diesem Schlamassel herauszufinden, half auch keine Fachperson oder sonst jemand. Ich war nicht bereit dazu, und ich wollte auch nicht. Hätte ich damals zu einer Psychologin gehen müssen, so hätte ich wahrscheinlich einfach die Stunde abgesessen und geschwiegen. Vielleicht wäre ich einfach nicht hingegangen und hätte meiner Mutter erzählt, dass ich da war, um weitere Fragen von ihr zu vermeiden.

Andauernd fragte ich mich „Wieso ich?“ Diese Frage lähmte mich. Ich war wütend auf das Leben und wütend auf die Krankheit.

Ich fühlte mich mit meiner Trauer alleingelassen, nicht verstanden und nicht gesehen. Ich mied jede Art von Mittelpunkt. Ich fühlte mich wertlos und ungeliebt. Nach aussen wirkte es vielleicht anders, keine Ahnung. Ich hatte keinen Anschluss in der Klasse und traute mich nicht, mich zu öffnen. Ich fühlte mich in der Welt, in der ich lebte, nicht sicher. So wie ich die Krankheit ablehnte, so fühlte ich mich von allem und jedem abgelehnt und nicht verstanden.

Ich erinnere mich an meinen Geburtstag: Die ganze Klasse hatte ich eingeladen und mich gefreut, dass sie kamen - stattdessen kam ein Mädchen, das sich dann frühzeitig wieder aus dem Staub machte. Ich fühlte mich alleine gelassen und traurig. Ich war hilflos, und ich war die Aussenseiterin, die anders war. Neben all den Widerständen war da auch dieses weise Mädchen in mir, das manchmal auch Dinge von sich gab, die manche in Erstaunen versetzten. Wie passte das zusammen?

Natürlich gab es auch gute Momente, in denen gelacht wurde und ich Kind sein konnte. Allerdings wurden diese Momente überschattet von dem Gefühl des Andersseins, der Trauer, des Ablehnens und der Wut.

Es war so viel Wut und so viel Zorn in mir.

Neues Umfeld, neue Chance und die alten Probleme

Nachdem ich in der Schule ein Jahr wiederholen musste, veränderte sich mein Leben aufs Neue.

Ich kam in die Oberstufe, und die Karten wurden neu gemischt. Plötzlich hatte ich Anschluss gefunden, bekam neue Freunde, und alles schien besser zu werden. Der Anfang von etwas ganz Grossem begann. Ich hatte genug vom ewigen Trübsal blasen. Ich wollte Spass und die Unbeschwertheit zurück. Um es in den Worten von damals zu formulieren, ich wollte ausbrechen. Mir wurde auf einmal klar, dass das nicht alles sein konnte.

Das Leben, wie ich es bisher kannte, wollte ich so nicht mehr weiterleben. Ich wollte aus diesem bisherigen Leben ausbrechen. Mir reichte es – es war genug! Genug Trauer, genug Wut, genug von dem ganzen Scheiss. Innerlich hatte ich den Wunsch nach einem aussergewöhnlichen und freudvollen Leben. In der Klasse, in der ich war, war der Zusammenhalt fantastisch. Jeder einzelne war ein Mitglied dieser Klasse, egal wie er war. Man hatte fast das Gefühl, wir waren alle miteinander verbunden. Nichts, rein gar nichts, hätte diesen Zusammenhalt trennen können. Eher zum Leidwesen der Lehrer, die wir oft auf die Schippe nahmen, besonders dann, wenn wir ausser Rand und Band waren - und das waren wir sehr oft. Jeder einzelne Tag war eine grossartige Party.

Diese Zeit war für mich eine gigantische Zeit, in der ich mich absolut wohl fühlte. Mein Leben nahm plötzlich eine andere Wendung. Es schien fast so, als wäre die Nacht zum Tag erwacht. Als würde ich aus meiner inneren Welt ausbrechen und in die reale Welt eintauchen. Es fühlte sich für mich fast so an, als wäre dies ein anderes Leben.

Wenn ich jedoch genauer hinschaute, erkannte ich, dass so einiges nicht im Lot war. Meine Einstellung gegenüber der Krankheit und mein Umgang damit waren noch nicht ideal. Für mich stand damals die Party im Vordergrund. Selbstverständlich habe ich mich in meiner Jugend ausprobiert und die Grenzen getestet.

Allerdings waren die Probleme unübersehbar. Die Wahrheit war, dass ich meinen Kummer, mein Gefühl der „Nicht-Akzeptanz und die Ohnmacht gegenüber der Krankheit“ im Alkohol ertränkte. Wenn ich die Flasche ansetzte, war sie danach leer. In der Tat wurde der Rebell in mir geboren. Ich wusste mir nicht anders zu helfen, und ich war wahrscheinlich überfordert mit all dem. Meine Eltern meinten, ich sei halt ein Teenager, da gehört das Ausloten der Grenzen dazu.

Ich selbst wusste, dass das mehr als nur das Ausloten der Grenzen war. Das Einzige, was ich kannte, war es, zu rebellieren. Ich rebelliere für eine andere Wendung in meinem Leben. Ich fühlte Spass und Leichtigkeit, wenn ich Alkohol trank. Wenn ich trank, ertrank ich sogleich all meine Sorgen und konnte die Krankheit ausblenden. Endlich zeigte sich dann die Natascha, die ich so gerne war. Wild, frech und um keinen Spruch verlegen. Ich stumpfte mich ab, und keiner kam an mich ran.